Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1A.74/2004
Zurück zum Index I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2004
Retour à l'indice I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2004


1A.74/2004 /gij

Urteil vom 20. Dezember 2004

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident,
Bundesgerichtsvizepräsident Nay,
Bundesrichter Aeschlimann, Féraud, Fonjallaz,
Gerichtsschreiberin Scherrer.

X. ________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andreas
Brauchli,

gegen

Politische Gemeinde Weinfelden, 8570 Weinfelden, Beschwerdegegnerin, handelnd
durch den Gemeinderat Weinfelden, Frauenfelderstrasse 8, Postfach, 8570
Weinfelden,
Enteignungskommission des Kantons Thurgau,
Präsident Dr. R. Strehler, Dorfstrasse 21,
8356 Ettenhausen,
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau,
Frauenfelderstrasse 16, 8570 Weinfelden.

materielle Enteignung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Thurgau vom

4. Februar 2004.

Sachverhalt:

A.
X. ________ ist Eigentümer der Parzelle GB Weinfelden Nr. 807 am Kappelerweg.
Am 3. November 1992 erwarb er das direkt nordöstlich angrenzende Grundstück
GB Nr. 873 im Halte von 2'659 m2, welches mit einem Chalet aus dem Jahre 1946
und einem kleinen Schopf überbaut ist. Aufgrund der steilen Hanglage ist das
Chalet nur über eine Treppe mit über 90 Stufen vom Kappelerweg her
erreichbar.
Im Zonenplan von 1953 war das Chalet auf Parzelle Nr. 873 mit einem Umschwung
von rund 800 m2 der Wohnzone B zugeteilt. Die restliche Grundstückfläche von
etwa 1'800 m2 lag in der Grünzone. Mit dem Zonenplan von 1984 wurde die
gesamte Parzelle in die Wohnzone für Einfamilienhäuser in Hanglage, W2EH,
aufgenommen.

B.
Im Jahr 1996 beschloss der Gemeinderat Weinfelden eine Teilrevision der
Ortsplanung, respektive des Zonenplans von 1984. Der revidierte Plan sah vor,
den nordöstlichen Teil der Parzelle Nr. 873 mit einer Fläche von rund 1'775
m2 der Freihaltezone zuzuweisen und den verbleibenden Teil von 875 m2 in der
W2EH zu belassen. X.________ erhob dagegen Einsprache, welche der Gemeinderat
am 23. April 1999 abwies. Daraufhin beschloss der Grosse Gemeinderat die
Teilrevision des Zonenplans am 30. März 2000. Die dagegen beim Departement
für Bau und Umwelt (DBU) eingereichte Beschwerde von X.________ wies das
Departement nach einem Augenschein am 16. Februar 2001 ab. Dieser Entscheid
erwuchs in Rechtskraft. Der Regierungsrat des Kantons Thurgau genehmigte den
Zonenplan mit RRB Nr. 392 am 24. April 2001.

C.
Hierauf reichte X.________ bei der Enteignungskommission Klage wegen
materieller Enteignung ein und verlangte von der Gemeinde Weinfelden eine
Entschädigung von Fr. 769'497.80 nebst Zins zu 5% seit 23. Februar 2001. Die
Enteignungskommission wies die Klage am 23. Oktober 2002 ab.
Am 25. Oktober 2002 hiess demgegenüber das DBU eine Aufsichtsbeschwerde von
X.________ gut, welche dieser gegen die Gemeinde Weinfelden erhoben hatte,
weil sie ihrer Erschliessungspflicht nicht nachgekommen sei. Das DBU
verpflichtete die Gemeinde, bis Ende März 2003 die planerische Erschliessung
der Parzelle Nr. 873 in die Wege zu leiten.

D.
Gegen den Entscheid der Enteignungskommission vom 23. Oktober 2002 gelangte
X.________ ans Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau. Er erneuerte seine
Forderung nach einer Entschädigung wegen materieller Enteignung. Das
Verwaltungsgericht wies die Beschwerde mit Urteil vom 4. Februar 2004 ab.
Mit Eingabe vom 29. März 2004 erhebt X.________ Verwaltungsgerichtsbeschwerde
beim Bundesgericht. Er beantragt, in Aufhebung des Urteils vom 4. Februar
2004 sei das Vorliegen einer materiellen Enteignung zu bestätigen und die
Sache zur Festsetzung der Entschädigung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Eventualiter sei ihm für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche
Prozessführung und Verbeiständung zu gewähren. Der Beschwerdeführer weist
überdies darauf hin, dass er derzeit mit dem (neuen) Gemeinderat über eine
Übernahme des im Streit liegenden Grundstückes verhandle.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau schliesst unter Hinweis auf den
angefochtenen Entscheid auf Abweisung der Beschwerde. Aufgrund der
aussergewöhnlichen Situation scheint ihm ein Augenschein nützlich. Die
Gemeinde Weinfelden und das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) verzichten
auf eine Vernehmlassung.

E.
Mit Schreiben vom 24. November 2004 erkundigte sich das Bundesgericht beim
Beschwerdeführer über den Stand der Dinge hinsichtlich allfälliger
Übernahmeabsichten seitens der Gemeinde. In seiner Antwort vom 25. November
2004 erklärt der Beschwerdeführer, er habe dem Gemeinderat am 25. März 2004
eine detaillierte Offerte vorgelegt, in der Folge jedoch nichts mehr gehört.
Auf seine Nachfrage hin, habe ihm der Gemeinderat am 6. Mai 2004 ohne weitere
Begründung mitgeteilt, dass er auf einen Kauf verzichte. Im Verlaufe der
nachfolgenden Gespräche über mögliche Erschliessungsvarianten habe der
Beschwerdeführer vorgeschlagen, mit dem kantonalen Baudirektor informell eine
Erschliessung von Norden her zu besprechen. Am 9. November 2004 habe ein
Augenschein mit dem zuständigen Regierungsrat, dem Gemeindeammann und dem
Beschwerdeführer stattgefunden. Der Baudirektor habe eine Erschliessung per
Schräglift spontan abgelehnt und die Norderschliessung favorisiert. Er habe
versprochen, deren Realisierbarkeit auf kantonaler Ebene so rasch wie möglich
prüfen zu lassen. Eine Stellungnahme stehe zur Zeit noch aus.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts stellt einen
letztinstanzlichen kantonalen Entscheid über die Entschädigungspflicht
infolge einer Eigentumsbeschränkung im Sinne von Art. 5 des Bundesgesetzes
über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (RPG; SR 700) dar. Dagegen ist gemäss
Art. 34 Abs. 1 RPG die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht
zulässig. Im vorliegenden Fall sind alle Voraussetzungen zur Ergreifung
dieses Rechtsmittels erfüllt. Auf die Beschwerde ist daher einzutreten.

1.2 Der massgebliche Sachverhalt ergibt sich mit hinreichender Klarheit aus
den Akten. Auf einen Augenschein kann demnach verzichtet werden.

2.
Streitgegenstand bildet die Frage, ob die am 24. April 2001 vom Regierungsrat
des Kantons Thurgau genehmigte Zuweisung des nordöstlichen Teils der Parzelle
Nr. 873 zur Freihaltezone eine Entschädigungspflicht aus materieller
Enteignung auslöst.

2.1 Eine materielle Enteignung im Sinne von Art. 26 Abs. 2 BV und Art. 5 Abs.
2 RPG liegt vor, wenn dem Eigentümer der bisherige oder ein voraussehbarer
künftiger Gebrauch einer Sache untersagt oder in einer Weise eingeschränkt
wird, die besonders schwer wiegt, weil der betroffenen Person eine
wesentliche aus dem Eigentum fliessende Befugnis entzogen wird. Geht der
Eingriff weniger weit, so wird gleichwohl eine materielle Enteignung
angenommen, falls einzelne Personen so betroffen werden, dass ihr Opfer
gegenüber der Allgemeinheit unzumutbar erschiene und es mit der
Rechtsgleichheit nicht vereinbar wäre, wenn hierfür keine Entschädigung
geleistet würde. In beiden Fällen ist die Möglichkeit einer künftigen
besseren Nutzung der Sache indessen nur zu berücksichtigen, wenn im
massgebenden Zeitpunkt anzunehmen war, sie lasse sich mit hoher
Wahrscheinlichkeit in naher Zukunft verwirklichen. Unter besserer Nutzung
eines Grundstücks ist in der Regel die Möglichkeit seiner Überbauung zu
verstehen (BGE 125 II 431 E. 3a S. 433).

2.2 Wird bei der erstmaligen Schaffung einer raumplanerischen Grundordnung,
welche den verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Anforderungen entspricht,
eine Liegenschaft keiner Bauzone zugewiesen, so liegt nach der Rechtsprechung
des Bundesgerichts eine so genannte Nichteinzonung vor, und zwar auch dann,
wenn die in Frage stehenden Flächen nach dem früheren, der Revision des
Bodenrechts nicht entsprechenden Recht überbaut werden konnten. Eine
Nichteinzonung in eine Bauzone löst grundsätzlich keine Entschädigungspflicht
aus (eingehend dazu BGE 125 II 431 E. 3b S. 433; 123 II 481 E. 6b S. 487 f.;
122 II 326 E. 4 S. 328 ff.). Nach anderen Grundsätzen sind demgegenüber so
genannte Auszonungen zu beurteilen, bei denen Land, das bereits entsprechend
den Grundsätzen des revidierten Bodenrechts einer Bauzone zugewiesen wurde,
mit einem Bauverbot belegt wird (BGE 122 II 326 E. 4c S. 330).

2.3 Massgebender Zeitpunkt für die Beurteilung, ob eine materielle Enteignung
vorliegt, ist grundsätzlich das Datum des Inkrafttretens der
Eigentumsbeschränkung (BGE 119 Ib 229 E. ea S. 233 mit Hinweisen). Im
vorliegenden Fall ist dies der 24. April 2001, der Tag, an welchem der
Regierungsrat des Kantons Thurgau den revidierten Zonenplan genehmigte.

3.
3.1 Das Verwaltungsgericht geht im angefochtenen Entscheid zusammen mit den
Parteien davon aus, der Zonenplan aus dem Jahre 1984 habe die
bundesrechtlichen Anforderungen an eine Bauzone erfüllt und die am 24. April
2001 erfolgte Zonenplanänderung habe zu einer Auszonung geführt. Diese
Feststellung ist im anhängigen Verfahren unbestritten. Aus den Akten ergeben
sich keine Hinweise, die zu einer abweichenden Beurteilung dieser Frage
führen müssten.

Indessen hat das Verwaltungsgericht in Abrede gestellt, dass eine künftige
Nutzung im Zeitpunkt der Auszonung mit hoher Wahrscheinlichkeit in naher
Zukunft möglich gewesen wäre. Wie der Augenschein klar gezeigt habe, hätte
aufgrund des Steilhanges und der bestehenden Bebauung am 24. April 2001
offensichtlich nicht in naher Zukunft mit einer direkten Zufahrt zur Parzelle
Nr. 873 gerechnet werden können, weder von Norden her noch durch Verlängerung
des privaten Erschliessungssträsschens im Westen.

3.2 Dem hält der Beschwerdeführer ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der
Behörden entgegen. Die Gemeinde habe seit über 50 Jahren ihre gesetzliche
Pflicht zur Erstellung einer hinreichenden Zufahrt vernachlässigt. Sie sei
sich dieser Pflicht all die Jahre bewusst gewesen, was beispielsweise ein
Brief des damaligen und heutigen Bauamtchefs vom 2. November 1984 belege: In
dem erwähnten Schreiben habe der Bauamtchef festgehalten, dass die Gemeinden
verpflichtet sind, die definitiven Bauzonen zu erschliessen. Sowohl sein
Rechtsvorgänger als auch er, der Beschwerdeführer selber, seien in der Folge
stets auf später vertröstet worden, ohne dass je etwas geschehen wäre. Im
Gegenteil habe der Gemeinderat rund um die Parzelle Nr. 873 verschiedene
Bauvorhaben bewilligt, welche eine vorerst noch mögliche Erschliessung von
Süden her zunehmend illusorisch gemacht hätten. Die Gemeinde habe 1984 -
trotz der bereits damals ausdrücklich bestätigten Erschliessungspflicht - den
gesamten Rest des Grundstückes Nr. 873 sowie die entsprechenden Teilflächen
aller westlich angrenzenden Parzellen am Kappelerweg dem Baugebiet
zugewiesen. Erst in der Klageantwort im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht
habe sie diese vorbehaltlose Einzonung plötzlich als Fehler bezeichnet, den
sie mit der Zonenplanrevision im Jahr 2001 wieder korrigiert habe. Noch
"abenteuerlicher" sei die ebenfalls in der Klageantwort vom 22. Februar 2002
vorgebrachte Argumentation, die Zuweisung des gesamten Grundstückes Nr. 873
in die definitive Bauzone sei aus sozialen Gründen erfolgt, weil der damalige
Grundeigentümer vor dem finanziellen Ruin gestanden habe. Warum jedoch 1984
gleichzeitig auch alle westlich angrenzenden Parzellen eingezont worden
seien, sei bis heute nicht erläutert worden.
Auf das Erfordernis der Realisierungswahrscheinlichkeit kann es nach
Auffassung des Beschwerdeführers im vorliegenden Fall nicht ankommen, weil
die Gemeinde mit der Einzonung "aus sozialen Gründen" und der anschliessenden
Umgehung der Erschliessungspflicht rechtsmissbräuchlich gehandelt habe.
Abgesehen davon hätten die Vorinstanzen das Kriterium der
Realisierungswahrscheinlichkeit deutlich überspannt. Den Vergleich mit dem
vom Verwaltungsgericht zitierten Urteil 1A.305/1997 vom 24. August 1998 lässt
der Beschwerdeführer nicht gelten. Weiter führt er aus, nachdem 1946 ein
Einfamilienhaus auf Parzelle Nr. 873 erstellt worden sei, bestehe seit
Jahrzehnten ein gesetzlicher Anspruch auf Erstellung einer Zufahrt.
Erschliessungspflichtig war und sei die Gemeinde, welche die
Erschliessungskosten mehrheitlich auf die Grundeigentümer abwälzen könne.
Werde die Realisierungswahrscheinlichkeit bloss verneint, weil eine von der
Gemeinde geschuldete Leistung ausstehe, so liege bei einer Auszonung dennoch
eine entschädigungspflichtige Enteignung vor.

3.3 Nachdem die Auszonung nicht bestritten wird, ist zu beurteilen, ob die
Möglichkeit einer künftigen besseren Nutzung des Grundstückes am 24. April
2001 mit hoher Wahrscheinlichkeit in naher Zukunft gegeben gewesen wäre. Die
für das Vorliegen einer entschädigungspflichtigen Auszonung erforderliche,
hinreichend hohe Realisierungswahrscheinlichkeit beurteilt sich anhand aller
rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten, welche die künftige
Nutzungsmöglichkeit beeinflussen können. Dazu gehören die eidgenössischen,
kantonalen und kommunalen Bauvorschriften, der Stand der kommunalen und
kantonalen Planung, die Lage und Beschaffenheit des Grundstücks, die
Erschliessungsverhältnisse und die bauliche Entwicklung in der Umgebung.
Dabei ist in erster Linie auf die rechtliche Ausgangslage abzustellen (BGE
122 II 326 E. 5b S. 330 f.; 455 E. 4c S. 458, mit Hinweisen). Gegen die mit
hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartende Überbauung eines Grundstücks in naher
Zukunft spricht namentlich das Erfordernis einer Ausnahmebewilligung, einer
Änderung in der Zonenplanung, eines Erschliessungs-, Überbauungs- oder
Gestaltungsplans, einer Baulandumlegung oder weitgehender
Erschliessungsarbeiten (BGE 116 Ib 159 E. 6b S. 166; 113 Ib 133 E. 4c S. 135;
Enrico Riva, Hauptfragen der materiellen Enteignung, Bern 1990, S. 166 ff.).
3.4 Wie das DBU in seinem in Rechtskraft erwachsenen Entscheid vom 25.
Oktober 2002 festgehalten hat, verfügt das Grundstück des Beschwerdeführers
zwar über die üblichen Werkleitungen, in strassenmässiger Hinsicht ist es
indessen nicht als erschlossen zu betrachten. Dass der Zugang über 90
Treppenstufen nicht als genügende Erschliessung gelten kann, wird von den
Parteien nicht bestritten. Das Erfordernis der hinreichenden Erschliessung
eines Grundstückes ergibt sich zunächst aus dem Bundesrecht (Art. 22 Abs. 2
lit. b i.V.m. Art. 19 Abs. 1 RPG). Land gilt demnach als erschlossen, wenn
unter anderem eine für die betreffende Nutzung hinreichende Zufahrt besteht
(BGE 121 I 65 E. 3a S. 68; 116 Ib 159 E. 6b S. 166). Die Kantone können die
Anforderungen an die Baulanderschliessung näher bestimmen (vgl. BGE 117 Ib
308 E. 4a S. 314). Gemäss § 35 Abs. 1 des thurgauischen Planungs- und
Baugesetzes vom 16. August 1995 (PBG/TG; RB 700) ist die Gemeinde
verantwortlich für die zeit- und sachgerechte Erschliessung des Baugebietes.
Die Erschliessung umfasst Verkehrsanlagen sowie Werkleitungen für die Wasser-
und Energieversorgung oder für die Abwasserbeseitigung und zugehörige
zentrale Anlagen (Abs. 2). § 37 PBG/TG sieht sodann vor, dass Baugebiete in
der Regel im Rahmen eines Gestaltungsplanes zu erschliessen und baureif zu
machen sind und § 60 PBG/TG hält fest, dass ein Grundstück baureif ist, wenn
es erschlossen ist. Nach § 5 Abs. 3 PGB/TG trifft die Gemeindebehörde die zur
Erschliessung notwendigen Massnahmen.

3.5 Die Parzelle Nr. 873 liegt aufgrund der im Jahre 2001 abgeschlossenen
Ortsplanungsrevision mit ca. 875 m² in der Wohnzone für Einfamilienhäuser in
Hanglage. Zuvor war das gesamte Grundstück dieser Zone zugeteilt. Da es sich
hierbei um eine Bauzone im Sinn von § 35 PBG/TG handelt, ist die Gemeinde
grundsätzlich erschliessungspflichtig. Offenbar hatte die Gemeinde im
Aufsichtsbeschwerdeverfahren vor dem DBU die Meinung vertreten, aufgrund des
steilen Geländes handle es sich um eine Ausnahmesituation, in welcher keine
Erschliessungspflicht der Gemeinde bestehe. Zu Recht hat das DBU dieser
Auffassung widersprochen und hinsichtlich der Lage darauf hingewiesen, dass
die Gemeinde die Zonenzuweisung in Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten
beschlossen hatte. Kein Argument, welches die Gemeinde von ihrer
Erschliessungspflicht befreien würde, sind die Schwierigkeiten, die sich bei
der Prüfung verschiedener Erschliessungsvarianten ergaben: Eine Erschliessung
von Norden her durch den Wald wurde als unmöglich erachtet, steht indes
offenbar derzeit wieder zur Diskussion. Des Weitern besteht westlich des
Grundstückes Nr. 873 eine Privatstrasse, welche am Westrand der Parzelle Nr.
809 endet. Selbst wenn in einem dazu durchzuführenden
Gestaltungsplanverfahren mit Widerstand von Seiten tangierter Dritter zu
rechnen ist, kann sich die Gemeinde nicht aufgrund der zu erwartenden
Schwierigkeiten von ihrer Erschliessungspflicht lossagen. Das DBU kam
überdies in seinem Entscheid zum Schluss, es seien offensichtlich noch gar
keine konkreten planerischen Schritte in die Wege geleitet worden. Dies ist
umso bedenklicher, als die Parzelle seit 1946 überbaut ist. Erachtet die
Gemeinde das Grundstück als nicht erschliessbar, hätte sie es von vornherein
nicht einzonen dürfen, zumal eine auf "sozialen Gründen" basierende Planung
an sich schon fragwürdig scheint.
Hinzu kommt, dass sich die Gemeinde ihrer Erschliessungspflicht sehr wohl
bewusst war. So hielt der Bauamtschef in der Einladung zu einer Aussprache
zwischen Architekten und Gemeindevertretern am 2. November 1984 u.a fest:
"Mit dem neuen Weinfelder Zonenplan ist das Gebiet "Im Kappeler" der Wohnzone
für Einfamilienhäuser in Hanglage zugeordnet worden. Der Eigentümer der
Parzelle Nr. 873 möchte diese zonengemäss überbauen. Bis heute fehlt eine
ausreichende Zufahrt. Gemäss § 17 des kantonalen Baugesetzes sind die
Gemeinden verpflichtet, die definitiven Bauzonen zu erschliessen."
Das DBU hat denn die Gemeinde auch aufgefordert, die planerische
Erschliessung der Parzelle Nr. 873 bis Ende März 2003 einzuleiten. Als
massgebliche Massnahme nannte das Departement das Gestaltungsplanverfahren im
Sinn von § 37 PBG/TG. In der Folge wurden als Erschliessungsvarianten die
Zufahrt von Norden her über die Schnellerstrasse geprüft sowie eine
Erschliessung per Schrägaufzug vom Kappelerweg her, mit Linienführung über
die Parzellen Nrn. 3338 und 3630. Bis anhin wurde offenbar keine
befriedigende Lösung gefunden.

3.6 Steht aber fest, dass die Gemeinde ihrer Erschliessungspflicht nicht
nachgekommen ist, obwohl sie selber - aus welchen Gründen auch immer - das
Grundstück 1984 einer bundesrechtskonformen Bauzone zugeteilt hat, so ist es
stossend, wenn sie wegen der fehlenden Erschliessung die hinreichend hohe
Realisierungswahrscheinlichkeit verneint und gleichzeitig Planungsfehler
eingesteht. Ein solches Verhalten verstösst gegen Treu und Glauben. Der
Beschwerdeführer durfte 1992 als Käufer von Land, welches acht Jahre zuvor
definitiv dem Baugebiet zugeteilt worden war, grundsätzlich von dessen
Überbaubarkeit ausgehen. Daran ändert auch der Brief nichts, in welchem der
Ressortchef Bau dem Beschwerdeführer am 11. Mai 1992 mitteilte, aufgrund der
Einspracheverhandlungen zu einem anderen Bauvorhaben müsse sich die Gemeinde
mittlerweile ernsthaft die Frage stellen, ob an der definitiven Einzonung der
Parzelle Nr. 873 festgehalten werden könne. Insbesondere die Erschliessung
biete Probleme, die nach dem Stand der Erkenntnisse als kaum lösbar
erschienen. Die steile Hanglage war bereits im Zeitpunkt der Einzonung
gegeben und bekannt. Zudem haben sowohl der Beschwerdeführer als auch sein
Rechtsvorgänger Überbauungsstudien erarbeiten lassen (act. 4 und 5 der
Beschwerdebeilagen im vorinstanzlichen Verwaltungsgerichtsverfahren). Wenn
die Gemeinde danach weitere Bauvorhaben auf den Parzellen südlich und
westlich des Grundstückes Nr. 873 bewilligt hat, ohne eine gesamtheitliche
Erschliessungsplanung anzustreben, kann sie dieses Versäumnis nicht dem
Beschwerdeführer zur Last legen, zumal das erwähnte Schreiben aus dem Jahre
1992 entgegen der Meinung des Verwaltungsgerichtes mitnichten "mehr als
deutlich" ist.

In diesem Sinne wird auch in der Literatur angeführt, dass in
Auszonungsfällen die Realisierungswahrscheinlichkeit nicht überspannt werden
dürfe. Betroffen sei Land, das nach den Regeln des Bundesrechts einer Bauzone
zugewiesen war und für das demgemäss eine begründete Erwartung auf
Überbaubarkeit bestanden habe. Angesichts der in Art. 19 RPG verankerten
Erschliessungspflicht des Gemeinwesens könne namentlich der blosse Umstand,
dass das ausgezonte Grundstück nicht oder nicht vollständig erschlossen ist,
kaum zum Ausschluss der Entschädigungspflicht führen (Enrico Riva, Kommentar
zum Bundesgesetz über die Raumplanung, Zürich 1999, Art. 5 Rz. 163 Fn. 210).

3.7 Soweit das Verwaltungsgericht das Urteil 1A.305/1997 des Bundesgerichts
vom 24. August 1998 zitiert, hält seine Argumentation einem Vergleich mit dem
hier zu beurteilenden Fall nicht stand. Im anhängigen Verfahren ist von
Bedeutung, dass das Grundstück seit 1946 überbaut ist, 1984 zusammen mit
weiteren, westlich gelegenen Parzellen definitiv einer RPG-konformen Bauzone
zugeteilt wurde und die Gemeinde bis anhin ihrer Erschliessungspflicht nicht
nachgekommen ist, was rechtskräftig festgestellt wurde. Im erwähnten Urteil
des Bundesgerichtes ging es um eine seit jeher landwirtschaftlich genutzte
Parzelle, deren Erschliessung im Unterschied zum vorliegenden Fall bis zur
Auszonung nie Anlass zu Diskussionen gegeben hatte.

3.8 Aufgrund der Versäumnisse der Gemeinde, welche ihrer
Erschliessungspflicht über Jahre hinweg nicht nachgekommen ist und nun
Planungsfehler geltend macht, kann dem Beschwerdeführer die fehlende
Realisierungswahrscheinlichkeit im vorliegenden Fall nicht entgegengehalten
werden. Da die Auszonung an sich unbestritten ist, ist eine materielle
Enteignung zu bejahen. Offen bleiben kann dabei, ob es sich gleichzeitig um
einen Sonderopfertatbestand handelt.

4.
Der angefochtene Entscheid ist somit in Gutheissung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde aufzuheben. Die Sache ist zur Neuregelung der
prozessualen Kosten- und Entschädigungsfolgen an das Verwaltungsgericht (Art.
159 Abs. 6 OG) und zur Festsetzung der Entschädigung für die materielle
Enteignung an die kantonale Enteignungskommission zurückzuweisen (Art. 114
Abs. 2 OG).

Die Gerichtsgebühr ist der unterliegenden Gemeinde Weinfelden  aufzuerlegen,
die im vorliegenden Verfahren in Wahrung ihrer Vermögensinteressen gehandelt
hat (Art. 156 Abs. 1 und 2 OG). Die Gemeinde hat zudem dem Beschwerdeführer
für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung zu bezahlen
(Art. 159 Abs. 1 OG). Dessen Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird damit
gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 4. Februar 2004 aufgehoben. Die
Sache wird zur Neuregelung der prozessualen Kosten- und Entschädigungsfolgen
des vorinstanzlichen Verfahrens an das kantonale Verwaltungsgericht und zur
Festsetzung der Entschädigung für die materielle Enteignung an die kantonale
Enteignungskommission zurückgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 8'000.-- wird der Gemeinde Weinfelden auferlegt.

3.
Die Gemeinde Weinfelden hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 8'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Enteignungskommission und dem
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau sowie dem Bundesamt für
Raumentwicklung schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 20. Dezember 2004

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: