Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1A.8/2004
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1A.8/2004 /ggs

Urteil vom 17. Dezember 2004

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident,
Bundesgerichtsvizepräsident Nay, Ersatzrichter Loretan,
Gerichtsschreiber Härri.

X. ________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Vincent
Augustin,

gegen

Gemeinde Arosa, Rathaus, 7050 Arosa,
Bau-, Verkehrs- und Forstdepartement des Kantons Graubünden, Villa Brügger,
Stadtgartenweg 11, 7001 Chur,
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, 4. Kammer, Obere Plessurstrasse 1,
7001 Chur.

Waldfeststellung, Vertrauensschutz,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des
Kantons Graubünden, 4. Kammer, vom 28. Oktober 2003.

Sachverhalt:

A.
X. ________ ist Eigentümerin der in der Gemeinde Arosa gelegenen Parzelle Nr.
1360 mit einer Fläche von 2'244 m2. Das Grundstück liegt in der Bauzone, ist
jedoch - abgesehen von einer mit einem Chalet überbauten Teilfläche von etwa
400 m2 - weitgehend mit Waldbäumen bewachsen.

1978 hatte die Gemeinde bzw. das kantonale Forstinspektorat im Vorfeld der
Ortsplanungsrevision 1980 einen Waldkatasterplan erarbeitet. Darin wurden
(nur) zwei Teilflächen entlang der westlichen und der östlichen Grenze der
Parzelle Nr. 1360 im Ausmass von insgesamt 815 m2 als Wald bezeichnet. Mit
einer Rodungsverfügung vom 2. April 1980 bewilligte das Eidgenössische
Departement des Innern (EDI) unter anderem die Rodung dieser 815 m2 zwecks
Schaffung von Bauland. Im Rahmen einer generellen Rodungsbewilligung vom 10.
Juni 1992 erneuerte das EDI die Bewilligung mit einer Befristung bis Ende
2003. Das Bau-, Verkehrs- und Forstdepartement des Kantons Graubünden
verlängerte am 19. Dezember 2003 mit Blick auf die laufende Totalrevision der
Ortsplanung Arosa die Gültigkeit der Rodungsbewilligung bis Ende 2005.

Im Zusammenhang mit dieser Ortsplanungsrevision wurden die Waldflächen durch
die Forstorgane neu ermittelt. Dabei wurde festgestellt, dass die Parzelle
Nr. 1360 mit Ausnahme des mit dem Wohnhaus überbauten Bereichs vollständig,
mithin auf einer Fläche von rund 1'820 m2, bewaldet sei. Eine Einsprache von
X.________ hiergegen wies das Bau-, Verkehrs- und Forstdepartement am 22.
April 2003 ab.

B.
Gegen diese Verfügung gelangte X.________ an das Verwaltungsgericht des
Kantons Graubünden. Das Gericht nahm einen Augenschein vor und wies den
Rekurs am 28. Oktober 2003 ab.

C.
X.________ hat gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts am 15. Januar 2004
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht erhoben. Sie beantragt,
das angefochtene Urteil sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass die
Bestockung auf der Parzelle Nr. 1360 keinen Wald im Rechtssinne bilde;
eventuell sei festzustellen, dass auf der Parzelle Nr. 1360 die Waldgrenzen
gemäss Waldkatasterplan 1978 gälten; subeventuell sei die Angelegenheit zu
neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Das Bau-, Verkehrs- und Forstdepartement sowie das Verwaltungsgericht
beantragen die Abweisung der Beschwerde. Die Gemeinde Arosa verzichtete auf
eine Stellungnahme.

Das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) nahm zur Angelegenheit
Stellung, ohne einen ausdrücklichen Antrag zu formulieren. Die Parteien
erhielten Gelegenheit, sich hierzu zu äussern.

Im Anschluss an den Schriftenwechsel zog der Instruktionsrichter von den
Parteien zusätzliche Unterlagen bei. Am 18. Oktober 2004 nahm eine Delegation
des Bundesgerichts einen Augenschein mit anschliessender
Vergleichsverhandlung vor. Das Protokoll des Augenscheins wurde den
Beteiligten zugestellt, was das Verwaltungsgericht zur Mitteilung
veranlasste, es halte im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die
Gewährung von Vertrauensschutz nicht für gegeben.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Gegen den angefochtenen kantonal letztinstanzlichen Entscheid über eine
Waldfeststellung nach Art. 10 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 4. Oktober 1991
über den Wald (Waldgesetz, WaG; SR 921.0) ist die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig (Art. 46 Abs. 1 WaG, Art. 97 und 98
lit. g OG). Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin des von der
Waldfeststellung betroffenen Grundstücks und hat ein schutzwürdiges Interesse
an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheides. Sie ist daher
zur Beschwerde befugt (Art. 103 lit. a OG).

1.2 Die Beschwerdeführerin kann mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde die
Verletzung von öffentlichem Recht des Bundes, einschliesslich Überschreitung
oder Missbrauch des Ermessens geltend machen (Art. 104 lit. a OG), ferner die
unrichtige oder unvollständige Feststellung des Sachverhalts (Art. 104 lit. b
OG). An den dem angefochtenen Urteil zugrunde liegenden Sachverhalt ist das
Bundesgericht allerdings gebunden, soweit er vom Verwaltungsgericht nicht
offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher
Verfahrensbestimmungen festgestellt wurde (Art. 105 Abs. 2 OG).

1.3 Sämtliche Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt; auf die Beschwerde ist
einzutreten.

2.
2.1 Art. 2 WaG umschreibt den Begriff des Waldes. Gemäss Abs. 1 gilt als Wald
jede Fläche, die mit Waldbäumen oder Waldsträuchern bestockt ist und
Waldfunktionen erfüllen kann. Entstehung, Nutzungsart und Bezeichnung im
Grundbuch sind nicht massgebend.

Gemäss Art. 2 Abs. 4 Satz 1 WaG können die Kantone innerhalb des vom
Bundesrat festgelegten Rahmens bestimmen, ab welcher Breite, welcher Fläche
und welchem Alter eine einwachsende Fläche sowie ab welcher Breite und
welcher Fläche eine andere Bestockung als Wald gilt. Diesen Rahmen legte der
Bundesrat in Art. 1 Abs. 1 der Verordnung vom 30. November 1992 über den Wald
(WaV, SR 921.01) fest. Erfüllt die Bestockung in besonderem Masse Wohlfahrts-
oder Schutzfunktionen, so sind die kantonalen Kriterien nicht massgebend
(Art. 2 Abs. 4 Satz 2 WaG und Art. 1 Abs. 2 WaV).

2.2 Gemäss Art. 2 Abs. 2 des kantonalen Waldgesetzes Graubünden vom 25. Juni
1995 (KWaG) muss eine Bestockung, um als Wald zu gelten, eine
Flächenausdehnung von 800 m2, eine Mindestbreite von 12 m und ein Alter von
20 Jahren aufweisen. Gemäss Abs. 3 dieser Bestimmung gelten bestockte Flächen
mit einer Ausdehnung von über 500 m2 als Wald, wenn sie eine Waldfunktion
erfüllen.

Art. 2 Abs. 3 KWaG wurde anlässlich einer Revision vom 26. November 2000 ins
Gesetz eingefügt. Damit sollte der bundesgerichtlichen Praxis (BGE 125 II
440; 124 II 165; 122 II 72) Rechnung getragen werden, nach welcher die
Kantone den ihnen durch Art. 1 Abs. 1 WaV eingeräumten Spielraum nicht
undifferenziert ausschöpfen dürfen.

2.3 Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass die Bestockung auf ihrem
Grundstück die erwähnten quantitativen Kriterien in jeder Hinsicht erfüllt.
Hingegen ist sie der Auffassung, die Bestockung sei deshalb kein Wald, weil
sie keine Waldfunktionen ausübe; sie beantragt, hierüber sei ein Gutachten
einzuholen.

Ein Gutachten ist nicht erforderlich. Die Beschwerdeführerin übersieht, dass
es Art. 2 Abs. 1 WaG genügen lässt, dass eine Bestockung Waldfunktionen
ausüben kann. Als Waldfunktionen gelten die Nutz-, die Schutz- und die
Wohlfahrtsfunktion, wobei letztere verschiedene Aspekte umfasst, namentlich
Naturschutz, Landschaftsschutz und Erholungsfunktion (BGE 122 II 72 E. 3b S.
79; zu den Waldfunktionen siehe Stefan M. Jaissle, Der dynamische Waldbegriff
und die Raumplanung, Diss. Zürich 1994, S. 4 ff. und 68 f.). Es genügt, dass
einzelne dieser Funktionen erfüllt werden; ein Wald muss nicht alle in Art. 1
Abs. 1 lit. c WaG erwähnten Funktionen (kumulativ) erfüllen können
(Hans-Peter Jenni, Vor lauter Bäumen den Wald noch sehen: Ein Wegweiser durch
die neue Waldgesetzgebung, Schriftenreihe Umwelt Nr. 210 [Hrsg. BUWAL], Bern
1993, S. 29 und 31).

Wie sich am Augenschein gezeigt hat, ist das Grundstück der
Beschwerdeführerin mit Ausnahme des Wohnhauses weitgehend mit Fichten
bestockt, welche mehrere Jahrzehnte alt sind. Es entspricht der Erfahrung und
braucht nicht weiter bestätigt zu werden, dass die gegebene Bestockung
Waldfunktionen erfüllen kann. Dies hält auch das BUWAL, auf dessen
fachkundige Äusserung abgestellt werden kann, in seiner Vernehmlassung fest.
Das Bundesgericht hat denn auch verschiedentlich festgehalten, dass die von
den Kantonen im Rahmen von Art. 1 Abs. 1 WaV erlassenen quantitativen
Mindestkriterien in erster Linie die Bedeutung haben, dass dort, wo sie - wie
hier - erreicht sind, in aller Regel, aussergewöhnliche Verhältnisse
vorbehalten, die Waldqualität zu bejahen ist (siehe etwa BGE 125 II 440 E. 2c
und Urteil 1A.100/2002 vom 10. Oktober 2002 E. 3.2.2). Was die
Beschwerdeführerin vorträgt, lässt nicht auf aussergewöhnliche Verhältnisse
bzw. auf eine Ausnahme von der Regel schliessen. Am Augenschein liess sich im
Gegenteil feststellen, dass die Bestockung auf der Parzelle Nr. 1360 eine
Schutzfunktion im Sinne des Sichtschutzes bzw. Wohlfahrtsfunktion durch
Gliederung des Siedlungsgebietes ausübt. Zudem könnte ein Teil des Holzes,
welches hiebreif ist, verwertet werden (Nutzfunktion). Diese Feststellungen
wurden im Übrigen bereits anlässlich des Augenscheins des Verwaltungsgerichts
getroffen und entgegen der Darstellung der Beschwerdeführerin auch
ordnungsgemäss protokolliert; es wäre Sache der Beschwerdeführerin bzw. ihres
Anwaltes gewesen, Einsicht in dieses Protokoll zu nehmen und allenfalls eine
Berichtigung zu verlangen. Aus dem Protokoll geht nicht hervor, dass die
Beschwerdeführerin den erwähnten Aussagen zu den Waldfunktionen widersprochen
hätte.

Kann die Bestockung auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin danach
Waldfunktionen erfüllen, stellt sie grundsätzlich Wald dar.

Wie am Augenschein festzustellen war, hat die Beschwerdeführerin mehrere
Bäume fällen lassen. Insoweit sind nur noch die Stöcke sichtbar. Insbesondere
im Norden des Wohnhauses sind die Bäume weitgehend entfernt worden. Die
Stellen, wo Bäume gefällt worden sind, liegen alle im Bereich, der im
Waldkatasterplan 1978 als Nichtwald ausgeschieden wurde. Wieweit dort, wo
Bäume entfernt worden sind, noch Wald im Rechtssinne angenommen werden
könnte, kann offen bleiben, da (auch) insoweit die Waldeigenschaft aus
Gründen des Vertrauensschutzes ohnehin zu verneinen wäre (siehe hinten E. 4).

3.
Art. 13 Abs. 1 WaG hält fest, dass in den Bauzonen gestützt auf
rechtskräftige Waldfeststellungsverfügungen die Waldgrenzen einzutragen sind.
Daraus folgt, wie das Bundesgericht in BGE 122 II 274 E. 2b erwogen hat, dass
sich bei der erstmaligen Abgrenzung von Wald mit Bauzonen das Baugebiet in
der Regel am Bestehen von Wald zu orientieren hat - und nicht das Waldareal
an der Ausdehnung der Bauzonen. Die Beschwerdeführerin wendet ein, in ihrem
Fall bestehe Anlass, von dieser Regel abzuweichen, einerseits wegen des
Waldkatasterplans 1978 und andererseits deshalb, weil ihre Parzelle mitten im
Baugebiet liege. Es sei nicht einzusehen, weshalb neue Bestockungen
ausserhalb rechtskräftiger Waldgrenzen (Art. 13 Abs. 2 WaG) Waldfunktionen
nicht erfüllen und daher nicht als Wald gelten sollten, Bestockungen
ausserhalb eines altrechtlichen, aber rechtsgültigen Waldkatasterplans
indessen schon.

Von vornherein nicht zu folgen ist der Beschwerdeführerin, soweit sie geltend
macht, Art. 13 und 10 WaG normierten "im eigentlichen Sinn" nichts
hinsichtlich der Frage, wie es sich mit Bestockungen in Bauzonen verhalte.
Das Gegenteil trifft zu. Art. 10 Abs. 2 und Art. 13 WaG dienen dazu, den
dynamischen Waldbegriff, der im Waldgesetz von 1991 grundsätzlich beibehalten
wurde (Art. 2 WaG), in beschränktem Umfang durch einen statischen Waldbegriff
zu ersetzen. Diese gegenüber dem früheren Forstpolizeirecht neue Regelung
dient der Rechtssicherheit und soll die Überbaubarkeit von Bauzonenland
sicherstellen (vgl. Peter Hänni, Planungs-, Bau- und besonderes
Umweltschutzrecht, 4. Aufl., Bern 2002, S. 413 f.; Heribert Rausch/Arnold
Marti/ Alain Griffel, Umweltrecht, Zürich/Basel/Genf 2004, Rz. 466).

Dabei geht es nicht um die Frage, ob einwachsende Bestockungen innerhalb der
Bauzone Waldfunktionen erfüllen können oder nicht; vielmehr wird einer
Bestockung, auch wenn sie Waldfunktionen erfüllen kann bzw. erfüllt, aus den
eben genannten Gründen von Gesetzes wegen die Waldqualität aberkannt. Dies
ändert aber nichts daran, dass sich die erstmalige Abgrenzung von Wald und
Bauzonen an den gesetzlichen Kriterien für Wald, d.h. an Art. 2 WaG,
auszurichten hat, eben weil die Abgrenzung auf eine gemäss Art. 10 WaG
vorgenommene Waldfeststellung zu stützen ist. Die Lehre hat sich dem von der
Beschwerdeführerin kritisierten Urteil BGE 122 II 274 E. 2b ohne weiteres
angeschlossen (Hänni, a.a.O. S. 412; Rausch/Marti/Griffel, a.a.O. Rz. 466;
Klaus A. Vallender/Reto Morell, Umweltrecht, Bern 1997, S. 354).

In diesem Zusammenhang macht die Beschwerdeführerin auch zu Unrecht geltend,
die angefochtene Waldfeststellung sei nicht die erste, so dass es
offensichtlich unrichtig sei, wenn das Verwaltungsgericht von der erstmaligen
Abgrenzung von Wald mit Bauzonen spreche. Der Waldkatasterplan 1978 wurde
lange vor dem Inkrafttreten des Waldgesetzes festgesetzt; damals galt
uneingeschränkt der dynamische Waldbegriff und konnte ein solcher
Katasterplan von vornherein nicht dazu dienen, eine dauerhafte Abgrenzung
zwischen Wald und Bauzone vorzunehmen. Erst die angefochtene Waldfeststellung
(in Verbindung mit einer nutzungsplanerischen Waldgrenze im Sinne von Art. 13
WaG) ist hierzu in der Lage; insofern stellt sie die Grundlage für die
erstmalige Abgrenzung von Wald und Bauzone dar.

4.
4.1 Eine andere Frage ist es, ob sich die Beschwerdeführerin aus Gründen des
Vertrauensschutzes gegen die Waldfeststellung wehren kann. Die
Vertrauensschutzfrage ist grundsätzlich schon bei der Waldfeststellung zu
berücksichtigen. Sind die Voraussetzungen des Vertrauensschutzes gegeben,
kann der Eigentümer der Parzelle verlangen, dass diese als unbewaldet
behandelt wird, auch wenn die Waldkriterien der Waldgesetzgebung erfüllt sind
(Urteil 1A.107/1996 vom 25. Februar 1997, E. 4a mit Hinweisen, publ. in: ZBl
99/1998 S. 123 ff. und Pra. 86/1997 Nr. 140 S. 746 ff.).

Die Beschwerdeführerin rügt, die Nichtbeachtung des Waldkatasterplans 1978
verstosse gegen Treu und Glauben, wie sie unter Hinweis auf zwei Urteile des
Verwaltungsgerichts, die andere Parzellen in Arosa beträfen, bereits im
kantonalen Rekursverfahren geltend gemacht habe.

4.2 Der in Art. 9 BV verankerte Grundsatz von Treu und Glauben verleiht einer
Person Anspruch auf Schutz des berechtigten Vertrauens in unrichtige
Zusicherungen, Auskünfte, Mitteilungen oder Empfehlungen einer Behörde, wenn
die Behörde in einer konkreten Situation mit Bezug auf bestimmte Personen
gehandelt hat, die Behörde für die Erteilung der betreffenden Auskunft
zuständig war oder sie der Bürger aus zureichenden Gründen für zuständig
halten konnte, der Bürger die Unrichtigkeit der Auskunft nicht ohne weiteres
erkennen konnte, er im Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskunft
Dispositionen getroffen hat, die nicht ohne Nachteil rückgängig gemacht
werden können, und die gesetzliche Ordnung seit der Auskunftserteilung keine
Änderung erfahren hat (BGE 121 II 473 E. 2c, 121 V 65 E. 2a, je mit
Hinweisen; Ulrich Häfelin/Georg Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4.
Aufl., Zürich 2002, Rz. 668 ff.).
4.3 Ausser Frage steht, dass die Waldausscheidung gemäss Kataster 1978 von
den zuständigen Behörden ausging und ihre Unrichtigkeit für den Laien nicht
ohne weiteres erkennbar war. Hingegen hat das Bundesgericht in BGE 116 Ib 185
die Berufung auf Treu und Glauben in einem Waldfeststellungsverfahren aus
Gründen abgelehnt, die auf den ersten Blick auch vorliegend massgeblich zu
sein scheinen. Es erwog, der dynamische Waldbegriff lasse nach 10 bis 15
Jahren einen allfälligen Vertrauensschutz untergehen; zudem könne sich der
aufgrund eines 1976 festgesetzten Quartierplans Berechtigte, der von der
Baumöglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat, mehr als zehn Jahre später nicht
mehr auf diesen berufen, einerseits weil inzwischen mit dem Bundesgesetz über
die Raumplanung vom 22. Juni 1979 die Rechtsgrundlagen geändert hätten und
anderseits deshalb, weil nach so langer Zeit ohnehin eine Überprüfung der
Nutzungspläne angezeigt gewesen sei.

4.4 Zur Frage, ob nicht schon der dynamische Waldbegriff einer Berufung auf
Treu und Glauben entgegenstehe, macht die Beschwerdeführerin geltend, die
1978 als Nichtwald bezeichnete Fläche sei damals bereits mit Waldbäumen
bestockt gewesen. Es seien (auch) auf dieser Fläche weder neue Waldbäume noch
Waldsträucher eingewachsen; die tatsächlichen Verhältnisse hätten sich in den
letzten 25 Jahren nicht verändert. Dieser Einwand trifft gemäss den
Feststellungen am Augenschein insofern zu, als ausgeschlossen werden kann,
dass auf der 1978 als Nichtwald bezeichneten Fläche Wald nachträglich
eingewachsen ist. Zwischen der 1978 als Wald ausgeschiedenen und der übrigen
unüberbauten Fläche der Parzelle Nr. 1360 bestand hinsichtlich der Bestockung
praktisch kein Unterschied. Dies wäre heute noch so, wenn die
Beschwerdeführerin, wie gesagt, inzwischen nicht mehrere Bäume hätte fällen
lassen.

Die beiden von der Beschwerdeführerin angerufenen rechtskräftigen Urteile des
Verwaltungsgerichts R 02 145 und R 02 146 (PVG 2003 Nr. 33 S. 156 ff.) vom
20. Mai 2003 stellen ebenfalls fest, dass mit dem Waldkataster 1978 in Arosa
zum Teil bestockte Flächen als Nichtwald ausgeschieden wurden, obwohl sie
ebenso wie benachbarte Waldflächen als Wald zu qualifizieren gewesen wären.
Die genauen Gründe für dieses Vorgehen sind aufgrund der Akten nicht
ersichtlich und konnten auch am Augenschein nicht mehr zuverlässig geklärt
werden.

4.5 Ausgehend davon, dass die ganze Parzelle der Beschwerdeführerin mit
Ausnahme des überbauten Bereichs von etwas über 400 m2 nach heutiger
Betrachtungsweise Ende der Siebzigerjahre bewaldet war, ergibt sich unter
Vertrauensgesichtspunkten was folgt:

Zwei Teilbereiche des Grundstückes (an der West- und an der Ostgrenze) wurden
damals als Wald bezeichnet. Für diese Flächen wurde jedoch eine
Rodungsbewilligung erteilt, die bis heute verlängert wurde. Die
Rodungsbewilligung wurde ausdrücklich im Hinblick darauf erteilt, klare
Grundlagen für die Planungsarbeiten bzw. die Nutzung der entsprechenden
Parzellen als Bauland, namentlich als Erweiterungsfläche für bestehende
Bauten und Anlagen, zu schaffen (vgl. E. 4 der Rodungsverfügung des EDI vom
2. April 1980). In der die früheren Bewilligungen ersetzenden generellen
Rodungsbewilligung des EDI vom 10. Juni 1992 wurde diese Zielsetzung
bestätigt (vgl. E. 6) und darüber hinaus als Auflage festgehalten (Dispositiv
Ziff. 14), dass eine Rodung erst durchgeführt werden dürfe, wenn eine
rechtskräftige Baubewilligung vorliege. Angesichts dieser Verfügungen durften
die betroffenen Grundeigentümer mit Fug davon ausgehen, dass ihnen eine
Rodung auf Vorrat untersagt sei, dass sie aber bei Bedarf einen gesicherten
Anspruch auf eine Rodung zur Gewinnung von Bauland hätten.

Die übrige Grundstücksfläche wurde als Nichtwald bezeichnet. Die
Beschwerdeführerin durfte insoweit annehmen, dass eine Bebauung ohne weiteres
möglich sei. Sie hat, wie erwähnt, auf der betreffenden Fläche mehrere Bäume
fällen lassen. Damit betätigte sie ihr Vertrauen in den Waldkatasterplan.
Zudem wurde sie in diesem Vertrauen insofern bestärkt, als sie die Fällung
ohne Holzschlagbewilligung vornehmen konnte und die Forstorgane nicht
einschritten.

4.6 Weiter ist zu prüfen, ob die geänderten Rechtsgrundlagen
(Raumplanungsgesetz und Waldgesetz) einem Vertrauensschutz entgegenstehen.

Zwar ist das Raumplanungsgesetz etwas jüngeren Datums als der Waldkataster
von 1978. Indessen wurde das Grundstück der Beschwerdeführerin bei allen
Revisionen der Bau- und Zonenordnung von Arosa (1980, 1988 sowie 2002) immer
der Bauzone zugewiesen. Insbesondere bestand nie die Absicht, das Grundstück
aus Kapazitätsüberlegungen aus- bzw. nicht einzuzonen. Die Situation lässt
sich daher mit der in BGE 116 Ib 185 beurteilten nicht vergleichen;
planerisch war nach altem wie neuem Recht stets unbestritten, dass das
fragliche Grundstück zur Bauzone gehört.

Die waldrechtlichen Vorschriften haben sich insofern geändert, als der
dynamische Waldbegriff im Baugebiet durch den statischen abgelöst wird; bis
zu einem gewissen Grad wurde mit dem System der generellen
Rodungsbewilligungen für Arosa das gleiche Ziel verfolgt. Im Übrigen hat das
Waldgesetz bezüglich der hier interessierenden Fragen keine wesentlichen
Änderungen gebracht. Vielmehr sind die quantitativen und qualitativen
Voraussetzungen für die Annahme von Wald durch das heute massgebliche Recht
gegenüber früher nicht wesentlich verändert worden. Zwar sind erstmals 1981
(bündnerische) Richtlinien für die Waldfeststellung erarbeitet und Mitte der
90er Jahre verfeinert worden; sie beinhalten materiell-rechtlich indessen
keine Änderungen (PVG 2003 Nr. 33 S. 156 ff. E. 3d).

Der Erlass des Raumplanungsgesetzes und die Revision des Waldgesetzes lassen
sich daher im konkreten Fall einer Berufung auf den Vertrauensschutz nicht
entgegenhalten.

4.7 Die Voraussetzungen des Vertrauensschutzes sind hier danach zu bejahen.
Zu berücksichtigen ist dabei ebenso das Gebot der rechtsgleichen Behandlung
(Art. 8 BV). Das Verwaltungsgericht hat in den erwähnten Urteilen R 02 145
und R 02 146 vom 20. Mai 2003 Waldfeststellungen aus Gründen des
Vertrauensschutzes aufgehoben. Es befand, die Grundeigentümer hätten auf die
im Waldkataster 1978 vorgenommene Ausscheidung von Flächen als Nichtwald
vertrauen dürfen (je E. 3). Inwiefern zum vorliegenden Fall wesentliche
Unterschiede bestehen sollten, ist nicht ersichtlich und haben die kantonalen
Behörden am Augenschein nicht aufzeigen können (Protokoll S. 3/4 und 7).

Die im Waldkataster 1978 als Nichtwald bezeichnete Bestockungsfläche ist
deshalb auch heute als Nichtwald zu qualifizieren.

4.8 In Bezug auf die im Waldkataster 1978 als Wald ausgeschiedene Fläche von
245 m2 im Osten der Parzelle Nr. 1360 (gemäss Rodungsplan 1:2000 vom März
2002) hat das Bau-, Verkehrs- und Forstdepartement mit Verfügung vom 25. März
2004 die Rodungsbewilligung bestätigt (S. 23) und diese als mit der
Genehmigung der Ortsplanungsrevision durch die Regierung des Kantons
Graubünden als beansprucht bezeichnet (S. 30). In dem von der Regierung am 6.
April 2004 genehmigten neuen Zonenplan der Gemeinde Arosa vom 24. November
2002 ist die Fläche von 245 m2 der Bauzone zugewiesen.

Das für diese 245 m2 Gesagte gilt ebenso für die Waldfläche von 921 m2 auf
der Parzelle Nr. 849, welche westlich an die Parzelle Nr. 1360 angrenzt. Es
bestehen keine sachlichen Gründe dafür, die Fläche im westlichen Teil der
Parzelle Nr. 1360, die im Waldkataster 1978 als Wald ausgeschieden wurde,
anders zu behandeln als die Fläche von 921 m2 auf der Parzelle Nr. 849. Die
Fläche im westlichen Teil der Parzelle Nr. 1360, die im Waldkataster 1978 als
Wald bezeichnet wurde, ist aus Gründen der rechtsgleichen Behandlung
ebenfalls als Nichtwald zu betrachten. Für die Flächen im Osten und Westen
auf der Parzelle Nr. 1360, die im Waldkataster 1978 als Wald bezeichnet
wurden, gilt somit im Ergebnis dasselbe: Sie stellen Nichtwald dar.

Die gesamte Fläche der Parzelle Nr. 1360 ist danach rechtlich als Nichtwald
zu betrachten.

5.
Die Beschwerde ist gutzuheissen und das angefochtene Urteil aufzuheben.

Die Angelegenheit ist zur Neuverlegung der Kosten des kantonalen Verfahrens
an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen.

Der Kanton Graubünden trägt keine Kosten (Art. 156 Abs. 2 OG). Hingegen hat
er der Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren eine
Entschädigung zu bezahlen (Art. 159 Abs. 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen und das Urteil des
Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden, 4. Kammer, vom 28. Oktober 2003
aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass auf der Parzelle Nr. 1360, Grundbuch Arosa, kein
Wald im Rechtssinne besteht.

2.
Die Angelegenheit wird zur Neuregelung der Kostenfolgen an das
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden zurückgewiesen.

3.
Es werden keine Kosten erhoben.

4.
Der Kanton Graubünden hat der Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren eine Entschädigung von Fr. 2'000.-- zu bezahlen.

5.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Gemeinde Arosa, dem Bau-,
Verkehrs- und Forstdepartement und dem Verwaltungsgericht des Kantons
Graubünden, 4. Kammer, sowie dem Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 17. Dezember 2004

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: