Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1A.141/2004
Zurück zum Index I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2004
Retour à l'indice I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2004


1A.141/2004 /sta

Urteil vom 1. Oktober 2004

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident,
Bundesgerichtsvizepräsident Nay,
Bundesrichter Fonjallaz,
Gerichtsschreiber Härri.

X.  ________ S.A., Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr.
Michel
Czitron,

gegen

Bezirksanwaltschaft IV für den Kanton Zürich, Rechtshilfe in Strafsachen,
Büro 6, Gartenhofstrasse 17, Postfach 9680, 8036 Zürich,
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, Postfach, 8023 Zürich,
Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, Hirschengraben 13,
Postfach, 8023 Zürich.

Internationale Rechtshilfe in Strafsachen an Deutschland - B 145428 BEG,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des
Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 28. April 2004.
Sachverhalt:

A.
Am 7. November 2003 ersuchte die Staatsanwaltschaft Baden-Baden die Schweiz
um Rechtshilfe im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen den russischen
Staatsangehörigen Z.________ wegen des Verdachts der Geldwäsche nach § 261
dStGB. Im Ersuchen wird ausgeführt, Z.________, der in Frankreich lebe, habe
mit notariellem Vertrag vom 19. April 2000 in Baden-Baden eine
Eigentumswohnung erworben. Dabei sei er als alleinvertretungsberechtigter
Direktor einer Firma Y.________ S.A. mit Sitz in Nassau/Bahamas aufgetreten.
Nach den bisherigen Ermittlungen handle es sich dabei um eine reine
Domizilgesellschaft ohne jede geschäftliche Tätigkeit. Dies begründe den
Verdacht, dass der Erwerb der Wohnung der Verschleierung von Erlösen aus
strafbaren Handlungen gedient habe. Der Kaufpreis für die Wohnung in Höhe von
1'575'803.51 DM sei am 17. Mai 2002 (recte: 2000) über die Bank A.________ in
Frankfurt am Main auf dem Konto des Verkäufers bei der Bank B.________
eingegangen. Die Bank A.________ in Frankfurt habe mitgeteilt, der
Überweisung liege ein Zahlungsauftrag ihres Mutterhauses, der Bank C.________
in Zürich, zugrunde. Zur weiteren Aufklärung der Frage, ob die Wohnung mit
Erlösen aus strafbaren Handlungen erworben worden sei, bedürfe es der
Ermittlung der Zahlungswege und der Herkunft des Kaufpreises. Die
Staatsanwaltschaft ersuchte daher gestützt auf einen entsprechenden Beschluss
des Amtsgerichtes Baden-Baden um die Durchsuchung der Geschäftsräume der Bank
C.________ in Zürich und die Beschlagnahme von Unterlagen über den
Zahlungsweg.

Mit Ergänzung des Rechtshilfeersuchens vom 26. Januar 2004 teilte die
Staatsanwaltschaft Baden-Baden mit, die erworbene Wohnung werde nach den
polizeilichen Erkenntnissen von W.________, bei der es sich anscheinend um
die Tochter von Z.________ handle, und von deren Ehemann bewohnt. Z.________
habe somit zum Kauf einer privat genutzten Wohnung ohne erkennbaren
wirtschaftlichen Hintergrund die Firma Y.________ S.A. dazwischengeschaltet.
Diese Umstände deuteten darauf hin, dass der wahre Erwerber und die Herkunft
der Gelder verschleiert werden sollten. Ob die Gelder tatsächlich aus
Katalogtaten im Sinne von § 261 dStGB herrührten und, wenn ja, aus welchen,
lasse sich beim derzeitigen Ermittlungsstand nicht sagen. Der erforderliche
Verdacht sei aber gegeben.

B.
Mit Schlussverfügung vom 9. März 2004 entsprach die Bezirksanwaltschaft IV
für den Kanton Zürich dem Rechtshilfeersuchen. Sie ordnete die Herausgabe
verschiedener Unterlagen betreffend das Konto der X.________ S.A. bei der
Bank C.________ in Zürich an die ersuchende Behörde an.

Auf den von Z.________ dagegen erhoben Rekurs trat das Obergericht des
Kantons Zürich am 28. April 2004 mangels Beschwerdebefugnis nicht ein. Den
Rekurs der X.________ S.A. wies es ab.

C.
Die X.________ S.A. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, den
Beschluss des Obergerichtes aufzuheben; die Rechtshilfe sei endgültig zu
verweigern.

D.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich, die Bezirksanwaltschaft und das
Obergericht haben auf Gegenbemerkungen verzichtet.

Das Bundesamt für Justiz hat sich vernehmen lassen. Es beantragt die
Abweisung der Beschwerde.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1  Für die Rechtshilfe zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der
Schweiz sind in erster Linie die Bestimmungen des Europäischen Übereinkommens
über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 (EUeR, SR 0.351.1),
dem beide Staaten beigetreten sind, und der zwischen ihnen abgeschlossene
Zusatzvertrag vom 13. November 1969 (SR 0.351.913.61) massgebend. Anwendbar
ist ferner das Übereinkommen Nr. 141 über Geldwäscherei sowie Ermittlung,
Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten vom 8. November 1990
(Geldwäschereiübereinkommen; GwÜ; SR 0.311.53), das für die Schweiz am 1.
September 1993 und für Deutschland am 1. Januar 1999 in Kraft getreten ist.
Soweit diese Staatsverträge bestimmte Fragen nicht abschliessend regeln,
kommt das schweizerische Landesrecht - namentlich das Bundesgesetz über
internationale Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. März 1981 (IRSG, SR 351.1)
und die dazugehörige Verordnung (IRSV, SR 351.11) - zur Anwendung (Art. 1
Abs. 1 IRSG).

1.2  Beim angefochtenen Beschluss handelt es sich um die Verfügung einer
letztinstanzlichen kantonalen Behörde, mit der das Rechtshilfeverfahren
abgeschlossen wird. Dagegen ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gemäss Art.
80f Abs. 1 IRSG zulässig.

Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin des Kontos, über das Unterlagen an die
ersuchende Behörde herausgegeben werden sollen. Als solche ist sie zur
Beschwerde befugt (Art. 80h lit. b IRSG i.V.m. Art. 9a lit. a IRSV).

Die Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt. Auf die Beschwerde ist
einzutreten.

1.3  Das Bundesgericht prüft im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
die bei ihm erhobenen Rügen mit freier Kognition. Es ist aber nicht
verpflichtet, nach weiteren der Rechtshilfe allenfalls entgegenstehenden
Gründen zu forschen, die aus der Beschwerde nicht hervorgehen (BGE 112 Ib 576

E. 3 S. 586).

2.
2.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, aus dem Rechtshilfeersuchen ergebe
sich kein hinreichender Verdacht der Geldwäscherei. Weder werde gesagt, worin
die Vortat bestehen soll, noch würden verdächtigte Finanztransaktionen
geschildert. Dem Ersuchen könne deshalb nicht stattgegeben werden. Da keine
Nachbesserung zu erwarten sei, sei die Rechtshilfe endgültig zu verweigern.

2.2  Nach der Rechtsprechung braucht ein Rechtshilfeersuchen wegen des
Verdachts der Geldwäscherei nicht notwendig zu erwähnen, worin die Vortat
("Haupttat") bestehe. Es genügt, wenn verdächtige Finanztransaktionen
dargelegt werden (BGE 129 II 97 E. 3.2 mit Hinweis; Urteil 1A.154/2003 vom

25. September 2003 E. 3.3).

Den Verdacht der Geldwäscherei begründen können nach der Rechtsprechung etwa
Finanztransaktionen in grossem Ausmass ohne ersichtlichen Grund unter
Benutzung zahlreicher Gesellschaften auf der ganzen Welt (BGE 129 II 97 E.

3.3 ); komplexe Kontobewegungen insbesondere zwischen
"Off-Shore-Gesellschaften" (Urteil 1A.154/2003 vom 25. September 2003 E. 4
und 5); das Stillschweigen des Beschuldigten über die Herkunft eines hohen
Geldbetrages (Urteil 1A.245/1996 vom 6. Dezember 1996 E. 4c und d).

2.3  Aus dem Ersuchen der Staatsanwaltschaft Baden-Baden ergibt sich nicht,
aus welcher Vortat der in die Wohnung investierte Betrag herrühren könnte.
Dies stellt jedoch nach der angeführten Rechtsprechung kein
Rechtshilfehindernis dar.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin sind hier Finanztransaktionen
gegeben, die den Verdacht der Geldwäscherei zu begründen vermögen. Der in die
Wohnung investierte Betrag ist mit rund 1,5 Millionen DM beträchtlich.

Z. ________ hat die Wohnung nicht in eigenem Namen gekauft, sondern dazu eine
Off-Shore-Gesellschaft mit Sitz auf den Bahamas benutzt. Dabei handelt es
sich um eine reine Domizilgesellschaft ohne Geschäftstätigkeit. Dies stellt
ein Indiz dafür dar, dass der wahre Erwerber der Wohnung und die Herkunft des
Geldes verschleiert werden sollte. Der Grund, den die Beschwerdeführerin für
die Benutzung der Off-Shore-Gesellschaft angibt, überzeugt nicht. Sie macht
geltend, Z.________ habe aufgrund einschlägiger Erfahrungen in Frankreich
befürchtet, die Wohnung könnte vom deutschen Finanzamt als Betriebsstätte
betrachtet werden, wenn er persönlich als Eigentümer eingetragen würde.
Zunächst ist schon nicht ersichtlich, weshalb eine von einer Privatperson in
einem bekannten Kurort erworbene Ferienwohnung als Betriebsstätte eingestuft
werden sollte. Bestünde diese Gefahr, wäre sie aber kaum geringer, wenn als
Käufer eine Aktiengesellschaft auftritt, insbesondere wenn sie - wie hier -
den Namen "Y.________ S.A." trägt, was darauf hindeutet, dass sie
Dienstleistungen erbringt. Das Vorgehen beim Kauf der Wohnung ergibt zur
Abwendung der von Z.________ angeblich angenommenen Gefahr somit wenig Sinn.
Bereits die Art der Abwicklung des Wohnungskaufes erweckt daher den Verdacht,
dass es um Geldwäscherei gehen könnte. Hinzu kommen die Umstände der Zahlung.
Nach dem Ersuchen gelangte der Betrag von ca. 1,5 Millionen DM über die Bank
A.________ in Frankfurt auf das Konto des Verkäufers. Den Zahlungsauftrag an
die Bank A.________ gab nicht - wie zu erwarten gewesen wäre - die Y.________
S.A. oder Z.________, sondern die Bank C.________ in Zürich. Darin liegt ein
zusätzliches Indiz, dass der Weg der Zahlung und damit die Herkunft des
Geldes verschleiert werden sollte. Aus den Akten ergibt sich sodann nicht,
dass Z.________ Angaben zur Herkunft der rund 1,5 Millionen DM gemacht und
dargelegt hätte, wie der Betrag rechtmässig erwirtschaftet worden sei. Auch
in der Beschwerde wird dazu nichts Näheres vorgebracht. Würdigt man diese
Umstände gesamthaft, so ergibt sich ein hinreichender Verdacht der
Geldwäscherei.
Dieser wird durch die Erhebungen in der Schweiz erhärtet. Sie haben ergeben,
dass die ca. 1,5 Millionen DM bei der Bank C.________ in Zürich der
Beschwerdeführerin belastet wurden. Bei dieser handelt es sich um eine
weitere Off-Shore-Gesellschaft mit Sitz auf den Bahamas. Nach den
Kontoeröffnungsunterlagen ist Z.________ ihr alleinvertretungsberechtigter
Direktor und an ihr wirtschaftlich berechtigt. Es wurde somit ein erheblicher
Betrag unter Benutzung von Off-Shore-Gesellschaften in einer Art verschoben,
wie das bei Geldwäscherei nicht selten vorkommt.

Die Beschwerdeführerin beruft sich auf das Urteil 1A.125/2003 vom 15. Juli
2003, wo das Bundesgericht (E. 2.2) eine hinreichende Begründung des
Rechtshilfeersuchens verneint hat. Der vorliegende Fall ist mit jenem jedoch
nicht vergleichbar. Anders als dort ergibt sich aus dem Rechtshilfeersuchen
der Staatsanwaltschaft Baden-Baden, welcher Sachverhalt dem Beschuldigten im
ausländischen Verfahren vorgeworfen wird.

3.
Die Beschwerde ist danach unbegründet und abzuweisen.

Da die Beschwerdeführerin unterliegt, trägt sie die Kosten (Art. 156 Abs. 1
OG). Eine Parteientschädigung steht ihr nicht zu (Art. 159 Abs. 1 und 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 4'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Bezirksanwaltschaft IV für den
Kanton Zürich, Rechtshilfe in Strafsachen, Büro 6, der Staatsanwaltschaft und
dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, sowie dem Bundesamt für
Justiz, Abteilung internationale Rechtshilfe, Sektion Rechtshilfe,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 1. Oktober 2004

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: