Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 53/2003
Zurück zum Index Sozialrechtliche Abteilungen 2003
Retour à l'indice Sozialrechtliche Abteilungen 2003


U 53/03

Urteil vom 9. Februar 2004
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Meyer;
Gerichtsschreiberin Weber Peter

M.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwältin Christina
Ammann, Bahnhofstrasse 12, 8610 Uster,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 14. Januar 2003)

Sachverhalt:

A.
M.________, geboren 1944, arbeitete seit 1. Januar 1992 bei der Firma
X.________ AG und war bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt
(SUVA) gegen Unfälle versichert. Am 25. Oktober 1998 wurde sie beim
Überqueren eines Fussgängerstreifens angefahren. Sie zog sich dabei u.a. eine
dislozierte Radiusfraktur links, eine contusio capitis und eine
Labyrinthkontusion zu. Die Versicherte wurde vom 21. Januar bis 19. Februar
1999 zur Behandlung ihrer Verletzungen und der hinzugekommenen Panikstörung
mit Agoraphobie in der Klinik Y.________ hospitalisiert. Es folgten weitere
medizinische Abklärungen unter anderem durch Prof. Dr. med. W.________.
Dieser stellte am 27. April 1999 einen gutartigen paroxysmalen
Lagerungsnystagmus des linken hinteren Bogenganges fest, welcher für die
Schwindelsensationen verantwortlich war. Dieser konnte erfolgreich behandelt
werden, sodass er bereits am 11. Mai 1999 nicht mehr bestand. Hingegen
persistierten Kopfschmerzen und eine diffuse Angstsymptomatik mit
klaustrophoben Zuständen. Mit Verfügung vom 13. März 2000 verneinte die SUVA
ihre weitere Leistungspflicht ab 15. März 2000 aufgrund fehlender adäquater
Kausalität zwischen den geltend gemachten psychischen Problemen und dem
Unfall vom 25. Oktober 1998. Auf Einsprachen der Versicherten und der SWICA
Gesundheitsorganisation (Krankenkasse) hin hielt sie an ihrem Standpunkt fest
(Entscheid vom 30. Januar 2001).

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde der Versicherten wies das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 14. Januar
2003 ab.

C.
M.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, in
Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides seien ihr die gesetzlichen
Unfallversicherungsleistungen auch nach dem 15. März 2000 auszurichten.

Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während
das Bundesamt für Sozialversicherung, Abteilung Unfallversicherung (seit 1.
Januar 2004 im Bundesamt für Gesundheit) auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Umstritten ist, ob die SUVA im Zusammenhang mit dem Unfall vom 25. Oktober
1998 auch nach dem 15. März 2000 Leistungen, bestehend aus Krankenpflege,
Taggeld, Rente und Integritätsentschädigung, zu erbringen hat. Dabei ist in
diesem Verfahren einzig noch zu prüfen, ob die geklagten Beschwerden und die
dadurch bedingte Arbeitsunfähigkeit nicht nur natürlich, sondern auch adäquat
kausale Folge jenes Vorfalles sind.

Die für die Beurteilung dieser Frage massgeblichen Rechtsgrundlagen werden im
angefochtenen Entscheid zutreffend dargelegt, weshalb darauf verwiesen wird.
Zu erwähnen sind insbesondere die von der Rechtsprechung aufgestellten
Kriterien zur Adäquanzprüfung bei psychischen Beeinträchtigungen (BGE 115 V
133 ff.; RKUV 2000 Nr. U 394 S. 313).

2.
2.1 Das kantonale Gericht ist nach Würdigung der medizinischen Akten zu Recht
zur Erkenntnis gelangt, dass keine unfallbedingten, die Arbeitsfähigkeit
beeinträchtigenden somatischen Beschwerden mehr vorhanden sind und insoweit,
vom rein körperlichen Gesichtspunkt her, keine Leistungen geschuldet sind.
Auch die Beschwerdeführerin selbst führt keine organischen Unfallfolgen mehr
an.

2.2 Laut Bericht des behandelnden Arztes, Dr. med. Z.________, vom 14.
November 1997 (recte 1999), leidet die Beschwerdeführerin an einer
mittelgradig bis schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome.
Über die Ursache dieser Beschwerden äussert er sich nicht bestimmt. Man könne
sich fragen, ob die depressive Komponente ausschliesslich eine Reaktion auf
den Unfall und seine Folgen darstelle. Möglich sei auch, dass diese mit dem
Lebensalter, der  Postmenopause, zusammenhänge. Der zeitliche Zusammenhang
mit dem Unfallereignis sei aber nicht zu bestreiten. Nachdem auch die SUVA
einen mindestens teilweisen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Unfall und
den diagnostizierten psychischen Beschwerden nicht negiert, kann dieser mit
der Vorinstanz als gegeben betrachtet werden. Mithin erübrigt sich die
Anordnung weiterer Sachverhaltsabklärungen, insbesondere einer
psychiatrischen Expertise.

3.
Damit bleibt anhand der von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zu
prüfen, ob die genannte psychische Problematik auch in einem adäquaten
Kausalzusammenhang mit dem Unfall vom 25. Oktober 1998 steht.

3.1 Das kantonale Gericht hat den Unfall als mittelschwer eingestuft. Diese
Kategorisierung durch die Vorinstanz ist von Bundesrechts wegen (Art. 104
lit. a OG), auch im Lichte der Angemessenheitskontrolle sowie der fehlenden
Bindung an die Tatsachenfeststellung (Art. 132 lit. a, b OG), nicht zu
beanstanden und wird denn von der Beschwerdeführerin auch nicht bestritten.

3.2 Rechtsprechungsgemäss sind im Bereich von mittleren Unfällen weitere,
objektiv erfassbare Umstände, welche unmittelbar mit dem Unfall in
Zusammenhang stehen oder als direkte bzw. indirekte Folgen davon erscheinen,
in eine Gesamtwürdigung einzubeziehen. Solche - unfallbezogene - Umstände
können als Beurteilungskriterien dienen, weil sie ihrerseits nach dem
gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet
sind, in Verbindung mit dem Unfall zu einer psychisch bedingten
Erwerbsunfähigkeit zu führen oder diese zu verstärken. Als massgebende
Kriterien sind zu nennen:
besonders dramatische Begleitumstände oder besondere Eindrücklichkeit des
Unfalls;
die Schwere oder besondere Art der erlittenen Verletzungen, insbesondere ihre
erfahrungsgemässe Eignung, psychische Fehlentwicklungen auszulösen;
ungewöhnlich lange Dauer der ärztlichen Behandlung;
körperliche Dauerschmerzen;
ärztliche Fehlbehandlung, welche die Unfallfolgen erheblich verschlimmert;
schwieriger Heilungsverlauf und erhebliche Komplikationen;
Grad und Dauer der physisch bedingten Arbeitsunfähigkeit.
Der Einbezug sämtlicher objektiver Kriterien in die Gesamtwürdigung ist
jedoch nicht in jedem Fall erforderlich (BGE 115 V 140 Erw. 6c). Hingegen
müssen sie in gehäufter Weise oder in besonders ausgeprägter Form bejaht
werden können, damit die anspruchsbegründende Adäquanz als gegeben erachtet
werden kann.

4.
4.1 Wie die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid zutreffend dargelegt hat,
handelt es sich bei der Frage, ob der adäquate Kausalzusammenhang gegeben
ist, um eine Rechtsfrage, die nicht von einem Arzt beantwortet werden kann.
Ärztliche Stellungnahmen - wie auch die Argumentation post hoc, ergo propter
hoc - können sich einzig auf den natürlichen Kausalzusammenhang beziehen,
welcher vorliegend gar nicht strittig ist. Mithin kann die Beschwerdeführerin
aus den die Adäquanzkriterien bejahenden Stellungnahmen der behandelnden
Ärzte nichts zu ihren Gunsten ableiten.

4.2 Der Argumentation in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, die Versicherte
habe die Kollision als traumatisch und besonders eindrücklich erlebt, kann
ebenfalls nicht gefolgt werden. Wie schon in dem in RKUV 2000 Nr. U 394 S.
313 veröffentlichten Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom 31.
Mai 2000 dargelegt, besteht kein Anlass, von einer objektivierten
Adäquanzbeurteilung abzugehen und einer subjektivierten Betrachtungsweise den
Vorzug zu geben, dies auch nicht mit Blick auf das Kriterium der besonderen
Eindrücklichkeit des Unfalles. An der bisherigen Praxis, die diesbezüglich
kasuistisch ausgestaltet ist, ist festzuhalten.

4.3 Ebenso wenig hat die Beschwerdeführerin Verletzungen erlitten, die als
besonders geeignet erscheinen, eine psychische Fehlentwicklung auszulösen.
Insbesondere hat sie sich entgegen ihrer Darstellung keine "entstellenden
Gesichtsverletzungen" zugezogen. Solche sind in den medizinischen Akten
nirgends beschrieben. Das mit einer Fotografie belegte Brillenhämatom heilt
erfahrungsgemäss innert weniger Tage oder Wochen und ist keinesfalls
geeignet, wegen seiner "entstellenden" Wirkung psychische Dauerbeschwerden zu
erzeugen. Einzig die wegen der Labyrinthkontusion aufgetretenen Drehschwindel
vermöchten allenfalls eine psychische Fehlentwicklung auszulösen. Hingegen
waren auch diese bereits ungefähr nach einem halben Jahr nach dem Unfall
nicht mehr vorhanden (vgl. Erwägung 4.4 hienach).

4.4 Im Weiteren lagen weder eine ungewöhnlich lange Dauer der ärztlichen
Behandlung, noch körperliche Dauerschmerzen vor. Nachdem Prof. Dr. med.
W.________ am 26. April 1999 einen gutartigen paroxysmalen Lagerungsnystagmus
entdeckt und sofort behandelt hatte, war dieser bereits anlässlich der
Kontrolluntersuchung vom 11. Mai 1999 nicht mehr vorhanden und damit geheilt.
Bis zu jenem Zeitpunkt war auch die konservativ therapierte Radiusfraktur
konsolidiert. Von somatischer Seite lag damit ein völlig komplikationsloser
Verlauf vor; auch von einer ärztlichen Fehlbehandlung kann keine Rede sein.

4.5 Schliesslich ist auch das Kriterium einer lange dauernden, erheblichen
physischen Arbeitsunfähigkeit nicht erfüllt. Es gibt keinen Anhaltspunkt
dafür, dass eine Wiederaufnahme der Arbeit nach dem 11. Mai 1999 aus
physischen Gründen nicht möglich gewesen sein sollte. Aus der Tatsache, dass
die SUVA bis zum 14. März 2000 weitere Abklärungen über die tatsächlichen
Verhältnisse traf und während dieser Zeit Taggelder bezahlte, darf nicht
geschlossen werden, sie habe ebenso lange eine somatisch bedingte
Arbeitsunfähigkeit anerkannt.

Zusammenfassend ergibt sich, dass weder ein einzelnes von der Rechtsprechung
aufgestelltes Kriterum in ausgeprägter Form noch mehrere Kriterien in
gehäufter Weise gegeben sind, womit die Vorinstanz die Leistungspflicht des
Unfallversicherers über den 15. März 2000 hinaus zu Recht verneinte.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugestellt.

Luzern, 9. Februar 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin:
i.V.