Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1A.66/2004
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1A.66/2004 /gij

Urteil vom 7. September 2004

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident, Bundesrichter Féraud,
Ersatzrichter Loretan,
Gerichtsschreiber Haag.

X. ________, Beschwerdeführer,

gegen

Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement des Kantons Luzern, Dienststelle
Umwelt und Energie, Libellenrain 15, Postfach 4168, 6002 Luzern,
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung,
Obergrundstrasse 46, 6002 Luzern.

Umweltschutz,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des
Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, vom 12. März 2004.

Sachverhalt:

A.
Das Amt für Umweltschutz des Kantons Luzern (inzwischen umbenannt in
Dienststelle Umwelt und Energie) wies am 7. Januar 2004 ein Gesuch der SRG
SSR idée suisse und der Swisscom Broadcast AG für eine Ausnahmebewilligung
betreffend die Sanierung des Mittelwellensenders Beromünster ab und verfügte,
dass die Sanierung des Senders nach den Bestimmungen der Verordnung vom 23.
Dezember 1999 über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (NISV, SR
814.710) bis 31. Dezember 2008 abzuschliessen sei.

Gegen diese Verfügung gelangte X.________ an das Verwaltungsgericht des
Kantons Luzern, welches mit Urteil vom 12. März 2004 auf sein Rechtsmittel
wegen fehlender Legitimation nicht eintrat.

B.
X. ________ hat gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts am 22. März 2004
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht erhoben. Er beantragt
unter anderem, das angefochtene Urteil und die Verfügung des Amtes für
Umweltschutz seien aufzuheben.

Die Dienststelle Umwelt und Energie erklärte Verzicht auf Vernehmlassung,
ebenso das Verwaltungsgericht, welches die die Abweisung der Beschwerde
beantragt.

Das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) nahm zu verschiedenen
Aspekten der Beschwerde Stellung, ohne einen ausdrücklichen Antrag zu
stellen. Es erklärte jedoch, nach seiner Auffassung lebe der Beschwerdeführer
deutlich ausserhalb eines legitimationsbegründenden Perimeters.

Der Beschwerdeführer nahm zu diesen Ausführungen Stellung. Zudem reichte er
dem Bundesgericht nach Ablauf der Beschwerdefrist unaufgefordert weitere
Eingaben ein; namentlich stellte er ein Gesuch um Erlass von vorsorglichen
Massnahmen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob und wie
weit auf eine Beschwerde einzutreten ist (BGE 130 II 306 E. 1.1 S. 308, 321
E. 1 S. 324; 129 I 173 E. 1 S. 174, je mit Hinweisen).

1.1  Gemäss Art. 97 des Bundesrechtspflegegesetzes vom 16. Dezember 1943 (OG,
SR 173.110) in Verbindung mit Art. 5 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968
über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021) ist die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig gegen Verfügungen, die sich auf
öffentliches Recht des Bundes stützen oder hätten stützen sollen, sofern
diese von den in Art. 98 OG genannten Vorinstanzen erlassen worden sind und
keiner der in Art. 99 - 102 OG oder in der Spezialgesetzgebung genannten
Ausschlussgründe gegeben ist. Dies gilt auch für gemischtrechtliche
Verfügungen, die sowohl auf kantonalem wie auch auf Bundesrecht beruhen,
falls und soweit die Verletzung von unmittelbar anwendbarem Bundesrecht in
Frage steht. Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann ferner selbst gegenüber
einem ausschliesslich auf kantonalem Recht beruhenden
Nichteintretensentscheid geltend gemacht werden, formelles oder materielles
Bundesverwaltungsrecht sei zu Unrecht nicht angewendet worden. Voraussetzung
ist in diesem Falle allerdings, dass der angefochtene
Nichteintretensentscheid in einer Angelegenheit ergangen ist, die
grundsätzlich der eidgenössischen Verwaltungsgerichtsbarkeit untersteht (BGE
125 II 10 E. 2a S. 13 mit Hinweisen).

Die Voraussetzungen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde sind im vorliegenden
Fall erfüllt. Das kantonale Verwaltungsgericht hat einen auf kantonales
Verfahrensrecht gestützten Nichteintretensentscheid gefällt. In der Sache
selbst geht es um die Anwendung von Bundesumweltschutzrecht. Der
Beschwerdeführer beanstandet daher zu Recht, dass der angefochtene Entscheid
keine Rechtsmittelbelehrung enthielt (Art. 35 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 3
VwVG). Da er indessen innert Frist Beschwerde an das Bundesgericht erhoben
hat, hat dieser Mangel für den Beschwerdeführer keinen Nachteil zur Folge
(Art. 107 Abs. 3 OG).

1.2  Gemäss Art. 98a Abs. 1 und 3 OG ist in Streitigkeiten des
Bundesverwaltungsrechts die Beschwerdelegitimation im kantonalen Verfahren
mindestens im gleichen Umfang wie für die eidgenössische
Verwaltungsgerichtsbeschwerde einzuräumen. Dies entspricht der langjährigen
Praxis des Bundesgerichts zu Art. 103 OG. Spricht die letzte kantonale
Instanz im Anwendungsbereich von Bundesverwaltungsrecht einem
Beschwerdeführer die Befugnis zur Teilnahme am Verfahren ab, so kann dieser
mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend machen, Art. 98a Abs. 3 OG oder
Art. 103 lit. a OG seien missachtet worden (BGE 125 II 10 E. 2b S. 13 mit
Hinweisen). Insoweit ist auf die Beschwerde einzutreten.

Die Beschwerdeanträge haben sich indessen auf den Streitgegenstand zu
beschränken, der vorliegend allein in der Frage besteht, ob das
Verwaltungsgericht auf das Rechtsmittel des Beschwerdeführers hätte eintreten
müssen oder nicht (vgl. BGE 124 II 499 E. 1c S. 502 mit Hinweisen). Die
Gutheissung der Beschwerde hätte allein die Aufhebung des angefochtenen
Urteils zur Folge, was bedeuten würde, dass sich das Verwaltungsgericht
materiell mit den Vorbringen des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen hätte.
Soweit der Beschwerdeführer dem Bundesgericht weitergehende Anträge stellt
(Aufhebung der erstinstanzlichen Verfügung, Aufhebung der NISV etc.) und
diese ausführlich begründet, ist daher darauf nicht einzutreten. Insbesondere
ist auf die Anträge betreffend Erlass vorsorglicher Massnahmen nicht
einzutreten, da sie weder direkt noch indirekt das vorliegende Verfahren
betreffen.

2.
2.1 Die Beschwerdelegitimation nach Art. 103 lit. a OG setzt wie jene nach
Art. 48 lit. a VwVG voraus, dass der Beschwerdeführer durch die angefochtene
Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung
oder Änderung hat. Dieses kann rechtlicher oder auch bloss tatsächlicher
Natur sein und braucht mit dem Interesse, das durch die vom Beschwerdeführer
als verletzt bezeichneten Normen geschützt wird, nicht übereinzustimmen.
Immerhin muss der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Entscheid stärker
als jedermann betroffen sein und in einer besonderen, beachtenswerten, nahen
Beziehung zur Streitsache stehen. Sein Interesse ist schutzwürdig, wenn er
durch das Beschwerdeverfahren einen materiellen oder ideellen Nachteil von
sich abwenden kann. Diese Anforderungen sollen die Popularbeschwerde
ausschliessen. Ihnen kommt dann besondere Bedeutung zu, wenn - wie hier -
nicht der Verfügungsadressat, sondern ein Dritter den Entscheid anficht. Nur
wenn auch in einem solchen Fall ein unmittelbares Berührtsein, eine besondere
Beziehungsnähe gegeben ist, hat der Beschwerdeführer ein schutzwürdiges
Interesse daran, dass der angefochtene Entscheid aufgehoben oder abgeändert
wird. Der Beschwerdeführer muss durch den angefochtenen Akt persönlich und
unmittelbar einen Nachteil erleiden. Ein bloss mittelbares oder
ausschliesslich allgemeines öffentliches Interesse berechtigt - ohne die
erforderliche Beziehungsnähe zur Streitsache - nicht zur Verwaltungs- oder
Verwaltungsgerichtsbeschwerde (BGE 123 II 376 E. 2 S. 378 mit zahlreichen
Hinweisen).

2.2  Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind die in der näheren
Umgebung einer projektierten Mobilfunkanlage wohnenden Personen durch die von
der Anlage ausgehenden Strahlen in besonderer Weise betroffen und daher
legitimiert, Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu führen und Rechtsmittel im
kantonalen Verfahren zu ergreifen (BGE 128 II 168 sowie Urteil des
Bundesgerichts 1A.78/2003 vom 20. Juni 2003, auszugsweise veröffentlicht in
URP 2003 697). Es kann offen bleiben, ob sich die in diesen Urteilen
verwendete Berechnungsweise zur Bestimmung des Kreises der
Beschwerdeberechtigten sinngemäss auch im vorliegenden Fall anwenden liesse.
Der Beschwerdeführer wohnt in Geroldswil im Limmattal, mithin knapp 30 km
Luftlinie vom Sender Beromünster entfernt. Es kann ohne weiteres
ausgeschlossen werden, dass er in dieser Distanz in besonderer Weise von den
Immissionen des Senders betroffen ist.

2.3  Der Beschwerdeführer macht denn auch nichts dergleichen geltend, sondern
wehrt sich im Gegenteil dagegen, dass überhaupt eine Sanierung in der
vorgesehenen Art angeordnet wird, weil er eine Stilllegung des
Mittelwellensenders verhindern möchte.

In der erstinstanzlichen Verfügung wird jedoch gar keine Stilllegung des
Senders angeordnet, sondern als Sofortmassnahme eine Herabsetzung der
Sendeleistung bis zur endgültigen Sanierung verfügt. Dies kann gemäss den
unbestrittenen Erwägungen des Amtes für Umweltschutz bzw. der Dienststelle
Umwelt und Energie zur Folge haben, dass in der Ostschweiz die vom Sender
ausgestrahlte Sendung "Musigwälle 531" weniger gut oder nicht mehr empfangen
werden kann. Im zentraler gelegenen Mittelland, zu dem das Limmattal gehört,
ist eine solche Einschränkung nicht zu erwarten, und der Beschwerdeführer
macht dies auch nicht geltend. Er kann seine Legitimation also auch nicht
darauf stützen, dass er eine bisher empfangene Sendung nicht mehr empfangen
kann.

Die Stilllegung des Senders ist, wie erwähnt, nicht Gegenstand der
ursprünglichen Verfügung, sondern wird offenbar von den Betreibern ohnehin
ins Auge gefasst. Allerdings führt gemäss einer Pressemitteilung von SRG SSR
idée suisse die Sanierungsverfügung dazu, dass der Mittelwellensender bereits
im Jahre 2009 statt 2015 durch Digital Audio Broadcasting (DAB) abgelöst
werden soll. Dies ändert nichts daran, dass die zuständige kantonale Behörde
nicht die Stilllegung des Senders angeordnet hat und deshalb eine Berufung
darauf, als Radiohörer zur Beschwerde gegen die Sanierungsverfügung
legitimiert zu sein, von vornherein ausgeschlossen ist.

2.4  Der Beschwerdeführer macht geltend, eine Abschaltung des Schweizerischen
Landessenders Beromünster würde ihn sehr direkt betreffen. Ohne den
Mittelwellensender könnte er sich im Falle einer Katastrophe mit totalem
Stromausfall nicht mehr informieren. Mit diesen und seinen weiteren
Ausführungen zur persönlichen Betroffenheit geht der Beschwerdeführer wie
erwähnt am Thema vorbei, weil keine Abschaltung des Senders Beromünster
angeordnet wurde. Es kann daher auch keine Rede davon sein, dass die
umstrittene Sanierungsverfügung die Informationsfreiheit des
Beschwerdeführers (Art. 16 Abs. 1 und 3 BV) verletze.

Es ist somit nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer in besonderer Weise
von der Sanierungsverfügung betroffen wäre. Das Verwaltungsgericht hat seine
Beschwerdelegitimation zu Recht verneint.

3.
Die Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
Entsprechend dem Ergebnis sind die Verfahrenskosten dem Beschwerdeführer
aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Bau-, Umwelt- und
Wirtschaftsdepartement, Dienststelle Umwelt und Energie, dem
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, sowie
dem Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 7. September 2004

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: