Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1E.10/2004
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1E.10/2004 /gij

Urteil vom 3. Dezember 2004

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident,
Bundesrichter Aeschlimann, Eusebio,
Gerichtsschreiberin Schilling.

1. A.________,
2.B.________,
3.C.________,
Beschwerdeführer, alle vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Peter Kleb,

gegen

Schweizerische Bundesbahnen SBB AG,
Infrastruktur, Rechtsdienst, Kasernenstrasse 95/97, Postfach, 8021 Zürich,
Bundesamt für Verkehr (BAV), Bollwerk 27, 3003 Bern,
Rekurskommission des Eidgenössischen Departementes für Umwelt, Verkehr,
Energie und Kommunikation, Schwarztorstrasse 59, Postfach 336, 3000 Bern 14.

Aufhebung des Privatübergangs bei km 26,951 auf der Bahnstrecke
Wädenswil-Richterswil,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid der Rekurskommission des
Eidgenössischen Departementes für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation
vom 13. Mai 2004.
Sachverhalt:

A.
Die Schweizerischen Bundesbahnen SBB AG (im Folgenden: SBB oder Enteignerin)
beabsichtigt, die Bahnübergänge auf der doppelspurigen Bahnstrecke Wädenswil
- Richterswil zu sanieren und die Privatübergänge zu den seeseits liegenden
Grundstücken so weit als möglich aufzuheben. Mit Verfügung vom 2. Oktober
2003 genehmigte das Bundesamt für Verkehr (BAV) im vereinfachten
eisenbahnrechtlichen Plangenehmigungsverfahren die Aufhebung eines nicht
gesicherten Privatübergangs bei Bahn-km 26.951 in Richterswil. Dieser
Übergang verbindet die Mehrfamilienhaus-Parzelle Kat. Nr. 5868 mit dem
Seegrundstück Kat. Nr. 1746, auf welchem ein Einfamilienhaus steht. Der
Bahnübergang beruht auf einem Fusswegrecht, das mangels Einigung mit den
Grundeigentümern enteignet werden soll. Als Verbindungsweg zwischen den
genannten Grundstücken soll künftig die rund 90 m vom Privatübergang
entfernte Bahnüberführung Hornstrasse dienen.

B.
Gegen die Plangenehmigungsverfügung des BAV reichten die Grundeigentümer -
A.________ als Eigentümerin der Liegenschaft Kat. Nr. 5868 sowie A.________,
B.________ und C.________ als Miteigentümer des Grundstücks Kat. Nr. 1746 -
bei der Rekurskommission des Eidgenössischen Departementes für Umwelt,
Verkehr, Energie und Kommunikation (im Folgenden: Rekurskommission UVEK;
heute: Rekurskommission für Infrastruktur und Umwelt) Verwaltungsbeschwerde
ein. Sie machten im Wesentlichen geltend, der Bahnübergang sei übersichtlich
und angesichts des kleinen Benutzerkreises nicht als besonders gefährlich
einzustufen. Mit der Aufhebung des Übergangs werde das aus den beiden
Grundstücken bestehende Gesamtanwesen seines besonderen Charakters beraubt.
Der Umweg über die Bahnüberführung sei beschwerlich und der Zugang zum
Seegrundstück nicht ungefährlich. Zur Sanierung des Bahnübergangs sei daher
eine weniger einschneidende Massnahme zu treffen, wie etwa die Installation
einer Barriere oder der Bau einer Unterführung.
Mit Entscheid vom 13. Mai 2004 wies die Rekurskommission UVEK die
Verwaltungsbeschwerde ab.

C.
Gegen den Beschwerdeentscheid der Rekurskommission UVEK haben die genannten
Grundeigentümer beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben. Sie
stellen die Anträge, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und es sei auf
die Aufhebung des Privatübergangs bei Bahn-km 26.591 sowie auf die Löschung
der Dienstbarkeit zu verzichten. Eventuell sei die Sache zum Neuentscheid im
Sinne der Ausführungen der Beschwerdeführer an die Vorinstanz zurückzuweisen.
In prozessualer Hinsicht ersuchen die Beschwerdeführer um Durchführung eines
Augenscheins.
Die SBB, das BAV und die Rekurskommission UVEK stellen Antrag auf Abweisung
der Beschwerde.
Den Beschwerdeführern ist Gelegenheit gegeben worden, zu den
Beschwerdeantworten, insbesondere zu den Ausführungen der SBB über die Kosten
einer Barrierenanlage, nochmals Stellung zu nehmen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Beschwerdeentscheide der Rekurskommission UVEK, die im eisenbahnrechtlichen
Plangenehmigungsverfahren gefällt werden, unterstehen der eidgenössischen
Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Art. 99 Abs. 2 lit. c OG). Die
Beschwerdeführer sind als Berechtigte des Fusswegrechts, das aufgehoben
werden soll, zur Beschwerde legitimiert. Auf die frist- und formgerecht
eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher einzutreten.

2.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann Verletzung von Bundesrecht,
einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, beanstandet
werden (Art. 104 lit. a und b OG). Die von der Rekurskommission UVEK
vorgenommene Feststellung des Sachverhaltes bindet das Bundesgericht, soweit
die Vorinstanz diesen nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder
unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen umschrieben hat (Art.
105 Abs. 2 OG). Über die Angemessenheit des Beschwerdeentscheides ist nicht
zu befinden, da das einschlägige Bundesrecht die Rüge der Unangemessenheit
nicht vorsieht (vgl. Art. 104 lit. c Ziff. 3 OG).

3.
Da sich der Sachverhalt mit genügender Klarheit aus den Akten und dem
angefochtenen Entscheid ergibt, erübrigt sich die Durchführung eines
Augenscheins.

4.
Die Beschwerdeführer bestreiten vor Bundesgericht erneut, dass der private
Bahnübergang gefährlich sei und daher saniert werden müsse. Die
Übersichtlichkeit sei besser als von der Rekurskommission angenommen und die
Sichtzeit daure nicht nur 7,2 Sekunden, sondern 9 bis 10 Sekunden.
Die Rekurskommission UVEK hat sich mit der Frage der Gefährlichkeit des
umstrittenen Bahnübergangs ausführlich befasst. Sie hat insbesondere darauf
hingewiesen, dass der verantwortlichen Bahnunternehmung und dem BAV als
Aufsichtsbehörde bei der Beurteilung von Gefahrenlagen ein weiter
Entscheidungsspielraum eingeräumt werden müsse, in welchen die richterlichen
Instanzen nicht einzugreifen hätten. Der fragliche Übergang sei entsprechend
den vom BAV erlassenen Weisungen ("Allgemeine Strategie für die Sanierung der
Bahnübergänge") vor allem wegen der kurzen Sichtdistanz von 200 m und der
Sichtzeit von 7,2 Sekunden als "gefährlich" eingestuft worden.
Mitberücksichtigt worden sei aber auch, dass auf der Doppelspur Zürich - Chur
mit stündlich bis zu 20 Zügen ein dichter Verkehr herrsche und dass die
Abwicklung des Bahnverkehrs im Wechselbetrieb auch einen mit der Situation
vertrauten kleineren Benutzerkreis erheblich gefährde. Der Sanierungsbedarf
sei daher zu Recht bejaht worden.
Diesen Erwägungen ist nichts beizufügen. Soweit die Beschwerdeführer erstmals
vor Bundesgericht geltend machen, es sei von einer Sichtzeit von 9 bis 10
Sekunden auszugehen, ist dieses Vorbringen schon deshalb unbehelflich, weil
auch eine solche Sichtzeit noch als sehr kurz erscheint und gemäss dem
Strategiepapier des BAV eine Sanierung erfordert.

5.
Nach den Vorbringen der Beschwerdeführer wäre eine Aufhebung des privaten
Bahnübergangs unverhältnismässig, weil dieser mit baulichen Massnahmen - etwa
einer Barriere oder einer Blinklichtanlage - gesichert werden könnte und weil
der Umweg über die Bahnüberführung Hornstrasse und die anschliessende 15 m
lange Treppe beschwerlich und gefährlich sei.

5.1 Die Enteignerin hat in der Beschwerdeantwort nochmals eingehend erklärt,
dass und weshalb die Einrichtung einer Bahnschranke sehr aufwändig wäre und
sich die Kosten für die technisch komplexe Anlage auf rund Fr. 600'000.--
belaufen würden. Die generellen Bestreitungen der Beschwerdeführer
insbesondere in der Replik vermögen diese Ausführungen nicht zu entkräften.
Dass blosse Warnsignale (z.B. Andreaskreuz mit akustischem Signal,
Blinklichtanlage) als Sicherung nicht genügten, leuchtet ebenfalls ein, ganz
abgesehen davon, dass solche Warnanlagen die Bewohner stören könnten.
Nach Ansicht der Beschwerdeführer liesse sich ein Kostenaufwand von Fr.
400'000.-- bis Fr. 500'000.-- für eine Bahnschranke im Hinblick darauf
rechtfertigen, dass sich die Enteignungsentschädigung für die Aufhebung des
Fusswegrechts und die damit verbundene Entwertung des Gesamtanwesens in
ähnlicher Höhe bewegen müsse. Da die Festsetzung der Enteignungsentschädigung
nicht im vorliegenden Verfahren erfolgt, sondern erstinstanzlich Sache der
Schätzungskommission sein wird, können bei der hier vorzunehmenden Prüfung
der Verhältnismässigkeit des Eingriffs kaum Vermutungen über die
Entschädigungshöhe angestellt werden. Immerhin darf bemerkt werden, dass nach
den Ausführungen der Beschwerdeführer den Eigentümern und Mietern der
Liegenschaft Kat. Nr. 5868 offenbar kein dinglich gesichertes Benutzungsrecht
am Seegrundstück zusteht und die nachträgliche Einräumung eines solchen
Rechts im Hinblick auf die Enteignung den Entschädigungsberechtigten keinen
Vorteil zu verschaffen vermöchte (vgl. Art. 25 des Bundesgesetzes über die
Enteignung; EntG, SR 711). Zudem kann daraus, dass zwischen den Eigentümern
der benachbarten Grundstücke familiäre Bande bestehen, nicht schon
geschlossen werden, zwischen den beiden Liegenschaften bestünde ein
wirtschaftlicher und funktioneller Zusammenhang im Sinne von Art. 19 lit. b
EntG (vgl. BGE 106 Ib 392). Ein solcher Zusammenhang wäre aber für die
Zusprechung einer Minderwertsentschädigung für das Gesamtareal
vorauszusetzen. Es kann somit nicht gesagt werden, dass die von der
Enteignerin veranschlagten Kosten für den Einbau einer Bahnschranke
angesichts der im Enteignungsfall zu entrichtenden Entschädigung ohne
weiteres als verhältnismässiger Aufwand erscheinen müssten.

5.2 Was schliesslich die von den Beschwerdeführern geltend gemachte
Unzumutbarkeit des Umweges bis zur Seeparzelle Nr. 1746 betrifft, ist
festzustellen, dass dieser für Fussgänger lediglich eine Länge von rund 200 m
aufweist und im Übrigen auch eine Zufahrtsmöglichkeit besteht. Jedenfalls
stehen den Bewohnern der Liegenschaft Kat. Nr. 5868 die gleichen Zugangs- und
Zufahrtsmöglichkeiten zum Seegrundstück wie dessen Bewohnern selbst offen.
Dieser Zugang muss den Anforderungen der eidgenössischen und kantonalen
Raumplanungs- und Baugesetzgebung an eine Erschliessung entsprechen. Gilt
aber das Seegrundstück für die eigenen Bewohner als genügend zugänglich, so
darf der Zugang auch für die Bewohner der Nachbar-Liegenschaft, die das
Seegrundstück nur gelegentlich und nach eigenen Angaben vor allem im Sommer
aufsuchen, als zumutbar betrachtet werden. Die gleiche Überlegung gilt für
die angebliche Gefährlichkeit, die nach Darstellung der Beschwerdeführer von
"zwielichtigen Gestalten" ausgeht, welche sich häufig in der Nähe der
Seeliegenschaft herumtreiben sollen.

6.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen.
Da es sich beim vorliegenden Verfahren um ein mit einem Enteignungsverfahren
verbundenes Plangenehmigungsverfahren handelt und die Plangenehmigungsbehörde
mit ihrem Entscheid zugleich über die enteignungsrechtliche Einsprache
entschieden hat (vgl. Art. 18h Abs. 1 des Eisenbahngesetzes, SR 742.101),
richten sich die Kosten- und Entschädigungsfolgen nach den
Spezialbestimmungen des Bundesgesetzes über die Enteignung (EntG, SR 711;
vgl. BGE 111 Ib 32 E. 2, 121 II 291, 123 II 456 E. 1 und 2, 129 II 106 E. 4
S. 111 f.). Die bundesgerichtlichen Kosten sind daher der Regel von Art. 116
Abs. 1 EntG entsprechend der Enteignerin zu belasten. Diese hat den
Beschwerdeführern zudem eine Parteientschädigung zu entrichten, die
allerdings dem Ausgang des Verfahrens gemäss herabzusetzen ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 4'000.-- wird der Schweizerischen Bundesbahnen SBB
AG auferlegt.

3.
Die Schweizerischen Bundesbahnen SBB AG hat den Beschwerdeführern für das
bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von insgesamt Fr.
2'000.-- zu bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, den Schweizerischen Bundesbahnen
SBB AG, Infrastruktur, dem Bundesamt für Verkehr (BAV) und der
Rekurskommission des Eidgenössischen Departementes für Umwelt, Verkehr,
Energie und Kommunikation (bzw. Rekurskommission für Infrastruktur und
Umwelt) schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 3. Dezember 2004

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: