Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1A.218/2004
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1A.218/2004 /ggs

Urteil vom 29. November 2005

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Fonjallaz,
Gerichtsschreiberin Gerber.

A. ________,
B.________,
C.________,
D.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch A.________,

gegen

Orange Communications SA,
Swisscom Mobile AG, vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Hubert Bühlmann,
Beschwerdegegnerinnen,
Baubewilligungskommission Herisau, Postfach 1160, 9102 Herisau,
Direktion Bau und Umwelt des Kantons Appenzell Ausserrhoden, Kasernenstrasse
17A, 9102 Herisau,
Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden, Fünfeckpalast, Postfach 161,
9043 Trogen.

Bau einer Mobilfunkantennenanlage auf dem Sportzentrum Herisau,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde und staatsrechtliche Beschwerde gegen das
Urteil des Verwaltungsgerichts von Appenzell Ausserrhoden vom 25. August
2004.
Sachverhalt:

A.
Am 7. Januar 2003 erteilte die Baubewilligungskommission Herisau der Swisscom
Mobile AG und der Orange Communications SA die Bewilligung zur Errichtung
einer Mobilfunkanlage auf Parzelle Nr. 3308 in Herisau. Zuvor hatte bereits
das kantonale Amt für Umweltschutz die umweltschutzrechtliche Bewilligung für
die Anlage erteilt.

Gegen die Baubewilligung rekurrierten A.________ und weitere Personen
erfolglos an die Baudirektion und erhoben anschliessend Beschwerde an das
Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden. Dieses wies die Beschwerde am
25. August 2004 ab.

B.
Gegen den am 15. Februar 2005 eröffneten verwaltungsgerichtlichen Entscheid
erheben A.________, B.________, C.________ und D.________
Verwaltungsgerichtsbeschwerde und staatsrechtliche Beschwerde an das
Bundesgericht.
Sie beantragen, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und das Baugesuch
sei abzulehnen; eventualiter sei die Sache zu neuer Beurteilung an die
Vorinstanz zurückzuweisen. Sodann stellen sie zahlreiche Feststellungs- und
Verfahrensanträge (vgl. Beschwerdeschrift S. 2-5). Insbesondere beantragen
sie die Gewährung der aufschiebenden Wirkung und den Ausstand der
Bundesrichter Aemisegger, Nay, Féraud, Catenazzi und Fonjallaz. Es sei eine
mündliche Verhandlung durchzuführen und das Verfahren zu sistieren, bis der
Europäische Gerichtshof für Menschenrechte einen Grundsatzentscheid in Bezug
auf allfällige Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit
Strahlenimmissionen gefällt habe.

C.
Die Swisscom Mobile AG beantragt, auf die staatsrechtliche Beschwerde sei
nicht einzutreten und die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei abzuweisen,
soweit darauf einzutreten sei. Die Orange Communications SA und die
Baudirektion des Kantons Appenzell Ausserrhoden beantragen die Abweisung der
Beschwerden. Das Verwaltungsgericht beschränkt sich in seiner Vernehmlassung
auf den Hinweis, dass es sich bei den Ausführungen der Beschwerde zum
Herzschrittmacher von A.________ um tatsächliche Noven handle. Die Gemeinde
Herisau hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Das BUWAL äussert sich in seiner Vernehmlassung zu den in der Beschwerde
aufgeworfenen umweltschutzrechtlichen Fragen. Das Bundesamt für Gesundheit
(BAG) beschränkt sich auf Bemerkungen zu einer von ihm im Jahre 2001
durchgeführten und in der Beschwerdeschrift erwähnten Umfrage. Das BAKOM hat
auf eine Vernehmlassung verzichtet.

D.
Mit Beschluss vom 28. April 2005 wies die I. öffentlichrechtliche Abteilung
das Ausstandsgesuch der Beschwerdeführer ab, soweit dieses nicht
gegenstandslos geworden war.

E.
Mit Schreiben vom 20. Juni 2005 reichten die Beschwerdeführer weitere
Unterlagen ein. Am 9. November 2005 nahmen die Beschwerdeführer zu den
Vernehmlassungen der Beschwerdegegnerinnen, der Vorinstanzen und der
Bundesämter Stellung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid, der sich in erster
Linie auf die Verordnung vom 23. Dezember 1999 über den Schutz vor
nichtionisierender Strahlung (NISV; SR 814.710) und damit auf
Bundesverwaltungsrecht stützt. Dagegen steht die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht grundsätzlich offen (Art. 97
ff. OG). Die Beschwerdeführer sind als Anwohner der streitigen
Mobilfunkanlage zur Beschwerde legitimiert (Art. 103 lit. a OG). Auf die
rechtzeitig erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher grundsätzlich
einzutreten.

1.1 Die Beschwerdeführer machen zum einen geltend, die NISV sei gesetzes- und
verfassungswidrig, zum anderen rügen sie die Verletzung von
Verfahrensgarantien des Bundesverfassungsrechts. Diese Rügen können alle im
Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde behandelt werden, so dass kein
Raum für die subsidiäre staatsrechtliche Beschwerde (Art. 84 Abs. 2 OG)
bleibt. Auf diese ist daher nicht einzutreten.

1.2 Nicht einzutreten ist auch auf die zahlreichen Feststellungsanträge der
Beschwerdeführer: Dem Rechtsschutzinteresse der Beschwerdeführer würde mit
der Aufhebung der angefochtenen Verfügung - der Baubewilligung für die
Mobilfunkanlage - Genüge getan, weshalb kein schutzwürdiges Interesse an
weitergehenden Feststellungen besteht.

1.3 Die Beschwerdeführer beantragen, das Verfahren sei bis zum Entscheid des
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) über die bei ihm hängigen
Beschwerden zu sistieren.

Der Richter kann aus Gründen der Zweckmässigkeit das Verfahren aussetzen,
insbesondere wenn das Urteil von der Entscheidung in einem anderen
Rechtsstreit beeinflusst werden kann (Art. 6 Abs. 1 BZP i.V.m. Art. 40 OG).

Die beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte hängigen Beschwerden
betreffen andere Mobilfunkanlagen und andere Parteien, weshalb sie für das
vorliegende Verfahren nicht ohne Weiteres präjudiziell erscheinen. Ob der
EGMR sich in grundsätzlicher Weise zur EMRK-Konformität der schweizerischen
NIS-Grenzwerten äussern wird, ist ungewiss, wie auch der Zeitpunkt eines
solchen Entscheids. Unter diesen Umständen erscheint eine Sistierung des
Verfahrens unzweckmässig.

2.
Die Beschwerdeführer beantragen die Durchführung einer mündlichen Verhandlung
mit der Anhörung von Fachleuten und Zeugen zur spezifischen Schadwirkung von
Mobilfunk-Immissionen.

Angesichts der weitgehend technischen Materie und dem bereits von den
Beschwerdeführern eingereichten umfangreichen Material erscheint eine
mündliche Verhandlung jedoch nicht sinnvoll. Diese ist auch nicht nach Art. 6
Ziff. 1 EMRK geboten: Bereits vor Verwaltungsgericht wurde eine mündliche
Verhandlung durchgeführt, in der die Beschwerdeführer zu Wort gekommen sind.
Im Übrigen liegt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung eine
zivilrechtliche Streitigkeit im Sinne dieser Bestimmung grundsätzlich nur
vor, wenn die Beschwerdeführer geltend machen, auf ihren Grundstücken seien
die (geltenden) Immissions- oder Anlagegrenzwerte der NISV überschritten (BGE
128 I 59 E. 2a/bb S. 61 f.). Dies trifft im vorliegenden Fall nicht zu.

3.
Es ist unstreitig, dass die geplante Mobilfunkanlage die Anlage- und
Immissionsgrenzwerte der NISV rechnerisch einhält. Die Baubewilligung wurde
sodann unter der Auflage einer Abnahmemessung erteilt, um sicherzustellen,
dass diese Grenzwerte auch effektiv an den höchstbelasteten Orten mit
empfindlicher Nutzung eingehalten werden. Die Beschwerdeführer halten jedoch
die Immissions- und Anlagegrenzwerte der NISV für gesetzes- und
verfassungswidrig.

3.1 Sie machen geltend, das BUWAL habe gestützt auf eine grosse Zahl von
Untersuchungen sowie der Schadenentwicklung als Folge der flächendeckenden
Mobilfunkeinführung eine drastische Senkung der Anlagegrenzwerte der NISV
sowie einen Stopp des weiteren UMTS-Ausbaus beantragt, was jedoch vom
Bundesrat aus wirtschaftlichen Gründen ignoriert worden sei.

Die Beschwerdeführer stützen sich hierfür auf einen Artikel der NZZ vom 27.
Mai 2004. Wie das BUWAL in seiner Vernehmlassung darlegt, war dieser
Zeitungsartikel jedoch sachlich falsch: Tatsächlich hat das BUWAL die
Eidgenössische Kommunikationskommission (ComCom) lediglich darauf
hingewiesen, dass es möglicherweise eine Herabsetzung der
Immissionsgrenzwerte beantragen müsse, wenn weitere unabhängige Studien die
Ergebnisse der niederländischen TNO-Studie bestätigen sollten. Im Hinblick
auf diese Eventualität empfahl das BUWAL der ComCom damals, Termine und
Abdeckungsvorgaben für die Anbieter von UMTS zu überdenken, um zu vermeiden,
dass laufende Vorbereitungen sich später als Fehlinvestitionen entpuppen.
Dies wurde in späteren Zeitungsberichten richtig gestellt (vgl. Meldung der
Schweizerischen Depeschenagentur vom 28. Mai 2004 und den Artikel des Bund
vom 2. Juni 2004: "Moratoriumsgespenst geht um").

Hat das BUWAL somit weder eine Herabsetzung der NISV-Grenzwerte noch einen
Zulassungs-Stopp für UMTS-Antennen beantragt, kann dem Bundesrat nicht
vorgeworfen werden, sich über die Auffassung seiner Umweltschutzfachbehörde
hinweggesetzt zu haben.

Auch dem Bundesgericht kann kein solcher Vorwurf gemacht werden: In seinen
Vernehmlassungen an das Bundesgericht hat das BUWAL die geltenden Immissions-
und Anlagegrenzwerte der NISV stets als gesetzeskonform erachtet, auch
bezüglich der neuen Generation von UMTS-Antennen.

3.2 Die Beschwerdeführer werfen dem Verordnungsgeber vor, bei der Festlegung
der Grenzwerte der NISV keine Rücksicht auf elektrosensible Personen wie
A.________ genommen zu haben. Dies verstosse gegen Art. 13 Abs. 2 USG, wonach
Personengruppen mit besonders erhöhter Empfindlichkeit berücksichtigt werden
müssen.
Die Beschwerdeführer berufen sich u.a. auf eine epidemiologische Untersuchung
des BAG. Danach seien bei 90% der Studienteilnehmer Symptome wie
Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Nervosität, Tinnitus, Schwindel,
Gliederschmerzen oder Herzbeschwerden aufgetreten, sobald sie in eine Zone
mit Elektrosmog eingetreten seien, und zwar bei 53% der Studienteilnehmer
innerhalb einiger Minuten, bei 21% innerhalb einiger Stunden und bei 17%
innerhalb einiger Tage.

A. ________ leide seit Jahren unter der bestehenden Mobilfunkbelastung. Er
habe sich im Februar 2002 einer Herzklappenoperation unterzogen; inzwischen
sei ihm ein Herzschrittmacher implantiert worden. Durch den Betrieb der
umstrittenen Mobilfunkantenne in der Nähe seiner Wohn- und Schlafräume werde
er unmittelbar gefährdet. Die Beschwerdeführer berufen sich hierfür auf
ärztliche Zeugnisse des Kardiologen und des Hausarztes.

3.2.1 Aus dem Zeugnis des Kardiologen geht hervor, dass A.________ am 20.
Oktober 2004 ein Herzschrittmacher implantiert worden ist; ihm wird
empfohlen, die unmittelbare Nähe von intensiven Sendern zu vermeiden und auch
beim Betrieb eines Mobiltelefons einen minimalen Abstand zum Schrittmacher
einzuhalten.

Diese Empfehlung des Kardiologen hat zum Ziel, technische Störungen des
Herzschrittmachers durch externe hochfrequente Strahlung zu verhindern.
Moderne Herzschrittmacher, die den Anforderungen der
Medizinprodukteverordnung vom 17. Oktober 2001 (MepV; SR 812.213) und der
Verordnung vom 9. April 1997 über die elektromagnetische Verträglichkeit
(VEMV; SR 734.5) entsprechen müssen, sind zwar deutlich störfester als die
älteren Modelle. Immerhin kann es auch bei diesen Geräten zu Störungen
kommen, wenn ein Handy in der Brusttasche getragen oder in weniger als 10 cm
Abstand zum Herzschrittmacher-Aggregat benutzt wird (Jiri Silny, Auswirkungen
hochfrequenter Felder auf den Menschen, Literaturstudie, Dezember 2003, S. 74
ff., insbes. S. 76 [www.lfu.baden-wuettemberg.de/lfu/uis/strahlung.html]).
Trägern eines Herzschrittmachers wird deshalb empfohlen, einen
Sicherheitsabstand zwischen dem Handy und dem Schrittmacher von 30 cm
einzuhalten (Bundesamt für Gesundheit,
www.bag.admin.ch/strahlen/nonionisant/emf/ grundlagen/d/indirekt.php).
Dagegen sind die Felder einer Mobilfunk-Basisstation in keiner
Alltagssituation imstande, elektronische Implantate zu beeinflussen (Silny,
a.a.O., S. 6).

3.2.2 Aus dem Zeugnis des Hausarztes geht hervor, dass A.________ seit Jahren
Herzjagen, Beklemmungsgefühle und Auftreibungen im Bauch schildere, wenn er
in die Nähe einer Funkantenne komme. Für den Hausarzt sind diese Angaben
glaubwürdig, weshalb er einen Kausalzusammenhang zwischen Antennen und den
Symptomen als überwiegend wahrscheinlich betrachtet.

Aus diesem Zeugnis lässt sich entnehmen, dass A.________ elektrosensibel in
dem Sinne ist, dass er seine gesundheitlichen Beschwerden aufgrund eigener
Beobachtungen auf elektromagnetische Felder zurückführt. Ein objektiver
Zusammenhang zwischen der nichtionisierenden Strahlung und den
Gesundheitsbeeinträchtigungen ist damit jedoch nicht erwiesen.
Entsprechendes gilt für die von den Beschwerdeführern erwähnte Erhebung des
Bundesamts für Gesundheit bei Personen, die ihre gesundheitlichen Beschwerden
elektromagnetischen Feldern zuschreiben: Diese Befragung gibt lediglich die
Ansichten und Einschätzungen der befragten Personen wieder. Die am häufigsten
genannten gesundheitlichen Beschwerden (Schlafstörungen, Kopfschmerzen,
Nervosität/ Stress, Müdigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, Tinnitus,
Schwindel, Gliederschmerzen und Herzbeschwerden) sind sehr unspezifisch und
sind bei vielen physischen und psychischen Krankheiten anzutreffen. Sie
können auch auf andere Faktoren (z.B. Stress, Lärm, flackerndes Licht,
Chemikalien) zurückzuführen sein (BUWAL, Elektrosmog in der Umwelt, Juni
2005, S. 11). Bisher gibt es keine allgemein anerkannten Kriterien für eine
objektive Diagnose von Elektrosensibilität. Ein kausaler Zusammenhang
zwischen elektromagnetischen Feldern und diesen Gesundheitsbeschwerden konnte
bislang nicht nachgewiesen werden.

3.3 Die Beschwerdeführer wollen mit einer neu entwickelten "Messtechnik"
beweisen, dass beim Mobilfunkbetrieb mit gepulster Sendetechnik technische
Pulsfolgen exakt im Herz- und Hirnbereich auftreten. Das Verwaltungsgericht
habe ihnen diesen Nachweis nicht gestattet und damit ihren Anspruch auf
rechtliches Gehör verletzt.

Es ist jedoch schon seit langem bekannt, dass die Strahlung der
GSM-Mobilfunkantennen verschiedene Pulsungen und Periodizitäten im
niederfrequenten Bereich aufweist. Insofern erscheint die von den
Beschwerdeführern verlangte "Messdemonstration" überflüssig. Beweisbedürftig
wäre vielmehr, inwiefern diese Pulsfolgen die Herz- oder Gehirntätigkeit
negativ beeinflussen können. Ein solcher Nachweis kann jedoch mit einer
blossen Messtechnik nicht erbracht werden.

3.4 Die Beschwerdeführer sind der Auffassung, es sei Aufgabe der
Anlagebetreiber, den Nachweis zu erbringen, dass die flächendeckende
Mobilfunkstrahlung für die Umwelt und insbesondere die menschliche Gesundheit
nicht schädlich sei. Die Unschädlichkeit einer Technologie kann jedoch aus
prinzipiellen Gründen nicht bewiesen werden, wie das BUWAL in seiner
Vernehmlassung erläutert: Dazu müsste jeder nur denkbare biologische Effekt
wissenschaftlich untersucht werden, was aufgrund der Vielfalt der möglichen
Effekte und der Vielfalt von Expositionen nicht möglich erscheint.
Wissenschaftlich gesicherte Aussagen können nur zum Vorhandensein von
Effekten gemacht werden, während zur Abwesenheit von Effekten nur
Wahrscheinlichkeitsaussagen möglich sind, basierend auf der Häufigkeit von
Studien, in denen kein biologischer Effekt gefunden werden konnte. Eine
100-prozentige Sicherheit ist jedoch nie möglich.

3.5 Das Bundesgericht verlangt jedoch von den zuständigen Behörden des
Bundes, namentlich dem BUWAL, dass es den Stand von Wissenschaft und
Forschung verfolgt und eine Revision der NISV-Grenzwerte prüft, wenn neue
Erkenntnisse über Gesundheitseffekte nichtionisierender Strahlung vorliegen.

Diesem Auftrag kommt das BUWAL nach: Es hat ein Nationales Forschungsprojekt
zum Thema "Nichtionisierende Strahlung, Umwelt und Gesundheit" initiiert und
beteiligt sich an der Finanzierung der TNO-Anschlussstudie und weiterer
Studien, die im Auftrag der Forschungsstiftung Mobilkommunikation
durchgeführt werden. Zudem hat es das Institut für Sozial- und
Präventivmedizin der Universität Basel beauftragt, systematisch die neuesten
Studien zur hochfrequenten elektromagnetischen Strahlung in einer Datenbank
zu katalogisieren (Literatur-Datenbank ELMAR, abrufbar auf der Homepage des
BUWAL). Regelmässig werden Berichte zur Bewertung der bisherigen Ergebnisse
veröffentlicht (vgl. Röösli/Rapp, Hochfrequente Strahlung und Gesundheit,
2003, BUWAL Umwelt-Materialien Nr. 162, mit Nachtrag A, 2004).

Bisher sind keine schädlichen oder lästigen Wirkungen der nichtionisierenden
Strahlung unterhalb der Immissionsgrenzwerte der NISV, die im Wesentlichen
den Richtwerten der ICNIRP entsprechen, nachgewiesen worden. In der Studie
"Hochfrequente Strahlung und Gesundheit" Nachtrag A (S. 7 und Tabelle 1 S.
10) wird als einziger gesicherter Befund die mögliche Interferenz von
Mobiltelefonen bei Implantaten genannt. Ein erhöhtes Hirntumorrisiko im
Zusammenhang mit dem Gebrauch von Mobiltelefonen gilt weiterhin als möglich,
nicht aber als wahrscheinlich. Ansonsten werden Einflüsse der
niedrigdosierten Mobilfunkstrahlung auf die Gesamtmortalität und auf andere
Tumorarten als unwahrscheinlich betrachtet (a.a.O. S. 8).

Diese Schlussfolgerung deckt sich mit denjenigen anderer Publikationen aus
jüngster Zeit, wonach die Hypothese gesundheitsschädlicher Wirkungen von
Mobilfunkfeldern aufgrund der bisher vorliegenden Studien nicht erhärtet
werden konnte (vgl. z.B. Agence française de sécurité sanitaire
environnementale, Avis sur la téléphonie mobile, 7. Juni 2005, National
Radiological Protection Board (NRPB), Mobile Phones and Health, 2004; Silny,
a.a.O., Emilie van Deventer-Perkins/Michael Repacholi, Effets de la
téléphonie mobile sur la santé humaine: état des connaissances scientifiques,
URP 2004 S. 708 ff., insbes. S. 719 f.; Programmgruppe Mensch, Umwelt,
Technik (MUT), Bewertung der wissenschaftlichen Literatur zu den
Risikopotenzialen von hochfrequenten elektromagnetischen Feldern des
Mobilfunks, 2005 [www.emf-risiko.de/Projekte/ergeb_bewlit.html]).

3.6 Die von den Beschwerdeführern angeführte "Naila-Studie" (H. Eger/K.
Hagen/B. Lucas/P. Vogel/H. Voit, Einfluss der räumlichen Nähe von
Mobilfunksendeanlagen auf die Krebsinzidenz, Umwelt-Medizin-Gesellschaft 2004
S. 326 - 332) ist, für sich allein, nicht geeignet, eine andere
Schlussfolgerung zu begründen:

In dieser Studie nahm eine Gruppe von Hausärzten in Naila (Oberfranken) eine
statistische Auswertung ihrer Patientenunterlagen im Hinblick auf Krebsfälle
in der Umgebung von Mobilfunksendern vor. Die Studie gelangte zum Ergebnis,
dass der Anteil von neu aufgetretenen Krebsfällen bei den Patienten, die
während der letzten zehn Jahre in einem Abstand bis zu 400 m um die seit 1993
betriebene Mobilfunksendeanlage gewohnt hatten, gegenüber weiter entfernt
lebenden Patienten signifikant höher war und die Patienten in
durchschnittlich jüngerem Alter erkrankt waren.

Diese Studie weist jedoch eine Reihe von methodischen Schwächen auf, die ihre
Aussagekraft relativieren (vgl. im einzelnen Naila-Mobilfunkstudie -
Aktualisierte Stellungnahme des deutschen Bundesamts für Strahlenschutz [BfS]
vom 6. April 2005 [www.bfs.de/elektro/ papiere/Stellungnahme_Naila]): So
wurde weder Alter und Geschlecht der Patienten noch andere Risikofaktoren für
Krebs bei der statistischen Analyse berücksichtigt. Sodann ist der Abstand
von einer Mobilfunkbasisstation ein schlechter Indikator für das Ausmass der
Strahlenbelastung, da die Exposition beispielsweise in unmittelbarer Nähe der
Antenne sehr gering (Lage ausserhalb der Hauptstrahlungsrichtung; Abschirmung
durch Gebäude, etc.) und umgekehrt im Fernbereich, aufgrund anderer
Strahlungsquellen (z.B. Schnurlostelefone in der Wohnung), grösser sein kann
(zum Problem der individuellen Expositionsabschätzung bei epidemiologischen
Studien vgl. ICNIRP Standing Committee on Epidemiology, Epidemiology of
Health Effects of Radiofrequency Exposure, Environmental Health Perspectives
112/2004 S. 1741 ff.). Schliesslich ist auch der Stichprobenumfang der
Naila-Studie relativ gering (34 Krebsfälle in einem Zeitraum von 10 Jahren
bzw., bei Berücksichtigung einer Latenzzeit von 5 Jahren, 21 Krebsfälle).

Ähnliche methodische Schwächen weist die von den Beschwerdeführern zitierten
Studien von Santini, Navarro und Hutter auf (vgl. Seitz/ Stinner/Eikmann,
Befindlichkeitsstörungen, 2005, S. 37 und 41, und Martin Röösli,
Befindlichkeitsstörungen, 2005, S. 16-20
[www.emf-risiko.de/projekte/pdf/gutachten_6.pdf und _7pdf]).

3.7 Nach dem Gesagten können die geltenden Grenzwerte der NISV nicht als
gesetz- oder verfassungswidrig betrachtet werden.

4.
Die Beschwerdeführer werfen dem Verwaltungsgericht eine Verletzung des
rechtlichen Gehörs vor, weil es die von ihnen eingereichten Unterlagen nur
formal entgegengenommen habe, sich damit aber nicht näher auseinandergesetzt
habe.

Das Verwaltungsgericht ging davon aus, dass es in erster Linie Aufgabe der
Fachbehörden des Bundes sei, neue Grundlagen aus Wissenschaft und Forschung,
welche eine Revision der NISV allenfalls begründen könnten, zu prüfen. Es
berief sich sodann auf neuere bundesgerichtliche Entscheide (Urteile
1A.92/2003 vom 15. Dezember 2003 i.S. Degersheim; 1A.86/2003 vom 15. Dezember
2003 i.S. Flawil; 1A.134/2003 vom 5. April 2004 i.S. Gossau), in denen die
Beschwerdeführer im Wesentlichen gleiche Eingaben gemacht hatten, und das
Bundesgericht die Gesetzes- und Verfassungskonformität der NISV bestätigt
hatte. Aus diesem Grund könne ohne Verletzung des rechtlichen Gehörs darauf
verzichtet werden, auf die zahlreichen eingereichten Unterlagen näher
einzugehen.
Diese Vorgehensweise ist nicht zu beanstanden: Inzwischen liegen mehrere
tausende Publikationen zu den Auswirkungen hochfrequenter Felder auf den
Menschen vor; jährlich kommen etwa 500 neue Aufsätze hinzu (Silny, a.a.O. S.
7). Dem Richter fehlen sowohl die naturwissenschaftlichen Fachkenntnisse als
auch der Überblick über den Stand der internationalen Forschung, um die
Seriosität und den Beweiswert der von den Beschwerdeführern eingereichten
oder zitierten Studien selbst prüfen zu können. Er kann deshalb lediglich
prüfen, ob die zuständigen Fachbehörden des Bundes ihr Ermessen bzw. ihren
Beurteilungsspielraum missbraucht oder in pflichtwidriger Weise untätig
gewesen sind. Ist dies erst vor kurzem vom Bundesgericht verneint worden, so
kann der kantonale Richter darauf Bezug nehmen, ohne selbst noch einmal die
Argumentation des Bundesgerichtes wiederholen oder ergänzen zu müssen. Dies
gilt jedenfalls dann, wenn die Eingaben der Beschwerdeführer - wie im
vorliegenden Fall - nichts wesentlich Neues enthalten.

5.
In ihrer Replik berufen sich die Beschwerdeführer erstmals auf eine Weisung
des Kantons Appenzell Ausserrhoden, wonach Mobilfunkantennen nicht in
empfindlichen Gebieten wie Schulen, Spitälern etc. bewilligt werden dürften.
Die Beschwerdeführer machen geltend, die vorliegend streitige Anlage befinde
sich in der Nähe eines Alters- und Pflegeheims sowie einer Alterssiedlung und
einem Spital.

Wie es sich damit verhält, kann jedoch offen bleiben: Die Beschwerdeführer
weisen selbst darauf hin, dass es sich um eine noch in Vorbereitung stehende
und noch nicht publizierte Regelung handelt. Diese kann daher im vorliegenden
Fall ohnehin nicht berücksichtigt werden.

6.
Nach dem Gesagten erweist sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde als
unbegründet, soweit darauf einzutreten ist. Auf die staatsrechtliche
Beschwerde ist nicht einzutreten.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens tragen die Beschwerdeführer die
Gerichtskosten und müssen die anwaltlich vertretene Swisscom Mobile AG für
die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens entschädigen (Art. 156 und 159
OG). Da die Orange Communications SA durch ihren Rechtsdienst vertreten
wurde, hat sie praxisgemäss keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung.

Mit dem Vorliegen des Endentscheids wird der Antrag um Gewährung der
aufschiebenden Wirkung gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird den Beschwerdeführern auferlegt.

4.
Die Beschwerdeführer haben die Swisscom Mobile AG mit Fr. 2'000.-- zu
entschädigen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Baubewilligungskommission Herisau, der
Direktion Bau und Umwelt und dem Verwaltungsgericht von Appenzell
Ausserrhoden sowie dem Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft, dem
Bundesamt für Gesundheit und dem Bundesamt für Kommunikation schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 29. November 2005

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: