Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1A.210/2004
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1A.210/2004 /gij

Urteil vom 12. Oktober 2004

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident,
Bundesrichter Aeschlimann, Féraud,
Gerichtsschreiberin Scherrer.

Verkehrsclub der Schweiz (VCS), Beschwerdeführer, handelnd durch VCS Sektion
Aargau und diese vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Martin Pestalozzi,

gegen

Genossenschaft Migros Aare, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Beat Ries,
Gemeinderat Oftringen, Gemeindehaus, Zürichstrasse 30, 4665 Oftringen,
Regierungsrat des Kantons Aargau, Staatskanzlei, 5000 Aarau,
Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 3. Kammer, Präsident, Obere Vorstadt
40, 5000 Aarau.

Baubewilligung; aufschiebende Wirkung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Aargau, 3. Kammer, Präsident, vom 8. September 2004.

Sachverhalt:

A.
Die Genossenschaft Migros Aare reichte in Oftringen ein Baugesuch für einen
M-Parc (u.a. einen OBI Bau- und Heimwerkermarkt und andere Fachmärkte
umfassend) auf der Parzelle Nr. 606 (Ackerweg/ Luzernstrasse/Autobahn A1)
ein. Vor der öffentlichen Auflage vom 31. August bis 1. Oktober 2001 war über
das Bauvorhaben - welches mit einer Verkaufsfläche von über 5000 m² und mit
über 300 Parkplätzen der Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP)
unterliegt - ein Bericht "Hauptuntersuchung zur Umweltverträglichkeit"
(Umweltverträglichkeitsbericht [UVB] 2. Stufe) mit Datum vom 26. Juni 2001
verfasst worden.

Gegen das Bauvorhaben gingen diverse Einsprachen ein, u.a. jene des
Vekehrsclubs der Schweiz (VCS), Sektion Aargau.

B.
Das Baudepartement des Kantons Aargau (Abteilung für Umwelt) prüfte den UVB
vom 26. Juni 2001 und erachtete in seinem Amtsbericht vom 19. Dezember 2001
zusätzlich eine Reduktion der Kundenparkplätze von 469 auf maximal 380 für
notwendig. Gleichzeitig verlangte es eine Parkraumbewirtschaftung ohne
verzögerte Gebührenerhebung und die Realisierung der vorgesehenen
Erschliessung mit dem öffentlichen Bus. Die Koordinationsstelle Baugesuche
des Baudepartements stimmte dem Bauvorhaben mit Teilverfügung vom 28. Januar
2003 zu. Sie erklärte die Beurteilung der Umweltverträglichkeit vom 19.
Dezember 2001 zum integrierenden Bestandteil ihres Entscheides, allerdings
u.a. mit Ausnahme der Parkplatzfrage und der Auflage Nr. 3 (Erschliessung mit
öffentlichem Verkehr). Auf Anfrage des Gemeinderates Oftringen erläuterte die
Koordinationsstelle den Zustimmungsentscheid mit Schreiben vom 3. April 2003
und erklärte u.a. die Beschränkung auf 380 Kundenparkplätze als verbindliche
Voraussetzung für die Zustimmung.

C.
Mit Beschluss vom 14. April 2003 erteilte der Gemeinderat Oftringen der
Gesuchstellerin die Baubewilligung, wobei er u.a. die Anzahl Parkplätze auf
456 reduzierte. Er wies darauf hin, dass es sich dabei nicht um 456
Kundenparkplätze handle, sondern dass in dieser Zahl auch sämtliche
Parkplätze für Angestellte und Behinderte enthalten seien. Weiter verlangte
der Gemeinderat insbesondere, dass das Parkieren spätestens ab der 91. Minute
mit einer Gebührenpflicht belegt werde. Die Einsprache des VCS wies er ab,
soweit er nicht Teile einzelner Anträge guthiess.

D.
Auf Beschwerde des VCS hin entschied der Regierungsrat des Kantons Aargau am
14. Januar 2004 in teilweiser Gutheissung des Rechtsmittels unter anderem,
dass maximal 332 Kundenparkfelder (inkl. 7 Behindertenparkfelder) und 78
Personalparkfelder zulässig seien. Weiter wurden Modalitäten der
Parkplatzbewirtschaftung verfügt. Die Erschliessung durch den öffentlichen
Verkehr erachtete der Regierungsrat für genügend, weshalb er die Beschwerde
in diesem Punkt abwies.

Gegen diesen Entscheid gelangte der VCS ans kantonale Verwaltungsgericht. Er
beantragte die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, soweit seine
Beschwerde in Bezug auf die geforderte verbesserte Erschliessung mit
öffentlichen Verkehrsmitteln und eine damit verbundene weitergehende
Parkplatzreduktion abgewiesen worden war. Als Folge davon sei die
vorinstanzlich angefochtene Baubewilligung aufzuheben. Im Verlaufe des
Schriftenwechsels beantragte die Genossenschaft Migros Aare als Bauherrin und
Beschwerdegegnerin, der Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei die aufschiebende
Wirkung zu entziehen und der Bauherrschaft die Bewilligung zum vorzeitigen
Baubeginn zu erteilen. Der Gemeinderat Oftringen schloss sich diesem Gesuch
an, während der VCS dessen Abweisung beantragte. Eventualiter stellte er
Antrag auf Verfahrenssistierung bis 31. August 2004.

E.
Der Präsident des Verwaltungsgerichtes hiess das Gesuch der Genossenschaft
Migros Aare am 8. September 2004 gut und erteilte der Bauherrin die
Bewilligung zum vorzeitigen Baubeginn. Insoweit entzog er der Beschwerde des
VCS vom 14. Februar 2004 die aufschiebende Wirkung. Der Entscheid behält in
Ziff. 2 des Dispositivs später allenfalls notwendig werdende
Projektanpassungen vor. Überdies wird festgestellt, dass das Risiko dafür und
für allfällige weitere negative Auswirkungen des vorzeitigen Baubeginns die
Beschwerdegegnerin (also die Bauherrin) trage.

F.
Mit Eingabe vom 20. September 2004 erhebt der VCS, vertreten durch die VCS
Sektion Aargau, Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht. Er
beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheids vom 8. September 2004.
Das Gesuch der privaten Beschwerdegegnerin vom 25. Juni 2004 um Entzug der
aufschiebenden Wirkung und Bewilligung zum vorzeitigen Baubeginn sei
abzuweisen. Weiter ersucht der Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren um Gewährung der aufschiebenden Wirkung.

G.
Gleichzeitig mit der Einladung vom 21. September 2004 zur Vernehmlassung über
das Gesuch um aufschiebende Wirkung untersagte das Bundesgericht jegliche
Vollziehungsvorkehrungen bis zum diesbezüglichen Entscheid.

H.
Der Rechtsdienst des Regierungsrates hält fest, dass aus Sicht des
Regierungsrates dem Bauvorhaben - unter Berücksichtigung der vorgenommenen
Änderungen der Baubewilligung - bereits im Zeitpunkt seines Entscheides vom
14. Januar 2004 nichts entgegenstand. Eine Vernehmlassung zum Gesuch um
aufschiebende Wirkung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei darum nicht
notwendig.

Die Genossenschaft Migros Aare schliesst auf Abweisung des Gesuchs um
aufschiebende Wirkung sowie der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Der Präsident des Verwaltungsgerichts beantragt die Abweisung der Beschwerde,
hat indes gegen die Gewährung der aufschiebenden Wirkung im
bundesgerichtlichen Verfahren nicht einzuwenden.

Der Gemeinderat Oftringen stellt Antrag, dem Gesuch um aufschiebende Wirkung
nicht stattzugeben, da er das vorinstanzliche Urteil für sachgerecht
erachtet.

Das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) verzichtet mit Eingabe
vom 6. Oktober 2004 auf einen förmlichen Antrag, weil sich der angefochtene
Entscheid ausschliesslich auf kantonales Recht stütze. Das BUWAL äussere sich
indessen grundsätzlich nur zu Fragen des Bundesumweltrechts.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgericht prüft die Zulässigkeit der bei ihm eingereichten
Beschwerden von Amtes wegen und mit freier Kognition (BGE 129 I 173 E. 1 S.
174; 128 I 46 E. 1a S. 48 mit Hinweisen).

1.1  Soweit gegen Verfügungen der kantonalen oder Bundesbehörden über die
Planung, Errichtung oder Änderung von ortsfesten Anlagen, für die eine UVP
nach Art. 9 USG erforderlich ist, die Verwaltungsbeschwerde an den Bundesrat
oder die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig ist,
steht das Beschwerderecht auch den gesamtschweizerischen
Umweltschutzorganisationen zu, sofern sie mindestens zehn Jahre vor
Einreichung der Beschwerde gegründet wurden (Art. 55 Abs. 1 USG). Gemäss Art.
55 Abs. 2 USG bezeichnet der Bundesrat die zur Beschwerde berechtigten
Organisationen. Diese können auch von den Rechtsmitteln im kantonalen Bereich
Gebrauch machen (Art. 55 Abs. 3 USG). Der VCS wird im Anhang der vom
Bundesrat am 27. Juni 1990 erlassenen Verordnung über die Bezeichnung der im
Bereich des Umweltschutzes sowie des Natur- und Heimatschutzes
beschwerdeberechtigten Organisationen (VBUO Ziff. 20; SR 814.076)
ausdrücklich als beschwerdeberechtigte Organisation nach USG aufgeführt. Er
hat sich im vorliegenden Fall schon am kantonalen Verfahren beteiligt und ist
vor dem Verwaltungsgericht mit seinen Anträgen unterlegen. Somit ist er
grundsätzlich zur Beschwerde legitimiert.

1.2  Beim angefochtenen Entscheid des Präsidenten des Verwaltungsgerichtes
handelt es sich um einen Zwischenentscheid. Gemäss Art. 101 lit. a OG (e
contrario) sind Zwischenverfügungen nur dann selbständig mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar, wenn dieses Rechtsmittel auch gegen
den Endentscheid offen steht (BGE 127 II 132 E. 2a S. 136). Diese
Voraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt: Der Beschwerdeführer stellt
in Abrede, dass die Erschliessung der geplanten Fachmärkte durch den
öffentlichen Verkehr ausreichend sei. Er vertritt daher die Auffassung, die
Baubewilligung müsse mangels hinreichender Erschliessung verweigert werden.
Gegen Verfügungen, welche die Erschliessung eines Einkaufszentrums mit
öffentlichem Verkehr regeln, ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das
Bundesgericht zulässig (Art. 97 Abs. 1 und Art. 98 lit. e OG sowie Art. 5
VwVG in Verbindung mit Art. 44a USG; Urteile 1A.23/2001 vom 5. September
2001, publ. in URP 2001 S. 1061 ff. und 1A.54/2001 vom 14. Februar 2002,
publ. in URP 2002 S. 441 ff.). Selbständig anfechtbar sind namentlich
Verfügungen über vorsorgliche Massnahmen (Art. 45 Abs. 2 lit. g VwVG unter
Verweisung auf Art. 55 und 56 VwVG), zu denen unter anderem der Entzug der
aufschiebenden Wirkung zählt (vgl. Art. 55 Abs. 2 VwVG).

1.3  Erforderlich ist freilich, dass die Zwischenverfügung einen nicht
wiedergutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 97 OG in Verbindung mit
Art. 5 und 45 Abs. 1 VwVG; BGE 127 II 132 E. 2a S. 136, mit Hinweisen). Im
Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde genügt ein tatsächliches,
insbesondere wirtschaftliches Interesse für die Annahme eines schutzwürdigen
Interesses bzw. für die Begründung eines nicht wiedergutzumachenden Nachteils
(BGE 127 II 132 E. 2a S. 136 mit Hinweisen).

2.
Der Präsident des Verwaltungsgerichts hat in Ziff. 2 des Dispositivs vom 8.
September 2004 ausdrücklich festgehalten, dass später allenfalls notwendig
werdende Projektanpassungen vorbehalten bleiben. Weiter wird ausgeführt, das
Risiko dafür und für allfällige weitere negative Auswirkungen des vorzeitigen
Baubeginns trage die Beschwerdegegnerin. Im vorliegenden Fall ist darum nicht
ersichtlich, inwiefern der Beschwerdeführer durch den Entzug der
aufschiebenden Wirkung einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil erleiden
soll. Er wird weder als Nachbar durch allfällige Immissionen der Bauarbeiten
beeinträchtigt noch hat er durch den vorzeitigen Baubeginn finanzielle
Einbussen zu gewärtigen. Die Beschwerdegegnerin trägt als Bauherrin das
vollumfängliche Risiko späterer Projektanpassungen beziehungsweise
allfälliger Wiederherstellungsmassnahmen. Die Beschwerdegegnerin beginnt
gemäss den unbestrittenen Ausführungen im angefochtenen Entscheid vorab mit
dem Bau der 146 unterirdischen Parkplätze. Bewilligt wurden 332
Kundenparkfelder (inkl. 7 Behindertenparkfelder) und 78 Personalparkfelder.
Sollte sich die Gesamtzahl aufgrund des Beschwerdeentscheides in der
Hauptsache verringern, dürfte dies, wie der Verwaltungsgerichtspräsident zu
Recht in Erwägung gezogen hat, zu keinem Rückbau der unterirdischen
Parkplätze führen. Ob die vom Beschwerdeführer geforderte verbesserte
Erschliessung mit öffentlichem Verkehr gerechtfertigt ist, wird im
Hauptverfahren zu entscheiden sein. Selbst wenn das Rechtsmittelverfahren zu
einer Verweigerung der Baubewilligung führen würde, trägt die
Beschwerdegegnerin das Risiko des vorzeitigen Baubeginns. Die eigentlichen
Bauarbeiten werden jedenfalls durch eine etwaige vermehrte Busfrequenz nicht
tangiert. Der Beschwerdeführer gesteht denn auch selber zu, dass dazu keine
weiteren baulichen Massnahmen notwendig sind (Ziff. 2.1.2 N. 18 S. 10 der
Beschwerdeschrift).

3.
Da dem Beschwerdeführer aus dem angefochtenen Entscheid kein nicht
wiedergutzumachender Nachteil erwächst, ist auf die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht einzutreten. Das Gesuch um aufschiebende
Wirkung im bundesgerichtlichen Verfahren wird mit diesem Entscheid hinfällig.
Nachdem auf die Beschwerde wegen einer fehlenden Sachurteilsvoraussetzung
nicht eingetreten werden kann, rechtfertigt es sich, die Kosten des
bundesgerichtlichen Verfahrens gestützt auf Art. 156 Abs. 1 OG dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen. Überdies hat er die private Beschwerdegegnerin
für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 159
Abs. 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Der Beschwerdeführer hat die private Beschwerdegegnerin für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Gemeinderat Oftringen, dem Regierungsrat
und dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 3. Kammer, Präsident, sowie
dem Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 12. Oktober 2004

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: