Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1A.203/2004
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1A.203/2004 /gij

Sitzung vom 16. März 2005

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Nay, Reeb, Fonjallaz,
Gerichtsschreiber Härri.

Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, 3003 Bern, Beschwerdeführer,

gegen

X.________, Beschwerdegegner, vertreten durch seine Mutter, diese vertreten
durch Rechtsanwältin Dr. Kathrin Hässig,
Kanton Zürich, vertreten durch die Direktion der Justiz und des Innern des
Kantons Zürich, Kantonale Opferhilfestelle, Kaspar Escher-Haus, Postfach,
8090 Zürich,
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, II. Kammer, Postfach 441, 8401
Winterthur.

Entschädigung nach dem Opferhilfegesetz,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich, II. Kammer, vom 6. Juli 2004.

Sachverhalt:

A.
X. ________, geboren 1992, ist der Sohn von Y.________. Dieser wurde am 22.
Januar 1997 ermordet.
Am 8. Januar 1999 ersuchte X.________ die Direktion der Justiz und des Innern
des Kantons Zürich, Kantonale Opferhilfestelle, um Entschädigung und
Genugtuung.
Mit Verfügung vom 14. Juni 2001 hiess die Kantonale Opferhilfestelle das
Gesuch um Genugtuung im Umfang von Fr. 30'000.-- gut. Das Gesuch um
Entschädigung wies sie ab.
Gegen die Abweisung des Gesuchs um Entschädigung reichte X.________
Beschwerde beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich ein. Dieses
wies die Beschwerde mit Urteil vom 30. Januar 2002 ab.
Die von X.________ dagegen erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde hiess das
Bundesgericht am 7. Oktober 2002 teilweise gut. Es hob das Urteil des
Sozialversicherungsgerichts auf und wies die Sache zum neuen Entscheid an
dieses zurück (BGE 129 II 49).
Mit Urteil vom 6. Juli 2004 verpflichtete das Sozialversicherungsgericht den
Kanton Zürich, X.________ eine Entschädigung von Fr. 19'440.-- zuzüglich 5 %
Zins sei dem 22. Januar 1997 zu bezahlen.

B.
Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement führt
Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des
Sozialversicherungsgerichtes vom 6. Juli 2004 aufzuheben und die Sache zum
neuen Entscheid an dieses zurückzuweisen.

C.
Das Sozialversicherungsgericht hat auf Vernehmlassung verzichtet.

X. ________ hat Gegenbemerkungen eingereicht. Er beantragt die Abweisung der
Beschwerde.
Die Kantonale Opferhilfestelle hat sich vernehmen lassen. Sie schliesst sich
den Ausführungen in der Beschwerde vollumfänglich an und beantragt deren
Gutheissung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Die Beschwerde richtet sich gegen das Urteil einer letzten kantonalen
Instanz betreffend Entschädigung nach dem Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991
über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz, OHG; SR 312.5). Die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist insoweit zulässig (BGE 1A.207/2004 vom 13.
Dezember 2004 E. 1; 126 II 237 E. 1a, mit Hinweisen).

1.2 Gemäss Art. 103 lit. b OG ist zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde
berechtigt das in der Sache zuständige Departement oder, soweit das
Bundesrecht es vorsieht, die in der Sache zuständige Dienstabteilung der
Bundesverwaltung gegen die Verfügung unter anderem einer letzten kantonalen
Instanz.
Beim Beschwerdeführer handelt es sich um das in der Sache zuständige
Departement (BGE 1A.207/2004 vom 13. Dezember 2004 E. 1). Das Beschwerderecht
der Bundesbehörden soll den richtigen und rechtsgleichen Vollzug des
Bundesrechts sicherstellen. Dabei muss grundsätzlich kein spezifisches
öffentliches Interesse an der Anfechtung der Verfügung nachgewiesen werden.
Erforderlich ist nur, dass es der beschwerdeführenden Bundesbehörde nicht um
die Behandlung abstrakter Fragen des objektiven Rechts geht, sondern um
konkrete Rechtsfragen eines tatsächlich bestehenden Einzelfalles (BGE 129 II
1 E. 1.1, mit Hinweisen). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt.

1.3 Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen
Anlass. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.
2.1 Die Vorinstanz kommt zum Schluss, das Total der dem Beschwerdegegner wegen
des Todes des Vaters entgangenen bevorschussten Alimente belaufe sich auf Fr.
19'440.--. Sie prüft anschliessend, ob die Voraussetzungen gemäss Art. 12
Abs. 1 und Art. 13 Abs. 1 OHG in Verbindung mit Art. 2 und 3 der Verordnung
vom 18. November 1992 über die Hilfe an Opfer von Straftaten
(Opferhilfeverordnung, OHV; SR 312.51) für die Ausrichtung einer
Entschädigung erfüllt seien. Sie nimmt an, die anrechenbaren Einnahmen des
Beschwerdegegners beliefen sich auf insgesamt Fr. 8'383.--. Damit sei der
massgebende Höchstbetrag von 8'545.-- gemäss Art. 3b Abs. 1 lit. a Ziff. 3
des Bundesgesetzes vom 19. März 1965 über Ergänzungsleistungen zur Alters-,
Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELG; SR 831.30) für die
anerkannten Ausgaben nicht erreicht, weshalb der Beschwerdegegner Anspruch
auf volle Entschädigung habe. Bei der Berechnung der Einnahmen des
Beschwerdegegners hat die Vorinstanz in Anwendung von Art. 3c Abs. 1 lit. d
ELG die ihm ausgerichtete Halbwaisenrente von Fr. 3'660.-- pro Jahr
berücksichtigt. Die Vorinstanz legt unter Hinweis auf Art. 14 Abs. 1 OHG dar,
da sie die Halbwaisenrente bereits bei der Einnahmenberechnung berücksichtigt
habe, sei bei der Entschädigung von einem entsprechenden Abzug abzusehen.
Der Beschwerdeführer rügt, das angefochtene Urteil verletze in diesem letzten
Punkt Bundesrecht. Die Vorinstanz hätte bei der Bemessung des Schadens die
Halbwaisenrente anrechnen müssen. Eine Entschädigung werde nur Opfern
ausgerichtet, deren Einkommen eine bestimmte Grenze nicht überschreite (Art.
12 Abs. 1 OHG). Übersteige das Einkommen den massgebenden Höchstbetrag für
den allgemeinen Lebensbedarf nach dem ELG, werde nur eine reduzierte Leistung
erbracht (Art. 13 Abs. 1 OHG). Um zu prüfen, ob diese Voraussetzungen gegeben
seien, würden die anrechenbaren Einnahmen nach dem ELG berechnet. Dazu
gehörten auch Leistungen einschliesslich Renten, die das Opfer aufgrund der
Straftat und ihrer Folgen vom Täter oder anderen Leistungserbringern, z.B.
einer Sozialversicherung, erhalte (Art. 3c Abs. 1 lit. d ELG). Stehe fest,
dass die Voraussetzungen von Art. 12 Abs. 1 OHG erfüllt seien, müsse in einem
zweiten Schritt die Höhe des Schadens festgestellt werden. Die Opferhilfe
funktioniere nicht nach dem Versicherungsprinzip, wonach im Schadensfall eine
bestimmte Versicherungssumme fällig werde. Vielmehr entspreche es dem Sinn
und Zweck der Opferhilfe als subsidiärem Instrument, dass nicht der
Gesamtschaden ausgeglichen werde, sondern nur jener Schaden, der nach Abzug
bereits erhaltener Entschädigungen ungedeckt bleibe (Art. 14 Abs. 1 OHG). Die
Halbwaisenrente des Beschwerdegegners sei eine Leistung, die vom Schaden in
Abzug gebracht werden müsse und die opferhilferechtliche Entschädigung
reduziere. Andernfalls würde das Opfer doppelt entschädigt. Dies könne nicht
der Sinne der Opferhilfe sein.

2.2 Gemäss Art. 12 Abs. 1 OHG hat das Opfer Anspruch auf Entschädigung für
den durch die Straftat erlittenen Schaden, wenn seine anrechenbaren Einnahmen
nach Art. 3c ELG das Vierfache des massgebenden Höchstbetrages für den
allgemeinen Lebensbedarf nach Art. 3b Abs. 1 lit. a ELG nicht übersteigen.
Massgebend sind die voraussichtlichen Einnahmen nach der Straftat.
Nach Art. 13 Abs. 1 OHG richtet sich die Entschädigung nach dem Schaden und
den Einnahmen des Opfers. Liegen die Einnahmen unter dem massgebenden
Höchstbetrag für den allgemeinen Lebensbedarf nach ELG, so erhält das Opfer
vollen Schadenersatz; übersteigen die Einnahmen diesen Betrag, so wird die
Entschädigung herabgesetzt.
Gemäss Art. 2 OHV werden die anrechenbaren Einnahmen (Art. 12 Abs. 1 OHG)
nach Artikel 3c ELG, nach den dazugehörigen Verordnungsbestimmungen des
Bundes sowie nach den diesbezüglichen Sonderbestimmungen der Kantone
berechnet.
Nach Art. 3 OHV deckt die Entschädigung den ganzen Schaden, wenn die
anrechenbaren Einnahmen des Opfers nicht höher als der massgebende
Höchstbetrag für den allgemeinen Lebensbedarf nach Art. 3b Abs. 1 lit. a ELG
(ELG-Wert) sind (Abs. 1). Übersteigen die anrechenbaren Einnahmen des Opfers
das Vierfache des ELG-Werts (OHG-Höchstbetrag), so wird keine Entschädigung
ausgerichtet (Abs. 2). Liegen die anrechenbaren Einnahmen des Opfers zwischen
dem ELG-Wert und dem OHG-Höchstbetrag, so wird die Entschädigung nach der in
Art. 3 Abs. 3 OHV enthaltenen Formel berechnet.
Gemäss Art. 4 Abs. 1 OHV beträgt die Entschädigung höchstens 100'000 Franken.
Nach Art. 3c Abs. 1 lit. d ELG sind als Einnahmen anzurechnen Renten,
Pensionen und andere wiederkehrende Leistungen, einschliesslich die Renten
der AHV sowie der IV. Zu Recht hat demnach die Vorinstanz die Halbwaisenrente
bei der Berechnung der Einnahmen berücksichtigt.
Gemäss Art. 14 Abs. 1 OHG werden Leistungen, die das Opfer als Schadenersatz
erhalten hat, von der Entschädigung abgezogen. Ausgenommen sind Leistungen
(insbesondere Renten und Kapitalabfindungen), die bereits bei der Berechnung
der anrechenbaren Einnah-men berücksichtigt worden sind (Art. 12 Abs. 1).
Nach Art. 14 Abs. 2 OHG gehen die Ansprüche, die dem Opfer aufgrund der
Straftat zustehen, im Umfang der Entschädigung an den Kanton über, wenn die
Behörde eine Entschädigung zugesprochen hat. Diese Ansprüche haben Vorrang
vor den verbleibenden Ansprüchen des Opfers und den Rückgriffsansprüchen
Dritter.
Da die Vorinstanz die Halbwaisenrente bei der Berechnung der Einnahmen
berücksichtigt hat, war die Rente gemäss Art. 14 Abs. 1 Satz 2 OHG nicht von
der Entschädigung abzuziehen. Der angefochtene Entscheid stützt sich insoweit
auf den Wortlaut des Gesetzes. Der Beschwerdeführer verlangt die Auslegung
von Art. 14 Abs. 1 OHG entgegen dem Wortlaut.

2.3 Nach der Rechtsprechung darf die Auslegung vom klaren Wortlaut eines
Rechtssatzes nur dann abweichen, wenn triftige Gründe dafür bestehen, dass er
nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Solche triftigen Gründe
können sich aus der Entstehungsgeschichte, aus dem Sinn und Zweck der
Vorschrift und aus dem Zusammenhang mit anderen Gesetzesbestimmungen ergeben.
Entscheidend ist danach nicht der vordergründig klare Wortlaut einer Norm,
sondern der wahre Rechtssinn, welcher durch die anerkannten Regeln der
Auslegung zu ermitteln ist. Auch Bundesgesetze sind einer Auslegung wider den
Wortlaut zugänglich. Art. 191 BV setzt dem nur insoweit Schranken, als er
verbietet, vom klaren Wortlaut und vom Sinn und Zweck einer Vorschrift
abzugehen, um diese in den Rahmen der Verfassung zu stellen. Der Wortlaut
allein aber stellt kein Hindernis dar, selbst wenn er klar ist. Bestehen
triftige Gründe dafür, dass er den wahren Rechtssinn einer Vorschrift - die
ratio legis - nicht wiedergibt, ist es nach dem Gesagten zulässig, von ihm
abzuweichen und die Vorschrift entsprechend zu deuten, insbesondere dann,
wenn der wahre Rechtssinn entgegen dem Wortlaut verfassungskonform erscheint
(BGE 111 Ia 292 E. 3b S. 297; 131 II Nr. 2 E. 7.1, mit Hinweisen).

2.4 Das Schrifttum ist der einhelligen Ansicht, vom Schaden seien auch
Leistungen abzuziehen, die bereits bei der Berechnung der Einnahmen
berücksichtig worden seien. Vom Wortlaut von Art. 14 Abs. 1 OHG sei insoweit
abzuweichen (Peter Gomm, Subsidiarität und Koordination von
Entschädigungsleistungen mit Leistungen Dritter nach dem Opferhilfegesetz,
in: Opferhilfe in der Schweiz, Bundesamt für Justiz [Hrsg.], Bern 2004, S.
294; Eva Weishaupt, Finanzielle Ansprüche nach Opferhilfegesetz, SJZ 98/2002
S. 330 f.; Thomas Koller, Das Opferhilfegesetz: Auswirkungen auf das
Strassenverkehrsrecht, AJP 1996 S. 593 f.; Ruth Bantli Keller/Ulrich
Weder/Kurt Meier, Anwendungsprobleme des Opferhilfegesetzes, Plädoyer 5/1995
S. 43; Peter Gomm/Peter Stein/Dominik Zehntner, Kommentar zum
Opferhilfegesetz, Bern 1995, Art. 13 N. 10 und Art. 14 N. 29).
Die Expertenkommission führt in ihrem Erläuternden Bericht vom 25. Juni 2002
zum Vorentwurf eines neuen Opferhilfegesetzes aus, Art. 14 Abs. 1 Satz 2 OHG
sei gestrichen worden. Er beruhe auf einem gesetzgeberischen Versehen. In
Lehre und Praxis sei anerkannt, dass zur richtigen Berechnung der
Entschädigung Drittleistungen sowohl bei der Ermittlung der Einnahmen nach
dem ELG als auch bei der Ermittlung des Nettoschadens zu berücksichtigen
seien. Im ersten Fall gehe es um die Frage, ob das Opfer infolge der Straftat
in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sei und daher der staatlichen
Hilfe bedürfe; im zweiten darum, wie gross der ungedeckte Schaden sei (S.
36).
Die Kantonale Opferhilfestelle bemerkt in der Vernehmlassung ebenso, Art. 14
Abs. 1 Satz 2 OHG stelle ein gesetzgeberisches Versehen dar. Dieses solle mit
der Revision des Opferhilfegesetzes korrigiert werden.

2.5 Gemäss Art. 124 BV sorgen Bund und Kantone dafür, dass Personen, die
durch eine Straftat in ihrer körperlichen, psychischen oder sexuellen
Unversehrtheit beeinträchtigt worden sind, Hilfe erhalten und angemessen
entschädigt werden, wenn sie durch die Straftat in wirtschaftliche
Schwierigkeiten geraten.

Eine Entschädigung soll also nur erhalten, wer sie aufgrund seiner
wirtschaftlichen Lage braucht. Art. 12 Abs. 1 und Art. 13 Abs. 1 OHG in
Verbindung mit Art. 2 und 3 OHV konkretisieren dies. Danach ist zunächst zu
klären, ob die anrechenbaren Einnahmen des Opfers den ELG-Wert oder den
OHG-Höchstbetrag übersteigen. Je nachdem erhält das Opfer - unter Vorbehalt
des Höchstbetrages von 100'000 Franken - eine volle, reduzierte oder keine
Entschädigung. Im Weiteren ist, soweit Anspruch auf eine Entschädigung
besteht, zu prüfen, welchen Schaden das Opfer erlitten hat. Dabei soll, wie
dies Art. 14 OHG vorsieht, die staatliche Entschädigungszahlung subsidiär
sein. Dies bedeutet, dass diese in der Rangordnung an unterster Stelle steht
und die Leistungspflicht des Staates hinter alle anderen Ansprüche
zurücktritt. Nur dann, wenn kein anderer zur Deckung des Schadens
herangezogen werden kann, muss letztlich der Staat dem Opfer eine
Entschädigung ausrichten. Im Verhältnis zu den verschiedenen
Schadenausgleichs- und Hilfssystemen stellt die Opferhilfe das unterste Netz
dar. Ausserhalb dieses Systems und am Schluss der Leistungskaskade steht die
Sozialhilfe (Gomm, a.a.O., S. 285; Weishaupt, a.a.O., S. 329 und 356, insb.
Fn. 77).
Die Berechnung der Einnahmen des Beschwerdegegners nach Art. 3c ELG hat
ergeben, dass diese - auch in Berücksichtigung der Halbwaisenrente nach
Absatz 1 lit. d - den ELG-Wert nicht erreichen. Geht man davon aus, hat der
Beschwerdegegner Anspruch auf volle staatliche Entschädigung. Eine andere
Frage ist es, wie hoch sein Schaden ist. Insoweit ist unbestritten, dass der
Beschwerdegegner aufgrund entgangener Alimentenbevorschussungen einen Schaden
von Fr. 19'440.-- erlitten hat. Dabei handelt es sich jedoch um den
Bruttoschaden. Der Beschwerdegegner erhält wegen des Todes des Vaters eine
Halbwaisenrente. Würde diese vom Bruttoschaden nicht abgezogen, würde der
Beschwerdegegner überentschädigt und aufgrund des Todes des Vaters finanziell
besser gestellt, indem zur Alimentenbevorschussung die Halbwaisenrente
hinzukäme.
Im vorinstanzlichen Entscheid bleibt die Sozialversicherung als
Schadensausgleichssystem unberücksichtigt. Dies widerspricht dem
Subsidiaritätsprinzip, wonach die Opferhilfe an letzter Stelle stehen soll.
Wie sich aus den Materialien ergibt, wollte man mit Art. 14 Abs. 1 Satz 2 OHG
verhindern, dass derselbe Faktor zweimal hintereinander berechnet wird
(Schlussbericht der Studienkommission zur Ausarbeitung eines Vorentwurfs zum
Bundesgesetz über die Hilfe an Opfer von Straftaten gegen Leib und Leben vom
23. Dezember 1986, S. 125). Dabei wurde offenbar übersehen, dass für die
zweimalige Berechnung sachliche Gründe bestehen und - wie der vorliegende
Fall zeigt - die einmalige Berechnung zu unhaltbaren Ergebnissen führt.
Wie die Expertenkommission im Erläuternden Bericht vom 25. Juni 2002 (S. 36)
und Weishaupt (a.a.O., S. 331) zutreffend ausführen, ist die Drittleistung
deshalb zweimal zu berücksichtigen, weil zwei unterschiedliche
Anspruchsvoraussetzungen zu prüfen sind. Zum einen geht es um die Ermittlung
des Schadens, der dem Opfer nach Abzug von Drittleistungen noch verbleibt
(Nettoschaden) und den es ohne staatliche Leistung selber tragen müsste; zum
andern darum, ob und wieweit das Opfer aufgrund seiner wirtschaftlichen
Verhältnisse staatlicher Hilfeleistung bedarf.
Würde Art. 14 Abs. 1 OHG wörtlich ausgelegt, entstünde auch ein Widerspruch
zu Art. 14 Abs. 2 OHG. Die Drittleistung würde in einem Fall wie hier nicht
vom Bruttoschaden abgezogen. Würde dagegen zuerst die staatliche
Entschädigung nach dem Opferhilfegesetz geleistet, subrogierte der Staat in
die Ansprüche des Opfers mit der Folge, dass die nachträgliche Drittleistung
dem Opfer entzogen würde. Es ergäbe sich also eine unterschiedliche
Situation, je nachdem, ob die Drittleistung vor der Entschädigung nach dem
Opferhilfegesetz erbracht wird oder nachher. Eine derartige
Ungleichbehandlung rechtfertigt sich nicht.
Dass Sozialversicherungsleistungen, die bei der Berechnung der Einnahmen nach
dem ELG zu berücksichtigen sind, vom Bruttoschaden abzuziehen sind, ergibt
sich im Übrigen bereits aus BGE 128 II 49, wo das Bundesgericht das Vorgehen
bei der Festsetzung der staatlichen Entschädigung bei Erwerbsausfall
dargelegt hat (E. 3 S. 52 f.).
2.6 Die Beschwerde ist im vorliegenden Punkt begründet. Entgegen dem Wortlaut
von Art. 14 Abs. 1 OHG sind Leistungen, die das Opfer als Schadenersatz
erhalten hat, auch dann von der Entschädigung abzuziehen, wenn sie bereits
bei der Berechnung der anrechenbaren Einnahmen nach dem ELG berücksichtigt
worden sind.

3.
3.1 Die Vorinstanz hat bei den anrechenbaren Einnahmen nach dem ELG einzig
jene des Beschwerdegegners berücksichtigt. Der Beschwerdeführer macht
geltend, dies verletze Bundesrecht. Die Vorinstanz hätte die finanziellen
Verhältnisse der Mutter mit berücksichtigen müssen. Das Opferhilfegesetz
(Art. 12 Abs. 1 und Art. 13 Abs. 1) verweise bei der Frage, unter welchen
wirtschaftlichen Voraussetzungen das Opfer einen Entschädigungsanspruch habe,
auf das ELG. Während für die Frage, ob ein Anspruch auf Opferhilfeleistungen
bestehe, auf Art. 3c und Art. 3b Abs. 1 ELG abzustellen sei, werde für die
Frage, wie die Höhe der Entschädigung zu bemessen sei, generell auf "den
allgemeinen Lebensbedarf nach ELG" verwiesen. Art. 3a ELG äussere sich zur
Berechnung und Höhe der jährlichen Ergänzungsleistung. Nach Absatz 4 dieser
Bestimmung seien die anerkannten Ausgaben und die anrechenbaren Einnahmen von
Ehegatten, Personen mit rentenberechtigten Kindern sowie von Waisen, die im
gleichen Haushalt leben, zusammenzurechnen. Die beiden folgenden Bestimmungen
zählten die anrechenbaren Ausgaben (Art. 3b ELG) und Einnahmen (Art. 3c ELG)
auf. Das Opferhilfegesetz verweise nicht ausdrücklich auf Art. 3a ELG. Die
erwähnten drei Bestimmungen seien aber aufeinander bezogen und bildeten ein
sinnvolles Ganzes. Der generelle Verweis auf das ELG in Art. 13 Abs. 1 OHG
erlaube, ja verlange deshalb auch die Anwendung von Art. 3a Abs. 4 ELG im
Rahmen der opferhilferechtlichen Bemessung der Entschädigung. Im vorliegenden
Fall hätte der Einbezug der finanziellen Situation der Mutter eine Kürzung
der opferhilferechtlichen Entschädigung um rund 20 % zur Folge.
Der Beschwerdeführer bringt sodann vor, die Vorinstanz habe es zum Nachteil
des Beschwerdegegners unterlassen, den von ihr zutreffend erwähnten
Freibetrag von Fr. 15'000.-- vom Vermögen gemäss Art. 3c Abs. 1 lit. c ELG
tatsächlich in Abzug zu bringen. Zudem sei sie beim Lebensbedarf von einem
falschen Betrag ausgegangen (Fr. 8'545.-- statt Fr. 9'060.--).

3.2 Wie dargelegt, soll nach Art. 124 BV Opferhilfe nur erhalten, wer das
aufgrund seiner wirtschaftlichen Lage braucht. Das Opferhilfegesetz und die
dazugehörige Verordnung verweisen zur Konkretisierung dieses Grundgedankens
auf die anrechenbaren Einnahmen nach Art. 3c ELG und den massgebenden
Höchstbetrag für den allgemeinen Lebensbedarf nach Art. 3b Abs. 1 lit. a ELG.
Damit wird der Kreis jener Personen festgelegt, die aufgrund ihrer
finanziellen Verhältnisse Anspruch auf staatliche Opferhilfeleistung haben
sollen. Zwar verweisen weder das Opferhilfegesetz noch die
Opferhilfeverordnung ausdrücklich auf Art. 3a Abs. 4 ELG, wonach die
anerkannten Ausgaben und anrechenbaren Einnahmen von Ehegatten, Personen mit
rentenberechtigten oder an der Rente beteiligten Kindern sowie von Waisen,
die im gleichen Haushalt leben, zusammenzurechnen sind. Würde man diese
Bestimmung nicht anwenden, hätten jedoch Kinder - da sie meistens über
geringe anrechenbare Einnahmen verfügen - regelmässig Anspruch auf staatliche
Entschädigung; dies selbst dann, wenn ihre Eltern reich sind. Damit würde
Entschädigung geleistet in Fällen, in denen das Opfer das nicht nötig hat.
Dies widerspräche dem Grundgedanken der Opferhilfe. Art. 3a Abs. 4 ELG ist
deshalb nach der zutreffenden Auffassung des Beschwerdeführers in einem Fall
wie hier, wo es um ein minderjähriges Opfer geht, anzuwenden. Dies wird auch
im Schrifttum gefordert (Weishaupt, a.a.O., S. 328).

3.3 Zutreffend weist der Beschwerdeführer im Übrigen darauf hin, dass die
Vorinstanz fälschlicherweise für den Beschwerdegegner von einem ELG-Wert von
Fr. 8'545.-- ausgegangen ist, statt von einem solchen von Fr. 9'060.--.
Dieser letztere Betrag wurde mit Art. 1 lit. c der Verordnung 03 vom 20.
September 2002 über Anpassungen bei Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, in Kraft
seit 1. Januar 2003, festgesetzt. Er hätte von der Vorinstanz ihrem Entscheid
zugrunde gelegt werden müssen (Gomm/Stein/Zehntner, a.a.O., Art. 12 N. 30
f.). Begründet ist ebenso der Einwand, dass es die Vorinstanz bei der
Berechnung des Vermögensverzehrs von einem Fünfzehntel des Reinvermögens nach
Art. 3c Abs. 1 lit. c ELG irrtümlich unterlassen hat, den für Kinder
vorgesehenen Freibetrag von Fr. 15'000.-- abzuziehen.

3.4 Die Beschwerde ist auch im vorliegenden Punkt begründet.

4.
4.1 Die Vorinstanz hat den Kanton Zürich verpflichtet, den Betrag von Fr.
19'440.-- seit dem 22. Januar 1997 mit 5 % zu verzinsen. Der Beschwerdeführer
rügt, das angefochtene Urteil verletze auch insoweit Bundesrecht. Die
Vorinstanz nenne keine Gründe für die angebliche Verzinsungspflicht. Dafür
fehle es an der gesetzlichen Grundlage. Der Schadenszins (Art. 41 Abs. 1 OR)
finde bei unerlaubter Handlung Anwendung und bezwecke, den Geschädigten so zu
stellen, wie wenn er bereits im Zeitpunkt des Schadenseintritts befriedigt
worden wäre. Der Staat schulde in Opferhilfefällen selbst keinen
Schadenersatz aus unerlaubter Handlung. Die finanzielle Opferhilfe solle
vielmehr - sofern gewisse Kriterien erfüllt seien - als eine Art
Ausfallgarantie in jenen Fällen greifen, in denen das Opfer vom Täter keine
Leistungen erhalte. Mangels Schadenersatzpflicht könne die
OHG-Entschädigungsbehörde auch nicht zur Zahlung eines Schadenszinses auf die
ihr obliegende Leistung verpflichtet werden. Die Voraussetzungen für die
Leistung von Verzugszins (Art. 104 Abs. 1 OR) seien ebenso wenig gegeben.

4.2 Art. 13 OHG regelt die Bemessung der Entschädigung. Danach richtet sich
letztere nach dem Schaden und den Einnahmen des Opfers. Liegen die Einnahmen
- wovon die Vorinstanz hier ausgegangen ist - unter dem massgebenden
Höchstbetrag für den allgemeinen Lebensbedarf nach dem ELG, so erhält das
Opfer vollen Schadenersatz; übersteigen die Einnahmen diesen Betrag, so wird
die Entschädigung herabgesetzt (Abs. 1).
Nach der Rechtsprechung ist der Begriff des Schadens im Opferhilferecht der
gleiche wie im Haftpflichtrecht (BGE 1A.207/2004 vom 13. Dezember 2004 E.
2.1; 129 II 49 E. 4.3.2; Urteil 1A.252/2000 vom 8. Dezember 2000, publ. in:
ZBl 102/2001 S. 486 ff., E. 2a und e). Das Opfer kann im Rahmen von Art. 11
ff. OHG Forderungen für die verschiedenen Schadensposten geltend machen, die
nach Art. 41 OR in Betracht kämen (BGE 1A.207/2004 vom 13. Dezember 2004 E.
2.4.4). Zum Schaden gemäss Art. 41 OR gehört der Zins vom Zeitpunkt an, in
dem das schädigende Ereignis sich finanziell ausgewirkt hat. Der Schadenszins
bezweckt, den Anspruchsberechtigten so zu stellen, wie wenn er für seine
Forderung am Tag des Schadenseintritts befriedigt worden wäre (BGE 131 III 12
E. 9.1; 130 III 591 E. 4 S. 599, mit Hinweisen). Nach Art. 73 Abs. 1 OR gilt
der Zinsfuss von 5 % (Heinz Rey, Ausservertragliches Haftpflichtrecht, 3.
Aufl., Zürich 2003, S. 40 N. 170a; Karl Oftinger/Emil W. Stark,
Schweizerisches Haftpflichtrecht, 1. Band: Allgemeiner Teil, 5. Aufl., Zürich
1995, S. 257 N. 25).
Gehört der Schadenszins zum Schaden, hat das Opfer Anspruch auf die Vergütung
dieses Zinses im Rahmen der opferhilferechtlichen Entschädigung. Andernfalls
erhielte es entgegen Art. 13 Abs. 1 OHG keinen vollen Schadenersatz. Diese
Bestimmung gewährt der Behörde keinen Ermessensspielraum. Die in Art. 13 Abs.
1 Satz 2 OHG vorgesehene Herabsetzung der Entschädigung wird nach der Formel
von Art. 3 Abs. 3 OHV berechnet. Ausgangspunkt ist auch dabei der volle
Schadenersatz. Wieweit die Entschädigung herabgesetzt wird, ergibt sich aus
der genannten Formel. Der Beschwerdeführer verlangt - unausgesprochen - die
Auslegung des Gesetzes entgegen dem Wortlaut auch im vorliegenden Punkt. Bei
Art. 13 Abs. 1 OHG bestehen jedoch - anders als bei Art. 14 Abs. 1 OHG (oben
E. 2) - keine triftigen Gründe, die für ein Abweichen vom Gesetzeswortlaut
sprechen.
Lehnte man die Vergütung des Schadenszinses ab, würde im Übrigen das Opfer,
das - wie hier - länger auf die Entschädigung warten muss, schlechter
gestellt gegenüber jenem, das diese rasch erhält. Eine derartige
Ungleichbehandlung rechtfertigt sich nicht. Der Zeitablauf soll nicht
zulasten des Opfers gehen.
Die Vorinstanz hat mit der Anordnung der Verzinsung danach kein Bundesrecht
verletzt. Die Beschwerde ist in diesem Punkt unbegründet.
Ob eine opferhilferechtliche Genugtuung in gleicher Weise zu verzinsen wäre,
kann hier offen bleiben.

5.
5.1 Die Beschwerde ist teilweise gutzuheissen, das angefochtene Urteil
aufzuheben und die Sache zum neuen Entscheid unter Berücksichtigung der oben
dargelegten Grundsätze an die Vorinstanz zurückzuweisen.

5.2 Dem Bund und dem Kanton Zürich sind keine Kosten aufzuerlegen (Art. 156
Abs. 2 OG). Eine Entschädigung steht ihnen nicht zu (Art. 159 Abs. 2 OG).
Der Beschwerdegegner trägt keine Kosten, da das Verfahren auch der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde in Opferhilfesachen grundsätzlich kostenlos ist
(BGE 122 II 211 E. 4). In einem Punkt (Verzinsung) obsiegt er. Der Bund hat
ihm deshalb eine reduzierte Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 159 Abs. 1
und 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird teilweise gutgeheissen, das Urteil des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 6. Juli 2004 aufgehoben
und die Sache zur Neubeurteilung an dieses zurückgewiesen. Im Übrigen wird
die Beschwerde abgewiesen.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Der Bund hat dem privaten Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren eine Entschädigung von Fr. 500.-- zu bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kanton Zürich und dem
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, II. Kammer, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 16. März 2005

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: