Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 333/2003
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U 333/03

Urteil vom 7. April 2004
II. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Schön und Rüedi; Gerichtsschreiberin Amstutz

S.________, 1969, Beschwerdeführer,

gegen

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Lagerhausstrasse 19, 8400
Winterthur, Beschwerdegegner

(Entscheid vom 27. November 2003)

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 17. September 2002 verneinte die Schweizerische
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) den Anspruch des 1969 geborenen S.________
auf weitere Versicherungsleistungen für die Folgen eines am 2. April 2001
erlittenen Skiunfalls. Dies bestätigte sie mit  Einspracheentscheid vom 9.
Juli 2003.

B.
Im Rahmen der hiegegen erhobenen Beschwerde ersuchte S.________ um Gewährung
der unentgeltlichen Verbeiständung. Mit prozessleitender Verfügung vom 27.
November 2003 wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich das
Gesuch ab.

C.
S.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem sinngemässen Antrag,
in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids vom 27. November 2003 sei ihm
die unentgeltliche Verbeiständung für das kantonale Verfahren zu bewilligen.
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hat auf eine Vernehmlassung
verzichtet.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Eidgenössische Versicherungsgericht beurteilt letztinstanzlich
Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Verfügungen im Sinne von Art. 5 VwVG auf
dem Gebiete der Sozialversicherung (Art. 128 in Verbindung mit Art. 97, 98
lit. b-h und 98a OG). Als Verfügungen gelten unter anderem auch die im
erstinstanzlichen Beschwerdeverfahren erlassenen Zwischenverfügungen über die
Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege (Art. 5 Abs. 2 in Verbindung
mit Art. 45 Abs. 2 lit. h VwVG). Diese sind grundsätzlich selbstständig mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Eidgenössischen Versicherungsgericht
anfechtbar, da sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können
(Art. 45 Abs. 1 VwVG; BGE 100 V 62 Erw. 1; RKUV 2000 Nr. KV 119 S. 154 f.
Erw. 1a mit Hinweisen; vgl. auch BGE 129 I 131 Erw. 1.1 mit Hinweis);
vorausgesetzt ist, dass gegen den kantonalen Endentscheid die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Eidgenössische Versicherungsgericht
offen steht (vgl. Art. 129 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 101 lit. a OG; BGE
128 V 201 f. Erw. 2a, 124 V 85 Erw. 2 mit Hinweisen), was im hier zu
beurteilenden Fall zu bejahen ist (Art. 62 Abs. 1 ATSG [vgl. Erw. 3.1]; vgl.
auch Art. 106 in Verbindung mit Art. 110 Abs. 1 UVG in der bis 31. Dezember
2002 gültig gewesenen Fassung).

2.
Im Beschwerdeverfahren über die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege
durch das kantonale Versicherungsgericht sind keine Versicherungsleistungen
streitig, weshalb das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen hat,
ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung
oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt
offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher
Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit
Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG; BGE 100 V 62 Erw. 2).

3.
3.1 Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getretenen. Die
damit einhergehenden, auch für das Unfallversicherungsrecht geltenden
verfahrensrechtlichen Neuerungen sind vorbehältlich abweichender Bestimmungen
des UVG (Art. 2 ATSG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 UVG) auf den hier zu
beurteilenden Fall anwendbar (vgl. BGE 129 V 115 Erw. 2.2, 117 V 93 Erw. 6b,
112 V 360 Erw. 4a; RKUV 1998 Nr. KV 37 S. 316 Erw. 3b).

3.2 Gemäss Art. 61 Satz 1 ATSG bestimmt sich das Verfahren vor dem kantonalen
Versicherungsgericht unter Vorbehalt von Art. 1 Abs. 3 VwVG nach kantonalem
Recht. Lit. f dieser Bestimmung sieht vor, dass das Recht, sich verbeiständen
zu lassen, gewährleistet sein muss (Satz 1). Wo die Verhältnisse es
rechtfertigen, wird der Beschwerde führenden Person ein unentgeltlicher
Rechtsbeistand bewilligt (Satz 2). Damit wird der im Sinne einer
Mindestgarantie  bundesverfassungsrechtlich gewährleistete (Art. 29 Abs. 3
Satz 2 BV)  Verfahrensanspruch für sämtliche vom Geltungsbereich des ATSG
erfassten Regelungsgebiete gesetzlich verbürgt. Mit In-Kraft-Treten des neuen
Rechts hat sich indes im Bereich des Unfallversicherungsrechts inhaltlich
nichts geändert, da ein bundesgesetzlicher Anspruch auf unentgeltliche
Verbeiständung durch den im Wortlaut mit Art. 61 lit. f ATSG
übereinstimmenden, per 1. Januar 2003 nunmehr aufgehobenen Art. 108 Abs. 1
lit. f UVG bereits vorher ausdrücklich gewährleistet war. Angesichts dieser
materiellrechtlichen Kontinuität zwischen altem und neuen Recht hat die zu
Art. 108 Abs. 1 lit. f UVG ergangene Rechtsprechung auch unter der Herrschaft
des ATSG unverändert Geltung (vgl. Urteil X. vom 3. Juli 2003 [U 114/03] Erw.
2).

4.
4.1 Praxisgemäss sind die Voraussetzungen für die Bewilligung der
unentgeltlichen Verbeiständung erfüllt, wenn der Prozess nicht aussichtslos,
die Partei bedürftig und die anwaltliche Verbeiständung notwendig oder doch
geboten ist (BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b, je mit Hinweisen).
Die Vorinstanz hat den Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung einzig
unter dem Aspekt der Notwendigkeit der Prozessvertretung geprüft und diese
mit der Begründung verneint, aus der rechtsgenüglichen
Verwaltungsgerichtsbeschwerde des Beschwerdeführers gehe hervor, dass er zur
Wahrung seiner Recht im Stande sei; im Übrigen sei das Verfahren vom
Untersuchungsgrundsatz beherrscht und habe das Gericht das Recht von Amtes
wegen anzuwenden, was eine anwaltliche Vertretung ebenfalls als nicht geboten
erscheinen lasse.

4.2 Ob die anwaltliche Verbeiständung notwendig oder doch geboten ist,
beurteilt sich nach den konkreten objektiven und subjektiven Umständen.
Praktisch ist im Einzelfall zu fragen, ob eine nicht bedürftige Partei unter
sonst gleichen Umständen vernünftigerweise eine Rechtsanwältin oder einen
Rechtsanwalt beiziehen würde, weil sie selber zu wenig rechtskundig ist und
das Interesse am Prozessausgang den Aufwand rechtfertigt (BGE 103 V 47, 98 V
118; vgl. auch BGE 128 I 232 Erw. 2.5.2 mit Hinweisen). Im Rahmen der
Einzelfallprüfung zu berücksichtigen sind etwa auch die Eigenheiten der
anwendbaren Verfahrensvorschriften sowie die Besonderheiten des jeweiligen
Verfahrens. Dabei fallen neben der Komplexität der Rechtsfragen und der
Unübersichtlichkeit des Sachverhalts auch in der Person des Betroffenen
liegende Gründe in Betracht, wie etwa seine Fähigkeit, sich im Verfahren
zurechtzufinden (Schwander, Anmerkung zu BGE 122 I 8, in: AJP 1996 S. 495).
Falls ein  besonders starker Eingriff in die Rechtsstellung des Bedürftigen
droht, ist die Verbeiständung grundsätzlich geboten, andernfalls bloss, wenn
zur relativen Schwere des Falls besondere tatsächliche oder rechtliche
Schwierigkeiten hinzukommen, denen der Gesuchsteller auf sich alleine
gestellt nicht gewachsen ist (BGE 125 V 35 f. Erw. 4b).
Die sachliche Notwendigkeit wird nicht allein dadurch ausgeschlossen, dass
das in Frage stehende Verfahren von der Offizialmaxime oder dem
Untersuchungsgrundsatz beherrscht wird, die Behörde also gehalten ist, an der
Ermittlung des rechtserheblichen Sachverhaltes mitzuwirken. Die
Offizialmaxime rechtfertigt es jedoch, an die Voraussetzungen, unter denen
eine Verbeiständung durch einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin
sachlich geboten ist, einen strengen Massstab anzulegen (BGE 125 V 36 Erw. 4b
mit Hinweisen).

4.3 In der Hauptsache ist vor dem kantonalen Gericht die Rechtsfrage
strittig, ob die SUVA für die Folgen eines am 2. April 2001 erlittenen
Unfalls weiterhin Leistungen zu erbringen hat und der Beschwerdeführer
allenfalls Anspruch auf eine Invalidenrente hat. Mit Blick darauf, dass der
Unfallversicherer seine Leistungspflicht im Wesentlichen mit der Begründung
verneint hat, es fehle an einem natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang
zwischen Unfallereignis und aktuellem Beschwerdebild, und er im Rahmen der
Adäquanzbeurteilung insbesondere auf die Rechtsprechung zu den psychischen
Unfallfolgen verwiesen hat, ist vom rechtlichen Standpunkt aus von einer
relativen Komplexheit der Materie auszugehen. Obwohl sich der zu Grunde
liegende medizinische Sachverhalt im Wesentlichen auf Kniebeschwerden und
psychische Probleme reduziert, ist sodann die Aktenlage für einen Laien nicht
leicht überschaubar. Ferner hat sich der Beschwerdeführer im
Verwaltungsverfahren wohl wiederholt aktiv um seine Rechte bemüht und
vorinstanzlich eine zwar knapp verfasste, doch rechtsgenügliche Beschwerde
eingereicht; insgesamt vermitteln die schriftlichen Eingaben des
Beschwerdeführers indessen das Bild eines Versicherten, welcher sich im
Verfahren nicht mit der - zur wirksamen Wahrung seiner Rechte notwendigen -
Sachbezogenheit zurechtzufinden weiss und in psychischer Hinsicht auffällig
ist (psychiatrische Behandlung bereits vor dem Unfallereignis bis April 2003;
Schreiben der Krankenkasse Wincare zuhanden der SUVA vom 25. Juni 2003).
Schliesslich ist zu beachten, dass eine - bezogen auf ein bestimmtes
Unfallereignis - definitive Leistungsverweigerung von erheblicher Tragweite
für den Beschwerdeführer ist und sein Interesse am Prozessausgang
berechtigterweise als hoch einzuschätzen ist. In Würdigung dieser Umstände
ist anzunehmen, dass eine nicht bedürftige Partei unter sonst gleichen
Umständen vernünftigerweise eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt
beiziehen würde (vgl. Erw. 4.2). Unter diesem Aspekt hält die vorinstanzliche
Verweigerung der unentgeltlichen Verbeiständung - selbst in Anbetracht des
strengen Massstabs, nach welchem sich die Gebotenheit der Prozessvertretung
beurteilt (vgl. Erw. 4.2 in fine) - nicht stand. Die Sache ist daher an das
kantonale Gericht zurückzuweisen, damit es das Gesuch um unentgeltliche
Verbeiständung hinsichtlich der übrigen, anspruchserheblichen Voraussetzungen
der Bedürftigkeit und Aussichtslosigkeit (Erw. 4.1 hievor) erneut prüfe.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der
vorinstanzliche Zwischenentscheid vom 27. November 2003 aufgehoben und die
Sache an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich zurückgewiesen
wird, damit es den Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung im Sinne der
Erwägungen neu prüfe.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt zugestellt.

Luzern, 7. April 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der II. Kammer:   Die Gerichtsschreiberin: