Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.203/2004
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1P.203/2004 /bie

Urteil vom 2, Juli 2004

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident,
Bundesgerichtsvizepräsident Nay,
Bundesrichter Aeschlimann,
Gerichtsschreiber Härri.

X. ________, Beschwerdeführer,
vertreten durch Fürsprecher Dr. Urs Oswald,

gegen

Bezirksgericht Baden, 1. Abteilung,
Ländliweg 2, 5400 Baden,
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus, 5001 Aarau,
Obergericht des Kantons Aargau, 2. Strafkammer, Obere Vorstadt 38, 5000
Aarau.

Strafverfahren; willkürliche Beweiswürdigung,
rechtliches Gehör,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons
Aargau, 2. Strafkammer,
vom 23. Februar 2004.

Sachverhalt:

A.
Mit Strafbefehl vom 15. April 2002 verurteilte das Bezirksamt Baden
X.________ wegen Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über den Umweltschutz,
das Bundesgesetz über den Wald und das kantonale Baugesetz zu Fr. 500.--
Busse. Das Bezirksamt befand, X.________ habe seit ca. 6. Juni 2001
(festgestellt am 21. Juni 2001) in S.________, Gebiet "N.________", Parzelle
.... und im angrenzenden Waldrand diesen Gesetzen zuwidergehandelt, indem er
(1) im Wald mit Aushubmaterial eine Deponie errichtet habe; (2) nicht
bewilligtes Material für eine Wegverstärkung verwendet habe; (3) Bauten,
Ablagerungen und Terrainveränderungen ohne Baubewilligung vorgenommen habe.
Insbesondere sei folgender Vorgang festgestellt worden: X.________ habe auf
dem Land seiner Mutter die Sanierung eines Rohrbruchs organisiert. Dabei habe
er veranlasst, dass der Aushub im Gebiet "N.________" zur Aufschüttung eines
Strässchens verwendet bzw. im Wald, entlang des Strässchens, aufgeschüttet
worden sei.

Gegen den Strafbefehl erhob X.________ Einsprache.

Mit Anklageverfügung vom 17. Mai 2002 beantragte die Staatsanwaltschaft des
Kantons Aargau dem Bezirksgericht Baden, X.________ gemäss Sachverhalt des
Strafbefehls zu Fr. 1'000.-- Busse zu verurteilen.

Am 12. März 2003 erkannte ihn das Bezirksgericht schuldig der mehrfachen
Widerhandlung gegen das kantonale Baugesetz sowie der Widerhandlung gegen das
kantonale Waldgesetz und bestrafte ihn mit Fr. 1'000.-- Busse.

Die von X.________ dagegen erhobene Berufung wies das Obergericht des Kantons
Aargau am 23. Februar 2004 ab.

B.
X.________ führt staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, das Urteil des
Obergerichtes aufzuheben.

C.
Das Obergericht hat sich vernehmen lassen mit dem Antrag, die Beschwerde
abzuweisen.

Das Bezirksgericht und die Staatsanwaltschaft haben auf Gegenbemerkungen
verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Der Beschwerdeführer bringt vor, es werde ihm zur Last gelegt, er habe
auf einem alten Wiesenweg eine Deckschicht angebracht und damit ein neue
Strasse angelegt; dafür hätte er eine Bewilligung gebraucht; da er nicht über
eine solche verfügt habe, habe er gegen das kantonale Baugesetz verstossen;
dem kantonalen Waldgesetz habe er zuwidergehandelt, weil er Aushubmaterial im
Wald abgelagert habe.

Er wendet ein, das Obergericht stütze seine Feststellungen, wonach es sich
beim überdeckten Weg um einen alten Wiesenweg gehandelt habe und wonach die
Deponiefläche mit Wald bestockt gewesen sei, auf Fotos, welche diese Fragen
nicht beantworten könnten. Die Fotos zeigten die angebrachte Deckschicht, so
dass der darunter liegende Weg nicht sichtbar sei. Überdies sei auf keinem
der Fotos die Zwischenablagerung ersichtlich. Damit könne auch nicht
beurteilt werden, ob sich diese Ablagerung auf Waldgebiet befunden habe. Eine
derartige Beweiswürdigung sei schlechterdings unhaltbar und daher
willkürlich.

1.2 Das Obergericht führt (S. 6 E. 2a/aa) aus, anhand der Fotografien der
Kantonspolizei sei klar erkennbar, dass der Beschwerdeführer einen
unscheinbaren Wiesenweg zu einer eigentlichen Strasse ausgebaut habe. Für die
neue Strasse hätte er eine Bewilligung gebraucht. Das Obergericht (S. 7 oben)
fügt hinzu, die Bewilligungspflicht hätte auch dann bestanden, wenn davon
ausgegangen werden müsste, dass es sich nur um eine Umgestaltung gehandelt
habe.

Für die rechtliche Würdigung des Obergerichtes spielte es somit im Ergebnis
keine Rolle, ob unter der Deckschicht ein unscheinbarer Wiesenweg lag oder
nicht. Der Beschwerdeführer hat deshalb kein rechtliches Interesse an der
Behandlung der Willkürrüge im vorliegenden Punkt.

Selbst wenn es sich anders verhielte, würde ihm das im Übrigen nicht helfen.
Denn die Rüge wäre aus den folgenden Erwägungen unbegründet: Das Obergericht
verweist im Zusammenhang mit seiner Feststellung, der Beschwerdeführer habe
einen unscheinbaren Wiesenweg zu einer eigentlichen Strasse ausgebaut, auf
die Fotografien in act. 62 -64. Foto 4 (act. 63) stützt die Auffassung des
Obergerichtes. Wie sich aus dem Text zu diesem Foto (act. 61) ergibt, zeigt
es das Ende des mit der Deckschicht versehenen Weges und im Vordergrund den
ursprünglichen Weg. Bei diesem handelt es sich, wie Foto 4 klar zeigt, um
einen Wiesenweg. Dieser ist auch auf Foto 3 oben links am Ende der
Deckschicht erkennbar. Es ist somit nicht schlechterdings unhaltbar, wenn das
Obergericht gestützt auf die Fotos davon ausgeht, unter der Deckschicht habe
sich ein unscheinbarer Wiesenweg befunden. Die Beweiswürdigung des
Obergerichtes ist umso weniger als willkürlich zu beanstanden, als der Zeuge
R.________, Bauverwalter-Stellvertreter der Gemeinde, an der
bezirksgerichtlichen Verhandlung aussagte, hier sei ein Weg komplett mit
einer neuen Deckschicht versehen worden. Auf die Anschlussfrage des
Verteidigers, was vorher dort gewesen sei, antwortete der Zeuge: "Man sah
einfach Fahrspuren auf dem Humus" (act. 141). Dies bestätigen die genannten
Fotos 3 und 4 (act. 63). Der Beschwerdeführer wendet (S. 8 lit. d) ein, der
Zeuge habe seine Feststellung zu einem Zeitpunkt gemacht, als die neue
Deckschicht - die in der Zwischenzeit wieder entfernt wurde - noch vorhanden
gewesen sei; sonst hätte der Zeuge nicht ausführen können, es habe sich um
eine "komplett neue Deckschicht" gehandelt; solange die Deckschicht vorhanden
gewesen sei, habe aber die Frage, ob sich darunter ein einfacher alter
Wiesenweg oder eine eingekieste Strasse befunden habe, wohl aus nahe
liegenden Gründen gar nicht beurteilt werden können; auf die Aussagen des
Zeugen dürfe daher nicht abgestellt werden. Das Vorbringen ist unbehelflich.
Der Beschwerdeführer übergeht die Antwort des Zeugen an der
bezirksgerichtlichen Verhandlung auf die Frage des Verteidigers, wann er vor
der Veränderung des Weges das letzte Mal dort gewesen sei. Der Zeuge sagte
dazu: "Das genaue Datum kenne ich nicht. Ich bin seit 6 Jahren bei der
Gemeinde S.________. Ich war einmal dort oben, als der Hauptweg ausgewaschen
wurde. Ich sah jedenfalls nie einen eingekiesten Weg" (act. 141). Daraus ist
im Zusammenhang mit den oben angegebenen weiteren Aussagen des Zeugen zu
schliessen, dass er - was in seiner Funktion als Bauverwalter-Stellvertreter
der Gemeinde auch nahe liegt - die Örtlichkeit kannte und er deshalb wusste,
wie es dort vor der Anbringung der Deckschicht ausgehen hatte.

Der Einwand, auf keinem der Fotos sei die Zwischenablagerung ersichtlich,
trifft sodann nicht zu. Die Fotos 1 und 2 (act. 62) - auf welche sich das
Obergericht (S. 13) ausdrücklich bezieht - zeigen die Ablagerung. Der Text zu
Foto 1 lautet: "Wilde Deponie im Wald neben Feldweg"; jener zu Foto 2:
"Gleiche Aufnahme von der andern Seite" (act. 61). Insbesondere auf Foto 1
ist die Ablagerung deutlich erkennbar.

Willkür kann dem Obergericht danach nicht vorgeworfen werden. Die Beschwerde
ist im vorliegenden Punkt, soweit darauf überhaupt eingetreten werden kann,
unbegründet.

2.
2.1 Der Beschwerdeführer bringt vor, das Obergericht lehne einen Augenschein
ebenso ab wie das Bezirksgericht. Wenn die örtlichen Verhältnisse derart
umstritten seien und die Fotos über die bedeutsamen Fragen keinen Aufschluss
geben könnten, müsse sich der Richter an Ort und Stelle ein Bild machen. Er
könne sich auch nicht auf die Angaben von nicht sachverständigen Personen
stützen, welche die Verhältnisse zudem zu einen Zeitpunkt beurteilt hätten,
in dem es nicht möglich gewesen sei, die sich stellenden Fragen zu
beantworten. Indem das Obergericht die Durchführung eines Augenscheins
abgelehnt habe, habe es den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches
Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV verletzt.

2.2 Der Einwand geht schon deshalb fehl, weil die Fotos - wie dargelegt -
entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers über die sich stellenden Fragen
Aufschluss geben. Die Fotos in act. 62 ff. zeigen die massgebliche Situation.
Noch deutlicher abgebildet ist die Deckschicht auf den Fotos in act. 36-38.
Der Zeuge R.________, auf den sich der Beschwerdeführer im vorliegenden
Zusammenhang offenbar erneut bezieht, konnte zudem die Situation beschreiben;
seine Aussagen waren verwertbar. Dass es an der Stelle der Ablagerung Wald
hat, ergibt sich sodann nicht nur aus den Fotos in act. 62, sondern auch aus
den Plänen in act. 43, 44 und 97. Der Beschwerdeführer sagte an der
bezirksgerichtlichen Verhandlung überdies selber aus, dass es auf der einen
Seite des Weges Ackerland und auf der anderen Wald hatte (act. 114; zum
Rechtsbegriff der Waldgrenze vgl. angefochtenes Urteil S. 13). Der
Sachverhalt war somit aufgrund der vorhandenen Beweismittel, insbesondere der
Fotos, hinreichend geklärt. Hinzu kommt, dass die neue Deckschicht bereits
zum Zeitpunkt der bezirksgerichtlichen Verhandlung nicht mehr vorhanden war.
Der Geschäftsführer der Firma, welche das Mischgranulat geliefert hatte,
sagte aus, inzwischen hätten sie das ganze Material wieder abgetragen. Unter
diesen Umständen hat das Obergericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf
rechtliches Gehör nicht verletzt, wenn es von einem Augenschein abgesehen
hat.

3.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten (Art.
156 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Bezirksgericht Baden, 1.
Abteilung, der Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau und dem Obergericht des
Kantons Aargau, 2. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 2. Juli 2004

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: