Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.187/2004
Zurück zum Index I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2004
Retour à l'indice I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2004


1P.187/2004 /kra

Urteil vom 2. August 2004

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident,
Bundesrichter Reeb, Eusebio,
Gerichtsschreiberin Scherrer.

X. ________,
Beschwerdeführer,

gegen

Richteramt Olten-Gösgen, Strafabteilung,
Römerstrasse 2, 4600 Olten,
Obergericht des Kantons Solothurn, Strafkammer, Amthaus 1, Postfach 157, 4502
Solothurn.

Strafverfahren; Urteilsrevision,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons
Solothurn, Strafkammer,
vom 9. Dezember 2003.

Sachverhalt:

A.
Am 7. März 2002 verurteilte das Amtsgericht Olten-Gösgen X.________ wegen
mehrfacher Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über den Aufenthalt und die
Niederlassung von Ausländern (ANAG), mehrfacher Widerhandlung gegen das
Betäubungsmittelgesetz (BetmG), mehrfacher Übertretung des BetmG und
Übertretung des Waffengesetzes zu zehn Monaten Gefängnis, unter Gewährung des
bedingten Strafvollzugs mit einer Probezeit von zwei Jahren und unter
Anrechnung der Untersuchungshaft. Zudem widerrief es den vom Bezirksamtmann
von Zofingen im Urteil vom 12. November 2001 gewährten bedingten Strafvollzug
und erklärte die Strafe von 14 Tagen Gefängnis für vollstreckbar.

B.
Mit Eingaben in französischer Sprache ersuchte X.________ das Richteramt
Olten-Gösgen um Annullierung des Urteils. Das Richteramt schickte die Akten
zur Beurteilung ans Obergericht des Kantons Solothurn, welches den
Gesuchsteller mit Verfügung vom 27. März 2003 darauf hinwies, dass Eingaben
in französischer Sprache nicht entgegen genommen würden. Die von X.________
dagegen eingereichte staatsrechtliche Beschwerde wies das Bundesgericht mit
Urteil vom 1P.327/2003 ab.

C.
Der Präsident der Strafkammer des Solothurner Obergerichtes setzte X.________
daraufhin eine Frist zur Einreichung einer verbesserten Eingabe. X.________
machte von dieser Gelegenheit Gebrauch und reichte sein nun in deutscher
Sprache verfasstes Wiederaufnahmebegehren ein. Mit Urteil vom 9. Dezember
2003 wies das Obergericht das Wiederaufnahmebegehren ab, soweit es darauf
eintrat. Der Entscheid wurde am 24. Dezember 2003 mit der Post versandt und
dem Beschwerdeführer gemäss Gerichtsurkunde am 8. Januar 2004 an dessen
Adresse ihn Algerien zugestellt.

D.
Mit Eingabe vom 7. Februar 2004 erhebt X.________ staatsrechtliche
Beschwerde. Er macht sinngemäss geltend, er habe das Urteil des Obergerichtes
erst am 10. Januar 2004 auf dem Postweg erhalten. Die Urteilseröffnung sei
demzufolge nichtig, da sie nicht auf diplomatischem oder konsularischem Weg
erfolgt sei. Er verlange mit seinem Wiederaufnahmebegehren keinen Freispruch;
das Solothurner Obergericht müsse jedoch anerkennen, dass er nicht
verantwortlich gemacht werden könne für die Taten, die er begangen habe. Die
eingereichten ärztlichen Gutachten könnten nicht detaillierter sein, da sonst
das Arztgeheimnis verletzt werde. Für das bundesgerichtliche Verfahren
beantragt der Beschwerdeführer die unentgeltliche Verbeiständung.

Das Obergericht des Kantons Solothurn verzichtet unter Hinweis auf das
angefochtene Urteil auf eine Vernehmlassung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Zustellung von gerichtlichen Akten stellt zwar nach der traditionellen
schweizerischen Auffassung vom Völkerrecht eine Amtshandlung dar, die auf
fremdem Staatsgebiet nicht ohne Zustimmung des fremden Staates vorgenommen
werden darf (BGE 105 Ia 307 E. 3b S. 310 f.; 103 III 4 E. 2 S. 4; 94 III 35
E. 3 S. 38 f.). Deswegen ist grundsätzlich der diplomatische oder
konsularische Weg für die Zustellung zu wählen (BGE 124 V 47 E. 3a S. 50).
Sowohl im Strafrecht als auch im Zivilprozessrecht bestehen verschiedene
europäische Abkommen, welche vorsehen, dass gerichtliche Akten nicht
unmittelbar dem Empfänger zu übergeben sind (Europäisches Übereinkommen über
die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 [EueR; SR 0.351.1]; Haager
Übereinkommen betreffend Zivilprozessrecht vom 1. März 1954 [SR 0.274.12] und
Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und
aussergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen vom
15. November 1965 [SR 0.274.131]). Der Schutzzweck dieser Normen ist es, die
Souveränität des ausländischen Staates zu wahren. Im vorliegenden Fall kann
sich der Beschwerdeführer als Privater nicht auf deren Verletzung berufen,
ist ihm doch durch die Eröffnung auf dem Postweg keinerlei Nachteil
erwachsen. Nicht nur, dass er das Urteil nur zwei Tage nach dem Versand in
Solothurn erhalten hat und die 30-tägige Beschwerdefrist eingehalten hat.
Beim Urteil des Obergerichts handelt es sich auch um keine
Vollstreckungsverfügung, welche weitergehende Handlungen in Algerien zur
Folge gehabt hätte. Das Obergericht hat überdies von einer Kostenerhebung
abgesehen. Wenn sich der Beschwerdeführer auf die Nichtigkeit der Zustellung
beruft, stellt dies eine unzulässige rechtsmissbräuchliche Prozessführung dar
(Art. 36a Abs. 2 OG).

Selbst wenn die Beschwerde als zulässig erachtet würde, wäre auf die
materiellen Rügen nicht einzutreten (E. 2 hiernach).

2.
Nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG muss eine staatsrechtliche Beschwerde die
wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste Darstellung darüber enthalten,
welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze und inwiefern sie
durch den angefochtenen Entscheid  verletzt worden sind. Im staatsrechtlichen
Beschwerdeverfahren prüft das Bundesgericht nur klar und detailliert erhobene
Rügen. Auf ungenügend begründete Rügen und rein appellatorische Kritik am
angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein (BGE 127 I 38 E. 3c S. 43; 125 I
492 E. 1b S. 495; 122 I 70 E. 1c S. 73, je mit Hinweisen). Diesen
Anforderungen vermag die Beschwerde in keinerlei Hinsicht zu genügen. Der
Beschwerdeführer legt nicht dar, welches verfassungsmässige Recht durch das
Urteil des Obergerichtes inwiefern verletzt worden sein soll. Im
vereinfachten Verfahren ist mit bloss summarischer Begründung darauf nicht
einzutreten (Art. 36a Abs. 1 lit. a OG).

3.
Auf die Beschwerde ist demnach nicht einzutreten. Das Gesuch um
unentgeltliche Verbeiständung ist in Anwendung von Art. 152 OG abzuweisen, da
die Rechtsbegehren von vornherein aussichtslos waren. Es rechtfertigt sich
indes, keine Kosten zu erheben.

Demnach erkennt das Bundesgericht im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Es werden keine Kosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Richteramt Olten-Gösgen,
Strafabteilung und dem Obergericht des Kantons Solothurn, Strafkammer,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 2. August 2004

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: