Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1A.180/2004
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1A.180/2004 /sta

Urteil vom 1. Oktober 2004

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident,
Bundesgerichtsvizepräsident Nay,
Bundesrichter Aeschlimann,
Gerichtsschreiberin Schilling.

Fluglärmsolidarität,
X.________, und Mitbeteiligte,
Beschwerdeführer, alle vertreten durch Rechtsanwalt
Kurt Klose,

gegen

Flughafen Zürich AG, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Roland
Gfeller,
Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL), Maulbeerstrasse 9, 3003 Bern,
Präsident der Eidgenössischen Rekurskommission für Infrastruktur und Umwelt,
Schwarztorstrasse 59, Postfach 336, 3000 Bern 14.

Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerden gegen die
Verfügung des BAZL vom
22. April 2004 bezüglich CANPA-Anflugverfahren,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verfügung des Präsidenten der
Eidgenössischen Rekurskommission für Infrastruktur und Umwelt vom 7. Juli
2004.
Sachverhalt:

A.
Im Rahmen der Neuordnung des Anflugverkehrs zum Flughafen Zürich infolge der
Flugbeschränkungen im süddeutschen Luftraum legte die Flughafen Zürich AG am
16. April 2002/30. August 2002 dem Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) je ein
Plangenehmigungsgesuch für die Ausrüstung der Pisten 28 und 34 mit einem
Instrumentenlandesystem (ILS) und für den Einbau bzw. die Verlängerung der
Anflugbefeuerung vor. Gleichzeitig ersuchte sie um Änderung des
Betriebsreglementes zur Einführung der ILS-Anflugverfahren.
Nachdem zunächst das Gesuch um Änderung des Betriebsreglementes zur
Einführung von Südanflügen auf die Piste 34 bewilligt worden war, genehmigte
das BAZL am 22. April 2004 provisorisch auch das neue ILS-Anflugverfahren auf
die Piste 28, das nach Fertigstellung der Installationen einzuführen sei.
Zudem wurde vorweg eine Änderung des VOR/DME-Anflugverfahrens auf die Piste
28 in dem Sinne verfügt, dass anstelle des bisherigen stufenweisen Absinkens
und des Anflugwinkels von 3,7° eine konstante Sink-Rate von 3,3° (Constant
Angle Non Precision Approach, CANPA 28) treten soll. Diese Änderung erfolge
auf eine Empfehlung des Büros für Flugunfall-Untersuchungen (BUF) hin, welche
dem BAZL nach dem Flugunfall bei Bassersdorf unterbreitet worden sei. Die
neue Sink-Rate entspreche der künftigen für das ILS-Anflugverfahren geltenden
Rate. Die Einführung des CANPA 28 als Sicherheitsmassnahme sei dringend und
brauche bloss noch publiziert zu werden. Allfälligen Beschwerden sei daher
hinsichtlich dieser Änderung des Betriebsreglements die aufschiebende Wirkung
zu entziehen.
Mit Verfügung vom 22. April 2004 genehmigte auch das Eidgenössische
Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) die Pläne
für die Einrichtung eines Instrumentenlandesystems 28 sowie für eine
(teilweise) Verlängerung der Anflugbefeuerung.

B.
Gegen die Verfügungen des BAZL und des UVEK erhoben neben anderen die
Vereinigung Fluglärmsolidarität und Mitbeteiligte bei der Eidgenössischen
Rekurskommission für Infrastruktur und Umwelt (Rekurskommission INUM)
Beschwerde.
Die Beschwerdeführer machten hinsichtlich der Betriebsreglementsänderung zur
Einführung des CANPA 28 geltend, falls neu eine SinkRate von 3,3° statt wie
bisher von 3,7° vorgeschrieben werde, würden die Flugzeuge noch tiefer und
mit mehr Schub anfliegen als heute. Dementsprechend würden die Jets grössere
Lärm- und Schadstoffimmissionen verursachen. Zudem seien die Pistenstrukturen
für die Piloten bei einem tieferen Anflugwinkel schlechter erkennbar, was
sich negativ auf die Sicherheit der Landungen auswirke. Der neue Anflugwinkel
würde daher die Sicherheit beim Landeanflug nicht verbessern, sondern führte
sogar zu einem Sicherheitsproblem. Die aufschiebende Wirkung der Beschwerde
sei daher wiederherzustellen.
Mit Verfügung vom 7. Juli 2004 wies der Präsident der Rekurskommission INUM
die Gesuche der Beschwerdeführenden um Wiederherstellung der aufschiebenden
Wirkung im Verfahren zur Änderung des Betriebsreglementes ab, soweit sich die
Beschwerden gegen die Einführung des Anflugverfahrens CANPA 28 richteten.
Dagegen bestätigte er die bereits superprovisorisch angeordnete
Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung im Plangenehmigungsverfahren für
das ILS 28 und für die Verlängerung der Anflugbefeuerung. Der Präsident erwog
zum CANPA-Anflugverfahren, dieses erleichtere gemäss den glaubhaften Angaben
des BAZL den Geschwindigkeitsabbau der Flugzeuge. CANPA 28 ermögliche ein
konstantes Absinken und damit einen ruhigeren und stabileren Ablauf des
Endanfluges. Die Lage des Flugzeugs werde im Endanflug nicht mehr verändert,
die Arbeitsleistung im Cockpit werde reduziert und mögliche Fehlerquellen
würden ausgeschaltet. Die Publikation des neuen Verfahrens sei auch bereits
vorbereitet. Der Sicherheit in der Luftfahrt komme auch nach den gesetzlichen
Vorschriften höchste Priorität zu. Deshalb müssten Massnahmen, welche die
Sicherheit beim Anflug sofort und ohne weitere Vorkehren zu erhöhen
vermöchten, so rasch als möglich umgesetzt werden. Die von den
Beschwerdeführenden geäusserten Zweifel am Sicherheitsgewinn durch das CANPA
28 seien weder nachvollziehbar noch begründet. Zudem könne entgegen den
Darlegungen der Beschwerdeführenden sogar mit einer leichten Reduktion der
Lärm- und Schadstoffimmissionen gerechnet werden, da der neue Anflug weniger
Zwischenschub erfordere und die definitive Landekonfiguration eingehalten
werden könne. Der vom BAZL verfügte Entzug der aufschiebenden Wirkung erweise
sich mithin als begründet und verhältnismässig.

C.
Gegen den Entscheid des Präsidenten der Rekurskommission INUM haben die
"Fluglärmsolidarität" und die Mitbeteiligten Verwaltungsgerichtsbeschwerde
eingereicht. Sie verlangen, dass in Aufhebung der angefochtenen Verfügung die
aufschiebende Wirkung ihrer Beschwerde insofern wiederhergestellt werde, als
sich diese gegen die Einführung des CANPA 28 richte. Auf die
Beschwerdebegründung wird, soweit erforderlich, in den nachstehenden
Erwägungen eingegangen.
Die Flughafen Zürich AG stellt den Antrag, die Beschwerde abzuweisen, soweit
überhaupt darauf eingetreten werden könne. Das BAZL und der Präsident der
Rekurskommission INUM ersuchen um vollständige Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

D.
Das von den Beschwerdeführern nachgereichte Gesuch um superprovisorische
Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist mit Präsidialverfügung vom

2. September 2004 abgewiesen worden.

E.
Der Zwischenentscheid des Präsidenten der Rekurskommission INUM vom 7. Juli
2004 ist ebenfalls von der Flughafen Zürich AG insofern angefochten worden,
als den Beschwerden gegen das genehmigte Instrumentenlandesystem 28 die
aufschiebende Wirkung wieder erteilt worden ist. Das Bundesgericht hat die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde am 21. September 2004 gutgeheissen und den
angefochtenen Entscheid im fraglichen Punkte aufgehoben (1A.172/2004).

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Angefochten ist eine Zwischenverfügung über Gesuche um aufschiebende Wirkung
bzw. um Wiedererteilung der aufschiebenden Wirkung. Zwischenverfügungen
unterstehen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, wenn sie einen nicht
wiedergutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 97 OG in Verbindung mit
Art. 5 und 45 Abs. 1 VwVG) und wenn auch die nachmalige Endverfügung der
Verwaltungsgerichtsbarkeit unterliegt (Art. 101 lit. a OG e contrario). Ob
diese Voraussetzungen hier erfüllt seien, ist fraglich. Wohl kann die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gemäss der Ausnahmebestimmung von Art. 99 Abs.
2 lit. c OG gegen die Genehmigung von Betriebsreglementen für Flugplätze
gerichtet werden. Die Beschwerdeführer legen jedoch nicht dar, inwiefern
während der Dauer des vorinstanzlichen Verfahrens ein nicht
wiedergutzumachender Nachteil eintreten könnte, falls ihrer Beschwerde die
aufschiebende Wirkung nicht wieder beigelegt werde. Ob die reine Behauptung,
der Entzug der aufschiebenden Wirkung hätte lärmmässig "fatale Folgen für die
Bewohner im weiteren Bereich unter der Anflugschneise", für die Darlegung
eines solchen Nachteils genüge, ist zweifelhaft. Die Frage kann indes offen
bleiben, da sich die eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde, soweit auf
sie einzutreten ist, als offensichtlich unbegründet erweist.

2.
Weder in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde noch in der Beschwerde an die
Rekurskommission INUM wird ausgeführt, ob es sich bei der
"Fluglärmsolidarität" um einen Verein im Sinne von Art. 60 ff. ZGB handle,
welche statutarischen Zwecke dieser allenfalls verfolge und ob ein
erheblicher Teil seiner Mitglieder selbst zur Beschwerde berechtigt wäre. Da
jedoch davon ausgegangen werden darf, dass zumindest einige der
mitbeteiligten Beschwerdeführer (gemäss Angaben vor der Vorinstanz mehrere
Hundert Personen) als Anwohner im Osten des Flughafens Zürich vom neuen
Anflugverfahren stärker betroffen sind als die Allgemeinheit, kann auf eine
Nachfristansetzung (Art. 108 Abs. 3 OG) zur Beibringung von Unterlagen
betreffend die Legitimationsvoraussetzungen verzichtet werden.

3.
Die Beschwerdeführer stellen vor Bundesgericht nicht mehr in Abrede, dass das
CANPA-Anflugverfahren die Sicherheit der Landungen zu verbessern vermag. Sie
bringen jedoch wie erwähnt vor, infolge des flacheren Anflugwinkels würden
die etwas weiter entfernten Regionen östlich des Flughafens tiefer überflogen
und deren Bewohner von stärkeren Lärmimmissionen betroffen. Der neue
Anflugwinkel wird sich indessen, wie sich auch aus dem Bericht Nr. 425'457-1
vom 13. August 2002 der EMPA ergibt, lärmmässig nicht merkbar auf die
Bewohner der Anflugschneise Ost auswirken. Eine allfällige Mehrbelastung der
entfernteren Ost-Gemeinden ist vielmehr auf die Verlegung der Anflugroute
zurückzuführen. Selbst wenn übrigens das CANPA-Anflugverfahren eine etwas
höhere Lärmbelastung zur Folge hätte, wäre dies noch kein genügender Grund,
dessen Einführung hinauszuschieben, da das neue Verfahren aus
Sicherheitsgründen angeordnet worden ist und den Sicherheitsbelangen - wie im
angefochtenen Entscheid zu Recht ausgeführt wird - erste Priorität eingeräumt
werden muss.

4.
Die Beschwerdeführer machen weiter geltend, dass die bereits erfolgte
Publikation des CANPA 28 im AIP ohne weiteres wieder rückgängig gemacht und
das bisherige VOR/DME-Anflugverfahren sofort wieder angeordnet werden könnte.
Ob dies zutrifft oder nicht, spielt jedoch keine Rolle, nachdem festgestellt
worden ist, dass die CANPA-Anflüge aus Sicherheitsgründen vorzuziehen und
daher unverzüglich einzuführen sind.
Nicht Streitgegenstand ist im vorliegenden Verfahren die Frage, ob die
heutigen Ostanflüge verlegt und vermehrt Landungen von Süden her auf die
Piste 34 vorgenommen werden sollten. Die betreffenden Ausführungen der
Beschwerdeführer stossen daher ins Leere.

5.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist nach dem Gesagten als offensichtlich
unbegründet abzuweisen, soweit überhaupt auf sie einzutreten ist.
Die bundesgerichtlichen Kosten sind dem Verfahrensausgang entsprechend den
Beschwerdeführern zu überbinden (Art. 156 Abs. 1 OG). Diese haben der
Flughafen Zürich AG zudem eine angemessene Parteientschädigung zu entrichten
(Art. 159 Abs. 1 und 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'500.-- wird den Beschwerdeführern auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführer haben der Flughafen Zürich AG für das bundesgerichtliche
Verfahren unter solidarischer Haftung eine Parteientschädigung von Fr. 800.--
zu bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) und
dem Präsidenten der Eidgenössischen Rekurskommission für Infrastruktur und
Umwelt schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 1. Oktober 2004

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: