Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.193/2004
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1P.193/2004 /sta

Urteil vom 8. November 2004

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident,
Bundesrichter Aeschlimann, Féraud,
Gerichtsschreiberin Leuthold.

X. ________, Beschwerdeführer, vertreten durch
Advokat Dr. Niklaus Ruckstuhl,

gegen

Erster Staatsanwalt des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, 4001 Basel,
Strafgericht des Kantons Basel-Stadt, Rekurskammer, Schützenmattstrasse 20,
Postfach, 4003 Basel.

Einschränkung des Akteneinsichtsrechts,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Strafgerichts des Kantons
Basel-Stadt, Rekurskammer, vom 17. Januar 2004.
Sachverhalt:

A.
Gegen X.________ ist im Kanton Basel-Stadt ein Strafverfahren wegen eines
Tötungsdelikts hängig. Es wird ihm vorgeworfen, er habe am 12. April 2003 bei
einer Tramhaltestelle in Basel mehrere Schüsse auf seine von ihm getrennt
lebende Ehefrau abgegeben, worauf diese sofort tot gewesen sei. Der
Angeschuldigte befindet sich in Haft. Am 15. August 2003 wurde Advokat Dr.
Ruckstuhl mit der Verteidigung des Angeschuldigten beauftragt. Im Hinblick
auf die Haftrichterverhandlung vom 28. August 2003 kopierte der Verteidiger
am 25. August 2003 auf der Haftrichterkanzlei die von der Staatsanwaltschaft
des Kantons Basel-Stadt im Rahmen des Haftverlängerungsgesuchs eingereichten
Akten. Im Anschluss an die Haftrichterverhandlung vom 28. August 2003 übergab
er die von ihm kopierten Akten dem Polizeibeamten mit dem Auftrag, sie dem
Angeschuldigten auszuhändigen. Der Polizeibeamte übergab die Aktenkopien
jedoch der Verfahrensleitung, welche sich weigerte, sie dem Angeschuldigten
auszuhändigen. Mit Schreiben vom 9. September 2003 stellte der Verteidiger
den Antrag, die Akten seien dem Angeschuldigten herauszugeben. Nachdem die
Staatsanwaltschaft diesen Antrag abgelehnt hatte, erhob der Angeschuldigte
Einsprache. Der Erste Staatsanwalt wies die Einsprache am 18. September 2003
ab. Der Angeschuldigte legte dagegen Rekurs ein. Mit Entscheid vom 17. Januar
2004 wies das Strafgericht des Kantons Basel-Stadt den Rekurs ab.

B.
Gegen diesen Entscheid reichte X.________ mit Eingabe vom 29. März 2004 beim
Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde ein. Er beantragt, der angefochtene
Entscheid sei aufzuheben. Ausserdem ersucht er um Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren.

C.
Das Strafgericht und die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt stellen
in ihren Vernehmlassungen vom 10. bzw. 14. Mai 2004 den Antrag, die
Beschwerde sei abzuweisen.

D.
In einer Replik vom 15. Juni 2004 nahm X.________ zu den Beschwerdeantworten
der kantonalen Instanzen Stellung. Das Strafgericht und die
Staatsanwaltschaft äusserten sich mit Eingaben vom 29. Juni bzw. 1. Juli 2004
zur Replik des Beschwerdeführers.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Der Beschwerdeführer rügt in formeller Hinsicht, die Rekurskammer des
Strafgerichts habe den in Art. 29 Abs. 2 BV gewährleisteten Anspruch auf
rechtliches Gehör verletzt, indem sie auf seine Rügen "gar nicht eingetreten"
sei und "etwas völlig anderes" entschieden habe, als das, was im Streit
stehe. Sie habe seinen Rekurs unter dem Titel "Beschränkung der
Akteneinsicht" behandelt, obwohl die Staatsanwaltschaft sein
Akteneinsichtsrecht nicht umfangmässig beschränkt habe, sondern bloss die
Modalitäten der Akteneinsicht in Frage stünden.

Aus dem in Art. 29 Abs. 2 BV gewährleisteten Anspruch auf rechtliches Gehör
ergibt sich die Pflicht der Behörde, die Sache zu prüfen und ihren Entscheid
zu begründen. Diese Pflicht bedeutet jedoch nicht, dass sich die urteilende
Instanz mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinander setzen und jedes
einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegen müsste. Sie kann sich auf die für
ihren Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Es genügt, wenn sich der
Betroffene über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und ihn in
voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen kann. In diesem
Sinn müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich
die Behörde leiten liess und auf welche sich ihr Entscheid stützt (BGE 126 I
97 E. 2b S. 102 f.; 124 V 180 E. 1a S. 181, je mit Hinweisen).

Der angefochtene Entscheid der Rekurskammer genügt diesen Anforderungen. Es
wird darin in hinreichender Weise dargelegt, aus welchen Gründen der vom
Beschwerdeführer gegen den Entscheid des Ersten Staatsanwaltes eingereichte
Rekurs abgewiesen wurde. Dieser richtete sich dagegen, dass dem
Beschwerdeführer die von seinem Verteidiger angefertigten Aktenkopien nicht
ausgehändigt worden waren. Mit der Weigerung, diese Akten dem
Beschwerdeführer zu übergeben, wurde dessen persönliches Akteneinsichtsrecht
eingeschränkt. Im Rekursverfahren war streitig, ob diese Einschränkung
zulässig sei. Die Rekurskammer hat diese Frage im angefochtenen Entscheid
beurteilt. Es kann somit keine Rede davon sein, dass sie etwas entschied, was
nicht streitig war, und dadurch den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt
hätte.

2.
Die Rekurskammer schützte das Vorgehen der Staatsanwaltschaft, welche es
abgelehnt hatte, die vom Verteidiger des Beschwerdeführers im Hinblick auf
die Haftrichterverhandlung vom 28. August 2003 angefertigten Kopien der
Verfahrensakten dem Beschwerdeführer auszuhändigen. In der staatsrechtlichen
Beschwerde wird geltend gemacht, der Entscheid der Rekurskammer verletze das
Recht auf Akteneinsicht, insbesondere auf Einsicht in die haftrelevanten
Akten.

2.1 Das Recht auf Akteneinsicht ist Teil des Anspruchs auf rechtliches Gehör.
Es wird in erster Linie durch die kantonalen Verfahrensvorschriften
umschrieben. Das Bundesgericht prüft deren Auslegung und Anwendung auf
staatsrechtliche Beschwerde hin nur unter dem Gesichtswinkel des
Willkürverbots. Unabhängig vom kantonalen Recht greifen die unmittelbar aus
Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 6 Ziff. 3 lit. b EMRK folgenden Regeln zur
Sicherung des Akteneinsichtsrechts Platz. Ob diese Garantien verletzt wurden,
beurteilt das Bundesgericht mit freier Kognition (BGE 127 I 213 E. 3b S. 216;
126 I 19 E. 2a S. 21 f., 68 E. 3b S. 73; 122 I 153 E. 3 S. 158 mit
Hinweisen).

2.2 Es geht im vorliegenden Fall ausschliesslich um die Akteneinsicht des
Angeschuldigten im Vorverfahren. Sie ist in § 103 Abs. 2 und 3 der
Strafprozessordnung des Kantons Basel-Stadt (StPO) geregelt. Diese
Bestimmungen lauten:
"Die Staatsanwaltschaft gewährt den Verteidigerinnen und Verteidigern auf
Antrag Akteneinsicht. Angeschuldigten ohne Verteidigerin oder Verteidiger
wird auf Gesuch gestattet, die Akten unter Aufsicht einzusehen" (§ 103 Abs. 2
StPO).

"Die Akteneinsicht darf nur verweigert werden, wenn dadurch die
Ermittlungstätigkeit ernsthaft gefährdet würde" (§ 103 Abs. 3 StPO).
Die Rekurskammer führte im angefochtenen Entscheid aus, in Bezug auf den
Anspruch auf Akteneinsicht während des Vorverfahrens differenziere § 103 Abs.
2 StPO danach, ob der Angeschuldigte anwaltlich verteidigt werde oder nicht.
Dem durch einen Anwalt vertretenen Angeschuldigten komme demnach im
Vorverfahren kein eigener Anspruch auf Akteneinsicht zu; das Recht auf
Einsichtnahme in die Verfahrensakten werde vollumfänglich durch die
Verteidigung ausgeübt. Nur wenn der Angeschuldigte keinen Verteidiger habe,
sei ihm selber unter Aufsicht Akteneinsicht zu gewähren. Entsprechend dieser
Regelung verlange die Staatsanwaltschaft von Verteidigern die
unterschriftliche Bestätigung, bis zum Abschluss des Vorverfahrens keine
Kopien von Verfahrensakten an Parteien (inklusive Angeschuldigte) oder an
Dritte zu übergeben. Für eine Weitergabe von Aktenkopien in Ausnahmefällen
sei die vorgängige Zustimmung der Verfahrensleitung einzuholen.

Nach Ansicht der Rekurskammer war es daher aufgrund von § 103 Abs. 2 StPO
zulässig, dass die Staatsanwaltschaft es abgelehnt hatte, dem
Beschwerdeführer die von seinem Verteidiger angefertigten Aktenkopien
auszuhändigen. Die Rekurskammer betonte, die Einsichtnahme in die Akten habe
durch den Verteidiger jederzeit und ohne Einschränkung wahrgenommen werden
können. Es liege im öffentlichen Interesse, den unbeaufsichtigten Umgang des
(inhaftierten) Angeschuldigten mit den Akten, auch wenn es wie im
vorliegenden Fall bloss Kopien der Originalverfahrensakten seien, zu
verhindern. Zu gross sei "die Gefahr nicht nur der möglichen Kollusion,
sondern auch etwa der Weitergabe von Auszügen aus den Ermittlungsakten oder
des Unfugtreibens mit Aktenbestandteilen innerhalb des
Untersuchungsgefängnisses".

2.3 Der Beschwerdeführer wirft der Rekurskammer vor, sie habe bei der
Auslegung des § 103 Abs. 2 StPO gegen das Willkürverbot (Art. 9 BV) und gegen
das Gebot der rechtsgleichen Behandlung (Art. 8 Abs. 1 BV) verstossen.

2.3.1 Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut der Bestimmung. Ist
der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Interpretationen möglich, so
muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung aller
Auslegungselemente, namentlich des Zwecks, des Sinnes und der dem Text
zugrunde liegenden Wertungen (BGE 129 II 114 E. 3.1 S. 118 mit Hinweisen).

2.3.2 Der Text der hier in Frage stehenden Vorschrift erscheint klar: Haben
Angeschuldigte einen Verteidiger, wird "den Verteidigerinnen und
Verteidigern" Akteneinsicht gewährt (§ 103 Abs. 2 Satz 1 StPO); haben sie
keinen Verteidiger, wird ihnen gestattet, "die Akten unter Aufsicht
einzusehen" (§ 103 Abs. 2 Satz 2 StPO). Da in § 103 Abs. 2 Satz 1 StPO
ausdrücklich nur von den Verteidigerinnen und Verteidigern gesprochen wird,
lässt sich mit guten Gründen annehmen, dem durch einen Anwalt vertretenen
Angeschuldigten komme im Vorverfahren kein eigener Anspruch auf Akteneinsicht
zu, sondern diese werde vollumfänglich durch den Verteidiger ausgeübt. Den
Materialien zu dieser Vorschrift ist, entgegen der unbelegten Behauptung des
Beschwerdeführers, nichts zu entnehmen, was gegen diese Auslegung sprechen
würde (vgl. Ratschlag und Entwurf des Regierungsrates des Kantons Basel-Stadt
vom 16. Mai 1995 zur Totalrevision der Strafprozessordnung, S. 46). Die von
der Rekurskammer vorgenommene Interpretation steht auch mit dem Sinn und
Zweck des § 103 Abs. 2 StPO im Einklang. Es würde, wie sich ohne Willkür
annehmen lässt, zu einem unverhältnismässigen Aufwand führen, wenn nicht nur
dem Verteidiger, sondern auch noch dem Angeschuldigten persönlich Einsicht in
die Akten gewährt werden müsste, und wenn Verfahrensakten an den
Angeschuldigten herausgegeben werden müssten, bestünde - wie im angefochtenen
Entscheid mit Grund festgehalten wurde - die Gefahr einer missbräuchlichen
Verwendung der Akten. Die Rekurskammer verstiess daher nicht gegen das
Willkürverbot, wenn sie zum Schluss gelangte, nach § 103 Abs. 2 StPO habe der
durch einen Verteidiger vertretene Angeschuldigte im Vorverfahren keinen
persönlichen Anspruch auf Akteneinsicht, weshalb es die Staatsanwaltschaft zu
Recht abgelehnt habe, dem Beschwerdeführer die von seinem Verteidiger
kopierten Akten auszuhändigen.

2.3.3 Der Beschwerdeführer macht geltend, diese Auslegung verstosse gegen das
in Art. 8 Abs. 1 BV enthaltene Gebot der Gleichbehandlung, weil es nicht
angehe, dass "der nicht verteidigte Beschuldigte ein weitergehendes
Akteneinsichtsrecht" habe "als der verteidigte". Die rechtsanwendende Behörde
verletzt die Rechtsgleichheit, wenn sie zwei tatsächlich gleiche Situationen
ohne sachlichen Grund unterschiedlich behandelt, wobei entscheidend ist, dass
die zu behandelnden Sachverhalte in Bezug auf die relevanten Tatsachen gleich
sind (BGE 127 I 202 E. 3f/aa S. 209 mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer ist
offenbar der Meinung, es verletze die Rechtsgleichheit, dass der
Angeschuldigte nur dann selber Einsicht in die Akten nehmen könne, wenn er
keinen Verteidiger habe, im anderen Fall dagegen nicht. Die Rüge geht fehl.
Die beiden Sachverhalte sind in Bezug auf die entscheidende Frage, ob der
Angeschuldigte durch einen Verteidiger vertreten ist oder nicht, ungleich,
weshalb es keine Verletzung von Art. 8 Abs. 1 BV bedeutet, wenn im
zweitgenannten Fall nur dem Verteidiger und nicht auch noch dem
Angeschuldigten selber Einsicht in die Akten gewährt wird. Im Übrigen trifft
es nicht zu, dass dem nicht vertretenen Angeschuldigten ein weitergehendes
Akteneinsichtsrecht zukommt, denn er kann die Akten nur "unter Aufsicht"
einsehen und hat, wie im Entscheid des Ersten Staatsanwalts erklärt wird,
keinen Anspruch, die Akten im Original oder in Kopie ausgehändigt zu
erhalten. Allgemein liegt darin, dass die Akten nur an Rechtsanwälte, nicht
aber an andere Privatpersonen herausgegeben werden, keine gegen die
Verfassung verstossende Ungleichbehandlung, da die Anwälte einer
Disziplinaraufsicht unterworfen sind und deshalb besser als andere Private
Gewähr dafür bieten, dass ausgehändigte Akten vollständig und unverändert an
die Behörde zurückgelangen und nicht an Drittpersonen weitergegeben werden
(BGE 108 Ia 5 E. 3 S. 8). Die Rüge der Verletzung des Gebots der
Gleichbehandlung erweist sich nach dem Gesagten als unbegründet.

2.4 Die Rekurskammer war der Auffassung, die erwähnte, vor dem Willkürverbot
standhaltende Auslegung der kantonalen Norm verletze den bundesrechtlichen
Anspruch auf rechtliches Gehör bzw. Akteneinsicht nicht. Sie führte im
angefochtenen Entscheid aus, es sei selbstverständlich und unbestritten, dass
dem Angeschuldigten im Hauptverfahren vor Gericht volles Akteneinsichtsrecht
zukommen müsse (§ 116 Abs. 2 StPO). In Bezug auf das Vorverfahren habe das
Bundesgericht jedoch in einer Vielzahl von Entscheiden festgestellt, dass in
diesem Stadium kein umfassendes Akteneinsichtsrecht des Angeschuldigten
bestehe und eine Beschränkung der Akteneinsicht nicht gegen
verfassungsmässige Rechte verstosse, solange der Anspruch auf rechtliches
Gehör insgesamt gewahrt bleibe. Dem Angeschuldigten solle mit der Gewährung
der Akteneinsicht ermöglicht werden, sich angemessen gegen die ihn
belastenden Argumente zur Wehr zu setzen. Das Einsichtsrecht bestehe indessen
nur soweit, als ihm keine überwiegenden öffentlichen oder privaten Interessen
entgegenstünden und der Zweck der Strafuntersuchung nicht gefährdet werde.
Die Rekurskammer hielt sodann fest, von Interesse seien in diesem
Zusammenhang "insbesondere auch die Ausführungen in BGE 101 Ia 17 ff.". Sie
zitierte in der Folge aus den Erwägungen dieses Urteils, in welchem das
Bundesgericht entschieden hatte, eine kantonale Bestimmung (es handelte sich
um § 115 der alten baselstädtischen Strafprozessordnung), wonach dem
Angeschuldigten und seinem Verteidiger volle Akteneinsicht erst nach
Abschluss des Ermittlungsverfahrens gewährt werde, verstosse nicht gegen Art.
4 aBV.

2.5 In der staatsrechtlichen Beschwerde wird eingewendet, die Rekurskammer
habe übersehen, dass das Bundesgericht in BGE 115 Ia 293 die in BGE 101 Ia 17
ff. bestätigte bisherige Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben habe. Sie
stütze sich somit auf eine veraltete und nicht mehr gültige Rechtsprechung
des Bundesgerichts.
Es trifft zu, dass in der Begründung des angefochtenen Entscheids
Ausführungen aus der früheren, mit BGE 115 Ia 293 aufgegebenen Rechtsprechung
zitiert wurden. Dies führt indes nicht zur Gutheissung der Beschwerde. Ein
mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochtener Entscheid ist erst dann
aufzuheben, wenn er im Ergebnis gegen die Verfassung verstösst, nicht schon
dann, wenn die Begründung oder ein Teil derselben verfassungswidrig ist. Das
Bundesgericht hat somit die Möglichkeit, die Motive des umstrittenen
Entscheids zu ersetzen (BGE 124 I 208 E. 4a S. 211; 122 I 257 E. 5 S. 262).
Wie sich im Folgenden zeigen wird, ist die Auffassung der Rekurskammer, die
von ihr vorgenommene Auslegung des § 103 Abs. 2 StPO sei mit Verfassung und
Konvention vereinbar, im Ergebnis nicht zu beanstanden.

2.6 Der Beschwerdeführer bringt vor, in der Literatur werde erklärt, der
Angeschuldigte verliere sein persönliches Recht auf Akteneinsicht nicht
dadurch, dass er verteidigt werde, sondern habe "nach wie vor ein eigenes
diesbezügliches Recht". Er beruft sich dabei auf Albrecht (in:
Niggli/Weissenberger, Strafverteidigung, Basel 2002, Rz. 2.14) und Villiger
(Handbuch der EMRK, 2. Aufl., Zürich 1999, Rz. 524 zu Art. 6 EMRK, S. 333).
Der Beschwerdeführer macht geltend, mit Villiger sei festzuhalten, dass nach
der Rechtsprechung der Strassburger Organe der vertretene Beschuldigte
gewisse Verteidigungsrechte an seinen Verteidiger verliere, "ausgerechnet
aber nicht das Recht auf Akteneinsicht". Die Auffassung der Rekurskammer, der
Beschuldigte verliere sein eigenes Recht auf Akteneinsicht, wenn er einen
Verteidiger habe, sei daher konventionswidrig, mindestens in Bezug auf die
haftrelevanten Akten, da "für diese Akten Art. 5 Ziff. 4 EMRK nach der von
Villiger zitierten Rechtsprechung der Strassburger Organe dieses persönliche
Akteneinsichtsrecht" statuiere.

2.6.1 Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat entschieden,
es bedeute keine Verletzung von Art. 6 Ziff. 1 und Ziff. 3 lit. b EMRK, wenn
nur dem Verteidiger des Angeklagten Akteneinsicht gewährt werde (Urteile vom
21. September 1993 i.S. Kremzow gegen Österreich, Recueil Cour EDH 38/1993,
Serie A, Nr. 268-B, Ziff. 52 = EuGRZ 1995, S. 541, und vom 19. Dezember 1989
i.S. Kamasinski gegen Österreich, Recueil Cour EDH 20/1989/90, Serie A, Nr.
168, Ziff. 88). Auch die Europäische Menschenrechtskommission hielt fest,
nach Art. 6 Ziff. 3 lit. b EMRK genüge es, wenn der Verteidiger des
Angeklagten Einsicht in die Akten nehmen könne (Entscheid vom 5. Juli 1977
i.S. X. gegen Österreich, DR 9, S. 50). In der Literatur wird unter Hinweis
auf diese Rechtsprechung der Strassburger Organe erklärt, der Angeklagte
könne kein Recht auf persönliche Akteneinsicht aus Art. 6 Ziff. 3 lit. b EMRK
ableiten, sofern er einen Verteidiger habe. Es sei nach der Konvention
zulässig, nur den Verteidiger, nicht auch den Angeklagten die Akten einsehen
zu lassen (Vogler, Internationaler Kommentar zur EMRK, Rz. 492 zu Art. 6
EMRK; Haefliger/Schürmann, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die
Schweiz, 2. Aufl., Bern 1999, S. 225; Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar, 2.
Aufl., 1996, Rz. 185 zu Art. 6 EMRK; Jörg Paul Müller, Grundrechte in der
Schweiz, 3. Aufl., Bern 1999, S. 533). Villiger hält an der vom
Beschwerdeführer mehrfach erwähnten Stelle Folgendes fest: "Wird der
Beschuldigte durch einen Verteidiger vertreten, übernimmt dieser
grundsätzlich die Verteidigung. Der Beschuldigte hat nur noch einen
beschränkten Anspruch auf Mitwirkung, beispielsweise auf Akteneinsicht"
(a.a.O., Rz. 524, S. 333, wobei in der betreffenden Fn. 185 auf den
angeführten, in DR 9 S. 50 publizierten Entscheid der Kommission verwiesen
wird). An einer anderen Stelle führt Villiger aus: "In der Regel genügt es,
wenn dem Anwalt Akteneinsicht gewährt wird" (a.a.O, Rz. 511 zu Art. 6 EMRK,
S. 326, wobei in der dazugehörigen Fn. 145 auf das Urteil des EGMR i.S.
Kamasinski verwiesen wird). Es ist somit offensichtlich unzutreffend, wenn
der Beschwerdeführer behauptet, nach den Ausführungen von Villiger und der
von diesem zitierten Rechtsprechung der Strassburger Organe habe der
Angeschuldigte, auch wenn er durch einen Verteidiger vertreten sei, aufgrund
von "Art. 5 Ziff. 4 EMRK" ein persönliches Akteneinsichtsrecht. Ein solches
Recht steht dem durch einen Anwalt vertretenen Angeschuldigten nach der
dargelegten Rechtsprechung der Strassburger Organe weder im
Haftprüfungsverfahren noch im Hauptverfahren zu. Die von der Rekurskammer
vorgenommene Auslegung des § 103 Abs. 2 StPO verstösst somit nicht gegen die
Garantien der EMRK.

2.6.2 Sie ist auch unter dem Gesichtspunkt des aus Art. 29 Abs. 2 BV
folgenden Akteneinsichtsrechts nicht zu beanstanden. Das Bundesgericht hat in
BGE 120 Ia 65 erklärt, es bedeute keine mit Art. 4 aBV unvereinbare Anwendung
der einschlägigen kantonalen Bestimmung, wenn die Behörde den Angeklagten
zwinge, über seinen Anwalt die Kopie eines Aktenstücks zu verlangen. Die
Behörde hatte die betreffende Vorschrift, welche das Recht auf Akteneinsicht
und Zustellung von Aktenkopien vorsah, dahin ausgelegt, dass der durch einen
Verteidiger vertretene Untersuchungsgefangene dieses Recht nur über seinen
Verteidiger ausüben könne. Das Bundesgericht betonte, dass darin kein
Nachteil für den Untersuchungsgefangenen zu erblicken sei und dessen
Verteidigungsrechte nicht verletzt würden (BGE 120 Ia 65 E. 2a S. 66). Daraus
ergibt sich, dass es nicht gegen die Garantien von Art. 29 Abs. 2 BV
verstösst, wenn der durch einen Anwalt vertretene Angeschuldigte im
Vorverfahren keinen Anspruch auf persönliche Akteneinsicht hat. Daran ändert
der Umstand nichts, dass in der vom Beschwerdeführer erwähnten Abhandlung von
Albrecht (a.a.O., Rz. 2.14) ausgeführt wird, der Angeschuldigte könne, auch
wenn er einen Verteidiger habe, weiterhin persönlich Einsicht in die Akten
nehmen. Sodann ist darauf hinzuweisen, dass im vorliegenden Fall der
Verteidiger des Beschwerdeführers in vollem Umfang Einsicht in die
haftrelevanten Akten nehmen und diese kopieren konnte, womit den gemäss Art.
29 Abs. 2 BV und Art. 5 Ziff. 4 EMRK für das Haftprüfungsverfahren geltenden
Erfordernissen entsprochen wurde (BGE 115 Ia 293 E. 4-6 S. 299 ff.). Ferner
trifft es entgegen der Meinung des Beschwerdeführers nicht zu, dass die in
Art. 32 Abs. 2 BV gewährleisteten Verteidigungsrechte in unzulässiger Weise
eingeschränkt werden, wenn im Vorverfahren nur der Verteidiger die Akten
einsehen kann. Der Angeschuldigte hat, wie die Rekurskammer in der
Beschwerdeantwort mit Recht ausführt, jederzeit die Möglichkeit, sich durch
seinen Verteidiger über den Akten- und Verfahrensstand ins Bild setzen zu
lassen, und es ist ihm nicht verwehrt, anlässlich von Unterredungen mit
seinem Verteidiger einen Blick in die Aktenkopien des Anwalts zu werfen, wenn
ihm die genaue Lektüre einer bestimmten Stelle in den Akten besonders wichtig
erscheint. Da sich, wie dargelegt, die hier in Frage stehende Einschränkung
des persönlichen Akteneinsichtsrechts des Beschwerdeführers auf § 103 Abs. 2
StPO stützen lässt, ist auch die Rüge unzutreffend, es sei keine gesetzliche
Grundlage für die Einschränkung vorhanden.

Zusammenfassend ergibt sich, dass die Rekurskammer weder das kantonale Recht
willkürlich oder rechtsungleich interpretierte, noch gegen verfassungs- oder
konventionsrechtliche Garantien verstiess, wenn sie zum Schluss gelangte, dem
durch einen Verteidiger vertretenen Beschwerdeführer stehe im Vorverfahren
kein persönliches Akteneinsichtsrecht zu und die Staatsanwaltschaft habe es
deshalb zu Recht abgelehnt, dem Beschwerdeführer die von seinem Verteidiger
angefertigten Aktenkopien auszuhändigen.

3.
Zu den Kostenfolgen wurde im angefochtenen Entscheid ausgeführt, angesichts
der klaren Regelung in der Strafprozessordnung sei die Abweisung des Rekurses
von vornherein weit wahrscheinlicher als dessen Gutheissung gewesen. Unter
diesen Umständen seien die Voraussetzungen für die Bewilligung der
unentgeltlichen Rechtspflege nicht erfüllt. Dem Rekurrenten werde deshalb
eine - mit Rücksicht auf seine finanzielle Situation niedrig angesetzte -
Urteilsgebühr von Fr. 200.-- auferlegt.

In der staatsrechtlichen Beschwerde wird der angefochtene Entscheid auch in
diesem Punkt als verfassungswidrig bezeichnet.

Als aussichtslos sind nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung
Prozessbegehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich
geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft
bezeichnet werden können (BGE 129 I 129 E. 2.3.1 S. 135). Der
Beschwerdeführer stützte sich in seiner an die Rekurskammer gerichteten
Rechtsschrift für seine These, wonach der durch einen Verteidiger vertretene
Angeschuldigte sein persönliches Akteneinsichtsrecht vollumfänglich
beibehalte, vor allem auf die Bestimmungen der StPO und auf die erwähnten
Ausführungen von Villiger (a.a.O., Rz. 524, S. 333). Wenn die Rekurskammer
mit Rücksicht auf den Wortlaut des § 103 Abs. 2 StPO sowie in Anbetracht der
vorne zitierten Ausführungen von Villiger annahm, die Gewinnaussichten des
Rekurses seien beträchtlich geringer gewesen als die Verlustgefahren,
verletzte sie die Verfassung nicht. Die staatsrechtliche Beschwerde dringt
auch in diesem Punkt nicht durch. Sie ist deshalb abzuweisen.

4.
Dem Begehren des Beschwerdeführers um Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege im Sinne von Art. 152 Abs. 1 und 2 OG kann mit Rücksicht auf die
gesamten Umstände des Falles entsprochen werden.
Der Anwalt des Beschwerdeführers hat dem Bundesgericht eine Honorarnote
eingereicht, in welcher er seine Forderung auf Fr. 4'146.18 beziffert. In
Anwendung der Art. 3, 6 (Abs. 2) und 9 des Tarifs vom 9. November 1978 über
die Entschädigungen an die Gegenpartei für das Verfahren vor dem
Bundesgericht (SR 173.119.1) erscheint eine Entschädigung von insgesamt Fr.
2'000.-- als angemessen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt:
2.1 Es werden keine Kosten erhoben.

2.2 Advokat Dr. Niklaus Ruckstuhl wird als amtlicher Anwalt des
Beschwerdeführers bezeichnet und für das bundesgerichtliche Verfahren aus der
Bundesgerichtskasse mit Fr. 2'000.-- entschädigt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Ersten Staatsanwalt und dem
Strafgericht des Kantons Basel-Stadt, Rekurskammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 8. November 2004

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: