Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.162/2004
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1P.162/2004 /gij

Urteil vom 15. Juni 2004

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident,
Bundesrichter Féraud, Ersatzrichterin Geigy-Werthemann,
Gerichtsschreiber Pfisterer.

H.  ________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Alois Näf,

gegen

Untersuchungsrichter X.________, Kantonales Untersuchungsamt,
Wirtschaftsdelikte, Klosterhof 8a,
9001 St. Gallen, Beschwerdegegner,
Staatsanwalt-Stellvertreter des Kantons St. Gallen, Spisergasse 15, 9001 St.
Gallen,
Anklagekammer des Kantons St. Gallen, Regierungsgebäude, 9001 St. Gallen.

Art. 8, 9, 29, 30 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK
(Strafverfahren; Ausstand),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid der Anklagekammer des Kantons
St. Gallen vom 2. Dezember 2003.
Sachverhalt:

A.
Die Staatsanwaltschaft Mannheim ermittelte seit 1974 unter anderen gegen
H.________ wegen des Verdachts der Teilnahme an Vermögensdelikten,
insbesondere Anlagebetrug, Veruntreuung und Urkundenfälschung. Da sich
H.________ den deutschen Ermittlungsbehörden nicht stellte, wurde das
Strafverfahren gegen sie 1997 an den Kanton St. Gallen abgetreten. Am 9.
Oktober 2000 stellte H.________ ein Ausstandsbegehren gegen den damals
fallführenden Untersuchungsrichter Y.________, welches die kantonalen
Instanzen abwiesen. Das Bundesgericht hiess eine von H.________ dagegen
erhobene staatsrechtliche Beschwerde am 18. Mai 2001 gut, soweit es darauf
eintrat. Nach der Ansicht des Bundesgerichts liessen die offenbar
systematisch unterbliebene Ladung der Verteidigung zu Zeugeneinvernahmen
sowie mehrere Äusserungen des Untersuchungsrichters in der Gesamtbetrachtung
Zweifel an dessen Unvoreingenommenheit aufkommen (Urteil 1P.766/2000 vom 18.
Mai 2001, teilweise publiziert in: ZBl 103/2002 S. 276). Gestützt auf diesen
Entscheid stellte der Erste Staatsanwalt des Kantons St. Gallen mit Verfügung
vom 19. Juni 2001 den Ausstand von Untersuchungsrichter Y.________ fest. Das
Bundesgericht wies am 7. Dezember 2001 eine staatsrechtliche Beschwerde von
H.________ betreffend ein Ausstandsbegehren gegen den nun fallführenden
Untersuchungsrichter Dr. Z.________ ab (Urteil 1P.644/2001 vom 7. Dezember
2001). Eine weitere staatsrechtliche Beschwerde von H.________ betreffend ein
erneutes Ausstandsbegehren gegen Untersuchungsrichter Dr. Z.________ wies das
Bundesgericht mit Entscheid vom 27. Januar 2003 ab, soweit es darauf eintrat
(Urteil 1P.502/2002 vom 27. Januar 2003). Die Ablehnung eines am 18.
September 2002 gestellten Ausstandsbegehrens von H.________ gegen
Untersuchungsrichter Dr. Z.________ durch die kantonalen Behörden blieb
unangefochten.

B.
Mit Eingabe vom 2. September 2003 verlangte H.________ durch ihren
Verteidiger Dr. Alois Näf den Ausstand von Untersuchungsrichter X.________.
Zur Begründung wurde geltend gemacht, der Untersuchungsrichter habe
anscheinend versucht, Zeugen resp. Auskunftspersonen dazu zu überreden, gegen
ihre Überzeugung Aussagen gegen H.________ zu machen. Dem Ausstandsbegehren
waren zwei an Dr. Näf gerichtete Schreiben beigelegt, eines von L.________
vom 25. August 2003 und das andere von M.________ vom 1. September 2003.
Beide Auskunftspersonen erklärten, sie seien von Untersuchungsrichter
X.________ massiv unter Druck gesetzt beziehungsweise stark genötigt worden.
Mit Schreiben vom 5. September 2003 ergänzte H.________ die Begründung des
Ausstandsbegehrens. Am 23. September 2003 wies der
Staatsanwalt-Stellvertreter des Kantons St. Gallen das Ausstandsbegehren ab.
Gegen diesen Entscheid erhob H.________ am 8. Oktober 2003
Rechtsverweigerungsbeschwerde bei der Anklagekammer des Kantons St. Gallen.
Diese wies die Beschwerde mit Entscheid vom 2. Dezember 2003 ab.

C.
H. ________ erhebt mit Eingabe vom 11. März 2004 staatsrechtliche Beschwerde
gegen diesen Entscheid. Sie stellt die Anträge, der angefochtene Entscheid
sei aufzuheben und es sei im Untersuchungsverfahren der Staatsanwaltschaft
(Untersuchungsamt für Wirtschaftsdelikte) St. Gallen gegen sie der Ausstand
von Untersuchungsrichter X.________ anzuordnen. Die Beschwerdeführerin beruft
sich auf Art. 8, 9, 29 und 30 BV und Art. 6 EMRK sowie Art. 4 lit. a der
Kantonsverfassung St. Gallen. H.________ macht insbesondere geltend,
M.________ und L.________ bezichtigten Untersuchungsrichter X.________, sie
an der Einvernahme unter Druck gesetzt und versucht zu haben, von ihnen
entgegen ihrer Überzeugung wahrheitswidrige Aussagen zu erhalten. Es sei
willkürlich und verletze das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin, dass
die Anklagekammer das Ausstandsbegehren abwies, ohne weitere Abklärungen
getroffen zu haben.

D.
Untersuchungsrichter X.________, der Staatsanwalt-Stellvertreter sowie die
Anklagekammer des Kantons St. Gallen haben sich mit dem Antrag auf Abweisung
der staatsrechtlichen Beschwerde vernehmen lassen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob auf eine
Beschwerde einzutreten ist (BGE 129 I 337 E. 1; 129 I 185 E. 1; 129 II 225 E.
1, je mit Hinweisen).

1.1  Beim angefochtenen Entscheid der Anklagekammer des Kantons St. Gallen
handelt es sich um einen selbständig eröffneten, kantonal letztinstanzlichen
Entscheid über ein Ausstandsbegehren, gegen den die staatsrechtliche
Beschwerde zulässig ist (Art. 84 Abs. 2, Art. 86 Abs. 1 und Art. 87 OG; BGE
126 I 203 E. 1 sowie die genannten, die Beschwerdeführerin betreffenden
Urteile des Bundesgerichts 1P.502/2002 vom 27. Januar 2003, E. 1, Urteil
1P.644/2001 vom 7. Dezember 2001, E. 1.1, und Urteil 1P.766/2000 vom 18. Mai
2001, E. 1b). Die Beschwerdeführerin ist als Angeschuldigte durch den
angefochtenen Entscheid persönlich betroffen und daher zur staatsrechtlichen
Beschwerde legitimiert (Art. 88 OG).

1.2  Die staatsrechtliche Beschwerde ist, von hier nicht in Betracht
fallenden
Ausnahmen abgesehen, kassatorischer Natur. Soweit in der Beschwerde mehr
verlangt wird als die Aufhebung des angefochtenen Entscheids, kann darauf
nicht eingetreten werden (BGE 129 I 173 E. 1.5; 129 I 129 E. 1.2; 125 I 104
E. 1b, je mit Hinweisen). Die Aufhebung des angefochtenen Entscheids hätte
zur Folge, dass die kantonalen Behörden erneut über das Ausstandsbegehren der
Beschwerdeführerin befinden müssten.

1.3  Das Bundesgericht prüft auf staatsrechtliche Beschwerde hin nur klar und
detailliert erhobene Rügen hinsichtlich konkreter Verletzungen
verfassungsmässiger Rechte (vgl. Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 129 I 113 E.

2.1  mit Hinweisen).

Die Beschwerdeführerin legt nicht dar, inwiefern der angefochtene Entscheid
das in Art. 8 BV gewährleistete Gebot der Rechtsgleichheit verletzen soll.
Auf die Rüge einer Verletzung von Art. 8 BV ist daher nicht einzutreten.
Ferner lässt sich der staatsrechtlichen Beschwerde nicht entnehmen und es ist
auch nicht ersichtlich, inwiefern Art. 4 lit. a der Kantonsverfassung St.
Gallen einen über die Bundesverfassung hinausgehenden Schutz im Verfahren
gewährleisten soll. Auf dieses Vorbringen braucht daher nicht speziell
eingegangen zu werden. Dasselbe gilt für die Rüge einer Verletzung von Art. 6
EMRK.

2.
Seit dem Inkrafttreten der neuen Bundesverfassung bildet Art. 29 Abs. 1 BV
mit der Gewährleistung des Anspruchs auf gleiche und gerechte Behandlung vor
Gerichts- und Verwaltungsinstanzen die verfassungsmässige Grundlage für die
Ausstandspflicht nicht richterlicher Behörden. Wie das Bundesgericht in BGE
127 I 196 E. 2b S. 198 (mit Hinweisen) dargelegt hat, bestimmt sich die
Ausstandspflicht eines Untersuchungsrichters in seiner Funktion als
Strafuntersuchungsbehörde nach Art. 29 Abs. 1 BV. Wenn auch Art. 30 Abs. 1
BV, wonach jede Person Anspruch darauf hat, dass ihre Sache von einem
unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen Richter ohne Einwirken
sachfremder Umstände entschieden wird, nicht unbesehen auf nicht richterliche
Behörden bzw. auf Art. 29 Abs. 1 BV übertragen werden darf, so kommt Art. 29
Abs. 1 BV hinsichtlich der Unparteilichkeit des Untersuchungsrichters im
Sinne von Unabhängigkeit und Unbefangenheit doch ein mit Art. 30 Abs. 1 BV
weitgehend übereinstimmender Gehalt zu. Ein Untersuchungsrichter kann demnach
abgelehnt werden, wenn Umstände vorliegen, die nach objektiven
Gesichtspunkten geeignet sind, den Anschein der Befangenheit zu erwecken (BGE
127 I 196 E. 2b S. 198/199 mit Hinweisen; vgl. auch nicht veröffentlichtes
Urteil i. S. H.________, 1P.766/2000 vom 18. Mai 2001, E. 4b). Art. 30 Abs. 1
BV kommt daher im vorliegenden Fall neben Art. 29 Abs. 1 BV keine
selbständige Bedeutung zu.

3.
3.1 Das Ausstandsbegehren stützt sich auf die beiden Schreiben, die
L.________
am 25. August 2003 beziehungsweise M.________ am 1. September 2004 an den
Verteidiger der Beschwerdeführerin richteten.

L.  ________ erklärte darin, er sei mit den Vernehmungsmethoden des
Untersuchungsrichters X.________ des vergangenen Jahres in keiner Weise
einverstanden. Herr X.________ habe "mit aller Macht" zu behaupten versucht
und ihn "mit allem Druck" zur Bestätigung bringen wollen, dass zwischen der
Firma G.________ AG und der Beschwerdeführerin eine Verbindung bestehe. Er
habe erklärt, dass dies nicht der Wahrheit entspreche, was der
Untersuchungsrichter aber nicht habe gelten lassen wollen. Am Schluss der
Vernehmung habe ihn der Untersuchungsrichter zu beeinflussen versucht, gegen
die Beschwerdeführerin Anzeige zu erstatten. Sein Gesamteindruck von der
Vernehmung sei, dass der Untersuchungsrichter nur auf eine Anzeige gegen die
Beschwerdeführerin aus war.

M.________ erklärte in seinem Schreiben, der Untersuchungsrichter habe sich
in einem an seine Einvernahme anschliessenden "Vieraugengespräch" von seinem
Verhalten enttäuscht gezeigt, da er ihn bezüglich der "Bürgschaften /
eidesstattlichen Versicherungen" nicht habe unterstützen können. Der
Untersuchungsrichter habe ihm mitgeteilt, dass ausschliesslich er für die
Verteilung der strittigen Gelder "Gewalt habe". Ausserdem habe er ihm mit der
deutschen Staatsanwaltschaft gedroht, um ihn zu verunsichern und zu
verängstigen. Durch die Art und Weise des Vorgehens habe er sich stark
genötigt gefühlt.

3.2
3.2.1L.________ wurde am 21. Oktober 2002 von Untersuchungsrichter X.________
als Auskunftsperson einvernommen. Anwesend war Rechtsanwalt Dr. Alois Näf als
Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin sowie von B.________. Rechtsanwalt Näf
verliess die Befragung allerdings in deren Verlauf (Protokoll S. 11). Das
Protokoll, das sowohl die Fragen des Untersuchungsrichters wie auch die
Antworten der Auskunftsperson L.________ enthält, gibt keinerlei Hinweis für
Druckversuche seitens des Untersuchungsrichters. Es trifft zwar zu, dass
L.________ - im Gegensatz zu M.________ - das Einvernahmeprotokoll nicht auf
allen Seiten visiert, sondern nur am Schluss unterschrieben hat.
Protokolliert ist jedoch am Ende der Einvernahme die Erklärung des
Untersuchungsrichters, die Auskunftsperson erhalte das Protokoll nun zur
Durchsicht, mit dem Hinweis, Berichtigungen und Ergänzungen könnten im
Protokoll eigenhändig vermerkt werden. Dass L.________ von dieser
Aufforderung Gebrauch gemacht hat, zeigen seine visierten Korrekturen auf den
Seiten 2, 5, 12 und 15 des Protokolls. Daraus geht hervor, dass er das
Protokoll gelesen und die Gelegenheit wahrgenommen hat, dasselbe bei Bedarf
zu berichtigen.

Im Verlaufe der Einvernahme wurde L.________ auch zu den Beziehungen der
Firma G.________ AG zur Beschwerdeführerin befragt. Auf den Vorhalt, er solle
1995 einem D.________ erklärt haben, er sei der Inhaber der Firma G.________
AG und diese Firma sei bei H.________ in Rorschach installiert, H.________
besorge alle Geschäftsabwicklungen, insgesamt habe er rund USD 18 Mio. für
die G.________ AG eingesammelt und der Firma H.________ weiter geleitet,
erklärte er, dies sei total falsch; es stimme kein Wort. Hierauf fasste der
Untersuchungsrichter mit der Frage nach: "Die Angeschuldigten hatten mit
G.________ nichts zu tun?" L.________ antwortete darauf: "Ich betone nochmals
zum Mitschreiben: Die G.________ war eine ganz andere Geschichte. Anderer
Treuhänder, andere Bank. Alles. Und das hat keinen Faden zu der H.________.
Nicht den dünnsten" (Protokoll S. 17).

3.2.2  Die Anklagekammer hat hierzu erwogen, das zehn Monate später erfolgte
Vorbringen von L.________, der Untersuchungsrichter habe ihn "massiv unter
Druck gesetzt", dies (eine Verbindung zwischen der Firma G.________ AG und
der Beschwerdeführerin) nach seiner Version zu bestätigen, vermöge eine
Befangenheit nicht zu begründen.

Diese Würdigung ist auch bei der hier massgebenden freien Kognition nicht zu
beanstanden. Die Feststellung der Anklagekammer, aus dem Einvernahmeprotokoll
würden sich keine Hinweise für ein Unterdrucksetzen der Auskunftsperson
L.________ ergeben, erweist sich als zutreffend. Angesichts der Tatsache,
dass dieser das Protokoll, wie ausgeführt, gelesen und, abgesehen von
vereinzelten Korrekturen, vorbehaltlos unterschrieben hat, ist von der
Richtigkeit dieses Protokolls auszugehen. Der Hinweis der Beschwerdeführerin,
der Untersuchungsrichter habe das Protokoll selbst geschrieben, ist
angesichts der Unterzeichnung durch die Auskunftsperson, der ausdrücklich
Gelegenheit gegeben wurde, Berichtigungen anzubringen, unbehelflich. Nicht zu
beanstanden ist auch die Feststellung der Anklagekammer, dass es Aufgabe und
Pflicht des Untersuchungsrichters war, widersprechenden Aussagen nachzugehen
und den Betroffenen entsprechende Vorhalte zu machen. Da D.________
anlässlich einer Einvernahme vom 3. November 1997 offenbar Beziehungen
zwischen der Firma G.________ AG und der Beschwerdeführerin behauptet hatte,
gehörte es zu den Aufgaben des Untersuchungsrichters, diese Frage zu klären,
wobei er nach einer ersten Bestreitung seitens der Auskunftsperson ohne
weiteres berechtigt war, einmal nachzufassen. Dass dies L.________ offenbar
nicht angenehm war, ergibt sich aus seiner etwas unwilligen Antwort, die er
mit den Worten einleitete: "Ich betone nochmals zum Mitschreiben...". Selbst
wenn sich L.________ durch die betreffenden Fragen des Untersuchungsrichters
subjektiv unter Druck gesetzt gefühlt haben sollte, erweckt dies objektiv
jedoch nicht den Anschein einer Befangenheit des Untersuchungsrichters.

3.2.3  L.________ hat in seinem Schreiben vom 25. August 2003 dem
Untersuchungsrichter ferner vorgeworfen, er habe ihn am Schluss der
Vernehmung zu beeinflussen versucht, gegen die Beschwerdeführerin Anzeige zu
erstatten.

Dem Einvernahmeprotokoll ist, wie die Anklagekammer zutreffend festgestellt
hat, diesbezüglich nichts zu entnehmen. Der Untersuchungsrichter hat in
seiner Vernehmlassung vom 10. September 2003 an die Staatsanwaltschaft St.
Gallen eine Beeinflussung von L.________, gegen die Beschwerdeführerin
Anzeige zu erstatten, bestritten. Er hat erklärt, die am Schluss der
Einvernahme protokollierte Frage nach offenen Forderungen der Auskunftsperson
gegen die Beschwerdeführerin und die Antwort von L.________, dass er rein
moralisch keine Forderung gegen die Beschwerdeführerin habe, habe den
Schlusspunkt gesetzt. Weitere Fragen seien nicht erfolgt. Die Anklagekammer
hat bei der Beurteilung der im Schreiben vom 25. August 2003 von L.________
erhobenen Vorwürfe berücksichtigt, dass dieser am Schluss dieses Schreibens
seinen Vorwurf wieder abschwächte, indem er erklärte: "Mein Gesamteindruck
von dieser Vernehmung war jedenfalls, dass Hr. X.________ nur auf eine
Anzeige gegen H.________ aus war." Nach der Beurteilung der Anklagekammer
handelte es sich dabei um ein erst rund zehn Monate nach der fraglichen
Einvernahme geäussertes subjektives Empfinden. Dieses vermöge eine
Befangenheit des Untersuchungsrichters nicht zu begründen.

Diese Wertung ist nicht zu beanstanden. Einerseits ergibt sich aus dem
Protokoll kein Hinweis auf eine Beeinflussung der Auskunftsperson L.________.
Andererseits berichtet dieser selbst abschliessend von einem Gesamteindruck
und damit von einem subjektiven Empfinden, das er überdies erst rund zehn
Monate nach der Einvernahme gegenüber dem Anwalt der Beschwerdeführerin zum
Ausdruck gebracht hat. Es fehlt demnach am Nachweis eines
Beeinflussungsversuchs seitens des Untersuchungsrichters gegenüber
L.________.

3.3
3.3.1M.________ wurde von Untersuchungsrichter X.________ am 10. Oktober 2002
als Auskunftsperson einvernommen. Anwesend waren B.________, deren damaliger
Anwalt Dr. Alois Näf sowie Dr. N.________ als damaliger Rechtsvertreter der
Beschwerdeführerin. M.________ rügte in seinem Schreiben vom 1. September
2003 an den Vertreter der Beschwerdeführerin das angebliche Verhalten des
Untersuchungsrichters in einem an diese Einvernahme anschliessenden
"Vieraugengespräch". Der Untersuchungsrichter hat in seiner Vernehmlassung
vom 10. September 2003 an die Staatsanwaltschaft St. Gallen bestätigt, dass
nach der Protokolldurchsicht ein solches Gespräch stattfand und dass in
diesem formlosen Gespräch über Widersprüche zwischen der Aussage der
Auskunftsperson und den vorliegenden Dokumenten sowie über Abläufe im
Zusammenhang mit der Verwendung von allfälligen Sicherstellungen gesprochen
wurde. Der Untersuchungsrichter hat jedoch in Abrede gestellt, dass dabei die
Rede gewesen sei, er sei von M.________s Verhalten "enttäuscht", da er ihn
"zu seinem ursprünglichen Vorhaben bzgl. der Bürgschaften / eidesstattlichen
Versicherungen nicht unterstützen konnte." Als frei erfunden bezeichnete der
Untersuchungsrichter auch die Darstellung, er habe geäussert, die Verteilung
allfälliger Sicherstellungen sei in seiner Gewalt und er habe mit der
deutschen Staatsanwaltschaft gedroht.

Die Anklagekammer hat hierzu erwogen, es lägen keine nachvollziehbaren
Umstände vor, welche begründetermassen auf eine Befangenheit bzw. den
Anschein hierzu hindeuten würden. Dabei ist insbesondere von Bedeutung, dass
die Einvernahme M.________s unbestrittenermassen vor diesem
"Vieraugengespräch" abgeschlossen war, und daher nicht ersichtlich ist, wozu
die von M.________ behauptete Nötigung hätte dienen können. Die
Beschwerdeführerin macht geltend, der Zweck des Gesprächs unter vier Augen
habe darin bestanden, M.________ zu einer dem Untersuchungsrichter
willkommeneren und sie belastenden Aussage zu bewegen. Da jedoch die
Einvernahme, die von 10 Uhr morgens mit Pausen bis 16.29 Uhr gedauert hatte,
abgeschlossen und das Protokoll unterzeichnet war, ist nicht ersichtlich, wie
dieser Zweck hätte erreicht werden können. Selbst wenn der
Untersuchungsrichter M.________ ein weiteres Mal einvernommen hätte, wie die
Beschwerdeführerin geltend macht, wären seine ersten Aussagen protokolliert
und nicht zu umgehen gewesen.

3.3.2  Die Anklagekammer hat auch bei der Würdigung der von M.________
erhobenen Vorwürfe berücksichtigt, dass er diese erst rund zehn Monate nach
seiner Einvernahme erhoben hat und zwar erst nach einem Besuch bei der
Beschwerdeführerin. Diese Würdigung ist nicht zu beanstanden. Hätte sich
M.________ durch das Vorgehen des Untersuchungsrichters tatsächlich "stark
genötigt" gefühlt, hätte er ohne weiteres eine Aufsichtsbeschwerde gegen den
Untersuchungsrichter erheben können, was er nicht getan hat.

4.
Wie das Bundesgericht in BGE 127 I 196 E. 2d S. 199 festgehalten hat, ist im
Interesse einer beförderlichen Rechtspflege im Zusammenhang mit
Ausstandsbegehren gegen Justizbeamte eine Befangenheit nicht leichthin
anzunehmen. Gerade in Fällen mit komplexem Sachverhalt und zahlreichen
Geschädigten kann die Gutheissung eines Ausstandsbegehrens zu einer
Verlängerung des Verfahrens führen, welche in ein Spannungsverhältnis zum
Beschleunigungsgebot tritt. Wohl wäre, wie das Bundesgericht betont hat, im
Hinblick auf die Bedeutung des Anspruchs auf einen unparteiischen und
unabhängigen Richter und Untersuchungsrichter eine allzu restriktive
Auslegung und Anwendung der entsprechenden Garantien nicht zu vertreten.
Insbesondere mit Blick darauf, dass L.________ und M.________ ihre Vorwürfe
gegen den Untersuchungsrichter erst rund zehn Monate nach ihren Einvernahmen,
nach Besuchen bei der Beschwerdeführerin je in einem Schreiben an deren
Verteidiger vorgebracht haben und sich in den ausführlichen
Einvernahmeprotokollen keinerlei Anhaltspunkte für die Richtigkeit der
erhobenen Vorwürfe finden lassen, kann die Ablehnung des von der
Beschwerdeführerin gestellten Ausstandsbegehrens durch die kantonalen
Instanzen nicht als allzu restriktive Auslegung beziehungsweise Anwendung von
Art. 29 Abs. 1 BV angesehen werden.

5.
Die Beschwerdeführerin rügt ferner eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs,
wofür sie sich auf Art. 29 Abs. 2 BV beruft.

5.1  Sie macht geltend, die Anklagekammer habe ihren Gehörsanspruch verletzt,
indem sie die zum Beweis für den dem Ausstandsbegehren zugrunde liegenden
Sachverhalt angerufenen Zeugen nicht einvernommen habe.

5.1.1  Es trifft zu, dass M.________ und L.________, auf deren Schreiben sich
das Ausstandsbegehren stützte, in der Rechtsverweigerungsbeschwerde an die
Anklagekammer als Zeugen angerufen worden sind. Die Anklagekammer hat nicht
dargelegt, aus welchen Gründen sie von der Einvernahme dieser Zeugen
abgesehen hat. Sie hat jedoch, wie vorher schon der
Staatsanwalt-Stellvertreter in seinem Entscheid vom 23. September 2003,
hinsichtlich beider Personen festgehalten, dass diese ihre Beschwerden erst
vorbrachten, nachdem sie kurz zuvor - getrennt voneinander - bei der
Beschwerdeführerin zu Besuch gewesen waren. Sie hätten ihre Schreiben vom 25.
August 2003 beziehungsweise 1. September 2003 zuhanden des amtlichen
Verteidigers der Beschwerdeführerin auf deren Ersuchen verfasst. Dies wird
seitens der Beschwerdeführerin zu Recht nicht in Abrede gestellt, da dies im
Schreiben ihres Anwalts vom 5. September 2003, mit welchem er das
Ausstandsbegehren ergänzte, so dargestellt worden war.

5.1.2  Der Richter verstösst nicht gegen die Verfassung, wenn er einem
Beweisantrag keine Folge gibt, weil er zur Überzeugung gelangt ist, der
rechtlich erhebliche Sachverhalt sei genügend abgeklärt, und er überdies in
willkürfreier antizipierter Würdigung der zusätzlich beantragten Beweise
annehmen kann, seine Überzeugung werde auch durch diese nicht mehr geändert
(BGE 124 I 208 E. 4a S. 211 mit Hinweisen).

5.1.3  Im vorliegenden Fall durften die kantonalen Instanzen auf die
Einvernahme von L.________ und M.________ verzichten. Denn selbst wenn die
Auskunftspersonen die in ihren Schreiben vom 25. August 2003 beziehungsweise
1. September 2003 erhobenen Vorwürfe als Zeugen bestätigt hätten, wäre es
verfassungsrechtlich zulässig gewesen, das Ausstandsbegehren abzulehnen. Das
rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin wurde somit durch die unterbliebene
Einvernahme von L.________ und M.________ als Zeugen nicht verletzt.

5.2  Die Beschwerdeführerin sieht ihren Anspruch auf rechtliches Gehör auch
dadurch verletzt, dass die Anklagekammer die mit der
Rechtsverweigerungsbeschwerde neu eingereichten Beweismittel, nämlich ein
Schreiben von Untersuchungsrichter Dr. Z.________ vom 16. April 2003 sowie
zwei Einvernahmeprotokolle von Milan Zlatkovic vom 10. April 2003 und vom 26.
September 2003, nicht berücksichtigt hat. Sie beruft sich diesbezüglich auf
Art. 16 Abs. 1 des Strafprozessgesetzes St. Gallen (StP/SG) vom 1. Juli 1999.
Danach ist die Anklagekammer Aufsichtsbehörde für das Untersuchungsverfahren.
Als solche wacht sie über die Einhaltung dieses Gesetzes durch die
Strafverfolgungsbehörden und kann ihnen allgemeine Weisungen erteilen. Ferner
beruft sich die Beschwerdeführerin auf Art. 257 Abs. 2 StP/SG, wonach die
Beschwerdeinstanz eigene Erhebungen durchführen kann. Gestützt auf diese
Bestimmungen vertritt die Beschwerdeführerin die Ansicht, die Anklagekammer
hätte sämtliche, auch die in der Rechtsverweigerungsbeschwerde neu
vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel berücksichtigen müssen.

Wie es sich damit verhält kann offen gelassen werden. Denn das Schreiben von
Dr. Z.________ vom 16. April 2003 sowie die beiden Einvernahmeprotokolle vom
10. April 2003 und vom 26. September 2003 wurden nur zum Beweis dafür
eingereicht, dass das Untersuchungsamt Auskunftspersonen nicht nur einmal
sondern mehrere Male vorgeladen und einvernommen hat. Dies ist unbestritten.
Soweit die Beschwerdeführerin aus den genannten Bestimmungen des
Strafprozessgesetzes ableiten will, die Anklagebehörde wäre von Amtes wegen
verpflichtet gewesen, die beiden Auskunftspersonen zur Abklärung des geltend
gemachten Ausstandsgrundes als Zeugen einzuvernehmen, ist auf das oben
Gesagte zu verweisen, wobei das Bundesgericht die Auslegung des kantonalen
Rechts nur auf Willkür überprüft. Weil die Anklagekammer in Würdigung aller
Umstände das Ausstandsbegehren auch dann hätte ablehnen dürfen, wenn die
Urheber der beiden Briefe den zur Untermauerung des Ausstandsbegehrens
behaupteten Sachverhalt bestätigt hätten, war der Verzicht auf deren
Einvernahme auch unter dem Gesichtspunkt der Aufsichtspflicht der
Anklagekammer über die Untersuchungsbehörden nicht willkürlich.

6.
Zusammenfassend erweist sich die staatsrechtliche Beschwerde als unbegründet.
Sie ist daher abzuweisen, soweit auf sie einzutreten ist.

Bei diesem Ausgang hat die Beschwerdeführerin die Kosten des
bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG).

Die Beschwerdeführerin hat aufforderungsgemäss einen Kostenvor-schuss von Fr.
2'000.-- geleistet. Im Verfahren 1P.502/2002 vom 27. Januar 2003
(Ausstandsbegehren von H.________ gegen Untersuchungsrichter Dr. Z.________)
wurde trotz Kostenvorschuss von Fr. 2`000.-- eine Gebühr von Fr. 3'000.--
erhoben. Es erscheint daher gerechtfertigt, auch im vorliegenden Verfahren
die Gebühr auf Fr. 3'000.-- festzusetzen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien sowie dem Staatsanwalt-Stellvertreter und der
Anklagekammer des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 15. Juni 2004

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: