Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.14/2004
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1P.14/2004 /sta

Urteil vom 1. März 2004

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident,
Bundesgerichtsvizepräsident Nay, Bundesrichter Féraud,
Gerichtsschreiber Störi.

X. ________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Hans Werner
Meier,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus, 5001 Aarau,
Obergericht des Kantons Aargau, 3. Strafkammer, Obere Vorstadt 38, 5000
Aarau.

Art. 29 Abs. 2 und Art. 9 BV (Strafverfahren),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons
Aargau, 3. Strafkammer,
vom 2. Dezember 2003.
Sachverhalt:

A.
Das Bezirksgericht Brugg verurteilte X.________ am 18. März 2003 wegen
mehrfacher einfacher Körperverletzung und Fahrens trotz Führerausweisentzuges
zu zwei Monaten Gefängnis bedingt und einer Busse von 300 Franken; von
weiteren Vorwürfen sprach es ihn frei. Es hielt für erwiesen, dass er
gemeinsam mit A.________ am 28. Oktober 2001 beim Bahnhof Brugg und am 1.
November 2001 bei der Bushaltestelle Oberdorfstrasse in Schinznach Dorf
B.________ und C.________ angriff und sie verletzte. Ebenso war es überzeugt,
dass X.________ am 10. Juni 2002 am Steuer des Subaru AG ... in Fislisbach
von der Büntenstrasse herkommend in Richtung Eichstrasse fuhr, obwohl er in
diesem Zeitpunkt nicht über einen Führerausweis verfügte.

Die Strafkammer des Obergerichts des Kantons Aargau wies die Berufung
X.________s am 2. Dezember 2003 ab.

B.
Mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs und
Willkür beantragt X.________, diesen obergerichtlichen Entscheid aufzuheben.
Ausserdem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege.

C.
Strafkammer und Staatsanwaltschaft verzichten auf Vernehmlassung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Beim angefochtenen Entscheid der Strafkammer handelt es sich um einen
letztinstanzlichen kantonalen Endentscheid (Art. 86 Abs. 1 OG). Der
Beschwerdeführer ist durch die strafrechtliche Verurteilung in seinen
rechtlich geschützten Interessen berührt (Art. 88 OG), weshalb er befugt ist,
die Verletzung verfassungsmässiger Rechte zu rügen. Die übrigen
Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, sodass auf die
Beschwerde, unter dem Vorbehalt gehörig begründeter Rügen (Art. 90 Abs. 1
lit. b OG; BGE 127 I 38 E. 3c; 125 I 492 E. 1b; 122 I 70 E. 1c), einzutreten
ist. Soweit im Folgenden auf Ausführungen in der Beschwerdeschrift nicht
eingegangen wird, genügen sie den gesetzlichen Begründungsanforderungen
nicht.
Nicht einzutreten ist auf die Beschwerde allerdings insoweit, als sie sich
nicht gegen den letztinstanzlichen Entscheid der Strafkammer, richtet,
sondern (auch) den erstinstanzlichen Entscheid des Bezirksgerichts
kritisiert. Das ist, von hier nicht zutreffenden Ausnahmen abgesehen,
unzulässig.

2.
2.1 Mit der staatsrechtlichen Beschwerde wendet sich der Beschwerdeführer
einzig gegen seine Verurteilung wegen Fahrens trotz Führerausweisentzuges.
Diese beruht im Wesentlichen auf den vom Obergericht als glaubhaft
eingestuften Aussagen des Polizeibeamten D.________, welcher gesehen haben
will, wie der ihm persönlich bekannte Beschwerdeführer am 10. Juni 2002, um
circa 20:05 Uhr, am Steuer des Personenwagens "Subaru Impreza 2.0 Turbo", AG
... in Fislisbach in einer Entfernung von 4 - 5 Metern an ihm vorbeifuhr. Das
Obergericht führte aus, es ergebe sich aus der vom Polizeibeamten
angefertigten Anzeige, dass er diese Tatsachen genau beobachtet und
schriftlich festgehalten habe, weshalb auszuschliessen sei, dass sich der
Zeuge hinsichtlich Datum, Uhrzeit und des beobachteten Fahrzeugs getäuscht
haben könnte. Es erübrige sich deshalb, die Freundin des Beschwerdeführers zu
diesem Punkt zu befragen, da diese nur als Auskunftsperson befragt werden
könnte und ihre Aussagen auf Grund ihrer nahen Beziehung zum Beschwerdeführer
mit Bestimmtheit "zu Gunsten des Angeklagten gefärbt ausfallen". Es schloss
weiter aus, dass die Schwester des Beschwerdeführers, welche diesem nach den
Feststellungen des Bezirksgerichtes zum Verwechseln ähnlich sieht, am Steuer
gewesen sein könnte; dies vor allem auch deswegen, weil sie selber gegenüber
der Polizei erklärt hatte, sie habe an jenem Abend den fraglichen Subaru mit
Sicherheit nicht gelenkt. Aus den Aussagen der Wirtin des Dart Centers,
welches der Beschwerdeführer an jenem Abend aufgesucht hatte, vermochte die
Strafkammer nichts Erhellendes zum Vorfall ableiten und verzichtete darauf,
den Ehemann der Wirtin und weitere Mitglieder des Dart-Clubs zur Sache
einzuvernehmen.

2.2 Der Beschwerdeführer wirft der Strafkammer eine Verletzung seines
rechtlichen Gehörs vor, weil es die Einvernahme seiner Freundin E.________
abgelehnt habe mit der Begründung, deren Aussage sei mit Bestimmtheit
parteiisch und nicht geeignet, zu seinen Gunsten etwas abzuleiten. Diese
könne bestätigen, dass sie am 10. Juni 2002 mit dem fraglichen Subaru in
Zürich gewesen sei, so dass die Beobachtung des Polizeibeamten D.________
nicht zutreffen könne. Ebenfalls eine Gehörsverweigerung liege darin, dass es
die Strafkammer abgelehnt habe, alle Mitglieder des Dart-Clubs
einzuvernehmen, die an jenem Abend im Club gewesen seien. Es sei nicht
ausgeschlossen, dass diese zum genauen Zeitpunkt seines Eintreffens im Club
Konkretes aussagen könnten.

2.3 Nach den aus Art. 29 BV fliessenden Verfahrensgarantien sind alle Beweise
abzunehmen, die sich auf Tatsachen beziehen, die für die Entscheidung
erheblich sind (BGE 117 Ia 262 E. 4b; 106 Ia 161 E. 2b; 101 Ia 169 E. 1, zu
Art. 4 aBV, je mit Hinweisen). Das hindert aber den Richter nicht, einen
Beweisantrag abzulehnen, wenn er in willkürfreier Überzeugung der bereits
abgenommenen Beweise zur Überzeugung gelangt, der rechtlich erhebliche
Sachverhalt sei genügend abgeklärt, und er überdies in willkürfreier
antizipierter Würdigung der zusätzlich beantragten Beweise annehmen kann,
seine Überzeugung werde auch durch diese nicht mehr geändert (BGE 122 V 157
E. 1d; 119 Ib 492 E. 5b/bb, zu Art. 4 aBV).

Willkürlich handelt ein Gericht, wenn es seinem Entscheid
Tatsachenfeststellungen zugrunde legt, die mit den Akten in klarem
Widerspruch stehen. Im Bereich der Beweiswürdigung besitzt der Richter einen
weiten Ermessensspielraum. Das Bundesgericht greift im Rahmen einer
staatsrechtlichen Beschwerde nur ein, wenn die Beweiswürdigung offensichtlich
unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht
oder auf einem offenkundigen Versehen beruht (BGE 124 I 208 E. 4a; 117 Ia 13
E. 2c; 18 E. 3c, je mit Hinweisen).

2.4 Nachdem die Strafkammer, was der Beschwerdeführer nicht beanstandet, die
dem Beschwerdeführer zum Verwechseln ähnliche Schwester als Fahrerin
ausschliessen konnte, ist es keineswegs unhaltbar, die präzisen Aussagen des
Polizeibeamten D.________, welcher den ihm persönlich bekannten
Beschwerdeführer aus kurzer Distanz erkannte und der das fragliche Fahrzeug
in allen Details beschreiben konnte, als hieb- und stichfesten, durch die
Aussage von E.________ von vornherein nicht zu erschütternden Beweis dafür
anzusehen, dass der Beschwerdeführer das fragliche Fahrzeug steuerte. Dies
vor allem auch deshalb, weil der Beschwerdeführer an seiner polizeilichen
Einvernahme vom 25. Juni 2002 - also nur rund zwei Wochen nach dem Vorfall -
noch keineswegs abgestritten hatte, dass er am 10. Juni 2002 mit dem
fraglichen roten Subaru zum Dart-Club gefahren war, sondern nur geltend
machte, seine Schwester sei am Steuer gewesen.
Zu Recht beanstandet der Beschwerdeführer zwar die Formulierung der
Strafkammer, allfällige Aussagen von E.________ wären von vornherein
parteiisch und unglaubhaft, da diese nicht (eben so wenig übrigens wie der
Beschwerdeführer) wissen kann, was Frau E.________ vor Gericht aussagen
würde. Das ändert aber nichts daran, das die Strafkammer willkürfrei von der
Täterschaft des Beschwerdeführers ausgehen und die Einvernahme von E.________
in willkürfreier antizipierter Beweiswürdigung ablehnen konnte. Nicht
ersichtlich ist schliesslich, was die Aussagen der Dart-Spieler am
Beweisergebnis ändern könnten: der Beschwerdeführer macht nicht geltend, dass
einer von ihnen bezeugen könnte, dass er nicht am Steuer des roten Subaru am
Polizeibeamten D.________ vorbeigefahren sein könne.

3.
Die Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Damit
wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 OG). Er hat zwar ein
Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gestellt, welches
indessen abzuweisen ist, da die Beschwerde aussichtslos war (Art. 152 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
2.1 Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird
abgewiesen.

2.2 Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer sowie der Staatsanwaltschaft und dem
Obergericht des Kantons Aargau, 3. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 1. März 2004

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: