Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 36/2003
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U 36/03

Urteil vom 20. November 2003
III. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Lustenberger; Gerichtsschreiberin
Fleischanderl

Z.________, 1943, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Michael
Ausfeld, Weinbergstrasse 18, 8001 Zürich,

gegen

Zürich Versicherungs-Gesellschaft, Talackerstrasse 1, 8152 Opfikon,
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Hermann Rüegg, Limmatquai
72, 8001 Zürich

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 19. Dezember 2002)

Sachverhalt:

A.
Die 1943 geborene Z.________ war seit dem 1. April 1988 als Wirtin im
Restaurant Y.________ in X.________ tätig, als sie am 24. Dezember 1992 auf
einer Treppe stürzte und sich eine Distorsion der beiden oberen Sprunggelenke
zuzog. Die "Zürich" Versicherungs-Gesellschaft (nachfolgend: "Zürich") als
obligatorischer Unfallversicherer des Arbeitgebers erbrachte bis zum
Behandlungsabschluss im Herbst 1994 die gesetzlichen Leistungen (Taggelder,
Heilbehandlung).

Am 18. Januar 1995 erlitt Z.________ anlässlich eines erneuten Sturzes eine
Distorsion des linken Knies.

Sich im Bett drehend stiess Z.________ am 8. Oktober 1998 mit dem linken Knie
gegen eine Wand, woraus eine Meniskusläsion links resultierte. Dr. med.
W.________, Facharzt für Orthopädische Chirurgie FMH, übernahm die Behandlung
und führte am 7. Januar 1999 eine Arthroskopie mit subtotaler lateraler
Meniskektomie durch. Da die Beschwerden in der Folge persistierten, nahm er
am 22. Juli 1999 eine weitere Arthroskopie samt lateraler
Meniskusvorderhorn-Resektion sowie Gelenk-Débridement links vor und
implantierte schliesslich am 27. März 2000 eine Knie-Totalprothese links.
Gestützt auf ein bei Dr. med. S.________, Spezialarzt FMH orthopädische
Chirurgie, eingeholtes Gutachten vom 21. Juli 1999 sowie einen Bericht des
beratenden Arztes Dr. med. T.________ vom 15. März 2000 stellte die "Zürich"
ihre Leistungen auf den 29. Februar 2000 ein, da die noch bestehenden
Beschwerden nicht mehr unfallbedingt sondern auf ein krankhaftes Geschehen
zurückzuführen seien (Verfügung vom 13. April 2000). Nach Beizug einer
ergänzenden Stellungnahme des Dr. med. S.________ vom 30. August 2000 im
Einspracheverfahren hielt die "Zürich" mit Entscheid vom 27. März 2001 an
ihrem Standpunkt fest. Hievon rückte sie auch auf Wiedererwägungsgesuch vom
19. April 2001, welchem ein Bericht des Dr. med. W.________ vom 28. März 2001
beilag, nicht ab (Schreiben der "Zürich" vom 4. Mai 2001).

B.
Die gegen den Einspracheentscheid vom 27. März 2001 eingereichte Beschwerde
wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich ab (Entscheid vom 19.
Dezember 2002).

C.
Z. ________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und bean-tragen, in
Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei die "Zürich" zu verpflichten,
ihr bezüglich des Unfallereignisses vom 24. Dezember 1992 die gesetzlichen
Leistungen zu erbringen. Ferner ersucht sie um Gewährung der unentgeltlichen
Verbeiständung.

Während die "Zürich" auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
schliessen lässt, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine
Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Vorinstanz hat die von der Judikatur entwickelten Grundsätze zu dem für
die Leistungspflicht des Unfallversicherers nach Art. 6 Abs. 1 UVG
vorausgesetzten natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis
und dem eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität, Tod; BGE 123 V 45 Erw.
2b, 119 V 337 Erw. 1, 118 V 289 Erw. 1b, je mit Hinweisen; vgl. auch BGE 126
V 361 Erw. 5c), dem im Sozialversicherungsrecht allgemein üblichen Beweisgrad
der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 119 V 338 Erw. 1, 118 V 289 f. Erw.
1b, je mit Hinweisen; vgl. auch BGE 126 V 360 Erw. 5b mit Hinweisen) sowie
zum Beweiswert und zur Beweiswürdigung ärztlicher Berichte und Gutachten (BGE
125 V 352 Erw. 3a, 122 V 160 Erw. 1c) zutreffend wiedergegeben. Darauf wird
verwiesen. Zu ergänzen ist, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene
Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
vom 6. Oktober 2000 im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, da nach dem
massgebenden Zeitpunkt des Erlasses des strittigen Einspracheentscheides
(hier: 27. März 2001) eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom
Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 127 V 467 Erw. 1,
121 V 366 Erw. 1b).

2.
Nach Lage der medizinischen Akten letztinstanzlich zu Recht nunmehr
unbestritten ist, dass keine direkten Folgen der Unfälle aus den Jahren 1992,
1995 und 1998 mehr vorliegen, sondern insbesondere das über den 29. Februar
2000 hinaus noch bestehende Beschwerdebild im linken Knie ausschliesslich
durch die seit 1994 nachweisbaren arthrotischen Veränderungen bestimmt wird
(Gutachten des Dr. med. S.________ vom 21. Juli 1999 und 30. August 2000
sowie Bericht des Dr. med. W.________ vom 21. Oktober 1999). Wie das
kantonale Gericht ferner einlässlich begründet hat, ergibt sich eine
weitergehende Leistungspflicht der Beschwerdegegnerin auch nicht daraus, dass
die Arthroseentwicklung durch die Ereignisse vom 18. Januar 1995 und 8.
Oktober 1998 eine richtungsweisende Veränderung erfahren hätte. Gestützt auf
die ärztlichen Unterlagen, namentlich die Berichte des Dr. med. W.________
vom 7. Januar, 9. Juni (KG-Auszug), 22. Juli und 21. Oktober 1999, 7. Februar
und 27. März 2000 sowie 28. März 2001, die Gutachten des Dr. med. S.________
vom 21. Juli 1999 und 30. August 2000 sowie die Stellungnahme des Dr. med.
T.________ vom 15. März 2000, ist nicht mit dem erforderlichen Beweisgrad der
überwiegenden Wahrscheinlichkeit dargetan, dass durch die im Januar 1995
erlittene leichte Kniedistorsion links bzw. die im Oktober 1998 zugezogene
Meniskusläsion links das Fortschreiten der Arthrose noch zusätzlich - auch
nicht vorübergehend - verschlimmert worden wäre. Dem opponiert die
Beschwerdeführerin vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht ebenfalls
nicht.

Streitig und im Folgenden zu prüfen ist demgegenüber, ob das Unfallereignis
vom 24. Dezember 1992 als Auslöser - mindestens im Sinne einer Teilursache -
der erstmals im Jahre 1994 festgestellten lateralen Gonarthrose bei
Valgusfehlstellung im linken Knie zu gelten hat.

3.
3.1 In seinem Bericht vom 28. März 2001 führt Dr. med. W.________ aus, dass
sich bei ursprünglich gleicher Valgusproblematik beider Knie nach der
Röntgenuntersuchung vom 16. Juni 1993, anlässlich welcher noch keine
arthrotischen Veränderungen hätten festgestellt werden können, eine
Gonarthrose am linken Knie herausgebildet habe. Inwieweit die durch die am
24. Dezember 1992 erlittene Schädigung des linken oberen Sprunggelenks
vermehrte Knickfussbildung in ursächlichem Zusammenhang zur Fehlbelastung
(und damit zur Arthroseentwicklung) stehe, könne "damit nicht ganz sicher
differenziert werden". Dr. med. S.________ wies in seinem Gutachten vom 21.
Juli 1999 - bestätigt durch seine Darlegungen vom 30. August 2000 - darauf
hin, dass die Arthrose des Kniegelenkes auf Grund der erheblichen einseitigen
Valgusfehlstellung isoliert links weiter fortschreiten werde. Mit den
Fussverletzungen samt posttraumatischer Osteochondrosis disse-cans des
medialen Talus lasse sich diese Valgusstellung indes ebenso wenig erklärten
wie mit dem Unfallereignis vom 8. Oktober 1998. Die weitere Behandlung der
Arthrose am linken Kniegelenk könne deshalb nicht als unfallbedingt erfolgen.
Übereinstimmend gab Dr. med. T.________ in seiner Stellungnahme vom 15. März
2000 zuhanden der Beschwerdegegnerin sodann an, das Ereignis aus dem Jahre
1992 (OSG links) habe keinen Einfluss auf die heutigen Beschwerden.
Insbesondere hätten sich durch eine Entlastung des linken Beines eher
arthrotische Veränderungen auf der rechten Seite ergeben müssen, was jedoch
nicht geschehen sei.

3.2 Aus diesen Einschätzungen des Beschwerdebildes erhellt, dass ein
natürlicher Kausalzusammenhang zwischen der Valgusfehlstellung links und der
sich daraus entwickelten Arthrose im linken Kniegelenk und dem Sturz vom 24.
Dezember 1992 zwar als möglich erscheint, nicht aber mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit erstellt ist. Wie das kantonale Gericht zutreffend erwogen
hat, setzte die Arthroseentwicklung zwar erst nach dem Unfallereignis ab etwa
1994 ein und kann daher - mit Dr. med. W.________ - durchaus als
"posttraumatisch" bezeichnet werden, wenn auch in einem rein
entstehungszeitlichen Sinne. Aus dem Umstand allein, dass vor dem Unfall
keine arthrotischen Veränderungen bestanden haben, kann indessen nicht
einfach in Anwendung der Formel "post hoc ergo propter hoc", wonach eine
gesundheitliche Schädigung schon dann als durch den Unfall verursacht gilt,
weil sie nach diesem aufgetreten ist (vgl. BGE 119 V 341 f.), auf einen
rechtsgenüglichen Zusammenhang geschlossen werden. An diesem Ergebnis nichts
zu ändern vermag die Beschwerdeführerin auch durch ihren Hinweis auf einen
Bericht des Dr. med. F.________ vom 1. November 1994, konnte der Arzt zum
damaligen Zeitpunkt doch keinen pathologischen Befund, insbesondere auch
keine Arthrose, für die von der Patientin geklagten Schmerzen objektivieren.
Eine Aussage zur - hier allein interessierenden - Frage, ob ein
Kausalzusammenhang zwischen den auf die arthrotischen Befunde
zurückzuführenden Kniebeschwerden im Jahre 2000 und dem Unfallereignis vom
24. Dezember 1992 mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit
bejaht werden kann, war somit kaum möglich.

Durch die aktenkundigen medizinischen Unterlagen ist der relevante
Sachverhalt - namentlich im Hinblick auf die Kausalität - hinreichend
geklärt. Auf die beantragte Einholung eines weiteren ärztlichen Gut-achtens
kann verzichtet werden, da davon keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten
sind (antizipierte Beweiswürdigung; SVR 2001 IV Nr. 10 S. 28 Erw. 4b mit
Hinweisen auf BGE 124 V 94 Erw. 4b und 122 V 162 Erw. 1d). Bei diesem Ausgang
des Prozesses erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit der von der
Beschwerdegegnerin aufgeworfenen Frage nach der Versicherteneigenschaft der
Beschwerdeführerin in den verschiedenen Unfallzeitpunkten, sodass es beim
vorinstanzlichen Entscheid sein Bewenden hat.

4.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Dem Gesuch um Gewährung der
unentgeltlichen Verbeiständung kann entsprochen werden, da die hiefür nach
Gesetz (Art. 152 in Verbindung mit Art. 135 OG) und Rechtsprechung (BGE 125 V
202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b, je mit Hinweisen) erforderlichen Voraussetzungen
erfüllt sind. Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam
gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten
haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Rechtsanwalt
Michael Ausfeld, Zürich, für das Verfahren vor dem Eidgenössischen
Versicherungsgericht aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2500.-
(einschliesslich Mehrwertsteuer) ausgerichtet.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 20. November 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer:   Die Gerichtsschreiberin: