Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1A.127/2004
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1A.127/2004 /sta

Urteil vom 21. Juni 2004

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident,
Bundesrichter Aeschlimann, Féraud,
Gerichtsschreiber Pfisterer.

Kanton Zürich, Beschwerdeführer, vertreten durch die Bezirksanwaltschaft II
für den Kanton Zürich, Büro OK-3, Neue Börse Selnau, Postfach, 8001 Zürich,

gegen

TDC Switzerland AG, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr.
Albert Schmid,
Dienst für Besondere Aufgaben (DBA), Bundeshaus Nord, 3003 Bern,
Rekurskommission des Eidgenössischen Departementes für Umwelt, Verkehr,
Energie und Kommunikation, Schwarztorstrasse 59, Postfach 336, 3000 Bern 14.

Datenlieferungspflicht gemäss Art. 15 Abs. 1 BÜPF
i.V.m. Art. 24 VÜPF,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid der Rekurskommission des
Eidgenössischen Departementes für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation
vom 20. April 2004.
Sachverhalt:

A.
Am 9. September 2003 ordnete die Bezirksanwaltschaft II für den Kanton Zürich
(nachfolgend: BAK II) die Überwachung der E-Mail-Adresse einer wegen
strafbaren Handlungen im Sinne der Art. 195 und 196 StGB beschuldigten Person
an. Gleichentags ersuchte die BAK II den Dienst für Besondere Aufgaben des
Eidg. Departementes für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation
(nachfolgend: DBA) um Durchführung der angeordneten Überwachung. Der DBA
übermittelte den Überwachungsauftrag an die Internetanbieterin TDC
Switzerland AG (nachfolgend: sunrise) als Providerin und wies sie
ausdrücklich darauf hin, dass die fragliche E-Mail-Adresse nicht direkt über
sunrise laufe, sondern über eine weitere Anbieterin (X.________ AG), für
welche sunrise als Hauptproviderin auftrete. Es sei wichtig, dass die
X.________ AG von der Überwachung nichts erfahre. Die Präsidentin der
Anklagekammer des Obergerichts des Kantons Zürich genehmigte die angeordnete
Überwachungsmassnahme am 12. September 2003, befristet bis zum 9. Dezember
2003. In der Folge unterblieb die Überwachung. Am 29. September 2003
verpflichtete der DBA sunrise als Hauptproviderin mittels förmlicher
Verfügung, die verlangten Daten abzuliefern bzw. diese bis zu einem
rechtskräftigen Entscheid zur Verfügung zu halten.

Gegen diese Verfügung erhob sunrise bei der Rekurskommission des Eidg.
Departementes für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (nachfolgend:
REKO UVEK) am 29. Oktober 2003 Verwaltungsbeschwerde mit dem Antrag, die
Verfügung aufzuheben. Die Umsetzung des Überwachungsauftrages sei - so wie
verlangt - technisch nicht machbar; das hätten Abklärungen unter Zuzug einer
spezialisierten Firma und auch die Rücksprache mit der Kantonspolizei Zürich
ergeben. Der DBA habe es rechtswidrig unterlassen, die technische Machbarkeit
abzuklären.

Am 6. November 2003 bezog die REKO UVEK den Kanton Zürich als
Beschwerdegegner mit ins Verfahren ein. Für diesen beantragte die BAK II
sinngemäss Abweisung der Beschwerde. Den gleichen Antrag stellte der DBA. Mit
Zwischenverfügung vom 13. Februar 2004 wies der Präsident der REKO UVEK das
von der BAK II gestellte Gesuch, der Verwaltungsbeschwerde die aufschiebende
Wirkung zu entziehen, ab, soweit darauf einzutreten war.
Am 16. Februar 2004 teilte der DBA der REKO UVEK mit, dass die BAK II am 14.
Dezember 2003 erneut die Überwachung der besagten E-Mail-Adresse sowie die
rückwirkende Überwachung abgehender und eingehender Verbindungen vom 10. bis
15. Dezember 2003 angeordnet und die Präsidentin der Anklagekammer des
Zürcher Obergerichtes diese Anordnung, befristet bis zum 9. März 2004,
genehmigt habe. Durch einen Fehler des DBA sei diese Überwachungsanordnung
und der Genehmigungsentscheid nicht an sunrise weitergeleitet worden. Mit
Verfügung vom 17. Februar 2004 verpflichtete der DBA sunrise zur Lieferung
der verlangten Daten. Einer allfälligen Beschwerde entzog er die
aufschiebende Wirkung.

Gegen diese Verfügung erhob sunrise am 18. März 2004 erneut
Verwaltungsbeschwerde bei der REKO UVEK mit den Anträgen, die aufschiebende
Wirkung der Beschwerde wiederherzustellen und die Verfügung aufzuheben. Der
DBA beantragte Abweisung der Beschwerde. Die BAK II äusserte sich nicht.

B.
Nach Durchführung eines mehrfachen Schriftenwechsels schrieb die REKO UVEK
mit Urteil vom 20. April 2004 die Beschwerde vom 29. Oktober 2003 als
gegenstandslos ab und trat auf die Beschwerde vom 18. März 2004 nicht ein.
Nach Auffassung der REKO UVEK ist wegen Ablaufs der Befristung der
Überwachungsanordnungen das Rechtsschutzinteresse an der Anfechtung für die
erste Verfügung weggefallen; das führe zur Gegenstandslosigkeit der
Beschwerde. Für die zweite Verfügung habe ein Anfechtungsinteresse gar nie
bestanden, da die Verwaltungsbeschwerde erst nach Ablauf der Befristung
erhoben worden sei.

C.
Die BAK II, Büro OK-3, Bezirksanwalt lic. iur. B. Meier, führt am 19. Mai
2004 für den Kanton Zürich eidgenössische Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen
das Urteil der REKO UVEK vom 20. April 2004 mit folgenden Anträgen:
"Es sei die Firma TDC Switzerland AG (...) anzuweisen, umgehend den e-mail
Anschluss (...) nach Massgabe des Technischen Dienstes der Kantonspolizei
Zürich zur direkten Überwachung des laufenden e-mail Verkehrs zur
Kantonspolizei Zürich zu schalten, sowie die Randdaten seit dem 9. September
2003 der Kantonspolizei Zürich zu überweisen;
evtl. sei der Dienst für Besondere Aufgaben (DBA) des Departementes für
Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) anzuweisen, die genannte
Überwachung bei der Firma TDC Switzerland nach Anweisung der Kantonspolizei
Zürich umgehend zu vollziehen;
evtl. sei der Entscheid vom 20. April 2004 der Rekurskommission UVEK zu neuem
Entscheid zurück zu weisen."
Die BAK II hält - kurz zusammengefasst - eine direkte Überwachungsanordnung
durch das Bundesgericht für angezeigt, weil fortlaufende Fehlleistungen von
DBA und REKO UVEK "ein dringendes Ermittlungsverfahren fast mutwillig zu
hindern scheinen". Zudem beruhe der angefochtene Entscheid auf aktenwidriger
Sachverhaltsfeststellung und stelle die Gegenstandslos-Erklärung der
Beschwerde vom 29. September 2003 einen Ermessensmissbrauch dar.

Die REKO UVEK beantragt, die Beschwerde abzuweisen soweit darauf eingetreten
werde. Den gleichen Antrag stellt sunrise. Der DBA schliesst auf Abweisung
der Beschwerde, eventuell sei diese bezüglich Ziffer 2 des angefochtenen
Dispositivs an die REKO UVEK zurückzuweisen. Zu Letzterem weist der DBA
darauf hin, dass "betreffend der Verlängerung der Überwachungsmassnahme vom
5. März 2004, welche die Zeitspanne vom 9. März bis zum 9. Juni 2004 zum
Gegenstand hatte, beim DBA rechtzeitig eine weitere Verlängerung vom 9. Juni
bis 9. September 2004 eingegangen sei".

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Es fragt sich, ob die BAK II, "Büro OK 3, BA lic. iur. B. Meier", in gültiger
Weise für den Kanton Zürich eidgenössische Verwaltungsgerichtsbeschwerde
führen darf. Das erscheint höchst zweifelhaft und hätte, anders als in Ziffer
2 lit. b der Beschwerde angenommen, sehr wohl einlässlich dargetan werden
müssen. Wie es sich aber letztlich mit dieser Frage verhält, mag mit Blick
auf die nachfolgenden Erwägungen offen bleiben.

2.
Mit dem Hauptantrag verlangt die BAK II, dass das Bundesgericht sunrise
anweise, den fraglichen E-Mail-Anschluss im Rahmen einer Direktschaltung zur
Kantonspolizei Zürich zu überwachen sowie die Randdaten seit dem 9. September
2003 der Kantonspolizei Zürich zu überweisen. Dieses Begehren liegt
ausserhalb des durch den angefochtenen Entscheid mitumschriebenen
Streitgegenstandes (vgl. lit. B. hiervor) und ist deshalb unzulässig;
insoweit ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.

3.
In Bezug auf das erste Eventualbegehren verkennt die BAK II die funktionelle
Stellung des Bundesgerichts im Rahmen der eidgenössischen
Verwaltungsrechtspflege. Das Bundesgericht hat hier als zweite und letzte
Rechtsmittelinstanz zu amten und Entscheide der REKO UVEK auf ihre
Rechtmässigkeit zu überprüfen. Es ist weder Aufsichtsbehörde über den DBA
noch gar verfügende erste Instanz im Bereich der Überwachung von
Internet-Zugängen. Das Begehren ist unzulässig; auch insoweit ist auf die
Beschwerde nicht einzutreten.

4.
Der zweite Eventualantrag kann dahin verstanden werden, dass der Entscheid
der REKO UVEK aufzuheben und die Sache zu neuem Entscheid an diese Instanz
zurückzuweisen sei. Hierin liegt zwar ein zulässiges Begehren. Dennoch kann
auf die Beschwerde auch in diesem Punkt nicht eingetreten werden.
Die REKO UVEK war gestützt auf zwei Beschwerden der sunrise mit der
Streitsache befasst. Sie hat die Beschwerde vom 29. Oktober 2003 als
gegenstandslos abgeschrieben und ist auf jene vom 18. März 2004 nicht
eingetreten. Beide Mal war ausschlaggebend, dass die für die Überwachung
unumgängliche kantonale Genehmigung in zeitlicher Hinsicht abgelaufen war
(vgl. lit. B. hiervor). Die BAK II zeigt nicht auf, worin sie durch das
Dispositiv dieses Entscheids im Sinne von Art. 103 lit. a OG beschwert ist.
Sie setzt sich auch mit der Begründung des angefochtenen Entscheids nicht
rechtsgenüglich auseinander. Vielmehr unterstellt sie der Vorinstanz, diese
hätte wissen können (bzw. wissen müssen), dass die Überwachungsgenehmigung im
Urteilszeitpunkt bis zum 9. Juni 2004 verlängert war. Dabei lässt die BAK II
aber zweierlei ausser Acht. Zum einen hat sie selber zu verantworten, dass
die zweite Überwachungsanordnung seitens des DBA erst nach Ablauf der bis zum
9. Dezember 2003 befristeten ersten Anordnung erfolgen konnte, weil der
Verlängerungsantrag nicht während der laufenden Überwachungsanordnung
gestellt worden war (vgl. Art. 7 Abs. 5 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000
betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs [BÜPF; SR 780.1]).
Zum andern hat sie seinerzeit auf Schlussbemerkungen an die REKO UVEK
verzichtet, in welchen die heute in den Vordergrund gerückten Fehlleistungen
des DBA hätten korrigiert werden können. Sodann kann mit Bezug auf den
angefochtenen Entscheid auch nicht von einem (fortbestehenden) aktuellen
Rechtsschutzinteresse der BAK II die Rede sein. Das könnte höchstens in
Betracht gezogen werden, wenn der DBA gegenwärtig nicht mit der konkreten
Durchsetzung der Überwachung der fraglichen Internet-Adresse befasst wäre.
Indessen hat der DBA in seiner Vernehmlassung ans Bundesgericht darauf
hingewiesen, dass rechtzeitig eine Verlängerung der genehmigten
Überwachungsanordnung eingereicht worden sei. Aus der
Beschwerdeantwort-Beilage Nr. 8 ergibt sich sodann, dass der DBA versucht,
die Überwachungsanordnung in Zusammenarbeit mit sunrise und der BAK II
technisch umzusetzen. Zu diesen Gegebenheiten findet sich in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde kein Wort (vgl. im Übrigen zu den
Obliegenheiten des DBA auch das zur amtlichen Publikation vorgesehene Urteil
des Bundesgerichts 1A.185,186 u.187/2003 vom 13. April 2004).

5.
Nach dem Gesagten muss es beim angefochtenen Entscheid und den offenbar immer
noch andauernden Bemühungen des DBA um technische Umsetzung der fraglichen
Überwachungsanordnung sein Bewenden haben. Auf die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist ohne prozessuale Weiterungen nicht
einzutreten.
Bei diesem Prozessausgang sind gestützt auf Art. 156 Abs. 2 OG keine Kosten
zu erheben. Hingegen hat die BAK II (Kanton Zürich) die Beschwerdegegnerin
für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 159
Abs. 1 und 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Die BAK II (Kanton Zürich) hat die Beschwerdegegnerin für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Dienst für Besondere Aufgaben (DBA) und
der Rekurskommission des Eidgenössischen Departementes für Umwelt, Verkehr,
Energie und Kommunikation schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 21. Juni 2004

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: