Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1A.192/2004
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1A.192/2004 /sta

Urteil vom 17. September 2004

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident,
Bundesrichter Aeschlimann, Reeb,
Gerichtsschreiberin Scherrer.

1. X.________,
2.Y.________,
Beschwerdeführer, alle vertreten durch Advokat
René Brigger,

gegen

Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt, Rathaus, Marktplatz 9, 4001 Basel,
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht,
Bäumleingasse 1, 4051 Basel.

Rodungsbewilligungsverlängerung;
aufschiebende Wirkung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verfügung des Appellationsgerichts
des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht vom 3. September 2004.
Sachverhalt:

A.
Der Vertrag zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem
Grossherzogtum Baden betreffend die Weiterführung der badischen Eisenbahnen
über schweizerisches Gebiet vom 27. Juli 1852 räumt der deutschen Seite das
Recht ein, über schweizerisches Gebiet eine Verbindungsstrasse (Zollfreie
Strasse) zwischen den Städten Lörrach und Weil am Rhein zu bauen. Ein vom
Regierungspräsidium Freiburg im Breisgau ausgearbeitetes "Auflageprojekt vom
November 1974" wurde öffentlich aufgelegt und in der Folge aufgrund von
Einsprachen überarbeitet. Der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt
genehmigte am 16. Dezember 1975 das überarbeitete Projekt mit verschiedenen
Auflagen und Bedingungen. Am 7. Mai 1976 trafen das Land Baden-Württemberg
und der Kanton Basel-Stadt eine Vereinbarung über die technischen
Einzelheiten im Zusammenhang mit dem Bau, Betrieb und Unterhalt der
Verbindungsstrasse. In der Folge schlossen die Schweizerische
Eidgenossenschaft und die Bundesrepublik Deutschland am 25. April 1977 einen
Staatsvertrag über die Verbindungsstrasse ab (SR 0.725.122). Gemäss diesem
bestimmen sich Linienführung und Bau der Strasse nach dem vom Regierungsrat
des Kantons Basel-Stadt genehmigten Auflageprojekt, wobei auf einen dem
Vertrag beigefügten "Rahmenplan" verwiesen wird (Art. 2). Der Staatsvertrag
ist am 14. Dezember 1979 von der Bundesversammlung ratifiziert worden und am

1. August 1980 in Kraft getreten.

B.
Mit Beschluss vom 4. April 1995 erteilte der Regierungsrat des Kantons
Basel-Stadt dem Regierungspräsidium Freiburg im Breisgau eine auf fünf Jahre
befristete Bewilligung zur Rodung von 2090 m² Wald in Riehen auf den
Parzellen Nrn. A013600 und A013700 zum Bau der Zollfreien Strasse. Das
Bundesgericht wies die dagegen eingereichten Beschwerden ab und hielt in BGE
122 II 234 E. 4b-d S. 237 f. fest, der Staatsvertrag regle abschliessend,
unter welchen Voraussetzungen der Vertragszweck erreicht werden solle. Die
Verwirklichung der Verbindungsstrasse solle nicht vom Ergebnis nachfolgender
landesinterner Bewilligungsverfahren abhängen. Die bewilligte Rodung verletze
weder Art. 5 des Bundesgesetzes über den Wald vom 4. Oktober 1991 (WaG; SR
921.0) noch Koordinationsgrundsätze (a.a.O., E. 4e S. 240).

C.
Wegen Verzögerungen im Baubewilligungsverfahren drohte die auf den 26. Juni
2001 befristete Rodungsbewilligung unbenutzt abzulaufen. Auf Gesuch des
Regierungspräsidiums Freiburg hin, verlängerte der Regierungsrat des Kantons
Basel-Stadt die Rodungsbewilligung am 29. Mai 2001 bis zum 30. Juni 2006.
Dieser Beschluss wurde zahlreichen Institutionen und Verbänden eröffnet,
nicht jedoch den privaten Rekurrenten des ersten
Rodungsbewilligungsverfahrens.

Am 24. Juni 2004 erhoben X.________ sowie Y.________ Rekurs beim
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt (als Verwaltungsgericht), nachdem
ihnen auf Anfrage der Entwurf der Rodungsbewilligungsverlängerung vom 29. Mai
2001 zugestellt worden war. In ihrer Rekursbegründung vom 27. August 2004
beantragten sie, es sei festzuhalten, dass die
Rodungsbewilligungsverlängerung nichtig sei. Die
Rodungsbewilligungsverlängerung sei aufzuheben oder eventualiter an die
Vorinstanz zur erneuten Prüfung zurückzuweisen. Gleichzeitig stellten sie
u.a. den "dringenden" Antrag um Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

D.
Am 3. September 2004 wies die Präsidentin des Appellationsgerichts (als
Verwaltungsgericht) das Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung ab, da
die Aussichten des Rekurses sowohl aus formellen wie auch aus materiellen
Gründen mit grossen Risiken behaftet seien. In Ziff. 2 der Verfügung wurde
festgehalten, dass - sollte das Verwaltungsgericht den Rekurs gutheissen -
der Vorzustand wieder hergestellt werden müsse.

Mit Eingabe vom 7. September 2004 gelangen X.________ sowie Y.________ an das
Bundesgericht. In ihren Rechtsbegehren verlangen sie die Aufhebung der
angefochtenen Verfügung vom 3. September 2004 sowie die Gewährung der
aufschiebenden Wirkung. Als superprovisorische, eventuell provisorische
Massnahme beantragen sie, den Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt
respektive die Bauherrschaft anzuweisen, zumindest während dem
bundesgerichtlichen Verfahren den bestehenden Zustand zu erhalten und die
Rodung zu unterlassen.

Mit Verfügung vom 8. September 2004 untersagte das Bundesgericht sämtliche
Vollziehungsvorkehrungen.

Das Appellationsgericht und der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt
schliessen auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden
könne. Der Regierungsrat beantragt überdies, die vorsorglich getroffene
Massnahme, wonach Vollziehungsvorkehrungen zu unterbleiben haben, sei
umgehend aufzuheben.
Mit Beschwerdeergänzung vom 15. September 2004 bezeichnen die
Beschwerdeführer ihre Eingabe als Verwaltungsgerichtsbeschwerde und berufen
sich zusätzlich auf Art. 47 WaG.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1  Angefochten ist eine Verfügung der Präsidentin des Appellationsgerichts
Basel-Stadt, welche dem Rekurs gegen die Verlängerung der Rodungsbewilligung
vom 29. Mai 2001 die aufschiebende Wirkung nicht gewährt bzw. entzieht,
mithin eine Zwischenverfügung, die das Rekursverfahren nicht abschliesst.
Welches Rechtsmittel zulässig und in welchem Umfang darauf einzutreten ist,
prüft das Bundesgericht von Amtes wegen und mit freier Kognition (BGE 127 I
92 E. 1 S. 93; 125 I 14 E. 2a S. 16 mit Hinweis).

1.2  Gemäss Art. 101 lit. a OG (e contrario) sind Zwischenverfügungen nur
dann
selbständig mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar, wenn dieses
Rechtsmittel auch gegen den Endentscheid offen steht.

Im vorliegenden Fall erging die Zwischenverfügung im Rahmen eines
Rekursverfahrens gegen die Verlängerung einer Rodungsbewilligung. Derartige
Entscheide stützen sich auf das Waldgesetz und die Verordnung über den Wald
vom 30. November 1992 (WaV; SR 921.01), somit auf Bundesverwaltungsrecht,
weshalb in der Hauptsache die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das
Bundesgericht offen stünde (Art. 97 Abs. 1 OG i.V.m. Art. 5 VwVG, Art. 98
lit. b OG). Weiter ist erforderlich, dass die Zwischenverfügung einen nicht
wiedergutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 97 OG in Verbindung mit
Art. 5 und 45 Abs. 1 VwVG; BGE 125 II 613 E. 2a S. 619 f. mit Hinweisen).
Selbständig anfechtbar sind namentlich Verfügungen über vorsorgliche
Massnahmen (Art. 45 Abs. 2 lit. g VwVG), zu denen unter anderem der Entzug
der aufschiebenden Wirkung zählt (vgl. Art. 55 Abs. 2 VwVG). Auch bei den in
Art. 45 Abs. 2 VwVG als selbständig anfechtbar bezeichneten
Zwischenverfügungen gilt grundsätzlich als Voraussetzung der Zulässigkeit
einer Beschwerde, dass der Beschwerdeführer einen nicht wiedergutzumachenden
Nachteil erleiden muss (BGE 125 II 613 E. 2a S. 619 f. mit Hinweis). Dies
trifft für den vorliegenden Fall zu, wie die nachfolgenden Erwägungen zeigen.

1.3  Zur Anfechtung der Zwischenverfügung sind diejenigen Personen
legitimiert, deren Beschwerde die aufschiebende Wirkung entzogen worden ist,
d.h. alle Beschwerdeführer des hängigen Verwaltungsbeschwerdeverfahrens, und
zwar ohne Rücksicht auf ihre Legitimation in der Hauptsache (BGE 129 II 286
E. 1.3 S. 288). Eine solche Situation liegt hier bezogen auf die
Beschwerdeführer vor.

1.4  Aus all diesen Gründen ist die Eingabe als Verwaltungsgerichtsbeschwerde
entgegenzunehmen und darauf einzutreten.

2.
2.1 Die Präsidentin des Appellationsgerichts hat dem Rekurs der
Beschwerdeführer die aufschiebende Wirkung versagt. Sinngemäss hat sie ihren
abweisenden Entscheid damit begründet, dass dem Hauptbegehren der
Beschwerdeführer weder in formeller (Eintretensfrage) noch in materieller
Hinsicht Erfolgsaussichten beschieden seien. Dazu verweist sie insbesondere
auf BGE 122 II 234 E. 4d S. 239. Dennoch hält sie in Ziff. 2 der Verfügung
fest, dass der Vorzustand wieder hergestellt werden müsse, falls das
Verwaltungsgericht den Rekurs gutheisse.

Dagegen bringen die Beschwerdeführer vor, die Bewilligungsverlängerung sei
ihnen gegenüber nicht rechtskräftig geworden. Sie werfen den kantonalen
Behörden verschiedene Verfahrensfehler vor und stellen in Abrede, dass ihr
Rekurs aussichtslos sei. Selbst wenn davon auszugehen sei, dass die
Bewilligung erteilt werden müsse, so sei dies in einem geordneten
Verwaltungsverfahren zu prüfen. Der angefochtene Zwischenentscheid komme
faktisch einem Endurteil gleich. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde
stelle die Regel dar. Auch falls das kantonale Verfahrensrecht dies nicht
vorsehe, seien im Bereich des Waldgesetzes die Bundesvorschriften zumindest
analog beizuziehen. Ohne aufschiebende Wirkung falle der Streitgegenstand
unwiederbringlich weg. Ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Rodung
liege keineswegs vor. Der Zwischenentscheid verletze Art. 9 und 29 Abs. 1 und
2 BV sowie Art. 6 Ziff. 1 EMRK.

2.2  Zu beurteilen ist im vorliegenden Verfahren einzig die Frage, ob die
Nichtgewährung respektive der Entzug (dazu E. 2.4 hiernach) der
aufschiebenden Wirkung rechtmässig war. Nicht zu beantworten ist, ob die
Verlängerung der Rodungsbewilligung zulässig oder gar notwendig war.

2.3  Die Präsidentin des Appellationsgerichts verkennt, dass das Waldgesetz
(auch) für Rodungsbewilligungen die aufschiebende Wirkung vorsieht. Gemäss
Art. 47 WaG werden Bewilligungen und Anordnungen nach dem Waldgesetz erst
wirksam, wenn sie in Rechtskraft erwachsen sind. Schon Art. 25bis Abs. 5 der
früheren Verordnung betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die
Forstpolizei vom 1. Oktober 1965 sah vor, dass Rodungen erst nach unbenütztem
Ablauf der Beschwerdefrist in Angriff genommen werden dürfen. Der Wortlaut
von Art. 47 WaG ist gegenüber dieser früheren Regelung noch erweitert worden
und bezieht sich nicht mehr allein auf Rodungsbewilligungen, sondern auf alle
Anordnungen, die gestützt auf das Waldgesetz ergehen (vgl. Amtl.Bull. StR
1989 276). Sinn der Bestimmung ist u.a., dem Umstand Rechnung zu tragen, dass
eine einmal durchgeführte Rodung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.
Selbst wenn wieder aufgeforstet wird, kann der ursprüngliche Zustand nicht
mehr hergestellt werden. Den Beschwerdeführern ist darin zuzustimmen, dass
Ziff. 2 der angefochtenen Verfügung widersprüchlich ist. Nachdem zunächst
festgestellt wird, dass der Rekurs (wohl) aussichtslos sei, wird sodann für
den Fall, dass er doch gutgeheissen werden sollte, die Wiederherstellung der
Vorzustandes verfügt, was auch mittels einer Aufforstung nicht möglich ist.
Unabhängig von der Frage, ob aufgrund des Detaillierungsgrades im
Staatsvertrag überhaupt eine Rodungsbewilligung nötig gewesen wäre, wurde
eine solche erteilt und im Jahr 2001 verlängert, ohne diesen Entscheid den
Beschwerdeführern damals zu eröffnen. Solange die damit in Zusammenhang
stehenden Fragen nicht geklärt sind, ist die Rodungsbewilligung nicht in
Rechtskraft erwachsen.

2.4  Demzufolge hat die Präsidentin des Appellationsgerichts dem Rekurs
materiell die von Gesetzes wegen vorgeschriebene aufschiebende Wirkung
entzogen. Im Lichte von Art. 47 WaG hätte sich das Gesuch der
Beschwerdeführer um Gewährung der aufschiebenden Wirkung grundsätzlich
erübrigt. Die Begründung, welche die Präsidentin des Appellationsgerichts für
den Entzug der aufschiebenden Wirkung anführt, kommt faktisch einem Endurteil
gleich. Indessen hat die Präsidentin des Appellationsgerichts mit der hier
angefochtenen Verfügung vom 3. September 2004 das vor dem Appellationsgericht
anhängig gemachte Rekursverfahren erklärtermassen nicht abschliessen wollen;
sie wäre dazu als Einzelrichterin auch nicht zuständig gewesen (§ 72 Ziff. 3
i.V.m. § 64 des kantonalen Gerichtsorganisationsgesetzes [GOG]; SG 154.100).

3.
3.1 Eine weitergehende Prüfung der Rügen erübrigt sich damit. Die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist gutzuheissen. Mit diesem Urteil wird der
Antrag des Regierungsrates, die bundesgerichtliche Verfügung vom 8. September
2004 wieder aufzuheben, gegenstandslos. Aufgrund der Aktenlage und der
Begründung im angefochtenen Entscheid scheint der Sachverhalt indes
hinreichend klar, so dass das Appellationsgericht umgehend in der Hauptsache
entscheiden kann.

3.2  In Anwendung von Art. 156 Abs. 2 OG ist von einer Kostenauflage
abzusehen. Der Kanton Basel-Stadt hat die Beschwerdeführer jedoch für das
bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 159 Abs. 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 7. September 2004 wird gutgeheissen und
die Ziffern 1 und 2 der Verfügung der Präsidentin des Appellationsgerichts
des Kantons Basel-Stadt (als Verwaltungsgericht) vom 3. September 2004 werden
aufgehoben.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Der Kanton Basel-Stadt hat die Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, dem Regierungsrat und dem
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 17. September 2004

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: