Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1A.2/2004
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1A.2/2004 /sta

Urteil vom 6. Februar 2004

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident,
Bundesrichter Féraud, Fonjallaz,
Gerichtsschreiber Forster.

X. ________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Paul Brantschen,

gegen

Bundesamt für Justiz, Abteilung Internationale Rechtshilfe, Sektion
Auslieferung,
Bundesrain 20, 3003 Bern.

Auslieferung an Rumänien - B 140563 WUE,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Bundesamts für Justiz,
Abteilung Internationale Rechtshilfe, Sektion Auslieferung, vom 9. Dezember
2003.
Sachverhalt:

A.
Das Strafgericht von Timis (Rumänien) verurteilte den rumänischen
Staatsangehörigen X.________ mit rechtskräftigem Kontumazialurteil vom 12.
März 2001 zu fünf Jahren Freiheitsstrafe wegen mehrfachen Betruges. Aufgrund
einer internationalen Fahndungsausschreibung von Interpol Bukarest wurde der
Verurteilte am 18. August 2003 beim Grenzwachtposten Bargen durch die
Schaffhauser Kantonspolizei verhaftet und in provisorische Auslieferungshaft
versetzt. Am 16. September 2003 ersuchte das rumänische Justizministerium die
schweizerischen Behörden um Auslieferung von X.________ zum Vollzug der
Freiheitsstrafe. Anlässlich seiner Befragung vom 2. Oktober 2003 widersetzte
sich der Verfolgte einer vereinfachten Auslieferung nach Rumänien. Mit
Entscheid vom 9. Dezember 2003 bewilligte das Bundesamt für Justiz (BJ) die
Auslieferung.

B.
Gegen den Auslieferungsentscheid des BJ gelangte X.________ mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 7. Januar 2004 an das Bundesgericht. Er
beantragt die Verweigerung der Auslieferung. Das BJ schliesst mit
Stellungnahme vom 21. Januar 2004 auf Abweisung der Beschwerde. Der
Beschwerdeführer replizierte am 29. Januar 2004.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Beurteilung von Auslieferungsersuchen Rumäniens richtet sich nach dem
Europäischen Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 (EAUe, SR
0.353.1) sowie dem Ersten und Zweiten Zusatzprotokoll zum EAUe vom 15.
Oktober 1975 bzw. 17. März 1978 (1. ZP, SR 0.353.11, bzw. 2. ZP, SR
0.353.12), denen beide Staaten beigetreten sind. Soweit die genannten
Staatsverträge bestimmte Fragen nicht abschliessend regeln, ist das
schweizerische Landesrecht anwendbar, namentlich das Bundesgesetz über
internationale Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. März 1981 (IRSG, SR 351.1)
und die dazugehörende Verordnung vom 24. Februar 1982 (IRSV, SR 351.11; vgl.
Art. 1 Abs. 1 lit. a IRSG; BGE 129 II 462 E. 1.1 S. 464; 128 II 355 E. 1 S.
357, je mit Hinweisen).

1.1 Der Auslieferungsentscheid des BJ kann mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde
beim Bundesgericht angefochten werden (Art. 55 Abs. 3 i.V.m. Art. 25 Abs. 1
IRSG). Die Sachurteilsvoraussetzungen von Art. 97-114 OG sind erfüllt.

1.2 Zulässige Beschwerdegründe sind sowohl die Verletzung von Bundesrecht,
inklusive Staatsvertragsrecht (einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch
des Ermessens), als auch die Rüge der unrichtigen oder unvollständigen
Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts; der Vorbehalt von Art. 105
Abs. 2 OG trifft hier nicht zu (Art. 104 lit. a-b OG; vgl. BGE 117 Ib 64 E.
2b/bb S. 72). Soweit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegeben (und die
staatsrechtliche Beschwerde daher ausgeschlossen) ist, kann auch die
Verletzung verfassungsmässiger Individualrechte bzw. der EMRK mitgerügt
werden (BGE 124 II 132 E. 2a S. 137; 123 II 153 E. 2c S. 158 f.; 122 II 373
E. 1b S. 375).

1.3 Das Bundesgericht ist an die Begehren der Parteien nicht gebunden (Art.
25 Abs. 6 IRSG). Es prüft die Auslieferungsvoraussetzungen grundsätzlich mit
freier Kognition. Im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde befasst es sich
jedoch nur mit Tat- und Rechtsfragen, die Streitgegenstand der Beschwerde
bilden (vgl. BGE 123 II 134 E. 1d S. 136 f.; 122 II 367 E. 2d S. 372, je mit
Hinweisen).

2.
Nach Massgabe des EAUe sind die Vertragsparteien grundsätzlich verpflichtet,
einander Personen auszuliefern, die von den Justizbehörden des ersuchenden
Staates wegen einer strafbaren Handlung verfolgt oder zur Vollstreckung einer
Strafe oder einer sichernden Massnahme gesucht werden (Art. 1 EAUe).
Auszuliefern ist wegen Handlungen, die sowohl nach dem Recht des ersuchenden
als auch nach demjenigen des ersuchten Staates mit einer Freiheitsstrafe
(oder die Freiheit beschränkenden sichernden Massnahme) im Höchstmass von
mindestens einem Jahr oder mit einer schwereren Strafe bedroht sind. Ist im
Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates eine Verurteilung zu einer
Freiheitsstrafe erfolgt, so muss deren Mass mindestens vier Monate betragen
(Art. 2 Ziff. 1 EAUe; vgl. auch Art. 35 Abs. 1 IRSG und BGE 128 II 355 E. 2.1
S. 360).

Die genannten Auslieferungsvoraussetzungen des EAUe sind im vorliegenden Fall
erfüllt. Das Ersuchen stützt sich auf eine rechtskräftige Verurteilung zu
fünf Jahren Freiheitsentziehung wegen mehrfachen Betruges. Im Ersuchen und
dessen Beilagen wird - im Wesentlichen - dargelegt, dass der Beschwerdeführer
(im Frühling des Jahres 2000, vor seiner Abreise aus Rumänien ins Ausland)
unter Verwendung von ungedeckten Bank-Checks mehrmals Waren bestellt und
anschliessend (unter dem Warenwert) weiterverkauft bzw. nicht bezahlt habe.
Die Sachdarstellung des Ersuchens erfüllt die formellen Voraussetzungen von
Art. 12 Ziff. 2 lit. b EAUe. Im Falle einer strafrechtlichen Beurteilung
durch ein schweizerisches Gericht fiele der fragliche Anklagesachverhalt
grundsätzlich unter die Strafdrohung von Art. 146 StGB (betrügerisches
Vorspiegeln der Zahlungsabsicht bzw. so genannter "Stossbetrug", vgl. BGE 119
IV 284 E. 6b S. 288; 118 IV 359 E. 2 S. 360 f.; 111 IV 134 E. 5b-d S. 136 f.,
je mit Hinweisen; s. auch Günter Stratenwerth/Guido Jenny, Schweizerisches
Strafrecht, Besonderer Teil I, 6. Aufl., Bern 2003, § 15 N. 11; Stefan
Trechsel, Kurzkommentar StGB, 2. Aufl., Zürich 1997, Art. 146 N. 9). Es
braucht nicht geprüft zu werden, ob einzelne Sachverhaltselemente auch noch
andere Straftatbestände des schweizerischen Rechts (etwa Art. 138 Ziff. 1
Abs. 1 StGB) erfüllen könnten.

Der Rechtshilferichter hat in diesem Zusammenhang weder Tat- noch
Schuldfragen zu prüfen und grundsätzlich auch keine Beweiswürdigung
vorzunehmen, sondern ist vielmehr an die Sachverhaltsdarstellung im Ersuchen
gebunden, soweit sie nicht durch offensichtliche Fehler, Lücken oder
Widersprüche sofort entkräftet wird (vgl. BGE 125 II 250 E. 5b S. 257; 122 II
134 E. 7b S. 137, 367 E. 2c S. 371, 422 E. 3c S. 431; 120 Ib 251 E. 5c S.
255; 118 Ib 111 E. 5b S. 121 f.; 117 Ib 64 E. 5c S. 88, je mit Hinweisen).
Dies gilt um so mehr, wenn - wie hier - bereits ein rechtskräftiges
Strafurteil der Justizbehörden des ersuchenden Staates vorliegt.

3.
Der Beschwerdeführer kritisiert zunächst die Erwägungen des rumänischen
Strafurteils. Zusammen mit seiner Mutter habe er im Rahmen des
Geschäftsbetriebes einer Gesellschaft, an der er beteiligt gewesen sei, einen
Secondhand-Handel mit Kleidern betrieben. Zwar werde ihm in diesem
Zusammenhang vorgeworfen, er habe mehrmals persönlich ungedeckte Checks
ausgestellt (bzw. in einem Fall Geld entgegengenommen und dafür keine
Gegenleistung erbracht). Im Strafurteil werde jedoch die "Bedeutung" der
fraglichen Gesellschaft nicht näher erwähnt. Ebenso wenig werde
"unterschieden, ob der Beschwerdeführer die Checks persönlich begeben oder
aber namens bzw. zu Lasten" der Gesellschaft "ausgestellt hat". Ausserdem sei
er seit 4. April 2000 an der Gesellschaft "gar nicht mehr beteiligt gewesen".
Es werde ihm unter anderem zur Last gelegt, er habe im März 2000 auch die
eigene Gesellschaft, eine juristische Person, in strafrechtlich relevanter
Weise geschädigt, indem er sich vom Firmenchef 1,9 Mio. rumänische Lei habe
aushändigen lassen, ohne anschliessend die vereinbarten Geschäfte (Erwerb von
Herbiziden) zu tätigen. Da er bis 4. April 2000 noch selbst Gesellschafter
gewesen sei, ergebe der Vorwurf jedoch "absolut keinen Sinn". Zwar werde ihm
weiter vorgeworfen, er habe am 28. bzw. 29. Mai 2000 in Lugoj bzw. Timisoara
(Rumänien) zwei weitere Handelsfirmen mit ungedeckten Checks betrogen. Da er
Rumänien jedoch bereits "am 6. April 2000 nachweislich und endgültig
verlassen" habe, könne er diesbezüglich "ein hieb- und stichfestes Alibi"
vorlegen.

3.1 Art. 47 Abs. 1 lit. b IRSG bestimmt, dass das Bundesamt vom Erlass eines
Auslieferungshaftbefehls absehen kann, wenn der Verfolgte ohne Verzug
nachweisen kann, dass er zur Zeit der Tat nicht am Tatort war. Gemäss Art. 53
Abs. 1 IRSG nimmt das Bundesamt die gebotenen Abklärungen vor, falls der
Verfolgte behauptet, er könne ein Alibi nachweisen. In klaren Fällen wird die
Auslieferung verweigert (Art. 53 Abs. 2 Satz 1 IRSG). Andernfalls wird der
ersuchende Staat unter Vorlage der entlastenden Beweise aufgefordert, innert
kurzer Frist zu erklären, ob er das Ersuchen aufrechterhalten will (Art. 53
Abs. 2 Satz 2 IRSG). Im Gegensatz zu Art. 53 IRSG sieht das hier massgebliche
EAUe den Alibibeweis des Verfolgten als Auslieferungshindernis nicht
ausdrücklich vor. Trotz der im EAUe verankerten grundsätzlichen
Auslieferungspflicht ist der Möglichkeit eines Alibibeweises jedoch nach der
Praxis des Bundesgerichtes auch im Rahmen eines gemäss Staatsvertrag
durchgeführten Auslieferungsverfahrens angemessen Rechnung zu tragen. Es
würde den allgemeinen Prinzipien des Auslieferungsrechtes und auch dem
Verhältnismässigkeitsgebot widersprechen, einen offensichtlich Unschuldigen
auszuliefern. Den Alibibeweis kann der Verfolgte allerdings nur mit dem
Nachweis führen, dass er zur fraglichen Zeit überhaupt nicht am Tatort war.
Dieser Nachweis ist unverzüglich und ohne Weiterungen zu erbringen (vgl. BGE
123 II 279 E. 2b S. 281 f.; 113 Ib 276 E. 3b-c S. 281-83, je mit Hinweisen).

3.2 Der Beschwerdeführer verkennt, dass das Auslieferungsverfahren nicht der
nachträglichen Überprüfung der Beweiswürdigung rechtskräftiger Strafurteile
durch den Rechtshilferichter dient. Wie bereits dargelegt, ist der
Rechtshilferichter an die Sachverhaltsdarstellung des Ersuchens gebunden,
soweit sie nicht durch offensichtliche Fehler, Lücken oder Widersprüche
sofort entkräftet wird. Dies gilt besonders, wenn die Sachdarstellung sich
auf ein Strafurteil stützt. Die Vorbringen des Beschwerdeführers vermögen den
Betrugsvorwurf nicht sofort zu entkräften. Noch viel weniger kann von einem
unverzüglichen liquiden Alibibeweis die Rede sein. Sein Vorbringen, er habe
seine Gesellschaftsanteile am 4. April 2000 an einen Dritten verkauft,
schliesst eine Strafbarkeit keineswegs aus. Entscheidend sind aus
strafrechtlicher Sicht nicht die (gesellschafts- bzw. privatrechtlichen)
Beteiligungsverhältnisse an der fraglichen Firma, sondern die Frage, ob der
Beschwerdeführer sich im Frühling 2000 an betrügerischen Geschäften beteiligt
hat. Auch Vermögensdelikte zum Nachteil einer Gesellschaft, an deren Kapital
er beteiligt war, wären durchaus strafbar.

Seine appellatorische Kritik an der Beweiswürdigung des rechtskräftigen
Urteils begründet kein Auslieferungshindernis. Zwar macht der
Beschwerdeführer geltend, er habe Rumänien "am 6. April 2000 nachweislich und
endgültig verlassen", weshalb er am 28. bzw. 29 Mai 2000 nicht in Lugoj bzw.
Timisoara mit je einem ungedeckten Check bezahlt haben könne. Er legt jedoch
selbst dar, dass die mutmasslich geschädigten Handelsgesellschaften (laut
Strafurteil) den fraglichen Check Nr. ... "am 11.04.2000" bzw. den Check Nr.
... vor dem 7. April 2000 (Verfalldatum) bei der bezogenen Bank hätten
einlösen wollen. Bei dieser Sachlage könnte die Übergabe der ungedeckten
Checks nicht erst Ende Mai 2000 erfolgt sein. Wie es sich damit in zeitlicher
Hinsicht genau verhält, ist nicht im vorliegenden Rechtshilfeverfahren
beweisrechtlich zu klären. Ebenso kann offen bleiben, ob der Beschwerdeführer
(wie er behauptet) Rumänien bereits am 6. April 2000 "endgültig verlassen"
hat. Ein liquider Alibibeweis, der ein Auslieferungshindernis darstellen
könnte, liegt jedenfalls nicht vor. Beim Verfolgten handelt es sich nicht um
eine offensichtlich unschuldige Person.

4.
Der Beschwerdeführer erhebt sodann verfahrensrechtliche Rügen. Er sei im
rumänischen Abwesenheitsverfahren ungenügend verteidigt gewesen. Das
Strafgericht habe Prozessvorschriften des rumänischen Rechts verletzt, indem
es auf drei Zeugen abgestellt habe, deren Aussageprotokolle anlässlich der
Kontumazialverhandlung nicht verlesen worden seien. Ausserdem habe der
Beschwerdeführer bis zu seiner Verhaftung im August 2003 "nicht gewusst, dass
in Rumänien in seiner Abwesenheit ein Strafverfahren gegen ihn durchgeführt
worden war". Das Auslieferungsersuchen sei daher abzuweisen, zumal auch nicht
erwartet werden könne, dass ein allfälliges Wiederaufnahmeverfahren "in einer
der EMRK entsprechenden Weise durchgeführt würde".

4.1 Art. 3 Ziff. 1 des Zweiten Zusatzprotokolles zum EAUe (vgl. auch Art. 37
Abs. 2 IRSG) bestimmt Folgendes: "Ersucht eine Vertragspartei eine andere
Vertragspartei um Auslieferung einer Person zur Vollstreckung einer Strafe
oder einer sichernden Massnahme, die gegen sie in einem Abwesenheitsurteil
verhängt worden ist, so kann die ersuchte Vertragspartei die Auslieferung zu
diesem Zweck ablehnen, wenn nach ihrer Auffassung in dem diesem Urteil
vorangegangenen Verfahren nicht die Mindestrechte der Verteidigung gewahrt
worden sind, die anerkanntermassen jedem einer strafbaren Handlung
Beschuldigten zustehen. Die Auslieferung wird jedoch bewilligt, wenn die
ersuchende Vertragspartei eine als ausreichend erachtete Zusicherung gibt,
der Person, um deren Auslieferung ersucht wird, das Recht auf ein neues
Gerichtsverfahren zu gewährleisten, in dem die Rechte der Verteidigung
gewahrt werden. Diese Entscheidung ermächtigt die ersuchende Vertragspartei,
entweder das betreffende Urteil zu vollstrecken, wenn der Verurteilte keinen
Einspruch erhebt, oder andernfalls gegen den Ausgelieferten die
Strafverfolgung durchzuführen".

4.2 Bei der Beurteilung der Frage, ob im ausländischen Abwesenheitsverfahren
die Mindestrechte der Verteidigung im Sinne von Art. 3 Ziff. 1 des Zweiten
Zusatzprotokolles zum EAUe (bzw. Art. 37 Abs. 2 IRSG) gewahrt wurden,
geniessen die Rechtshilfebehörden des ersuchten Staates einen erheblichen
Ermessensspielraum. Die Frage ist nach Massgabe der konkreten Umstände des
Einzelfalles zu prüfen (BGE 117 Ib 337 E. 5c S. 345; vgl. auch BGE 129 II 56
ff.). Zum vornherein unbehelflich ist hier hingegen das Vorbringen, die
rumänischen Behörden hätten im Rahmen des Auslieferungsverfahrens gegen
rumänisches Verfahrensrecht verstossen. Diese Frage bildet nicht Gegenstand
des angefochtenen Entscheides (vgl. oben, E. 1.2).
4.3 Nach der Praxis des Bundesgerichtes und des Europäischen Gerichtshofes
für Menschenrechte sind Abwesenheitsurteile grundsätzlich zulässig, sofern
der in Abwesenheit Verurteilte (auch nach Eintritt der
Vollstreckungsverjährung) die Aufhebung des Kontumazialurteils und die
Durchführung des ordentlichen Verfahrens (Wiederaufnahme) verlangen kann (BGE
129 II 56 E. 6.2 S. 59 f.; 127 I 213 E. 3a S. 215; 126 I 36 E. 1a S. 38 f.;
122 I 36 E. 2 S. 37 f.; 122 IV 344 E. 3c S. 349, E. 5c-d S. 352 f.; 117 Ib
337 E. 5a-b S. 343 f., je mit Hinweisen auf die Praxis der Strassburger
Rechtsprechungsorgane; vgl. auch Robert Hauser/Erhard Schweri,
Schweizerisches Strafprozessrecht, 4. Aufl., Basel 1999, § 91 Rz. 24; Franz
Riklin, Die Regelung des Abwesenheitsverfahrens in der Schweiz aus der Sicht
der EMRK, in: Beiträge zum europäischen Recht, Festgabe zum schweizerischen
Juristentag 1993, Freiburg/Ue. 1993, S. 331 ff.). Nach Ablauf der für die
ordentlichen Rechtsmittel geltenden Fristen wird das Abwesenheitsurteil
lediglich auflösend bedingt (nämlich unter Vorbehalt der Wiederaufnahme)
rechtskräftig (BGE 122 IV 344 E. 3a S. 347).

Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 14 UNO-Pakt II (SR 0.103.2) und Art. 29 Abs. 2 BV
gewähren einem in Abwesenheit Verurteilten jedoch kein bedingungsloses Recht,
eine Neubeurteilung zu verlangen. Eine solche kann von der Einhaltung
bestimmter Formen und Fristen seitens des Gesuchstellers abhängig gemacht
werden. Ferner ist es mit den prozessualen Grundrechten vereinbar, wenn eine
Wiederaufnahme deswegen abgelehnt wird, weil der in Abwesenheit Verurteilte
sich geweigert hat, an der Gerichtsverhandlung teilzunehmen oder die
Unmöglichkeit, dies zu tun, selbst verschuldet hat. Nach der
bundesgerichtlichen Praxis ist die Abwesenheit nicht nur im Falle
(objektiver) "höherer Gewalt" gültig entschuldigt, sondern auch im Falle
subjektiver Unmöglichkeit aufgrund der persönlichen Umstände oder eines
Versehens (BGE 129 II 56 E. 6.2 S. 59 f.; 127 I 213 E. 3a S. 216; 126 I 36 E.
1b S. 40, je mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofes für Menschenrechte). Die selbst bestimmte Abwesenheit aus
Furcht vor einer Verhaftung wird hingegen nicht als subjektive Unmöglichkeit
gewertet, die ein Nichterscheinen vor Gericht zu entschuldigen vermöchte (BGE
127 I 213 E. 4 S. 217). Die Resolution DH (75) 11 des Ministerkomitees des
Europarates vom 21. Mai 1975 über die Grundsätze bei der Durchführung von
Strafverfahren in Abwesenheit des Angeklagten (VPB 1984 Nr. 107) empfiehlt
ein Rechtsmittel zur Aufhebung des Kontumazialurteils für Fälle, bei denen
der in Abwesenheit Verurteilte nicht ordnungsgemäss vorgeladen wurde (Ziff.
I/8). Die Vorladung kann nötigenfalls durch öffentliche Publikation
(Ediktalladung) erfolgen, sofern die Adresse des Angeklagten nicht ausfindig
gemacht werden konnte (vgl. EGMR vom 12. Februar 1985 i.S. Colozza und
Rubinat c. I, EuGRZ 1985, S. 634 f. Ziff. 28). Die Wiederaufnahme des
Strafverfahrens ist grundsätzlich zu gewährleisten, wenn der in Abwesenheit
Verurteilte von der gerichtlichen Vorladung keine Kenntnis erhalten und auch
nicht versucht hat, sich der Strafverfolgung zu entziehen. Die Beweislast
dafür darf nicht dem Verurteilten auferlegt werden (BGE 129 II 56 E. 6.2 S.
60 mit Hinweisen).

4.4 Die vom Beschwerdeführer erhobenen Verfahrensrügen (ungenügende
Verteidigung, fehlerhafte richterliche Beweiswürdigung usw.) wären primär im
Rahmen des ordentlichen Rechtsmittelverfahrens vorzubringen gewesen.
Unbestrittenermassen wurde das rumänische Abwesenheitsurteil durch Verzicht
auf den Berufungsweg rechtskräftig. Der Beschwerdeführer lastet es seinem
"letzten amtlichen Verteidiger" an, dass dieser "keine Berufung" ergriffen
habe. Er selbst habe im Zeitraum zwischen seiner Abreise aus Rumänien im
April 2000 bis zu seiner Verhaftung im August 2003 weder gewusst, dass ein
Strafverfahren gegen ihn eingeleitet wurde, noch dass ein Abwesenheitsurteil
erging. Zwar habe er "über seine Mutter erfahren", dass er in Rumänien "von
jemandem gesucht" werde. Eine amtliche Mitteilung sei ihm oder seinen
Angehörigen jedoch nicht zugegangen. Das rumänische Recht gewährleiste im
übrigen keine Garantie für eine Wiederaufnahme des Strafverfahrens. Eine
entsprechende Zusicherung durch die ersuchende Behörde sei denn auch nicht
erfolgt.

4.5 Gemäss den vorliegenden Akten kann die Behauptung des Beschwerdeführers,
er habe erst im August 2003 vom Strafverfahren und vom Abwesenheitsurteil
erfahren, nicht widerlegt werden. Zwar drängen sich gewisse Zweifel an der
vollständigen Ahnungslosigkeit des Verfolgten auf. Auch wäre es jedenfalls
dem Beschwerdeführer anzulasten, wenn er den Behörden seines Heimatstaates
seine jeweiligen Wohnadressen im Ausland nicht gemeldet hätte. Weder im
rumänischen Strafvollzugsbefehl vom 26. März 2001 noch im Ersuchen wird
jedoch dargelegt, dass der Beschwerdeführer von den Vorladungen Kenntnis
erhalten habe. Ebenso wenig wird dort darauf hingewiesen, dass dem Verfolgten
ein Anspruch auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens zustünde. Und
schliesslich ist aus den vorliegenden Akten auch nicht ersichtlich, dass der
Beschwerdeführer Kontakt mit einem seiner Offizialverteidiger (oder auch nur
Kenntnis vom Strafverfahren) gehabt hätte. Laut Vernehmlassung des
Bundesamtes für Justiz sei gestützt auf den am 1. Januar 2004 in Kraft
getretenen Art. 522 der rumänischen Strafprozessordnung eine "Wiederaufnahme
auf einfaches Begehren des Verurteilten hin" zulässig. "Gemäss dem
rumänischen Auslieferungsgesetz" könne "auch eine entsprechende Zusicherung
an den ersuchten Staat abgegeben werden, wenn dies verlangt wird".

4.6 Bei dieser Sachlage ist die Auslieferung im vorliegenden Fall von einer
förmlichen Zusicherung der rumänischen Behörden abhängig zu machen, dass dem
in Abwesenheit verurteilten Verfolgten das Recht auf ein neues
Gerichtsverfahren eingeräumt wird, in dem die von der EMRK (und dem
rumänischen Strafverfahrensrecht) garantierten Rechte der Verteidigung
gewahrt werden (Art. 3 Ziff. 1 Zweites Zusatzprotokoll EAUe). Hingegen kann
dem Rechtsbegehren des Beschwerdeführers, die Auslieferung sei zu verweigern,
nicht stattgegeben werden. Seine Unterstellung, die rumänischen Behörden
würden sich an Zusicherungen gegenüber der Schweiz nicht halten, rechtfertigt
keine Verweigerung der Rechtshilfe. Dies umso weniger, als im
Rechtshilfeverkehr unter Vertragsstaaten des EAUe von einem
völkerrechtskonformen Verhalten auszugehen ist.

5.
Nach dem Gesagten ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde, mit welcher
ausdrücklich die Verweigerung der Auslieferung beantragt wird, als
unbegründet abzuweisen. Die Auslieferung ist allerdings unter der Bedingung
zu bewilligen, dass die rumänischen Behörden eine (als ausreichend erachtete)
Zusicherung abgeben, dass dem Verfolgten das Recht auf ein neues
Gerichtsverfahren eingeräumt wird, in dem die von der EMRK garantierten
Minimalrechte der Verteidigung gewahrt werden. Dem Haftentlassungsbegehren
(das nur beiläufig mit dem Fehlen der materiellen
Auslieferungsvoraussetzungen begründet wurde) ist keine Folge zu geben.

Der Beschwerdeführer stellt ein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung und
Rechtsverbeiständung. Da die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind (und
insbesondere die Bedürftigkeit des Gesuchstellers ausreichend glaubhaft
gemacht erscheint), kann dem Ersuchen stattgegeben werden (Art. 152 Abs. 1-2
OG). Der amtliche Rechtsvertreter stellt für das Verfahren vor Bundesgericht
einen Arbeitsaufwand von 16,75 Stunden sowie Barauslagen von Fr. 178.90
(zuzüglich 7,6% MwSt) in Rechnung und beantragt die Zusprechung einer
angemessenen Entschädigung. In Würdigung der Aktenlage und gestützt auf den
anwendbaren Entschädigungstarif erweist sich im vorliegenden Fall eine
pauschale Anwaltsentschädigung von Fr. 3'000.-- als angemessen (Art. 152 Abs.
2 i.V.m. Art. 160 OG sowie Art. 6 Abs. 2, Art. 8 und Art. 9 des Tarifes über
Entschädigungen an die Gegenpartei für das Verfahren vor dem Bundesgericht
[SR 173.119.1]).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Auslieferung des Verfolgten zur Strafvollstreckung wird unter der
Bedingung bewilligt, dass die rumänischen Behörden zuvor eine als ausreichend
erachtete Zusicherung abgeben, dass dem in Abwesenheit verurteilten
Verfolgten das Recht auf ein neues Gerichtsverfahren eingeräumt wird, in dem
die von der EMRK garantierten Minimalrechte der Verteidigung gewahrt werden.

3.
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt:
3.1 Es werden keine Kosten erhoben.

3.2 Rechtsanwalt Paul Brantschen wird als unentgeltlicher Rechtsvertreter
ernannt und für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Bundesgerichtskasse
mit einem Honorar von Fr. 3'000.-- entschädigt.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Bundesamt für Justiz,
Abteilung Internationale Rechtshilfe, Sektion Auslieferung, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 6. Februar 2004

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: