Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 48/2003
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U 48/03

Urteil vom 8. Oktober 2003
IV. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiber
Nussbaumer

B.________, 1956, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter
Sutter, Niedern 117, 9043 Trogen,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
Beschwerdegegnerin

Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen

(Entscheid vom 11. Dezember 2002)

Sachverhalt:

A.
B. ________ (geboren 1956) zog sich am 20. Dezember 1975 bei einem Unfall
eine Distorsion des rechten oberen Sprunggelenkes zu. Am 20. Januar 1976
wurde eine Übergangsfraktur samt Abriss des Tubercule de Chaput festgestellt,
weshalb eine Osteosynthese vorgenommen wurde. Da sich in der Folge eine
Pseudoarthrose entwickelte, erfolgte am 10. Juni 1976 eine Entfernung des
Tubercule de Chaput und eine Transfixation des unteren und oberen
Sprunggelenkes. Am 21. Mai 1979 wurde eine Arthrodese des rechten oberen
Sprunggelenkes, am 12. Dezember 1979 eine Spannarthrodese des rechten unteren
Sprunggelenkes und am 17. August 1981 eine supramalleoläre
Korrektur-Osteotomie am rechten Fuss durchgeführt.
Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) anerkannte ihre
Leistungspflicht und erbrachte die gesetzlichen Leistungen. Mit Verfügung vom
31. Oktober 1980 sprach sie dem Versicherten ab 14. April 1980 eine
Invalidenrente für eine Erwerbsunfähigkeit von 331/3 % zu. Anlässlich einer
Rentenrevision setzte sie die Invalidenrente mit Verfügung vom 11. April 1989
mit Wirkung ab 1. Mai 1989 auf 10 % herab mit der Begründung, dass sich die
Unfallfolgen dank der im Oktober 1983 abgeschlossenen Lehre als
Heizungszeichner und einem Arbeitsplatzwechsel Ende März 1988 in erwerblicher
Hinsicht nicht mehr im ursprünglichen Umfang auswirkten. Nachdem die
IV-Stelle des Kantons St. Gallen die B.________ seit Dezember 1992
ausgerichtete halbe Invalidenrente mit Wirkung ab 1. Juni 1999 auf eine ganze
Rente erhöht hatte, liess B.________ am 14. Juni 2000 bei der SUVA ein Gesuch
um Revision der Invalidenrente stellen. Nach Einholen eines Berichts des Dr.
A.________ von der Abteilung Unfallmedizin vom 29. März 2001 lehnte die SUVA
mit Verfügung vom 2. April 2001 eine revisionsweise Erhöhung der
Invalidenrente ab. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 24. Oktober
2001 fest.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons
St. Gallen mit Entscheid vom 11. Dezember 2002 ab.

C.
B.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, in
Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und des Einspracheentscheides sei
ihm revisionsweise eine Rente für eine Invalidität von mindestens 50 %
zuzusprechen. Eventuell sei die Sache an die SUVA zur Vornahme weiterer
Abklärungen zurückzuweisen.

Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Kantonales Gericht und Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf eine
Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Wie die Vorinstanz richtig dargelegt hat, kommt das am 1. Januar 2003 in
Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 nicht zur Anwendung,
weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend
sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes
Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1), und weil das Sozialversicherungsgericht
bei der Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf den bis zum Zeitpunkt des
Erlasses des streitigen Einspracheentscheides (hier: 24. Oktober 2001)
eingetretenen Sachverhalt abstellt (BGE 121 V 366 Erw. 1b).

2.
Das kantonale Gericht hat den Begriff des Rückfalls und der Spätfolge sowie
die Voraussetzungen für die Erhöhung unter dem alten Recht entstandener
Rentenansprüche (Art. 118 Abs. 1 UVG, Art. 80 Abs. 2 KUVG; BGE 118 V 295 Erw.
2a, 111 V 37) zutreffend dargelegt. Richtig sind auch die Ausführungen,
wonach die entsprechende Leistungspflicht des Unfallversicherers den Bestand
eines natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhanges zwischen den erneut
geltend gemachten Beschwerden und der seinerzeit beim versicherten Unfall
erlittenen Gesundheitsschädigung voraussetzt (BGE 118 V 296 f. Erw. 2c mit
Hinweisen; RKUV 1994 Nr. U 206 S. 327 Erw. 2). Darauf wird verwiesen.

Da der Versicherte aus dem Vorliegen eines natürlichen Kausalzusammenhanges
Rechte ableitet, hat er und nicht der Unfallversicherer das diesbezügliche
Beweisrisiko zu tragen. Je grösser der zeitliche Abstand zwischen dem Unfall
und dem Auftreten der gesundheitlichen Beeinträchtigung ist, desto strengere
Anforderungen sind an den Wahrscheinlichkeitsbeweis des natürlichen
Kausalzusammenhanges zu stellen (RKUV 1997 Nr. U 275 S. 191 Erw. 1c am Ende).
Im Falle der Beweislosigkeit fällt der Entscheid zu Lasten der versicherten
Person aus, die aus dem unbewiesen gebliebenen natürlichen Kausalzusammenhang
als anspruchsbegründender Tatsache Rechte ableiten wollte (RKUV 1994 Nr. U
206 S. 328 Erw. 3b).

3.
3.1 Nachdem im IV-Abklärungsverfahren eingeholten Gutachten des Zentrums für
Medizinische Begutachtung in C.________ (ZMB) vom 28. Februar 2000 liegen
beim Beschwerdeführer folgende Leiden vor:
Hauptdiagnose (mit Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit)
- Zustand nach Arthrodese des oberen und unteren rechten  Sprunggelenks
- nach mehreren Operationen am Rückfuss
- Chronisches Lumbovertebralsyndrom mit intermittierender radikulä-
 rer Reizung links
- bei mediolateraler Diskushernie L5/S1 links
- Diskusprotrusion L4/5 links
- Osteochondritis dissecans des rechten Ellbogens
- mit beginnender Ellbogenarthrose rechts,
- Schmerzhaft eingeschränkte Beweglichkeit des linken Handgelenks
- nach distaler intraartikulärer Vorderarmfraktur links
- Dysthymie
Nebendiagnose (ohne Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit)
- Leichtgradige Hüftdysplasie links
- mit Coxa valga
- Zustand nach operativer Korrektur einer Osteochondritis dissecans
 am linken Kniegelenk.
Der orthopädische Gutachter des ZMB hielt zudem fest, das obere und untere
rechte Sprunggelenk seien stabil. Die Beschwielung der Fusssohlen sei
seitengleich und praktisch normal. Der Beschwerdeführer sei aus
orthopädischer Sicht in seiner bisherigen Tätigkeit erheblich behindert. Er
sei bei stehenden, sitzenden und gehenden Tätigkeiten in seiner
Arbeitsfähigkeit eingeschränkt. Durch seine Ellbogenerkrankung und seine
Handgelenksfraktur seien auch handwerkliche Tätigkeiten wie das Zeichnen nur
erschwert möglich. Die Rückenbeschwerden hätten zwischen 1992 und 1999
deutlich zugenommen. Zusammenfassend hielt das ZMB fest, aus Sicht des
Bewegungsapparates bestehe auf Grund der vielfältigen und in ihrer
Kombination sich aufeinander ungünstig auswirkenden Einschränkungen eine
Arbeitsfähigkeit als Heizungszeichner und in jeder anderen Tätigkeit von
höchstens noch 30 %.

Zusätzlich zu den vom ZMB diagnostizierten Leiden hielt Dr. L.________ im
Bericht vom 13. November 2001 als Diagnose ein arthrogenes Stauungssyndrom
rechts mit Zeichen einer chronisch-venösen Insuffizienz Grad II Phleboedem
und Pigmentation sowie eine deutliche Muskelatrophie der rechten Extremität
fest.

3.2 Nach Auffassung des Kreisarztes Dr. S.________ im Bericht vom 26. Januar
2001 haben die Gefühlsveränderungen und Kribbelparästhesien am Oberschenkel
eine vertebrale Ursache und sind unfallfremd. Dr. A.________ von der
Abteilung Unfallmedizin der Beschwerdegegnerin betrachtet im Bericht vom 29.
März 2001 die vom ZMB im Gutachten vom 28. Februar 2000 diagnostizierten
Leiden, soweit sie nicht den rechten Fuss betreffen, für unfallfremd. Zum
gleichen Schluss gelangt er im Bericht vom 6. November 2002 hinsichtlich des
von Dr. L.________ diagnostizierten arthrogenen Stauungssyndroms.
Demgegenüber ist Dr. O.________ im Schreiben vom 14. Februar 2003 der
Auffassung, das arthrogene Stauungssyndrom sei erst mit der Versteifung des
Sprunggelenkes aufgetreten.

3.3 Das kantonale Gericht liess im angefochtenen Entscheid offen, ob die
Hüftbeschwerden wenigstens teilkausal und die Beschwerden am linken Knie
kausal zum Unfall seien, da beide gemäss dem Gutachten des ZMB vom 28.
Februar 2000 die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers nicht beeinflussen
würden. Hinsichtlich der Beschwerden im rechten Fuss, im Rücken und in den
Beinen lägen abweichende Meinungen zum Kausalzusammenhang vor. Dr. O.________
und in gewissem Mass auch Dr. L.________ würden die Ansicht vertreten, dass
der Unfall die kausale Ursache der erwähnten Beschwerden sei. Die beiden
Ärzte der Beschwerdegegnerin, Kreisarzt Dr. S.________ und Dr. A.________,
seien hingegen der Ansicht, dass sich die Unfallfolgen nicht verschlimmert
hätten.
Zwar ist mit dem kantonalen Gericht anzunehmen, dass eine Verschlechterung
des Zustands des rechten Fusses nicht vorliegt, was der Beschwerdeführer in
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht ausdrücklich bestreitet. Nicht
gefolgt werden kann hingegen dem kantonalen Gericht, soweit es um die
Rückenbeschwerden und das Stauungssyndrom geht. Es hielt fest, aus dem
Gutachten des ZMB vom 28. Februar 2000 sei nicht ersichtlich, ob es sich
hinsichtlich der Rückenbeschwerden um Folgen des Unfalls handeln könnte, da
die Kausalitätsfrage vom ZMB nicht geprüft worden sei. Zwar ergäben sich aus
den Berichten von Dr. O.________ einzelne Hinweise auf Fehl- und
Überbelastungen, die durch den rechten Fuss bedingt seien. Dr. A.________ und
auch Dr. S.________ verneinten hingegen einen Zusammenhang zwischen den
Restfolgen am rechten Fuss und den Befunden im Rücken. Hinsichtlich des
Stauungssyndroms am rechten Bein schloss es aus dem Umstand, dass dieses
Leiden im Gutachten des ZMB vom 28. Februar 2000 nicht erwähnt worden sei,
dass diese Beschwerden zeitlich begrenzt aufgetreten seien und keine länger
andauernde massgebliche Einschränkung der Arbeitsfähigkeit bewirkt hätten.
Aus dem Bericht des Dr. L.________ vom 13. November 2001 und dem mit der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereichten Schreiben des Dr. O.________ vom
14. Februar 2003 ist jedoch zu folgern, dass es sich beim Venenleiden nicht
um eine vorübergehende Erkrankung handelt. Da sich das ZMB im Gutachten vom
28. Februar 2000 nicht zur Unfallkausalität der verschiedenen Leiden
auszusprechen hatte und die Ärzte der Beschwerdegegnerin und die
anstaltsfremden Ärzte sich widersprechen, kann entgegen der Auffassung des
kantonalen Gerichts nicht in zuverlässiger Weise und abschliessend beurteilt
werden, ob der versicherte Unfall vom 20. Dezember 1975 mit Verletzung des
rechten Sprunggelenkes zu Spätfolgen geführt hat, welche auch einen Einfluss
auf die Arbeitsfähigkeit und Erwerbsfähigkeit haben. Die Sache geht daher an
die Beschwerdegegnerin zurück, damit sie diesbezüglich eine neutrale
Begutachtung veranlasse und hernach über das Rentenrevisionsbegehren neu
verfüge.

4.
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer Anspruch auf
eine Parteientschädigung (Art. 159 Abs. 2 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der
Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 11. Dezember
2002 und der Einspracheentscheid vom 24. Oktober 2001 aufgehoben werden und
die Sache an die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt zurückgewiesen
wird, damit diese im Sinne der Erwägungen verfahre und hernach über die
Revision der Invalidenrente neu verfüge.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt hat dem Beschwerdeführer für
das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine
Parteientschädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu
bezahlen.

4.
Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen wird über eine
Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des
letztinstanzlichen Prozesses zu befinden haben.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 8. Oktober 2003

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der IV. Kammer:  Der Gerichtsschreiber:

i.V.