Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1A.149/2004
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 1A.149/2004 /gij

Urteil vom 20. Juli 2004
I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident,
Bundesrichter Féraud, Eusebio,
Gerichtsschreiberin Gerber.

A.X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Dr. Stefan Suter,

gegen

Bundesamt für Justiz, Abteilung Internationale Rechtshilfe, Sektion
Auslieferung, Bundesrain 20, 3003 Bern.

Auslieferung an Albanien - B 143323-JEN/HUG,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Auslieferungsentscheid des Bundesamts
für Justiz, Abteilung Internationale Rechtshilfe, Sektion Auslieferung, vom 19.
Mai 2004.

Sachverhalt:
A.
Aufgrund eines Fahndungsersuchens von Interpol Tirana wurde der albanische
Staatsangehörige A.X.________ am 30. September 2003 bei seiner Einreise in die
Schweiz festgenommen. Am 2. Oktober 2003 erliess das Bundesamt für Justiz einen
Auslieferungshaftbefehl gegen ihn. Seither befindet er sich in Basel in
Auslieferungshaft.
B.
Am 28. Oktober 2003 ersuchte die albanische Botschaft in Bern das Bundesamt für
Justiz um Auslieferung A.X.________s. Dieser wird verdächtigt, am 12. Januar
2003 in Shkodra/Albanien A.Y.________ mit einer Schusswaffe getötet zu haben.
Dem Auslieferungsersuchen liegt ein Haftbefehl des Bezirksgerichts von Shkodra
vom 10. Februar 2003 bei.
C.
Am 6. November 2003 überreichte die Rechtsbeiständin A.X.________s dem
Bundesamt eine notarielle Erklärung von drei Zeugen, die den Beweis erbringen
soll, dass A.X.________ zur Tatzeit nicht am Tatort gewesen sei. Das Bundesamt
ersuchte die Botschaft Albaniens in Bern am 14. November 2003 um Stellungnahme.
Am 4. bzw. 9. Dezember 2003 erklärte die albanische Botschaft, dass die
albanischen Behörden die notarielle Erklärung nicht als Beweismittel annähmen.
D.
A.X.________ widersetzt sich einer Auslieferung nach Albanien. Er macht
geltend, das im Auslieferungsersuchen geschilderte Delikt sei nur vorgeschoben;
tatsächlich gehe es darum, ihn wegen seiner politischen Gesinnung und Tätigkeit
zu exekutieren. Seine Rechtsbeiständin und (ab 21. April 2004) sein
Rechtsvertreter reichten zahlreiche Unterlagen zu den Akten, um dies zu belegen.
E.
Das Bundesamt für Justiz holte daraufhin Auskünfte bei der schweizerischen
Botschaft in Tirana und beim Eidgenössischen Departement für Auswärtige
Angelegenheiten (EDA) zur angeblichen politischen Verfolgung A.X.________s und
zur allgemeinen Menschenrechtslage in Albanien ein (Schreiben der
schweizerischen Botschaft vom 3. März und vom 5. April 2004, Schreiben des EDA
vom 26. April 2004).

F.
Am 19. Mai 2004 bewilligte das Bundesamt für Justiz die Auslieferung von
A.X.________ für die dem Auslieferungsersuchen der albanischen Botschaft vom
28. Oktober 2003 zugrunde liegenden Straftaten unter der Bedingung, dass die
albanische Botschaft eine Garantie abgibt, wonach bei einem Strafverfahren und
einem allfälligen Strafvollzug in Albanien die Grundsätze der EMRK bzw. des
UNO-Pakts II beachtet werden, der Verfolgte jederzeit mit der schweizerischen
Vertretung Kontakt aufnehmen und ein Vertreter der Botschaft oder eine von der
Botschaft bezeichnete Person jederzeit den Verfolgten besuchen und sämtlichen
Verhandlungen beiwohnen kann.
G.
Mit Note vom 19. Mai 2004 ersuchte das Bundesamt für Justiz die albanische
Botschaft in Bern, die zuständigen albanischen Behörden zur Abgabe der
erwähnten Garantien einzuladen. Am 6. Juni 2004 reichte die albanische
Botschaft in Bern Garantien des albanischen Justizministeriums ein. Mit Noten
vom 14. und vom 30. Juni 2004 ersuchte das Bundesamt die albanische Botschaft
um Ergänzung dieser Garantien bis zum 23. Juli 2004.
H.
Gegen den Auslieferungsentscheid erhob A.X.________ am 15. Juni 2004
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht. Er beantragt, der angefochtene
Entscheid sei aufzuheben und es sei die Vorinstanz anzuweisen, von seiner
Auslieferung nach Albanien abzusehen. Zudem ersucht er um Gewährung der
aufschiebenden Wirkung sowie um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.

Das Bundesamt für Justiz beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.

Der Beschwerdeführer replizierte am 7. Juli 2004.
I.
Am 13. Juli 2004 beauftragte der Instruktionsrichter M.________, mit der
Übersetzung der in den Auslieferungsakten liegenden Einvernahmeprotokollen des
Belastungszeugen B.Y.________. Mit Schreiben vom 15. Juli 2004 teilte Herr
M.________ mit, dass er die handgeschriebenen Protokolle nicht entziffern und
den Text deshalb nicht übersetzen könne.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Angefochten ist ein Auslieferungsentscheid des Bundesamts für Justiz. Dagegen
steht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht grundsätzlich offen
(Art. 55 Abs. 3 i.V.m. Art. 25 Abs. 1 IRSG). Da auch alle übrigen
Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen, ist auf die Beschwerde einzutreten. Diese
hat von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung (Art. 21 Abs. 4 lit. a IRSG).

Die Auslieferung an Albanien richtet sich nach dem Europäischen
Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 (EAÜ; SR 0.353.1) sowie dem
ersten und zweiten Zusatzprotokoll zum EAÜ vom 15. Oktober 1975 (ZP; SR
0.353.11) bzw. dem 17. März 1978 (2. ZP; SR 0.353.12). Soweit diese
Staatsverträge bestimmte Fragen nicht abschliessend regeln, ist das
schweizerische Landesrecht anwendbar, namentlich das Bundesgesetz vom 20. März
1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG; SR 351.1) und die
dazugehörende Verordnung vom 24. Februar 1982 (IRSV; SR 351.11).
2.
Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, er habe einen Alibibeweis
erbracht. Es gehe nicht an, die Möglichkeit des Alibibeweises vom guten Willen
des ersuchenden Staates abhängig zu machen, zumal die albanische Justiz es
unterlassen habe, selbst Klarheit in die Angelegenheit zu bringen: Trotz
mehrfachen Antrags des albanischen Anwalts des Beschwerdeführers habe das
Gericht in Shkodra die Entlastungszeugen noch nicht einvernommen.

Art. 47 Abs. 1 lit. b IRSG bestimmt, dass das Bundesamt vom Erlass eines
Auslieferungshaftbefehls absehen kann, wenn der Verfolgte ohne Verzug
nachweist, dass er zur Zeit der Tat nicht am Tatort war. Gemäss Art. 53 Abs. 1
IRSG nimmt das Bundesamt die gebotenen Abklärungen vor, falls der Verfolgte
behauptet, er könne ein Alibi nachweisen. In klaren Fällen wird die
Auslieferung verweigert (Art. 53 Abs. 2 Satz 1 IRSG). Andernfalls wird der
ersuchende Staat unter Vorlage der entlastenden Beweise aufgefordert, innert
kurzer Frist zu erklären, ob er das Ersuchen aufrechterhalten will (Art. 53
Abs. 2 Satz 2 IRSG).

Nach der bundesgerichtlichen Praxis besteht die Möglichkeit eines Alibibeweises
auch im Rahmen eines gemäss Staatsvertrag durchgeführten
Auslieferungsverfahrens (BGE 113 Ib 276 E. 3c S. 283 f. mit Hinweisen; kritisch
Robert Zimmermann, La coopération judiciaire internationale en matière pénale, Rz. 440 S. 476). Dieser Nachweis ist unverzüglich und ohne Weiterungen zu
erbringen (vgl. BGE 123 II 279 E. 2b S. 282 mit Hinweisen).

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer zum Nachweis, dass er zur Tatzeit
nicht am Tatort war, eine notariell beglaubigte Urkunde eingereicht. Darin
bestätigen drei Freunde des Beschwerdeführers, sie seien am 12. Januar 2003 von
9 Uhr morgens bis 18 Uhr abends mit diesem in Fier (einer Stadt südlich von
Tirana) zusammen gewesen. Sie hätten gemeinsam in der "Bar Rinia" zu Mittag
gegessen. Während des Abendessens hätten sie ferngesehen und erfahren, dass
A.X.________ beschuldigt werde, um die Mittagszeit in Shkodra ein Tötungsdelikt
begangen zu haben.

Wie das Bundesamt für Justiz in seiner Vernehmlassung zu Recht ausführt, können
Zweifel an der Glaubwürdigkeit der angerufenen Zeugen nicht von Vornherein
ausgeschlossen werden, zumal die Erklärung von dem Verfolgten nahestehenden
Personen stammt. Diese Zweifel können auch nicht unverzüglich und ohne
Weiterungen ausgeräumt werden, würde dies doch rechtshilfeweise im Ausland
einzuleitende Nachforschungen bedingen.

Dessen ungeachtet legte das Bundesamt die notarielle Erklärung der ersuchenden
Behörde vor. Nachdem diese ihr Auslieferungsersuchen aufrecht erhielt, durfte
die Auslieferung nicht gestützt auf Art. 53 Abs. 2 IRSG verweigert werden.
3.
Zu prüfen ist ferner, ob ein Auslieferungshindernis gemäss Art. 3 Ziff. 2 EAÜ
vorliegt. Danach wird die Auslieferung nicht bewilligt, wenn der ersuchte Staat
ernstliche Gründe hat anzunehmen, dass das Auslieferungsersuchen wegen einer
nach gemeinem Recht strafbaren Handlung gestellt worden ist, um eine Person aus
rassischen, religiösen, nationalen oder auf politischen Anschauungen beruhenden
Erwägungen zu verfolgen oder zu bestrafen, oder dass die verfolgte Person der
Gefahr einer Erschwerung ihrer Lage aus einem dieser Gründe ausgesetzt wäre.
3.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei Mitglied der Demokratischen
Partei und der antikommunistischen Vereinigungen "13. Dezember 1990" und "2.
April 1991" und somit Gegner der regierenden sozialistischen Partei von
Ministerpräsident Fatos Nano. Bereits vor dem Untergang des kommunistischen
Regimes habe er sich öffentlich gegen die kommunistische Herrschaft eingesetzt;
er sei deshalb von Dezember 1983 bis Oktober 1985 inhaftiert und anschliessend,
bis 1988, mit seiner ganzen Familie im Dorf Seman-Topoj interniert worden. Seit
1989 engagiere er sich an vorderster Front gegen die sozialistische Regierung.

Fatos Nano wirft er vor, zwischen 1997 und 2004 zahlreiche Morde an politischen
Gegnern in Auftrag gegeben zu haben. Am 28. Mai 1997 seien der Bruder des
Beschwerdeführers, B.X.________, zusammen mit dem Onkel seiner Frau,
C.X.________, in Shkodra von einem Spezialkommando des Geheimdienstes ermordet
worden, weil sie im Besitz von für die Sozialistische Partei belastendem
Material gewesen seien. Die Ehefrau des Bruders habe, wie auch andere
Familienmitglieder, Albanien verlassen und in Luxemburg Asyl erhalten.
Der Beschwerdeführer behauptet, das Tötungsdelikt in Shkodra sei aus
politischen Gründen konstruiert worden, um seiner und seines Bruders
D.X.________ habhaft zu werden. Zur Tatzeit sei er gar nicht in Shkodra,
sondern in Fier gewesen, was durch die notarielle Erklärung vom 25. Oktober
2003 bewiesen werde. Der dem Auslieferungsersuchen angeblich zugrunde liegende
Haftbefehl stamme vom 10. Februar 2003. Zu diesem Zeitpunkt habe er in Shkodra
gelebt; er sei erst am 14. August 2003 mit seiner Frau nach Belgien ausgereist,
wo er heute lebe. Es sei deshalb schleierhaft, weshalb er nicht schon zuvor in
Shkodra verhaftet worden sei bzw. völlig legal habe ausreisen können.
Vermutlich habe die regierende Sozialistische Partei erst nach seiner Ausreise
nach Belgien erfahren, dass er versuche, dem jetzigen Ministerpräsidenten Fatos
Nano die von diesem angeordneten politischen Morde nachzuweisen. Aus diesem
Grund werde er jetzt mit internationalem Haftbefehl gesucht.

Die Aussagen des Belastungszeugen B.Y.________ seien widersprüchlich und völlig
unglaubhaft; es handle sich um Aussagen einer bezahlten Belastungsperson;
vermutlich handle es sich sogar um Aussagen von zwei verschiedenen Personen.
Die Einvernahme B.Y.________s sei vom Gericht in Shkodra immer wieder aus
fadenscheinigen Gründen verschoben worden.

Der Beschwerdeführer fürchtet um sein Leben, wenn er nach Albanien ausgeliefert
werde. Ein gelegentlicher Besuch der schweizerischen Vertretung könne nicht
verhindern, dass er in Haft sterbe, sei es wegen der schlechten
Haftbedingungen, sei es z.B. durch Gift.
3.2 Für das Bundesamt für Justiz findet sich für die Behauptung, dass der
Beschwerdeführer allein aus politischen Motiven verfolgt werde, in den
Unterlagen keine Stütze. Es sei nicht ersichtlich, inwiefern gerade der
Beschwerdeführer von einer derartigen politischen Wichtigkeit sei, dass der
Staat Albanien sich der Konstruktion eines völlig erfundenen Sachverhaltes
bedienen sollte.
3.3 Aus den Auslieferungsakten, namentlich der Stellungnahmen der
Staatsanwaltschaft beim Bezirksgericht Shkodra vom 16. Juni und vom 3. Dezember
2003, geht hervor, dass ein Strafverfahren gegen A.X.________ und seinen Bruder
D.X.________ eröffnet wurde, das zurzeit vor dem Bezirksgericht Shkodra hängig
ist. Die Anklage stützt sich in erster Linie auf die Aussage des Zeugen
B.Y.________, dem Bruder des Opfers A.Y.________. Dieser habe folgendes
ausgesagt:

Am 12. Januar 2002 seien er und sein Bruder A.Y.________ auf dem Weg nach Hause
gewesen. Am Ort "Kafja e Madhe", vor der ihnen gehörenden Bar, hätten sie
A.X.________ und dessen Bruder D.X.________ getroffen. D.X.________ habe sich
B.Y.________ genähert, habe ihm zugerufen: "Grüsse B.X.________ von mir!" und
habe sieben Mal auf ihn geschossen, allerdings ohne ihn zu treffen. In der
Zwischenzeit habe A.X.________, in Begleitung seines Neffen "E.X.________",
A.Y.________ bis in das Restaurant "Piazza" verfolgt; anschliessend seien
Schüsse zu hören gewesen. B.Y.________ vermutete als Tatmotiv Blutrache: Vor
vier Jahren sei B.X.________ zusammen mit einer anderen Person in Shkodra
getötet worden; seine Brüder A.X.________ und D.X.________ hätten die Gebrüder
A.Y.________/B.Y.________ als Täter verdächtigt. Sechs Tage nach der Tat habe
A.X.________ über einen Dritten B.Y.________ ausrichten lassen, dass er
A.Y.________ getötet habe.

Als weitere Beweismittel werden von der Staatsanwaltschaft Shkodra ein
gerichtsmedizinisches Gutachten, ein ballistisches Gutachten, Fotos von der
Leiche und vom Tatort sowie Aussagen weiterer Zeugen, namentlich von G.________
(Inhaber des Lokals "Piazza"), H.________ und I.________, genannt. A.Y.________
sei dem gerichtsmedizinischen Gutachten zufolge durch sechs Schüsse in den
Kopf, die Lippe, den Hals, die Brust, die linke Hand und das rechte Bein
getötet worden. Laut ballistischem Gutachten stammten die sechs am Tatort
aufgefundenen Patronen aus zwei verschiedenen Waffen.

Die Staatsanwaltschaft von Shkodra erhob gegen A.X.________ Anklage wegen
vorsätzlicher Tötung aus Rache (Art. 78 Abs. 2 alb. StGB) und unerlaubten
Waffenbesitzes (Art. 278 alb. StGB); sein Bruder D.X.________ wurde wegen
versuchter vorsätzlicher Tötung und unerlaubten Waffenbesitzes angeklagt. Die
Sache wurde am 16. Juni 2003 dem Bezirksgericht Shkodra überwiesen.
3.4 Nach Auskunft der Schweizerischen Botschaft in Tirana wurde in den
albanischen Medien über das Tötungsdelikt in Shkodra berichtet, das als Fall
von Blutrache bezeichnet worden sei. Tötungsdelikte wegen Blutrache seien im
Norden Albaniens weit verbreitet. In den meisten Fällen handle es sich eher um
private als um politische Konflikte, wenn auch in dieser Region beides eng
miteinander verbunden sei. Shkodra sei bekannt als eine der Städte, in der der
Konflikt zwischen Demokraten und Sozialisten besonders ausgeprägt sei und wo es
regelmässig zu Zwischenfällen komme. Eine ähnliche Konfrontation bestehe zudem
zwischen den Katholiken und den Muslimen; Shkodra sei vielleicht der einzige
Ort in Albanien, in der es einen ernsthaften Antagonismus zwischen beiden
Religionsgemeinschaften gebe.
3.5 Unstreitig wurde die Familie des Beschwerdeführers unter dem Regime Enver
Hoxhas politisch verfolgt. Die vom Beschwerdeführer vorgelegten Belege über
seine gegenwärtige politische Verfolgung stammen jedoch von der Demokratischen
Partei Shkodras und den antikommunistischen politischen Vereinigungen "13.
Dezember 1990" und "2. April 1991", welche die regierende sozialistische Partei
bekämpfen. Es ist gerichtsnotorisch, dass zum politischen Kampf in Albanien
auch Diffamierungen der jeweils anderen Partei gehören, der die Verfolgung und
Unterdrückung politischer Gegner vorgeworfen wird. Skepsis ist vor allem
angesichts der besonders gespannten Situation in Shkodra angebracht, in der die
Konflikte zwischen Demokraten und Sozialisten besonders virulent sind.
3.5.1Zwar trifft es zu, dass Mitglieder der Familie des Beschwerdeführers in
Luxemburg Asyl erhalten haben; die eingereichten Bestätigungen aus dem Zeitraum
1998 bis 2001 enthalten jedoch keinen Sachverhalt und keine Begründung und
lassen keinen Schluss auf eine Verfolgung auch des Beschwerdeführers zu.
3.5.2Der Beschwerdeführer hat selbst vorgebracht, das er bis August 2003 in
Shkodra gelebt habe und am 14. August 2003 völlig legal nach Belgien ausgereist
sei. Er macht nicht geltend, bis zu diesem Zeitpunkt Opfer konkreter
politischer Verfolgungsmassnahmen gewesen zu sein. Hinzu kommt, dass Shkodra
nach Auskunft der Schweizerischen Botschaft in Tirana von jeher eine Hochburg
der Demokraten ist, d.h. von der Partei regiert wird, deren Mitglied der
Beschwerdeführer ist.
3.5.3Der Beschwerdeführer macht als Motiv für eine politische Verfolgung
geltend, er habe im Jahr 2001, vier Jahre nach dem Tod seines Bruders,
aufgedeckt, dass der jetzt regierende Ministerpräsident Fatos Nano an diesem
und zahlreichen anderen politischen Morden beteiligt gewesen sei. Er vermutet,
dass die Regierung erst nach seiner Ausreise im August 2003 von seinen
Recherchen erfahren habe und seither versuche, seiner habhaft zu werden. Er
legt allerdings nicht dar, weshalb die Regierung erst zu diesem Zeitpunkt auf
ihn und seine Recherchen aufmerksam geworden sein soll.
3.5.4Gegen diese Hypothese spricht auch der Umstand, dass das Strafverfahren
gegen den Beschwerdeführer schon Monate vor seiner Abreise eingeleitet worden
ist: Der Haftbefehl des Gerichts in Shkodra wurde am 10. Februar 2003 erlassen;
die Aussagen des Belastungszeugen B.Y.________ stammen vom 16. Januar 2003 und
vom 23. März 2003, wurden also zu einem Zeitpunkt gemacht, als der
Beschwerdeführer noch in Albanien lebte. Auch die vom Beschwerdeführer
benannten Alibizeugen haben in ihrer notariellen Erklärung vom 23. Oktober 2003
ausgesagt, der Beschwerdeführer sei schon am Tag des Tötungsdelikts in der
abendlichen Fernsehsendung als Täter des Mordes an A.Y.________ verdächtigt
worden. Der albanische Anwalt des Beschwerdeführers hat sodann bestätigt, dass
die erste Verhandlung vor dem Bezirksgericht Shkodra auf den 1. Juli 2003
angesetzt worden ist. Dies alles spricht gegen die Hypothese eines erst
nachträglich, d.h. nach der Ausreise des Beschwerdeführers nach Belgien im
August 2003, aus politischen Gründen konstruierten Tötungsdelikts.
3.6 Der albanische Rechtsvertreter des Beschwerdeführers hat mitgeteilt, dass
die Verhandlung vor dem Bezirksgericht Shkodra mehrfach verschoben worden sei:
Die Gerichtstermine vom 1. Juli, 16. Juli und 30. September 2003 seien wegen
Nichterscheinens des Angeklagten verschoben worden; an der Sitzung vom 29.
Oktober 2003 habe das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren
bis zum Abschluss des Auslieferungsverfahrens suspendiert. Auf Antrag des
Verteidigers sei das Verfahren am 22. Dezember 2003 wieder aufgenommen worden.
Sämtliche daraufhin angesetzten Sitzungstermine hätten jedoch verschoben werden
müssen, weil die Parteien nicht ordentlich geladen worden seien, Beteiligte und
Zeugen nicht erschienen seien bzw. der Richter sich das Bein gebrochen habe.
Diese Verzögerung des Strafverfahrens mag unter dem Gesichtspunkt des
Beschleunigungsgebots problematisch sein, kann aber keine politische Verfolgung
des Beschwerdeführers belegen.
3.6.1Zusammenfassend liegen keine Anhaltspunkte für den Verdacht vor, der
Beschwerdeführer werde aus politischen Gründen strafrechtlich verfolgt. Dann
aber erübrigt es sich, zusätzliche Auskünfte und Unterlagen vom ersuchenden
Staat einzuholen. Insbesondere erscheint es nicht geboten, eine leserliche
Abschrift der Zeugenaussagen B.Y.________s zu verlangen, um diese übersetzen zu
lassen: Es wird Aufgabe des zuständigen Strafgerichts in Shkodra sein,
Identität und Glaubwürdigkeit dieses Zeugen zu prüfen und seine Aussagen
denjenigen der Entlastungszeugen gegenüberzustellen.
4.
Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, in Albanien herrschten keine
rechtsstaatlichen Verhältnisse, weshalb keine Auslieferung dorthin bewilligt
werden dürfe.
4.1 Nach Einschätzung des Eidgenössischen Departements für auswärtige
Angelegenheiten ist die Menschenrechtssituation in Albanien problematisch; u.a.
seien willkürliche Festnahmen, polizeiliche Misshandlungen und schlechte
Haftbedingungen an der Tagesordnung. Der Norden Albaniens sei rückständiger und
weniger sicher als der Rest des Landes; Clans und der "Kanun" könnten sich in
diesem Teil Albaniens immer wieder durchsetzen. Das heutige Justizsystem, die
offenkundige Korruption und das Gefängnissystem seien Bereiche, die nicht
ausser Acht gelassen werden dürften, wenn ein Auslieferungsentscheid getroffen
werde. Diese Einschätzung deckt sich weitgehend mit den Berichten des US State
Department (Country Reports on Human Rights Practices, Albania 2003, vom 24.
Februar 2004), von Amnesty International (2004) und Human Rights Watch (2003).
4.2 Zwar liegen im vorliegenden Fall keine konkreten Hinweise für eine dem
Beschwerdeführer persönlich drohende, schwerwiegende Verletzung der
Menschenrechte vor. In Anbetracht der allgemeinen Bedenken des EDA und der
besonders problematischen Situation in Shkodra hat jedoch das Bundesamt die
Auslieferung von der Abgabe geeigneter Garantien der albanischen Behörden
abhängig gemacht. Mit diplomatischer Note an die Botschaft Albaniens in Bern
vom 19. Mai 2004 wurden folgende Garantien verlangt:
"a)La République d'Albanie s'engage à accorder à la personne extradée les
garanties de procédure reconnues par le Pacte international du 16 décembre 1966
relatif aux droits civils et politiques (Pacte ONU II), spécialement en ses
art. 2 ch. 3, 9, 14, 16 et 26.
b)Aucun tribunal d'exception ne pourra être saisi des actes délictueux imputés
à la personne réclamée.
c)La peine de mort ne sera ni requise, ni prononcée, ni appliquée à l'égard de
la personne réclamée. L'obligation de droit international contractée par la
République d'Albanie à cet égard rend inopposable à la personne réclamée l'art.
6 ch. 2 du Pacte ONU II.
d)La personne extradée ne sera en outre soumise à aucun traitement portant
atteinte à son intégrité physique et psychique (art. 7, 10 et 17 Pacte ONU II).
La situation de la personne extradée ne pourra pas être aggravée lors de sa
détention en vue du jugement ou de l'exécution de la peine, en raison de
considérations fondées sur ses opinions ou ses activités politiques, son
appartenance à un groupe social déterminé, sa race, sa religion ou sa
nationalité (art. 2 let. b des la Loi fédérale sur l'entraide internationale en
matière pénale du 20 mars 1981, EIMP).
e)Aucun acte commis par la personne extradée antérieurement à la remise et pour
lequel l'extradition n'a pas été consentie ne donnera lieu à poursuite, à
condamnation ou à réextradition à un Etat tiers et aucun autre motif à
l'extradition n'entraînera une restriction à la liberté individuelle de
celle-ci (art. 15 acte ONU II). Cette restriction tombera si, dans le délai de
quarante-cinq jours suivant sa libération conditionnelle ou définitive, la
personnne extradée n'a pas quitté le territoire albanais, après avoir été
instruite des conséquences y relatives et après avoir eu la possibilité de s'en
aller; il en va de même si la personne extradée retourne en République
d'Albanie après l'avoir quitté ou si elle y est ramenée par un Etat tiers (art.
38 al. 2 EIMP).
f)Toute personne représentant la Suisse en République d'Albanie pourra rendre
visite à la personne extradée, sans que les rencontres ne fassent l'objet de
mesures de contrôle. En outre, ledit représentant pourra s'enquérir de l'état
de la procédure et assister à tous les débats judiciaires. Un exemplaire de la
décision mettant fin à la procédure pénale lui sera remis.
g)Les conditions de détention ne seront pas inhumaines ou dégradantes au sens
le l'art. 3 de la Convention de sauvegarde des Droits de l'Homme et des
Libertés fondamentales du 4 novembre 1950 (CEDH).
La santé du prévenu sera assurée de manière adéquate, notamment par accès à des
soins médicaux suffisants."
4.3 Der Beschwerdeführer hält diese Garantien für untauglich: Albanien habe
bereits die EMRK und den UNO-Pakt II ratifiziert; würden die Garantien dieser
Staatsverträge nicht umgesetzt, so könne auch die Abgabe einer entsprechenden
Garantie im Einzelfall daran nichts ändern.

Dem ist zu widersprechen: Verpflichtet sich der ersuchende Staat in einem
konkreten Einzelfall zur Einhaltung gewisser Menschenrechte und
Verfahrensgarantien, und kann dies durch die Schweizerische Botschaft vor Ort
überprüft werden, z.B. durch unangemeldete Haftbesuche und eine Beobachtung des
Strafverfahrens, so darf grundsätzlich von der Einhaltung der Garantie
ausgegangen und die Auslieferung bewilligt werden. Würden sich die albanischen
Behörden über die erwähnten Auflagen hinwegsetzen, würden sie Gefahr laufen,
von der Schweiz (und wahrscheinlich auch von anderen Staaten) keine Rechtshilfe
mehr zu erhalten und diplomatische Konsequenzen auszulösen.
5.
Nach dem Gesagten ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde abzuweisen.

Da die Voraussetzungen gemäss Art. 152 OG vorliegen, ist dem Beschwerdeführer
die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt.
2.1 Es werden keine Kosten erhoben.
2.2 Rechtsanwalt Dr. Stefan Suter wird als amtlicher Vertreter des
Beschwerdeführers bestellt, und es wird ihm für das bundesgerichtliche
Verfahren aus der Bundesgerichtskasse ein Honorar von Fr. 2'000.-- ausgerichtet.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Bundesamt für Justiz, Abteilung
Internationale Rechtshilfe, Sektion Auslieferung, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 20. Juli 2004
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: