Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1A.93/2004
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1A.93/2004 /sta

Urteil vom 2. September 2004

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident,
Bundesgerichtsvizepräsident Nay,
Bundesrichter Aeschlimann, Reeb, Féraud,
Gerichtsschreiberin Gerber.

A.  X.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Urs
Schaffhauser,

gegen

Kantonales Sozialamt Luzern, Meyerstrasse 20, 6002 Luzern,
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Abgaberechtliche Abteilung,
Obergrundstrasse 46, 6002 Luzern.

Opferhilfe,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des
Kantons Luzern, Abgaberechtliche Abteilung, vom 16. März 2004.
Sachverhalt:

A.
A.  X.________ und drei ihrer vier Kinder wurden in der Nacht des 18. August
2000 Opfer eines Überfalls. In der Abwesenheit des Ehemanns B.X.________
drang der Täter in das Haus der schlafenden Familie X.________ ein. Er
bedrohte zunächst A.X.________ mit einem Messer und drückte ihr anschliessend
ein Kissen auf das Gesicht. Durch die Schreie der Mutter wurden die beiden
Söhne C.X.________ und D.X.________ sowie die Tochter E.X.________ geweckt.
In der Folge bedrohte der Täter abwechselnd A.X.________ und ihre Kinder mit
dem Messer und fügte dabei ihr sowie dem Sohn C.X.________ leichte
Schnittwunden zu. Der Täter erwähnte mehrmals, dass er alle "tot machen
werde". Nachdem sich die Familie in einem Schlafzimmer verbarrikadieren
konnte und der Täter erfolglos versuchte, die Türe aufzubrechen, flüchtete er
durch das Fenster.

B.
Mit Urteil vom 22. November 2002 wurde der Täter vom Kriminalgericht des
Kantons Luzern des unvollendeten Versuchs der sexuellen Nötigung, der
mehrfachen einfachen Körperverletzung, der mehrfachen Sachbeschädigung, der
mehrfachen Drohung sowie des Hausfriedensbruchs für schuldig gesprochen und
in eine Arbeitserziehungsanstalt eingewiesen. Gestützt auf eine von der
Familie X.________ eingereichte Privatklage wurde der Täter dem Grundsatz
nach zur Leistung von Schadenersatz verpflichtet. Zudem wurde er
verpflichtet, A.X.________ eine Genugtuung von Fr. 10'000.-- sowie den drei
beim Überfall anwesenden Kindern eine solche von Fr. 7'000.-- (E.X.________)
bzw. zweimal Fr. 3'000.-- (D.X.________ und C.X.________) zu bezahlen.

C.
Am 25. Oktober 2001 stellte die Familie X.________ ein Gesuch um
Entschädigung und Genugtuung nach dem Opferhilfegesetz vom 4. Oktober 1991
(OHG; SR 312.5). Das Gesuch wurde am 31. Oktober 2001 von der
Opferberatungsstelle des Kantons Luzern, Sozial-Medizinischer Dienst
Luzern-Stadt, an das Kantonale Sozialamt weitergeleitet. Darin wurde eine
Entschädigung für folgende Schadenposten verlangt:
- Erwerbsausfall (B.X.________) : Fr. 2'818.--;
- Krankenkasse: Fr. 1'000.--;
- Fahrten/Benzin: ca. Fr. 1'000.--;
- neues Schlafzimmer: Fr. 4'500.--;
- Fenstergitter montieren: Fr. 4'500.--;
- nicht kassenpflichtige Medikamente: Fr. 2'500.--;
- Erholungsurlaub: Fr. 1'649.--;
- Fassadenreparatur: Fr. 1'500.--.
Im Weiteren wurde ein angemessener Vorschuss sowie eine Genugtuung von Fr.
25'000,-- für A.X.________ und von je Fr. 12'000.-- für D.X.________,
C.X.________ und E.X.________ sowie von Fr. 4'000.-- für B.X.________
beantragt.

Am 28. Dezember 2001 hiess das Kantonale Sozialamt das Gesuch um
Entschädigung in Bezug auf den Erwerbsausfall von B.X.________, den
Erholungsurlaub und die nicht kassenpflichtigen Medikamente teilweise gut und
sprach eine Entschädigung von 52,1 % des Schadens, im Umfang von Fr.
2'901.15, zu. Das Verfahren um Genugtuung wurde vom Entschädigungsverfahren
getrennt, da das Strafverfahren gegen den Täter zu diesem Zeitpunkt noch vor
dem Kriminalgericht hängig war.

Gleichentags hiess das Kantonale Sozialamt ein Gesuch der Familie X.________
um Übernahme von Psychotherapie- sowie Fahrt- und Parkkosten in Höhe von 52,1
%, d.h. Fr. 1'445.80, gemäss Art. 3 Abs. 4 OHG gut.

D.
Mit Schreiben vom 30. Januar 2003 beantragte die Familie X.________ eine
Entschädigung für den bisherigen und künftig anfallenden Haushaltschaden im
Umfang von 50 %. Sie behielt sich die Geltendmachung einer Entschädigung für
Erwerbsausfall für den Fall vor, dass die Entschädigung für den
Haushaltschaden allein den Höchstbetrag von Fr. 100'000.-- (Art. 4 Abs. 1 der
Opferhilfeverordnung vom 18. November 1992 [OHV; SR 312.51]) nicht
überschreite. Gleichzeitig ersuchte sie um Gewährung der vom Kriminalgericht
gesprochenen Genugtuungen.

Am 17. Juni 2003 hiess das Kantonale Sozialamt das Gesuch um Genugtuung für
A.X.________, E.X.________, D.X.________ und C.X.________ im Umfang von
insgesamt Fr. 26'259.-- inklusive Zinsen gut. Auf das Gesuch um Entschädigung
trat es nicht ein, weil der Haushaltschaden nach Ablauf der Verwirkungsfrist
nach Art. 16 Abs. 3 OHG geltend gemacht worden sei.

E.
Gegen den Nichteintretensentscheid erhob A.X.________ Beschwerde an das
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Abgaberechtliche Abteilung, mit dem
Antrag, ihr sei ein Betrag von Fr. 100'000.-- als Entschädigung zuzusprechen.
Am 16. März 2004 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde ab.

F.
Gegen den verwaltungsgerichtlichen Entscheid erhebt A.X.________
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht. Sie beantragt, der
angefochtene Entscheid sei aufzuheben und es sei ihr unter dem Titel
Entschädigung gemäss Art. 12 OHG der Betrag von Fr. 100'000.-- zuzusprechen.
Eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an das Kantonale Sozialamt Luzern,
subeventuell an das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, zurückzuweisen.

G.
Das Verwaltungsgericht und das Kantonale Sozialamt Luzern schliessen auf
Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Justiz nimmt in seiner
Vernehmlassung zur Frage des Beginns der Verwirkungsfrist gemäss Art. 16 Abs.
3 OHG Stellung. Den Beteiligten wurde Gelegenheit gegeben, sich zur
Vernehmlassung des Bundesamts zu äussern.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Gegen die Verweigerung der Opferhilfe steht grundsätzlich die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde offen (BGE 125 II 230 E. 1 S. 232 f.; 122 II
211 E. 1 S. 212 f.). Das Verwaltungsgericht hat als letzte kantonale Instanz
entschieden (Art. 98 lit. g OG). Die Beschwerdeführerin, auf deren
Entschädigungsbegehren im kantonalen Verfahren nicht eingetreten wurde, ist
nach Art. 103 lit. a OG zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert. Auf
die rechtzeitig erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher einzutreten.

2.
Das Verwaltungsgericht nahm an, das Gesuch um Entschädigung für den
Haushaltschaden vom 30. Januar 2003 sei verspätet - nach Ablauf der
Verwirkungsfrist gemäss Art. 16 Abs. 3 OHG - erfolgt (E. 2 des angefochtenen
Entscheids).

Es prüfte sodann, ob eine Entschädigung für Haushaltschaden aufgrund des
ersten Gesuchs vom 25. Oktober 2001 in Betracht komme. Das Gericht ging davon
aus, dass sich bereits vor Erlass des ersten Entscheids des Kantonalen
Sozialamts vom 28. Dezember 2001 aus den Akten Hinweise auf eine
Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin ergeben hätten;
im Rahmen des im Opferhilfeverfahren geltenden Untersuchungsgrundsatzes hätte
das Kantonale Sozialamt diesbezüglich weitere Abklärungen treffen und die
Beschwerdeführerin zur Mitwirkung und zur Ergänzung ihres
Entschädigungsgesuchs anhalten müssen (E. 3 des angefochtenen Entscheids).

Dennoch wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde ab, weil dem
Entschädigungsanspruch die materielle Rechtskraft der Verfügung vom 28.
Dezember 2001 entgegenstehe: Darin habe das Kantonale Sozialamt gesamthaft
über den Entschädigungsanspruch entschieden. Dass es dabei den Schadenposten
"Haushaltschaden" bzw. "Arbeitsunfähigkeit" nicht überprüft habe, lasse seine
Verfügung zwar als fehlerhaft erscheinen, vermöge aber an dessen Rechtskraft
nichts zu ändern. Diese stehe einer erneuten Überprüfung des
Entschädigungsanspruchs entgegen. Die Beschwerdeführerin hätte gegen den
Entscheid vom 28. Dezember 2001 ein Rechtsmittel ergreifen, den angefallenen
Haushaltschaden rügen und sich die Geltendmachung von weiterem, allenfalls
künftigem Schaden vorbehalten müssen. Nach dem rechtskräftigen Entscheid über
den Entschädigungsanspruch könnten keine weiteren Schadenposten mehr geltend
gemacht werden, die im Zeitpunkt der Verfügung über den
Entschädigungsanspruch bereits erkennbar gewesen seien.

3.
Die Beschwerdeführerin macht dagegen Folgendes geltend:

Voraussetzung für die materielle Rechtskraft sei, dass eine Würdigung des
relevanten Sachverhalts überhaupt vorgenommen worden sei. Die Frage des
Haushaltschadens, respektive einer Arbeitsunfähigkeit, sei jedoch im
Entscheid vom 28. Dezember 2001 mit keinem Wort erwähnt worden. Die
Rechtskraft beziehe sich damit lediglich auf die im Entscheid beurteilten
Sachverhalte (Erwerbsausfall Ehemann, kassenpflichtige Medikamente, usw.). Im
Übrigen sei die Arbeitsunfähigkeit der Beschwerdeführerin erstmals mit
ärztlichem Zeugnis von Dr. med. Y.________ vom 15. Januar 2003 bescheinigt
worden. Damit liege ein neuer Sachverhalt vor, der von der Rechtskraft des
Entscheids vom 28. Dezember 2001 nicht berührt werde.

Auch das Kantonale Sozialamt sei offensichtlich davon ausgegangen, dass nach
dem Entscheid vom 28. Dezember 2001 weiterhin Ansprüche für allfälligen
weiteren Schaden geltend gemacht werden könnten. So habe es im
Begleitschreiben zu diesem Entscheid ausdrücklich festgehalten: "Wir hoffen,
die Angelegenheit vorläufig zu ihrer Zufriedenheit erledigt zu haben ..."; in
einem Schreiben vom 15. Februar 2002 sei die Beschwerdeführerin aufgefordert
worden mitzuteilen, ob die medikamentöse Behandlung abgeschlossen sei; sollte
dem nicht so sein, sei zu prüfen, ob die Kosten allenfalls mittels
Kostengutsprache im Sinne von Art. 3 Abs. 4 OHG übernommen werden könnten.

Die Beschwerdeführerin wirft dem Verwaltungsgericht vor, aus einer Optik "ex
post" geurteilt zu haben: Eine posttraumatische Belastungsstörung im Sinne
einer dauerhaften Schädigung der psychischen Gesundheit habe sich erst rund
zwei Jahre nach der Straftat abgezeichnet; kurz nach der Tat sei sie weder
für den Arzt noch für die Beschwerdeführerin und die übrigen Beteiligten
absehbar gewesen. Im September 2001 sei Dr. med. Y.________ noch von einer
guten Besserungsaussicht ausgegangen, würde nur einmal das Strafurteil
vorliegen. Erstmals am 15. Mai 2002 habe er von der Möglichkeit einer
Chronifizierung berichtet. Dabei habe er aber ausdrücklich die Prognose
gestellt, dass ein Schuldspruch des Täters zu einer Heilung oder zumindest
einer Symptomreduktion führen werde; einigermassen verlässliche Perspektiven
könnten erst nach Vorliegen des Strafurteils erstellt werden. Erst im Bericht
vom 15. Januar 2003 habe Dr. med. Y.________ den Beginn eines chronifizierten
Verlaufs bescheinigt. Gleichzeitig habe er eine Arbeitsfähigkeit von noch 50
% attestiert und retrospektiv, aus der Optik und dem Wissen ex post, den
Beginn der Beeinträchtigung auf Mitte September 2001 festgesetzt.

Die Beschwerdeführerin bestreitet schliesslich, im OHG-Verfahren anwaltlich
vertreten gewesen zu sein. Rechtsanwalt Urs Schaffhauser sei lediglich in
Bezug auf das Strafverfahren und die dort adhäsionsweise gelten gemachten
Zivilforderungen mandatiert worden. Die Seite Opferhilfe sei durch die
Opferberatungsstelle des Kantons Luzern abgedeckt worden, mit welcher die
Familie X.________ in regelmässigem Kontakt gestanden habe.

4.
Im Folgenden ist zunächst zu prüfen, ob über den streitigen
Entschädigungsanspruch bereits mit Verfügung vom 28. Dezember 2001
rechtskräftig entschieden worden ist.

4.1  Zwar beurteilt sich die Verbindlichkeit einer Verfügung grundsätzlich
nach den gleichen Kriterien wie die Rechtskraft eines richterlichen
Entscheids; auf formell rechtskräftige Verfügungen kann jedoch in weiterem
Masse zurückgekommen werden als auf rechtskräftige Urteile (vgl. Fritz Gygi,
Verwaltungsrecht, Bern 1986, S. 303 ff.). Im Folgenden ist daher zunächst
anhand der Kriterien für die materielle Rechtskraft gerichtlicher Urteile der
Umfang der materiellen Rechtskraft zu prüfen; nur wenn der streitige
Entschädigungsanspruch davon erfasst würde, bestünde Anlass zur Prüfung, ob
besondere Gründe vorliegen, die ein Zurückkommen auf diese Verfügung
gestatten.

4.2  Die materielle Rechtskraft, d.h. die Verbindlichkeit eines Urteils für
spätere Prozesse, ist eine Frage des Bundesrechts, sofern der zu beurteilende
Anspruch auf Bundesrecht beruht (BGE 121 III 474 E. 2 S. 476 f.; 119 II 89 E.
2a S. 90 mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall wird ein Entschädigungsanspruch
gemäss Art. 12 OHG - einem Bundesgesetz - geltend gemacht, weshalb das
Bundesgericht frei prüfen kann, ob dieser Anspruch von der Rechtskraft der
Verfügung vom 28. Dezember 2001 erfasst wird.

4.3  Eine abgeurteilte Sache ist anzunehmen, wenn der streitige Anspruch mit
einem schon rechtskräftig beurteilten identisch ist. Dies trifft zu, wenn der
Anspruch dem Richter aus demselben Rechtsgrund und gestützt auf denselben
Sachverhalt erneut zur Beurteilung unterbreitet wird (BGE 121 III 474 E. 4a
S. 477; 119 II 89 E. 2a S. 90 mit Hinweisen).

Der Begriff der Anspruchsidentität ist nicht grammatikalisch, sondern
inhaltlich zu verstehen. Er wird durch die mit dem Begehren des
abgeschlossenen Verfahrens insgesamt erfassten und beurteilten
Rechtsbehauptungen bestimmt. Der neue Anspruch ist deshalb trotz abweichender
Umschreibung vom beurteilten nicht verschieden, wenn er in diesem bereits
enthalten war, wenn bloss das kontradiktorische Gegenteil zur Beurteilung
unterbreitet wird oder wenn die im ersten Prozess beurteilte Hauptfrage für
Vorfragen des zweiten Prozesses von präjudizieller Bedeutung ist. Anderseits
sind Rechtsbehauptungen trotz gleichen Wortlauts dann nicht identisch, wenn
sie nicht auf dem gleichen Entstehungsgrund, d.h. auf denselben Tatsachen und
rechtlichen Umständen beruhen (BGE 121 III 474 E. 4a S. 478; 97 II 390 E. 4

S. 396 f.).

Sachurteile entfalten materielle Rechtskraft nur insoweit, als über den
erhobenen Anspruch entschieden worden ist (BGE 121 III 474 E. 4a S. 478; 101
II 375 E. 2 S. 378 f.). Dies ist durch Auslegung des Urteils zu ermitteln, zu
welcher dessen ganzer Inhalt heranzuziehen ist (BGE 121 III 474 E. 4a S.
478). Zwar erwächst der Entscheid nur in jener Form in Rechtskraft, wie er im
Urteilsdispositiv zum Ausdruck kommt, doch ergibt sich dessen Tragweite
vielfach erst aus einem Beizug der Urteilserwägungen (BGE 116 II 738 E. 2a S.
743 f. mit Hinweisen; 101 II 375 E. 1 S. 378).

4.4  Im Entschädigungsgesuch vom 25. Oktober 2001 wurde eine Entschädigung
für
bestimmte, ausdrücklich aufgeführte und bezifferte Schadenposten verlangt.
Dazu gehörte der Erwerbsausfall von Herrn B.X.________, der während einiger
Zeit keinen Nachtdienst mehr machen konnte. Eine Entschädigung für eine
bestehende oder künftige Arbeitsunfähigkeit der Beschwerdeführerin im
Haushalt wurde dagegen nicht geltend gemacht. Eine solche Entschädigung wurde
auch vom Kantonalen Sozialamt nicht geprüft: Dieses beschränkte sich in
seiner Verfügung vom 28. Dezember 2001 (E. 4.2) auf die Prüfung der geltend
gemachten Schadenpositionen.

Hinsichtlich weiterer, noch nicht absehbarer Folgen der Straftat wurde im
Gesuch vom 25. Oktober 2001 lediglich um die Ausrichtung eines Vorschusses
ersucht (vgl. dazu unten, E. 5.4.2). Ein Vorschuss wird aufgrund einer
summarischen Prüfung des Entschädigungsgesuchs gewährt, zu einem Zeitpunkt,
in dem die Schadenhöhe in der Regel noch nicht feststeht (Art. 15 OHG). Eine
Verfügung über die Gewährung eines Vorschusses ist deshalb lediglich als
Zwischenentscheid zu qualifizieren (vgl. BGE 121 II 116 E. 1b/cc S. 119) und
steht einem späteren Entscheid über die definitive Entschädigung nicht
entgegen.

Dispositiv-Ziff. 2, wonach das Gesuch um Entschädigung im Sinne der
Erwägungen teilweise gutgeheissen und den Gesuchstellern B.X.________ und
A.X.________ eine Entschädigung von Fr. 2'901.15 ausgerichtet werde, kann
deshalb nicht in dem Sinne ausgelegt werden, dass damit abschliessend über
sämtliche denkbaren Entschädigungsansprüche der Gesuchsteller nach OHG
entschieden worden sei; vielmehr wurde - wie schon der Wortlaut des
Dispositivs nahe legt - nur über das Entschädigungsgesuch vom 25. Oktober
2001 mit den darin aufgeführten Schadenpositionen und (stillschweigend) über
den Antrag auf Gewährung eines Vorschusses entschieden.

Zwar beruht der Anspruch auf Entschädigung für Haushaltschaden ebenfalls auf
Art. 12 OHG (vgl. BGE 129 II 145 ff.; Entscheid 1A.252/2000 vom 8. Dezember
2000 E. 2, ZBl 102/2001 S. 486 ff.). Er entschädigt jedoch den
wirtschaftlichen Wertverlust, der durch die Beeinträchtigung der
Arbeitsfähigkeit im Haushalt entsteht, und beruht damit auf einem anderen
Sachverhalt als die mit Verfügung vom 28. Dezember 2001 zugesprochenen
Entschädigungen (Erwerbsausfall Ehemann, Medikamente, Erholungsurlaub).

Dies hat zur Folge, dass der Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens
nicht mit demjenigen des Entscheids vom 28. Dezember 2001 identisch ist, d.h.
keine Anspruchsidentität vorliegt.

4.5  Eine andere Frage ist, ob das Kantonale Sozialamt nicht verpflichtet
gewesen wäre, die Beschwerdeführerin zu einer Ergänzung ihres
Entschädigungsgesuchs vom 25. Oktober 2001 anzuhalten, gestützt auf den im
Opferhilferecht geltenden Untersuchungsgrundsatz (Art. 16 Abs. 2 OHG) und
aufgrund der aus den Akten ersichtlichen Beeinträchtigung der
Arbeitsfähigkeit von Frau A.X.________. Dies ist mit dem angefochtenen
Entscheid (E. 3d S. 10) zu bejahen, zumal die Beschwerdeführerin zum
damaligen Zeitpunkt im Opferhilfeverfahren noch nicht anwaltlich vertreten
war: Aus den Akten ergibt sich, dass Rechtsanwalt Schaffhauser lediglich mit
der Geltendmachung der zivilrechtlichen Ansprüche der Beschwerdeführerin im
Strafverfahren beauftragt wurde und Familie X.________ im Opferhilfeverfahren
von der Opferberatungsstelle betreut wurde.

Das Kantonale Sozialamt ist dieser Pflicht jedoch nicht nachgekommen, weshalb
eine Ergänzung des Entschädigungsgesuchs und damit eine Ausweitung des
Streitgegenstands auch auf den Haushaltschaden unterblieben ist. Der
Untersuchungsgrundsatz gemäss Art. 16 Abs. 2 OHG dient dem Schutz des Opfers;
er würde in sein Gegenteil verkehrt, wenn er zur Folge hätte, dass mit dem
ersten Entscheid der zuständigen Behörde sämtliche Ansprüche gemäss OHG
präkludiert wären, selbst wenn sie weder vom Opfer geltend gemacht noch von
der Behörde geprüft worden sind.

4.6  Nach dem Gesagten erstreckt sich die materielle Rechtskraft des
Entscheids vom 28. Dezember 2001 nicht auf den streitigen
Entschädigungsanspruch wegen Haushaltschaden.

5.
Zu prüfen ist jedoch, ob der Anspruch nicht nach Art. 16 Abs. 3 OHG verwirkt
wurde, weil das Gesuch um Entschädigung des Haushaltschadens erst am 30.
Januar 2003 eingereicht wurde, d.h. über zwei Jahre nach der Straftat.

5.1  Nach Art. 16 Abs. 3 OHG muss das Opfer Gesuche um Entschädigung und
Genugtuung innert zwei Jahren nach der Straftat bei der Behörde einreichen;
andernfalls verwirkt es seine Ansprüche.

Der Fristenlauf beginnt grundsätzlich bereits mit der Straftat. Allerdings
setzt die wirksame Inanspruchnahme von Opferhilfe nach dem in Art. 5 Abs. 3
BV verankerten Grundsatz von Treu und Glauben voraus, dass das Opfer
überhaupt davon Kenntnis erhält, von einer schweren Straftat betroffen zu
sein. Dies setzt voraus, dass es die massgebliche Schädigung bzw. Verletzung
erkennen kann (BGE 126 II 348 E. 5b und c S. 354 f.). Massgeblich ist - aus
opferrechtlicher Sicht - , ob die Beeinträchtigung des Geschädigten in seiner
körperlichen, sexuellen oder psychischen Integrität das legitime Bedürfnis
begründet, die Hilfsangebote und die Schutzrechte des OHG - ganz oder
zumindest teilweise - in Anspruch zu nehmen (BGE 126 II 348 E. 5d S. 355; 125
II 265 E. 2a/aa in fine S. 268).
So entschied das Bundesgericht, dass das Opfer einer Vergewaltigung, das erst
Jahre später an AIDS erkrankt und von seiner Ansteckung mit dem HI-Virus
erfährt, noch Opferhilfeansprüche wegen schwerer Körperverletzung geltend
machen könne; verwirkt seien nur jene Opferhilfeansprüche, welche die dem
Opfer schon zuvor bekannten Straftatbestände der Vergewaltigung und des
Raubes betrafen (BGE 126 II 348 E. 6b und c S. 356 f.).
5.2  Die Beschwerdeführerin beruft sich auf diesen Entscheid. Sie macht
geltend, erst mit dem Vorliegen des Arztzeugnisses vom 15. Januar 2003 sei
die Chronifizierung der posttraumatischen Belastungsstörung und damit die
dauerhafte Schädigung ihrer psychischen Gesundheit erkennbar gewesen.

Dagegen entschied das Verwaltungsgericht, dass der Beschwerdeführerin schon
kurz nach der Tat das grosse Ausmass ihrer Integritätsverletzung bekannt
gewesen sei: Schon im Bericht vom 4. Januar 2001 sei eine posttraumatische
Belastungsstörung mit schweren Schlafstörungen, hoher und permanenter
Ängstlichkeit und Schreckhaftigkeit sowie dauernder vegetativer Übererregung
und Einschränkungen des Denkens diagnostiziert worden. Es würde Sinn und
Zweck der Verwirkungsfrist widersprechen, wenn für jeden einzelnen
Schadenposten nach Kenntnis über dessen genaues Ausmass eine neue
Verwirkungsfrist von zwei Jahren einsetzen würde. Wenn dem so wäre, könnten
für einzelne Spätfolgen einer Straftat noch Jahre später Entschädigungs- und
Genugtuungsansprüche geltend gemacht werden, zu einem Zeitpunkt, in dem die
genauen Umstände der Straftat kaum mehr eruierbar wären.

5.3  Mit dem Verwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass die
Beeinträchtigung der (psychischen) Gesundheit der Beschwerdeführerin - anders
als im Fall BGE 126 II 348 - schon kurz nach der Straftat erkennbar war.
Hierfür nahm die Beschwerdeführerin auch von Anfang an Opferhilfe in
Anspruch: Schon am 20. November 2000 reichte die Familie X.________ ein
Gesuch um längerfristige Massnahmen nach OHG ein.

Allerdings wurde erst im Laufe der Behandlung deutlich, dass es sich nicht um
eine vorübergehende, sondern eine dauerhafte Störung handelte, welche die
Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin im Haushalt auf Jahre hinaus
beeinträchtigen würde. Einen Wendepunkt scheint dabei das
kriminalgerichtliche Urteil vom November 2002 darzustellen: Der behandelnde
Arzt nahm an, dass eine Verurteilung des Täters eine positive Wirkung auf
Heilung bzw. Symptomreduktion haben werde, während im umgekehrten Fall mit
einer Behinderung des Heilprozesses zu rechnen sei, was zu einer
Chronifizierung führen könne; einigermassen verlässliche Perspektiven seien
daher erst einige Monate nach Vorliegen des Gerichtsurteils möglich (Bericht
von Dr. med. Y.________ vom 15. Mai 2002 S. 3). Nachdem das Urteil des
Kriminalgerichts vorlag und die erhoffte Besserung ausblieb, diagnostizierte
Dr. med. Y.________ erstmals eine Chronifizierung der posttraumatischen
Belastungsstörung und eine somatoforme Schmerzstörung (Berichte vom 15. bzw.

17.  Januar 2003). Im Dezember 2002 reichte die Beschwerdeführerin ein
IV-Gesuch ein.

Es erscheint aus Sicht des Opfers einer Straftat verständlich, wenn dieses
zunächst auf Besserung hofft und, solange Aussicht auf Heilung besteht, noch
keine vorsorglichen Ansprüche für den Fall einer späteren Invalidität
anmeldet. Es liegt überdies auch im Interesse des Staates, wenn Opfer von
Straftaten nicht schon für jede vorübergehende Beeinträchtigung ihrer
Arbeitsfähigkeit Entschädigungsansprüche stellen, sondern dies nur in
gravierenden Fällen - namentlich bei dauerhafter Arbeits- und
Erwerbsunfähigkeit - tun.
Das Bundesamt für Justiz plädiert deshalb in seiner Vernehmlassung dafür, bei
einer gravierenden Verschlechterung des Gesundheitszustandes, gestützt auf
Treu und Glauben, die Frist ab dem Zeitpunkt der Invaliditätsdiagnose erneut
beginnen zu lassen.

Dagegen lässt sich einwenden, dass der Gesetzgeber für den Beginn des
Fristenlaufs bewusst auf die Straftat abgestellt hat. Dies setzt voraus, dass
das Opfer den Eintritt des tatbestandsmässigen Erfolgs erkennen kann (vgl.
BGE 126 II 348 E. 5 S. 354 ff.); dagegen haben nach dessen Eintritt
auftretende Spätfolgen grundsätzlich keinen Einfluss auf den Beginn der
Verwirkungsfrist (Eva Weishaupt, Finanzielle Ansprüche nach Opferhilfegesetz,
SJZ 98/2002 S. 354 Fn. 49). Im Vernehmlassungsverfahren zur laufenden
Revision des OHG wurde zwar eine Verlängerung der Verwirkungsfrist von zwei
auf fünf Jahre befürwortet; dagegen fand der Vorschlag, Art. 16 Abs. 3 OHG in
dem Sinne zu ändern, dass für den Fristenlauf generell auf den Zeitpunkt der
Kenntnis des Schadens abzustellen sei, keine Zustimmung (vgl. Vernehmlassung
des BJ, S. 3 Fn. 1).

5.4  Die Frage kann jedoch offen bleiben, wenn die Verwirkungsfrist bereits
mit dem ersten Entschädigungsgesuch vom 25. Oktober 2001 gewahrt worden wäre.

5.4.1  Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind vorsorgliche,
unbezifferte Entschädigungs- und Genugtuungsbegehren zur Fristwahrung
zulässig, soweit der Schaden oder allfällige Leistungspflichten Dritter
innert der zweijährigen Verwirkungsfrist nicht feststehen. Allerdings könne
und müsse vom Opfer verlangt werden, dass es - soweit zumutbar - diejenigen
Angaben mache, die der Behörde erlauben, den Sachverhalt und die
Anspruchsberechtigung näher abzuklären. Zwar habe die Behörde den Sachverhalt
von Amtes wegen festzustellen (Art. 16 Abs. 2 OHG); dies schliesse jedoch
eine Mitwirkungspflicht des Gesuchstellers nicht aus: Insbesondere müsse das
Opfer den anspruchsbegründenden Sachverhalt mit hinreichender Bestimmtheit
darlegen und der Behörde diejenigen Angaben liefern, die ihr erlauben,
weitere Erkundigungen einzuziehen (BGE 126 II 97 E. 2e S. 101 f. mit
Hinweisen).

Ob das Opfer seiner Mitwirkungspflicht genügt hat und ob sein fristwahrendes
vorsorgliches Gesuch genügend substanziiert ist, ist im Einzelfall, unter
Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Verwirkungsfrist sowie dem
verfassungsrechtlichen Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3 BV) zu
prüfen.
Mit der kurzen Verwirkungsfrist wollte der Gesetzgeber die Opfer dazu
anhalten, sich rasch zu entscheiden, ob sie entsprechende Ansprüche erheben
wollen. Zudem soll damit sichergestellt werden, dass der Entscheid der
Opferhilfebehörde möglichst bald erfolgen kann, in einem Zeitpunkt, in dem
die genauen Umstände der Straftat noch eruierbar sind. Ferner ist auch dem
berechtigten Interesse des entschädigungspflichtigen Kantons Rechnung zu
tragen, allfällige Regressforderungen gegenüber dem Täter rechtzeitig, vor
Ablauf der Verjährung, anzubringen (BGE 126 II 348 E. 2c/aa S. 350 mit
Hinweisen).

5.4.2  Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin von Anfang an den
Kontakt mit der Opferberatungsstelle des Kantons Luzern gesucht; schon im
November 2000 wurde ein Gesuch um längerfristige Massnahmen nach Art. 3 Abs.
4 OHG eingereicht. Am 25. Oktober 2001 - und damit innerhalb der Frist von
Art. 16 Abs. 3 OHG - stellte die Beschwerdeführerin ein Gesuch um Genugtuung
und um Entschädigung für die damals bereits bekannten Schadenpositionen und
bat gleichzeitig um die Ausrichtung eines angemessenen Vorschusses mit
folgender Begründung "Der Schaden, der uns verursacht worden ist, hat sehr
viel Geld gekostet und kostet immer noch". Daraus lässt sich ableiten, dass
die Beschwerdeführerin die ausdrücklich genannten Schadenpositionen nicht als
abschliessend betrachtete, sondern mit weiteren, derzeit noch nicht
bezifferbaren Schäden rechnete. Insofern ist ihr Entschädigungsgesuch
gleichzeitig als vorsorgliches fristwahrendes Gesuch für künftige Spätfolgen
der Straftat zu betrachten.

Mit dem ersten Entschädigungsgesuch wurde die Opferhilfebehörde in die Lage
versetzt, die Umstände der Straftat rechtzeitig zu eruieren. Auch über den
aus der Straftat folgenden Schaden und dessen Entwicklung wurde sie
regelmässig informiert: Aus den eingereichten Arztberichten wusste sie, dass
die Beschwerdeführerin als Folge der Straftat unter schwerwiegenden
psychischen Störungen litt (so schon Bericht von Dr. med. Z.________ vom 4.
Januar 2001). Im Bericht von Dr. med. Y.________ vom 17. Juni 2001 wurde eine
posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert, wobei der Arzt davon
ausging, dass die Arbeitsfähigkeit noch erhalten sei. Aus dem Schreiben von
Dr. med. Y.________ vom 3. Dezember 2001 ergab sich, dass die
Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin aufgrund der beschriebenen Störungen
nunmehr erheblich eingeschränkt war. Die Berichte vom 15. und 17. Januar
2003, in denen Dr. med. Y.________ erstmals eine Chronifizierung der
posttraumatischen Belastungsstörung diagnostizierte, wurden dem Kantonalen
Sozialamt noch im selben Monat, zusammen mit der Berechnung des
Haushaltschadens, zugestellt. Die Behörde war somit in der Lage, die
Entwicklung des Schadens - von einer vorübergehenden zu einer dauerhaften
Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit - zu verfolgen, und hatte die
Möglichkeit, zusätzliche Abklärungen zu verlangen.

Das Interesse des Kantons an einer rechtzeitigen Geltendmachung seiner
Regressansprüche gegenüber dem Täter gebietet keine restriktivere Handhabung
der Verwirkungsfrist: Die auf den Kanton übergehenden zivilrechtlichen
Ansprüche der Beschwerdeführerin wegen Körperverletzung beginnen erst dann zu
verjähren, wenn der Heilverlauf im Wesentlichen abgeschlossen und
gegebenenfalls ein Dauerschaden festgestellt ist (BGE 96 II 39 E. 2 S. 41
ff.; Alfred Keller, Haftpflicht im Privatrecht, Bern 1998, S. 286). Dies war
hier erst im Januar 2003 der Fall, nachdem Dr. med. Y.________ eine
beginnende Chronifizierung der posttraumatischen Belastungsstörung und eine
somatoforme Schmerzstörung diagnostizierte.

5.4.3  Schliesslich ist der in Art. 16 Abs. 3 OHG verankerte
Untersuchungsgrundsatz zu berücksichtigen: Danach ist es Aufgabe der
zuständigen Behörde, den Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen und die
sich daraus ergebende Entschädigung zu berechnen. Erweist sich das vom Opfer
eingereichte Gesuch als unvollständig, muss dem Opfer Gelegenheit gegeben
werden, sein Gesuch zu vervollständigen (Peter Gomm/Peter Stein/Dominik
Zehntner, Kommentar zum Opferhilfegesetz, Bern 1995, Art. 16 Rz. 26; Susanna
Staehelin, Verfahrensfragen des Opferhilfegesetzes, Mitteilungen aus dem
Institut für zivilgerichtliches Verfahren in Zürich 22/1997, S. 29). Kommt
die Behörde dieser Aufgabe nicht nach, obwohl sich in den Akten Hinweise auf
das mögliche Bestehen eines weiteren Schadens ergeben, wäre es stossend, die
im Entschädigungsgesuch nicht ausdrücklich aufgeführten Schadenpositionen als
verwirkt zu betrachten.

5.4.4  Eine vergleichbare Rechtslage besteht im Sozialversicherungsrecht (auf
das schon in BGE 126 II 97 E. 2d S. 101 verwiesen wurde): Nach ständiger
Rechtsprechung des EVG wahrt eine hinreichend substanziierte IV-Anmeldung
grundsätzlich alle gegenüber der Versicherung bestehenden Leistungsansprüche,
auch wenn diese im Anmeldeformular nicht im Einzelnen angegeben sind;
ausgenommen sind nur Leistungen, die in keinem Zusammenhang mit dem sich aus
den Angaben des Versicherten ausdrücklich oder sinngemäss ergebenden Begehren
stehen und für die auch keinerlei aktenmässige Anhaltspunkte die Annahme
erlauben, sie könnten ebenfalls in Betracht fallen (BGE 101 V 111 E. a S.
112; Stéphane Blanc, La procédure administrative en assurance-invalidité,
Diss. Freiburg 1999, S. 48 ff. mit zahlreichen Beispielen). Dies beruht auf
der Überlegung, dass sich die Abklärungspflicht der Verwaltung auf alle
vernünftigerweise mit dem vorgetragenen Sachverhalt und allfälligen
bisherigen oder neuen Akten im Zusammenhang stehenden Leistungen erstreckt
(BGE 111 V 261 E. 3b S. 264 f.). Massgeblich sind dabei die Verhältnisse, wie
sie sich bis zum Erlass der Verfügung entwickelt haben (BGE 101 V 111 E. c S.
113 f.).
5.4.5  Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin innerhalb der
zweijährigen Verwirkungsfrist ein fristwahrendes Entschädigungsgesuch
gestellt und ist ihrer Mitwirkungspflicht im Opferhilfeverfahren stets
nachgekommen. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, ergaben
sich aus den Akten Anhaltspunkte für eine Arbeitsunfähigkeit der
Beschwerdeführerin und die Möglichkeit eines Dauerschadens. Dann aber wurden
auch die diesbezüglichen Entschädigungsansprüche der Beschwerdeführerin mit
ihrem Gesuch vom 25. Oktober 2001 gewahrt.

6.
Nach dem Gesagten ergibt sich, dass der geltend gemachte
Entschädigungsanspruch der Beschwerdeführerin weder nach Art. 16 Abs. 3 OHG
verwirkt noch darüber bereits rechtskräftig entschieden worden ist.

Es ist nicht Aufgabe des Bundesgerichts, erstmals den Haushaltschaden und die
Höhe des Entschädigungsanspruchs zu berechnen. Es rechtfertigt sich daher,
den angefochtenen Entscheid aufzuheben und die Sache zu neuem Entscheid an
das Verwaltungsgericht zurückzuweisen.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat die Beschwerdeführerin Anspruch auf
eine Parteientschädigung (Art. 159 OG) und es sind keine Kosten zu erheben
(Art. 16 Abs. 1 OHG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen und das Urteil des
Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern, Abgaberechtliche Abteilung, vom 16.
März 2004 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Beurteilung an das
Verwaltungsgericht zurückgewiesen.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Der Kanton Luzern hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Kantonalen Sozialamt Luzern
und dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Abgaberechtliche Abteilung,
sowie dem Bundesamt für Justiz, Hauptabteilung Staats- und Verwaltungsrecht,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 2. September 2004

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: