Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.138/2004
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1P.138/2004 /whl

Urteil vom 23. Juni 2004

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident,
Bundesgerichtsvizepräsident Nay,
Bundesrichter Fonjallaz,
Gerichtsschreiber Störi.

X. ________, Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Emil Nisple,

gegen

Y.________, Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. David Brunner,
Politische Gemeinde Altstätten, vertreten durch
den Stadtrat, 9450 Altstätten SG,
Baudepartement des Kantons St. Gallen, Lämmlisbrunnenstrasse 54, 9001 St.
Gallen,
Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen, Spisergasse 41, 9001 St. Gallen.

Art. 8, 9 und 29 BV (Baubewilligung für eine Garagenzufahrt),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des
Kantons St. Gallen vom

23. Januar 2004.

Sachverhalt:

A.
X. ________ ist Eigentümerin der mit einem Wohnhaus überbauten Parzelle Nr. 1
in Altstätten/SG. Diese grenzt im Südosten an die alte Stossstrasse und im
Nordosten an die Gemeindestrasse 3. Klasse Strick-Bürg, die teilweise auf der
Parzelle Nr. 1 liegt. Jenseits dieser Strasse liegt unter anderem die
Parzelle Nr. 2 von Y.________. Diese hatten am 22. April 2000 die
Baubewilligung für ein Einfamilienhaus erhalten, welche die verkehrsmässige
Erschliessung von Osten her über die Schützenstrasse vorsah, obwohl die
Garagen und Parkplätze des Bauvorhabens nach Süden gegen die
Strick-Bürg-Strasse hin ausgerichtet waren.

Y. ________ erwarben in der Folge einen wenige Quadratmeter grossen
Landstreifen, der ihre Parzelle von der Strasse Strick-Bürg trennte und
reichten am 12. August 2002 ein Baugesuch für eine alternative Zufahrt über
dieselbe ein. X.________ erhob Einsprache gegen das Gesuch, im Wesentlichen
mit dem Argument, es sei rechtsmissbräuchlich, da Y.________ im Rahmen der
Erstüberbauung zugesichert hätten, die Zufahrt über die Schützenstrasse
anzulegen.

Der Stadtrat Altstätten bewilligte das Baugesuch von Y.________ am 20. Januar
2003 und wies die Einsprache ab. X.________ rekurrierte ans Baudepartement
des Kantons St. Gallen, welches den Rekurs am 28. Juli 2003 guthiess und die
Baubewilligung aufhob. Y.________ fochten diesen Rekursentscheid beim
Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen an, welches ihn am 23. Januar 2004
in Gutheissung ihrer Beschwerde aufhob.

B.
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 1. März 2004 wegen Verletzung von Art.
8, 9 und 29 BV beantragt X.________:
"1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 23. Januar
2004 sei vollumfänglich aufzuheben;

2. Der Entscheid des Baudepartements des Kantons St. Gallen vom 28. Juli 2003
sei zu bestätigen;

3. Demnach sei der Rekurs von X.________ gut zu heissen und die
Baubewilligung des Stadtrates Altstätten vom 20. Januar 2003 (Nr. 3)
aufzuheben;

unter Kosten- und Entschädigungsfolge."

C.
Das Verwaltungsgericht beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf
einzutreten sei. Das Baudepartement verzichtet auf Stellungnahme. Der
Stadtrat Altstätten beantragt unter Hinweis auf seine Baubewilligung und den
angefochtenen Entscheid, die Beschwerde abzuweisen. Y.________ beantragen,
die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Zur staatsrechtlichen Beschwerde befugt ist nach Art. 88 OG, wer durch
den angefochtenen Entscheid persönlich in seinen rechtlich geschützten
Interessen beeinträchtigt ist und ein aktuelles und praktisches Interesse an
der Beschwerde hat. Nach der Praxis des Bundesgerichts ist die Eigentümerin
eines benachbarten Grundstückes befugt, die Erteilung einer Baubewilligung
anzufechten, wenn sie die Verletzung von Bauvorschriften geltend macht, die
ausser den Interessen der Allgemeinheit auch oder in erster Linie dem Schutz
der Nachbarn dienen. Zusätzlich muss sie dartun, dass sie sich im
Schutzbereich der Vorschriften befindet und durch die behauptete
widerrechtlichen Auswirkungen der Baute betroffen wird (ZBl 100/1999 S. 136
E. 1b; BGE 118 Ia 232 mit Hinweisen).

1.2 Nach der dargelegten Rechtsprechung ist die Beschwerdeführerin unter den
genannten Voraussetzungen befugt, die den Beschwerdegegnern erteilte
Baubewilligung anzufechten. Allerdings ermöglicht die staatsrechtliche
Beschwerde keine Fortsetzung des kantonalen Verfahrens. Das Bundesgericht
prüft in diesem Verfahren nur in der Beschwerdeschrift erhobene, detailliert
begründete und soweit möglich belegte Rügen. Die Beschwerdeführerin muss den
wesentlichen Sachverhalt darlegen, die als verletzt gerügten
Verfassungsbestimmungen nennen und überdies dartun, inwiefern diese verletzt
sein sollen (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 127 I 38 E. 3c; 125 I 492 E. 1b;
122 I 70 E. 1c).

1.3 Die Beschwerdeführerin rügt - wenigstens sinngemäss - die Verletzung der
Eigentumsgarantie durch eine willkürliche Anwendung des kantonalen Baurechts.
Sie begründet ihre Legitimation für diese Rügen nicht, sondern hält dazu
bloss fest, sie sei als Eigentümerin der Parzelle Nr. 1 durch das
angefochtene Urteil "direkt betroffen" (staatsrechtliche Beschwerde Ziff. 5
S. 4). Dies genügt offensichtlich nicht, ihre Beschwerdebefugnis im Sinne der
in E. 1.1 angeführten Rechtsprechung nachzuweisen.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass sie zu dieser Rüge befugt wäre. Zu deren
Begründung führt sie an, die Strick-Bürg-Strasse sei keine zureichende Hin-
und Wegfahrt im Sinne von Art. 49 Abs. 2 lit. a des Baugesetzes vom 6. Juni
1972, da sie den einschlägigen Normen des Schweizerischen Verbandes der
Strassen- und Verkehrsfachleute nicht genüge, insbesondere weil sie die
geforderte Mindestbreite nicht durchgehend aufweise. Damit macht sie
allgemeine Interessen - etwa der Verkehrssicherheit - geltend, wozu sie nicht
befugt ist. Sie wäre in dieser Konstellation unter Berufung auf Art. 26 BV
höchstens zur Rüge befugt, der durch die umstrittene neue Zufahrt auf der
Strick-Bürg-Strasse zu erwartende Mehrverkehr beeinträchtige ihre eigene
Hauszufahrt; dies macht sie jedoch nicht geltend.

1.4 Die Beschwerdeführerin rügt, es verletze das Rechtsgleichheitsgebot von
Art. 8 Abs. 1 BV, den Beschwerdegegnern eine Hauszufahrt in die
Strick-Bürg-Strasse zu bewilligen, im Wissen darum, dass weitere derartige
Gesuche wegen deren beschränkter Kapazität abgelehnt werden müssten. Zu
dieser Rüge ist die Beschwerdeführerin befugt, da sie geltend macht, bei
einer allfälligen weiteren Überbauung ihrer Parzelle Nr. 1 selber
Hauszufahrten in die Strick-Bürg-Strasse zu beanspruchen.

Die Rüge ist allerdings offensichtlich unbegründet. Wenn das
Verwaltungsgericht in willkürfreier Beurteilung der Verkehrssituation auf der
Strick-Bürg-Strasse zum Schluss kam, diese vermöchte auch den zusätzlichen
Anschluss des Einfamilienhauses der Beschwerdegegner zu verkraften, so konnte
es diesen ohne Verletzung des Rechtsgleichheitsgebotes bewilligen, auch wenn
heute schon absehbar ist, dass ihre Kapazität im heutigen Ausbaustand für
weitere künftige und noch nicht konkret absehbare Hauszufahrten nicht mehr
ausreichen wird.

1.5 Die Beschwerdeführerin macht geltend, das Verwaltungsgericht habe ihren
in Art. 29 Abs. 2 BV garantierten Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt,
indem es einen von ihr am Augenschein eingereichten Situationsplan einfach
ignoriert habe. Aus diesem sei ersichtlich, dass die Strick-Bürg-Strasse den
Normen des Schweizerischen Verbandes der Strassen- und Verkehrsfachleute
praktisch auf der ganzen Linie und insbesondere im Bereich der umstrittenen
Hauszufahrt nicht genüge, da sie dort lediglich eine Breite von 2,70 m
anstelle des vorgegebenen Mindestmasses von 3,50 m aufweise.

Zu dieser Gehörsverweigerungsrüge ist die Beschwerdeführerin als Partei im
kantonalen Verfahren unabhängig von ihrer Beschwerdebefugnis in der Sache
befugt; ihre Parteirechte begründen ihr rechtlich geschütztes Interesse nach
Art. 88 OG (BGE 129 I 217 E. 1.4; 129 II 297 E. 2.3).
1.6 Nicht einzutreten ist auf die Beschwerde, soweit mehr verlangt wird als
die Aufhebung des Verwaltungsgerichtsurteils, da die staatsrechtliche
Beschwerde, von hier nicht zutreffenden Ausnahmen abgesehen, kassatorischer
Natur ist (BGE 123 I 112 E. 2b). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben
zu keinen Bemerkungen Anlass.

2.
2.1 Nach den aus Art. 29 BV fliessenden Verfahrensgarantien sind alle Beweise
abzunehmen, die sich auf Tatsachen beziehen, die für die Entscheidung
erheblich sind (BGE 117 Ia 262 E. 4b; 106 Ia 161 E. 2b; 101 Ia 169 E. 1, zu
Art. 4 aBV, je mit Hinweisen). Das hindert aber den Richter nicht, einen
Beweisantrag abzulehnen, wenn er in willkürfreier Überzeugung der bereits
abgenommenen Beweise zur Überzeugung gelangt, der rechtlich erhebliche
Sachverhalt sei genügend abgeklärt, und er überdies in willkürfreier
antizipierter Würdigung der zusätzlich beantragten Beweise annehmen kann,
seine Überzeugung werde auch durch diese nicht mehr geändert (BGE 122 V 157
E. 1d; 119 Ib 492 E. 5b/bb, zu Art. 4 aBV).

2.2 Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Entscheid (S. 8)
festgestellt, dass die Strick-Bürg-Strasse zwischen 2,6 und 3 m breit ist und
nur bei der Einmündung und an einer Ausweichstelle das Kreuzen zweier
Personenwagen zulässt. Dies entspricht weitestgehend der Darstellung der
Beschwerdeführerin. Da somit das Verwaltungsgericht in Bezug auf die
Strick-Bürg-Strasse - insbesondere deren geringer Breite und geringem
Ausbaustandard - vom gleichen rechtserheblichen Sachverhalt ausging wie die
Beschwerdeführerin, hatte es keinen Anlass, weitere Beweise darüber
abzunehmen. Der Vorwurf der Beschwerdeführerin, es sei in aktenwidriger Weise
davon ausgegangen, die Strasse weise auf der ganzen Länge eine Breite von 3,5
m auf, ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht konnte unter diesen Umständen
ohne Verfassungsverletzung darauf verzichten, den von der Beschwerdeführerin
offenbar am Augenschein zu den Akten gegebenen Situationsplan ausdrücklich
auszuwerten. Die Rüge ist unbegründet.

3.
Die Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei
diesem Ausgang des Verfahrens trägt die Beschwerdeführerin die Kosten (Art.
156 OG). Sie hat ausserdem den Beschwerdegegnern eine angemessene
Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 159 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegnern eine Parteientschädigung von
Fr. 1'000.-- zu bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Politischen Gemeinde Altstätten sowie
dem Baudepartement und dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 23. Juni 2004

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: