Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 327/2003
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U 327/03

Urteil vom 14. Oktober 2004
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und nebenamtlicher Richter
Maeschi; Gerichtsschreiber Hadorn

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________, 1953, Beschwerdegegner, vertreten durch Advokat Stefan Hofer,
Spalenberg 20, 4051 Basel

Kantonsgericht Basel-Landschaft, Liestal

(Entscheid vom 22. Oktober 2003)

Sachverhalt:

A.
Der 1953 geborene spanische Staatsangehörige A.________ war als Isoleur bei
der Firma J.________ tätig und bei der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen die Folgen von Berufs- und
Nichtberufsunfällen sowie Berufskrankheiten versichert. Wegen eines am 10.
November 1998 erlittenen Unfalls sprach ihm die SUVA mit Verfügung vom 12.
September 2002 eine Rente auf Grund einer Erwerbsunfähigkeit von 26% ab 1.
März 2002 sowie eine Integritätsentschädigung von 10% zu. Mit
Einspracheentscheid vom 25. März 2003 hielt sie an dieser Verfügung fest.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde, mit welcher A.________ die Zusprechung
einer Rente von 40% beantragte, wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft mit
Entscheid vom 22. Oktober 2003 ab. In den Erwägungen stellte das Gericht
fest, bei dem für die Invaliditätsbemessung massgebenden Invalideneinkommen
könne nicht auf die von der SUVA herangezogenen Arbeitsplätze aus der
internen Dokumentation von Arbeitsplätzen (DAP) abgestellt werden. Vielmehr
sei von den Tabellenlöhnen gemäss der vom Bundesamt für Statistik
herausgegebenen Lohnstrukturerhebung (LSE) auszugehen, was zu einem
Invaliditätsgrad von 22,4% führe. Der von der SUVA ermittelte Wert von 26%
sei daher nicht zu beanstanden.

C.
Die SUVA führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, der
angefochtene Entscheid sei aufzuheben, und die Sache sei zur Durchführung
einer reformatio in peius an das Kantonsgericht Basel-Landschaft
zurückzuweisen; eventuell sei der Invaliditätsgrad vom Eidgenössischen
Versicherungsgericht auf 22,4% festzusetzen.

A. ________ lässt beantragen, auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei nicht
einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen; ferner sei ihm eine angemessene
Parteientschädigung zuzusprechen sowie die unentgeltliche Verbeiständung zu
gewähren. Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV), Abteilung
Unfallversicherung (seit 1. Januar 2004 im Bundesamt für Gesundheit, BAG),
verzichtet auf Vernehmlassung.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Gesetz unterscheidet zwischen der allgemeinen Beschwerdebefugnis nach
Art. 103 lit. a OG, welche hauptsächlich auf Private zugeschnitten ist (BGE
123 II 374 Erw. 2c), und der besondern Behördenbeschwerde nach Art. 103 lit.
b oder c OG (BGE 123 II 373 Erw. 2a). Nach Art. 103 lit. a OG ist zur
Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt, wer durch die angefochtene
Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung
oder Änderung hat. Als schutzwürdiges Interesse gilt jedes praktische oder
rechtliche Interesse, welches eine von einer Verfügung betroffene Person an
deren Änderung oder Aufhebung geltend machen kann (BGE 127 V 3 Erw. 1b mit
Hinweisen). Gemäss Art. 103 lit. c OG ist zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde
berechtigt jede andere Person, Organisation oder Behörde, die das Bundesrecht
zur Beschwerde ermächtigt. Nach der Rechtsprechung ist die Beschwerdebefugnis
gemäss Art. 103 lit. c OG nicht davon abhängig, dass die betreffende Person
oder Institution sich über ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder
Änderung der Verfügung ausweisen kann (BGE 106 V 141 Erw. 1a mit Hinweisen).
Sachurteilsvoraussetzung bildet jedoch auch im Rahmen von Art. 103 lit. c OG,
dass die beschwerdelegitimierte Person oder Institution durch den
angefochtenen Entscheid beschwert ist. Formell beschwert ist die Beschwerde
führende Partei nur, wenn sie im vorinstanzlichen Verfahren mit ihren
Rechtsbegehren nicht oder nur teilweise durchgedrungen ist (BGE 123 II 115
Erw. 2a, 121 II 362 Erw. 1b/aa, 118 Ib 359 Erw. 1a; Fritz Gygi,
Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl. 1983 S. 150 u. 155; André Grisel,
Traité de droit administratif, Bd. II S. 900; Kölz/Häner,
Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl. Zürich
1998 S. 195 Rz 541 f.).

2.
Die SUVA macht geltend, die Vorinstanz hätte, nachdem sie einen
Einkommensvergleich an Hand von Tabellenlöhnen durchgeführt habe und zu einem
Invaliditätsgrad von lediglich 22,4% gelangt sei, den Einspracheentscheid
nicht bestätigen dürfen, sondern eine reformatio in peius durchführen müssen.
Im Hinblick auf die Rechtsprechung, wonach der nach den gesetzlichen
Bestimmungen ermittelte Invaliditätsgrad weder auf- noch abgerundet werden
dürfe (BGE 127 V 129 ff., präzisiert in BGE 130 V 121 ff.), sei der von der
Vorinstanz auf Grund der LSE ermittelte Invaliditätsgrad von 22,4% als
verbindlich zu betrachten. Bei Androhung einer reformatio in peius sei
anzunehmen, dass der Versicherte die erstinstanzliche Beschwerde zurückziehen
werde, womit der Einspracheentscheid in Rechtskraft erwachse. Die SUVA werde
in diesem Fall vom Recht auf Wiedererwägung der Verfügung (bzw. des
Einspracheentscheids) Gebrauch machen, was nicht mehr möglich wäre, wenn der
vorinstanzliche Entscheid in Rechtskraft erwachsen würde. Aus
prozessökonomischen Gründen werde eventualiter beantragt, dass das
Eidgenössische Versicherungsgericht in der Sache selbst entscheide und den
Invaliditätsgrad auf 22,4% festsetze. Mit diesen Vorbringen vermag die SUVA
wohl ein schutzwürdiges Interesse (materielle Beschwer) an der Änderung oder
Aufhebung des angefochtenen Entscheids darzutun. Es fehlt aber an der für die
Beschwerdebefugnis erforderlichen formellen Beschwer, ohne die auch ein
allfälliges Rechtsschutzinteresse nicht zur Beschwerde berechtigt. Mit dem
angefochtenen Entscheid hat das kantonale Gericht die vom Versicherten mit
dem Begehren um Zusprechung einer höheren Rente erhobene Beschwerde
abgewiesen und den Einspracheentscheid der SUVA vom 25. März 2003
vollumfänglich bestätigt. Die SUVA ist durch den angefochtenen Entscheid
daher nicht beschwert und deshalb nicht zur Beschwerde berechtigt. Daran
ändert nichts, dass die Vorinstanz die Invalidität nach einer andern Methode
bemessen hat und dabei zu einem niedrigeren Invaliditätsgrad gelangt ist.
Ebenso wenig kommt es darauf an, ob das kantonale Gericht die von der SUVA
zugesprochene Rente von 26% mit einer unzutreffenden Begründung bestätigt
hat. Massgebend dafür, ob ein schutzwürdiges Interesse bzw. eine Beschwer im
Sinne von Art. 103 OG vorliegt, ist allein das Dispositiv des Entscheids (BGE
109 V 60 oben; RKUV 1987 S. 167; ZAK 1974 S. 370 Erw. 2). Diesbezüglich fehlt
es aber an einer Beschwer und damit an einer Sachurteilsvoraussetzung,
weshalb auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht einzutreten ist.

3.
Nach Art. 134 OG ist das Verfahren vor dem Eidgenössischen
Versicherungsgericht kostenfrei, wenn es um die Bewilligung oder Verweigerung
von Versicherungsleistungen geht. Ob der Prozess solche Leistungen zum
Gegenstand hat, beurteilt sich nach dem Anfechtungsgegenstand (BGE 121 V 180
Erw. 4a). Vorliegend ist der Entscheid der Vorinstanz angefochten, der ein
materielles Urteil in einem Leistungsstreit beinhaltet und von der SUVA mit
einem materiellen Antrag beanstandet wurde. Daher geht es hier um einen
Leistungsstreit, obwohl das Eidgenössischen Versicherungsgericht nur eine
verfahrensrechtliche Frage geprüft hat. Demnach ist der Prozess kostenfrei.
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens hat die SUVA dem obsiegenden,
anwaltlich vertretenen Beschwerdegegner eine Parteientschädigung zu bezahlen
(Art. 159 Abs. 1 OG). Dessen Begehren um Gewährung der unentgeltlichen
Verbeiständung (Art. 152 Abs. 2 OG) ist damit gegenstandslos.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Die SUVA hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen
Versicherungsgericht eine Entschädigung von Fr. 2'000.- (einschliesslich
Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft,
Abteilung Sozialversicherungsrecht, und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG)
zugestellt.

Luzern, 14. Oktober 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Der Gerichtsschreiber:
i.V.