Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 5/2003
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U 5/03

Urteil vom 8. Oktober 2003
III. Kammer

Bundesrichter Borella, Meyer und Lustenberger; Gerichtsschreiberin Riedi
Hunold

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
Beschwerdeführerin,

gegen

CSS Versicherung, Rösslimattstrasse 40, 6005 Luzern, Beschwerdegegnerin,

betreffend J.________

Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Zug

(Entscheid vom 14. November 2002)

Sachverhalt:

A.
Die 1972 geborene J.________ war als "Mitarbeiterin Prüfstelle" bei der
X.________ AG bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen
die Folge von Unfällen versichert. Am 20. August 2001 liess sie sich operativ
einen Weisheitszahn (Nr. 38, d.h. unten links) entfernen. Als sie am 12.
September 2001 erstmals versuchte, auf der linken Seite ein Stück Brot zu
beissen, zog sie sich einen Bruch des Kiefers zu (Bagatellunfallmeldung vom
18. September 2001). Die vom Spital Y.________, Klinik für Mund-, Kiefer-,
Gesichts- und Oral-Chirurgie diagnostizierte Grünholzfraktur liess sich durch
konservative Therapie (weiche Kost [Kauverbot] bei antibiotischer Abschirmung
und speziellen Mundspülungen) versorgen, sodass die Behandlung in der Klinik
am 22. Oktober 2001 abgeschlossen werden konnte (Bericht vom 15. November
2001).
Am 21. Januar 2002 teilte die SUVA J.________ mit, in ihrem Fall sei keine
der leistungsbegründenden Voraussetzungen erfüllt. In diesem Sinne verfügte
die SUVA am 30. Januar 2002 und hielt daran auch auf Einsprache des
Krankenversicherers von J.________, der CSS Versicherung (CSS), hin mit
Einspracheentscheid vom 20. Februar 2002 fest.

B.
Die von der CSS hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des
Kantons Zug mit Entscheid vom 14. November 2002 gut und verpflichtete die
SUVA im Grundsatz zu Leistungen für die unfallähnliche Körperschädigung.

C.
Die SUVA führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der kantonale
Entscheid sei aufzuheben. Vorinstanz und CSS Versicherung schliessen auf
Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV)
beantragt Rückweisung der Sache zur weiteren Sachverhaltsabklärung.
J.________ verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit
ihm sind zahlreiche Bestimmungen im Unfallversicherungsbereich geändert
worden. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze
massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden
Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1), und weil ferner das
Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf
den bis zum Zeitpunkt des Erlasses des streitigen Einspracheentscheides
eingetretenen Sachverhalt abstellt (BGE 121 V 366 Erw. 1b), sind im
vorliegenden Fall die bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Bestimmungen
anwendbar.

2.
Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat sich in seinem zur Publikation in
der Amtlichen Sammlung bestimmten Urteil H. vom 20. August 2003, U 17/03,
erneut zu den Leistungsvoraussetzungen bei unfallähnlichen Körperschädigungen
geäussert. Es hat dabei in Fortsetzung der Rechtsprechung gemäss BGE 123 V 43
und RKUV 2001 Nr. U 435 S. 332 daran festgehalten, dass mit Ausnahme der
Ungewöhnlichkeit sämtliche Tatbestandsmerkmale des Unfallbegriffs erfüllt
sein müssen. Besondere Bedeutung kommt dabei der Voraussetzung eines äusseren
Ereignisses zu, d.h. eines ausserhalb des Körpers liegenden, objektiv
feststellbaren, sinnfälligen, eben unfallähnlichen Vorfalles. Wo ein solches
Ereignis mit Einwirkung auf den Körper nicht stattgefunden hat, und sei es
auch nur als Auslöser eines in Art. 9 Abs. 2 lit. a-h UVV aufgezählten
Gesundheitsschadens, liegt eine eindeutig krankheits- oder degenerativ
bedingte Gesundheitsschädigung vor. Kein unfallähnliches Ereignis liegt in
all jenen Fällen vor, in denen der äussere Faktor mit dem (erstmaligen)
Auftreten der für eine der in Art. 9 Abs. 2 lit. a-h UVV enthaltenen
Gesundheitsschäden typischen Schmerzen gleichgesetzt wird. Auch nicht erfüllt
ist das Erfordernis des äusseren schädigenden Faktors, wenn das (erstmalige)
Auftreten von Schmerzen mit einer blossen Lebensverrichtung einhergeht,
welche die versicherte Person zu beschreiben in der Lage ist; denn für die
Bejahung eines äusseren auf den menschlichen Körper schädigend einwirkenden
Faktors ist stets ein Geschehen verlangt, dem ein gewisses gesteigertes
Gefährdungspotenzial innewohnt. Das ist zu bejahen, wenn die zum
einschiessenden Schmerz führende Tätigkeit im Rahmen einer allgemein
gesteigerten Gefahrenlage vorgenommen wird, wie dies etwa für viele
sportliche Betätigungen zutreffen kann. Wer hingegen beim Aufstehen,
Absitzen, Abliegen, der Bewegung im Raum, Handreichungen usw. einen
einschiessenden Schmerz erleidet, welcher sich als Symptom einer Schädigung
nach Art. 9 Abs. 2 UVV herausstellt, kann sich nicht auf das Vorliegen einer
unfallähnlichen Körperschädigung berufen. Erfüllt ist demgegenüber das
Erfordernis des äusseren schädigenden Faktors bei Änderungen der Körperlage,
die nach unfallmedizinischer Erfahrung häufig zu körpereigenen Traumen führen
können, also im Sinne der bisherigen Rechtsprechung das plötzliche Aufstehen
aus der Hocke, die heftige und/oder belastende Bewegung und die durch äussere
Einflüsse unkontrollierbare Änderung der Körperlage im Sinne der von der
Rechtsprechung positiv beurteilten Sachverhalte, woran festzuhalten ist.

3.
Angewendet auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt ergibt sich ohne
weiteres die Begründetheit des Standpunktes der Beschwerde führenden SUVA:
Beim fraglichen Kauvorgang, welcher zur Fraktur des Kiefers geführt hat, war
überhaupt kein äusserer Faktor beteiligt. Das Kauen der Nahrung und der dafür
erforderliche Kraftaufwand ist ein innerkörperliches Geschehen, das nicht in
den Bereich der unfallähnlichen Körperschädigung fällt. Anders wäre es zu
halten, wenn die Versicherte auf einen harten Gegenstand gebissen hätte.
Diesfalls könnte sich, bei Verneinung der Ungewöhnlichkeit und damit des
Unfallbegriffs, die Frage einer unfallähnlichen Körperschädigung stellen. Das
ist hier nicht der Fall.

4.
4.1 Streitigkeiten zwischen Versicherungsträgern über Leistungen aus
Unfallfolgen für einen gemeinsamen Versicherten sind kostenpflichtig (BGE 126
V 192 Erw. 6 mit Hinweisen). Die CSS Versicherung hat deshalb als
unterliegende Partei die Gerichtskosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 in
Verbindung mit Art. 135 OG).

4.2 Nach Art. 159 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 135 OG darf im Verfahren der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde obsiegenden Behörden oder mit
öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen in der Regel keine
Parteientschädigung zugesprochen werden. In Anwendung dieser Bestimmung hat
das Eidgenössische Versicherungsgericht der SUVA und den privaten
UVG-Versicherern sowie - von Sonderfällen abgesehen - den Krankenkassen keine
Parteientschädigungen zugesprochen, weil sie als Organisationen mit
öffentlich-rechtlichen Aufgaben zu qualifizieren sind (BGE 123 V 309 Erw. 10
mit Hinweisen).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des
Verwaltungsgericht des Kantons Zug vom 14. November 2002 aufgehoben.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3000.- werden der CSS Versicherung auferlegt.

3.
Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 6000.- wird der SUVA zurückerstattet.

4.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug, dem
Bundesamt für Sozialversicherung und J.________ zugestellt.
Luzern, 8. Oktober 2003

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer:   Die Gerichtsschreiberin: