Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 84/2003
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U 84/03

Urteil vom 8. März 2004
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Lustenberger;
Gerichtsschreiber Scartazzini

J.________, 1981, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Werner
Greiner, Ankerstrasse 24, 8004 Zürich,

gegen

1.Allianz Suisse (vormals ELVIA) Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft,
Badenerstrasse 694, 8048 Zürich,

2.Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,

Beschwerdegegnerinnen

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 28. März 2003)

Sachverhalt:

A.
Die 1981 geborene J.________ arbeitete seit dem 15. November 2000 wöchentlich
15 Stunden als Servicemitarbeiterin für das Restaurant X.________ und war im
Zusammenhang mit diesem Arbeitsverhältnis bei der ELVIA Schweizerische
Versicherungs-Gesellschaft (ELVIA) gegen die Folgen von Berufs- und
Nichtberufsunfällen sowie gegen Berufskrankheiten versichert. Am 1. Januar
2001 wurde sie bei einem Verkehrsunfall verletzt. Zuvor hatte die Versicherte
vom 10. August 1999 bis Mitte Dezember 2000 als Aushilfe im Verkauf für den
der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) unterstellten Betrieb
L.________ gearbeitet.

Mit Verfügung vom 5. Juli 2001 hielt die ELVIA fest, als Grundlage der
Taggeldbemessung sei lediglich der im Restaurant X.________ erzielte
Verdienst massgebend. Dies bestätigte sie mit Einspracheentscheid vom 13.
Juli 2001. Die SUVA verneinte ihrerseits die Zuständigkeit für den
Nichtberufsunfall vom 1. Januar 2001 mit Verfügung vom 9. August 2001 und
Einspracheentscheid vom 7. November 2001.

B.
Gegen den Einspracheentscheid der ELVIA liess J.________ beim
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich Beschwerde erheben und
beantragen, ihr seien weitergehende Leistungen nach UVG zu erbringen,
namentlich Geldleistungen im Taggeldbereich aus dem Arbeitsverhältnis bei dem
Betrieb L.________ in der dortigen Nachdeckungsfrist. Gleiches Rechtsbegehren
stellte sie in der gegen die von der SUVA erlassene Verfügung erhobenen
Beschwerde und zwar für Geldleistungen aus dem im Dezember 2000 gekündigten
Arbeitsverhältnis mit dem ihr unterstellten Betrieb während der dortigen
30Btägigen Nachdeckungsfrist.

Nach Vereinigung der zwei Verfahren wies das kantonale Gericht die
Beschwerden mit Entscheid vom 28. März 2003 ab.

C.
J.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und die
vorinstanzlichen Rechtsbegehren erneuern. Ferner ersucht sie um
unentgeltliche Verbeiständung.
Die Allianz Suisse Versicherungs Gesellschaft, nachstehend Allianz (vormals
ELVIA), und die SUVA schliessen auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherung,
Abteilung Kranken- und Unfallversicherung (seit 1. Januar 2004 im Bundesamt
für Gesundheit), auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Im vorinstanzlichen Entscheid werden die massgebenden Bestimmungen (Art. 3
Abs. 1 und 2, Art. 15 Abs. 1 und 2, Art. 77 Abs. 2 und 3 UVG, Art. 23 Abs. 5
und Art. 99 Abs. 2 UVV) und die Grundsätze über den Versicherungsschutz bei
Nichtberufsunfällen zutreffend dargelegt. Insbesondere wurde ausgeführt, Art.
3 Abs. 2 UVG bezwecke die Verhinderung von Versicherungslücken für Personen,
die nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses nicht sofort eine neue Stelle
antreten, da sie ohne Nachdeckung über keinen Versicherungsschutz für
Nichtberufsunfälle verfügen würden. Sobald indessen wiederum ein solcher
Schutz vorhanden ist, ist die neue Versicherung zuständig, selbst wenn der
Unfall in die Nachdeckungsfrist fällt, da diese damit nicht mehr notwendig
ist. Der Zweck der "Auffangbestimmung" von Art. 3 Abs. 2 UVG (Verhinderung
von Versicherungslücken) kommt auch darin zum Ausdruck, dass für die
Nachdeckungsfrist keine Prämien geschuldet sind. Es ist daher sachgerecht,
dass diejenige Versicherung die Leistungen erbringt, welche im
Unfallzeitpunkt die Prämien erhält (BGE 127 V 462 Erw. 2 b/ee). Darauf wird
verwiesen. Richtig ist ebenfalls, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft
getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) nach den von der Rechtsprechung entwickelten
intertemporalrechtlichen Regeln (BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b) in
materiellrechtlicher Hinsicht auf den vorliegenden Sachverhalt nicht
anwendbar ist.

2.
Streitig und zu prüfen ist im vorliegenden Fall einerseits, ob nicht nur die
Allianz, sondern auch die SUVA leistungspflichtig ist, und andererseits der
für die Berechnung des Taggeldes massgebende Lohn, insbesondere, ob ein
Gesamtlohn im Sinne von Art. 23 Abs. 5 UVV zu berücksichtigen ist. Nach
dieser Bestimmung ist der Gesamtlohn massgebend, wenn der Versicherte vor dem
Unfall bei mehr als einem Arbeitgeber tätig war.

2.1 Das kantonale Gericht hat festgestellt, dass die Beschwerdeführerin im
Zeitpunkt des Unfalls bei der ELVIA sowohl für Berufs- als auch für
Nichtberufsunfälle über Versicherungsschutz verfügte und dass auf Grund
dieses Versicherungsverhältnisses grundsätzlich ein Anspruch auf Taggelder
bestand, wobei sich der Unfall während der einmonatigen Nachdeckungsfrist der
SUVA ereignet hatte. Da die Beschwerdeführerin im Unfallzeitpunkt nur bei
einem Arbeitgeber beschäftigt war und die Prämien der ELVIA als Versicherer
des neuen Arbeitsverhältnisses entrichtet wurden, war nach Feststellung der
Vorinstanz Letztere allein leistungspflichtig, während sich die SUVA zu Recht
als nicht zuständig erklärt hatte.

Hinsichtlich der Bestimmung des versicherten Verdienstes und der Bemessung
des Taggeldes erklärte die Vorinstanz Art. 23 Abs. 5 UVV mangels mehrfacher
erwerblicher Tätigkeit im Zeitpunkt des Unfalles als nicht anwendbar. So
befand sie, zur Bestimmung des versicherten Verdienstes sei lediglich
diejenige Erwerbstätigkeit relevant, für die unmittelbar vor dem Unfall ein
Lohnbezug erfolgt war bzw. ein Lohnanspruch bestanden hatte.

2.2 Die Beschwerdeführerin macht hingegen geltend, es sei von mehreren
Arbeitgebern bzw. leistungspflichtigen Versicherungen auszugehen. Sie habe
hauptsächlich bei dem Betrieb L.________ gearbeitet und zusätzlich eine
Nebenbeschäftigung beim Restaurant X.________ ausgeübt, im Zeitpunkt des
Unfalles für ihre Hauptbeschäftigung jedoch noch keinen Ersatz gefunden. Die
ELVIA sei daher auch für den Lohn aus dem Arbeitsverhältnis mit dem Betrieb
L.________ leistungspflichtig. Im Eventualfall sei die SUVA zu verpflichten,
für den versicherten Lohn aus dem Arbeitsverhältnis mit dem Betrieb
L.________ Leistungen zu erbringen. Denn bereits im Zeitpunkt der Auflösung
dieses Arbeitsverhältnisses habe sie eine Nebenbeschäftigung ausgeübt und
nicht eine neue Stelle als Ersatz für die frühere angenommen. Somit sei es
nicht zulässig, dass die SUVA nur deshalb nicht leistungspflichtig wäre, weil
sie neben dem Lohn aus der Hauptbeschäftigung noch jenen aus einer
Nebentätigkeit erzielt hat.

2.3 Dieser Betrachtungsweise kann nicht gefolgt werden. Das Gesetz
unterscheidet nicht zwischen Haupt- und Nebenerwerb. Für die Deckungsfrage
entscheidend ist ausschliesslich das zeitliche Ausmass der Anstellung. Nur
bei Teilzeitbeschäftigten mit einem wöchentlichen Pensum von weniger als acht
Stunden fallen Berufs- und Nichtberufsunfallversicherung auseinander (Art. 13
UVV). Bei einer derartigen Kombination käme vorliegend der SUVA-versicherten
Tätigkeit bei dem Betrieb L.________ besondere Bedeutung zu, indem diese
geeignet wäre, eine Nichtberufsunfall-Versicherungslücke zu füllen. Besteht
aber bereits durch die zweite Tätigkeit als Servicemitarbeiterin eine dem
Grunde nach volle UVG-Deckung für Berufs- und Nichtberufsunfälle, kommt dem
Auffangtatbestand von Art. 3 Abs. 2 UVG keine eigenständige Bedeutung mehr
zu.

Da die Versicherte im Zeitpunkt des Unfalles ausschliesslich im
Arbeitsverhältnis mit dem Restaurant X.________ stand und dadurch gegen die
Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen versichert war, war einzig die
ELVIA bzw. die Allianz leistungspflichtig.

2.4 Wie die Vorinstanz gestützt auf Art. 23 Abs. 5 UVV zutreffend
festgestellt hat, dient als Grundlage für die Bemessung der Taggelder
lediglich der Verdienst, welchen die Versicherte durch die Servicearbeit beim
Restaurant X.________ im Zeitpunkt des fraglichen Unfalles bezogen hat. Zudem
liegt weder der in Art. 23 Abs. 1 UVV genannte Sonderfall der Kurzarbeit vor,
noch übte die Versicherte eine unregelmässige Erwerbstätigkeit im Sinne von
Art. 23 Abs. 3 UVV aus (RKUV 1997 Nr. U 274 S. 181). Die von der
Beschwerdeführerin zur Taggeldhöhe vorgebrachten Einwendungen erweisen sich
daher als nicht geeignet, zu einem abweichenden Resultat zu führen. Zwar
stört sich die Versicherte hauptsächlich daran, dass sie keinen Ersatz für
den - bereits aus anderen Gründen verlorenen - Hauptverdienst erhält, obwohl
diesbezüglich die Versicherungsdeckung im massgeblichen Zeitpunkt noch
bestand. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass der Ausfall dieses
Verdienstes bei der Taggeldhöhe - auf der Grundlage der
Arbeitslosenentschädigung (BGE 127 V 463 Erw. 3) - berücksichtigt werden
könnte, wenn die Beschwerdeführerin nach Verlust der Stelle bei dem Betrieb
L.________ als Teilarbeitslose gemäss Verordnung über die Unfallversicherung
von arbeitslosen Personen (UVAL; SR 837.171) gestempelt hätte, was sie aber
nicht geltend macht. Damit ist der Anspruch der Versicherten auf Taggelder im
Sinne ihrer in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gestellten Rechtsbegehren
mit dem kantonalen Gericht zu verneinen.

3.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Die unentgeltliche Verbeiständung
kann gewährt werden (Art. 152 in Verbindung mit Art. 135 OG), da die
Bedürftigkeit aktenkundig ist, die Beschwerde nicht aussichtslos zu
bezeichnen und die Vertretung geboten war (BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372 Erw.
5b je mit Hinweisen). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG
aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu
leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Rechtsanwalt Werner
Greiner für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht aus
der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1'500.-- (einschliesslich
Mehrwertsteuer) ausgerichtet.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugestellt.

Luzern, 8. März 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: