Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 313/2003
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U 313/03

Urteil vom 17. August 2004
III. Kammer

Bundesrichter Rüedi, Lustenberger und Kernen; Gerichtsschreiber Lanz

S.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Felix Rüegg,
Dahliastrasse 5, 8034 Zürich,

gegen

«Zürich» Versicherungs-Gesellschaft, Mythenquai 2, 8002 Zürich,
Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz, Schwyz

(Entscheid vom 21. Oktober 2003)

Sachverhalt:

A.
Die 1967 geborene S.________ war seit August 1995 als
Sekretärin/Sachbearbeiterin (zuletzt als Sales Assistant) bei der Firma
O.________, tätig und damit bei der "Zürich" Versicherungs-Gesellschaft
(nachstehend: Zürich) obligatorisch gegen die Folgen von Berufs- und
Nichtberufsunfällen versichert. Am 8. Dezember 1998 erlitt sie einen
Schlittelunfall, in den Wochen danach zwei Stürze auf einer Aussentreppe und
am 26. Juni 1999 einen Autounfall. Sie zog sich bei diesen Ereignissen
verschiedene Verletzungen zu, welche ärztliche Behandlung notwendig machten
und zu einer Arbeitsunfähigkeit in variierendem Ausmass führten. Die Zürich
anerkannte die Unfälle, erbrachte die gesetzlichen Leistungen (Heilbehandlung
und Taggeld) und richtete Zahlungen akonto Rente und Integritätsentschädigung
aus. Nach medizinischen Abklärungen (unter anderem Einholung zweier
interdisziplinärer Gutachten der Klinik V.________, vom 30. Dezember 1999 und
17. Februar 2002) eröffnete sie der Versicherten mit Verfügung vom 25.
September 2002 die Einstellung ihrer Leistungen ab 1. September 2002, da den
versicherten Ereignissen für die noch bestehenden Beschwerden keine
massgebende Bedeutung zukomme; auf eine Rückforderung der Akontozahlung an
die Integritätsentschädigung werde verzichtet. Daran hielt die Zürich auf
Einsprachen der Versicherten und der "CSS Versicherung" (CSS) als deren
obligatorischem Krankenversicherer hin fest (Einspracheentscheid vom 29.
Januar 2003).

Seit 1. Januar 2000 bezieht S.________ von der Invalidenversicherung eine
ganze Invalidenrente und seit 1. Juli 2002 eine Entschädigung für eine
mittelgradige Hilflosigkeit.

B.
Gegen den Einspracheentscheid der Zürich vom 29. Januar 2003 erhoben
S.________ und die CSS je Beschwerde. Das Verwaltungsgericht des Kantons
Schwyz vereinigte die beiden Verfahren. Mit Entscheid vom 21. Oktober 2003
hiess es die Rechtsmittel teilweise gut und hob den Einspracheentscheid vom
29. Januar 2003 insoweit auf, als es den natürlichen und adäquaten
Kausalzusammenhang zwischen den Unfällen vom 8. Dezember 1998 und 26. Juni
1999 und der aktuell bestehenden Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit "unter
Ausklammerung der Adipositas- und der OSG-Problematik" bejahte und die Sache
im Sinne der Erwägungen  zur Festsetzung der gesetzlichen Leistungen an die
Zürich zurückwies. Im Übrigen wies es die Beschwerden ab, wobei es der
Versicherten dem Verfahrensausgang entsprechend eine reduzierte
Parteientschädigung zusprach.

C.
S. ________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, in
teilweiser Aufhebung des kantonalen Entscheides sei festzustellen, dass die
Zürich auch hinsichtlich der Adipositas- und OSG-Problematik die gesetzlichen
Leistungen zu erbringen habe; sodann sei der Unfallversicherer zu
verpflichten, die Kosten eines von der Versicherten beigezogenen
Privatgutachters zu übernehmen, und sei die vorinstanzlich in reduziertem
Umfang zugesprochene Parteientschädigung dem Ausgang des letztinstanzlichen
Verfahrens  entsprechend zu erhöhen.

Unfallversicherer und Vorinstanz schliessen in ihren Vernehmlassungen auf
Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für
Sozialversicherung, Abteilung Kranken- und Unfallversicherung (seit 1. Januar
2004 im Bundesamt für Gesundheit) hat nicht Stellung genommen.

Mit Eingaben vom 26. Februar und 1. Juni 2004 liessen sich die Parteien
nochmals vernehmen.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Im Einsprache- und im kantonalen Entscheid sind die Rechtsgrundlagen für den
Anspruch auf Leistungen aus der obligatorischen Unfallversicherung richtig
dargelegt. Es betrifft dies namentlich den hiefür vorausgesetzten natürlichen
und adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem
eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität, Tod; vgl. BGE 129 V 181 Erw.

3.1  und 3.2 mit Hinweisen) und die sich dabei stellenden Beweisfragen.
Darauf
wird verwiesen.

Letztinstanzlich ist materiellrechtlich einzig streitig und zu prüfen, ob die
Adipositas und die OSG-Problematik der Versicherten natürlich kausal auf die
Unfälle von 1998 und 1999 zurückzuführen sind, was im Sinne des zuvor
Gesagten für eine Leistungspflicht der Zürich aus diesen Gesundheitsstörungen
vorausgesetzt wird. Dabei genügt für die Bejahung dieses kausalen
Zusammenhanges, wenn das Unfallgeschehen für die Gesundheitsstörung und deren
Auswirkungen eine Teilursache darstellt (BGE 121 V 329 Erw. 2a mit
Hinweisen), was mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit
erstellt sein muss (BGE 129 V 181 Erw. 3.1 mit Hinweisen).

Zu beurteilen ist daneben, ob der Unfallversicherer für die der Versicherten
durch Beizug eines Privatgutachters entstandenen Kosten aufzukommen hat.

2.
2.1 Fest steht, dass die im Zeitpunkt des Schlittelunfalles vom 8. Dezember
1998 normalgewichtige Beschwerdeführerin nach diesem Ereignis und verstärkt
nach dem Autounfall vom 26. Juni 1999 eine massive Gewichtszunahme zu
verzeichnen hatte. Anlässlich der ersten Begutachtung durch die Klinik
V.________ Ende 1999 betrug das Körpergewicht bei einer Körpergrösse von 170
cm bereits 84,1 kg (Expertise Klinik V.________ vom 30. Dezember 1999). Bei
der zweiten Begutachtung Anfang 2002 war ein Körpergewicht von 110 kg zu
verzeichnen, entsprechend einem Bodymassindex (BMI) von rund 38 kg/m2 und
damit einer oberen Adipositas Klasse II (Gutachten Klinik V.________ vom 17.
Februar 2002). Am 18. Dezember 2002 war ein Körpergewicht von 118 kg (BMI gut
41 kg/m2) und damit der Bereich Morbide Adipositas (Grad III) erreicht
(fachmedizinische Stellungnahme des PD Dr. med. H.________, Innere Medizin
FMH, Klinik I.________, vom 23. März 2003).

2.2  Nach Auffassung von Unfallversicherer und Vorinstanz sind die
versicherten Unfälle für die eingetretene Gewichtszunahme nicht
verantwortlich. Im angefochtenen Entscheid wird hiezu auf eine Aussage der
Versicherten gegenüber den Gutachtern der Klinik V.________ über frühere
Gewichtsschwankungen sowie auf eine von der Klinik V.________ eingeholte
Meinungsäusserung des PD Dr. med. H.________ vom 3. Februar 2002, wonach für
eine Gewichtszunahme der vorliegenden Art eine genetische Prädisposition
notwendig sei, verwiesen. Weiter führt das kantonale Gericht vorbestandene,
seelisch belastende Faktoren an.

2.3  Entgegen dem offenbaren Verständnis der Vorinstanz schliesst indessen
eine genetische Veranlagung zur Adipositas wie auch eine unfallfremde
psychische Belastungssituation nicht aus, dass für eine Gewichtszunahme ein
Unfallereignis ebenfalls zumindest teilursächlich ist. Etwas anderes ergibt
sich auch nicht aus der besagten fachärztlichen Äusserung, welche im Übrigen
sehr kurz gehalten und offenbar auf einem eingeschränkten Wissenstand über
die konkreten Verhältnisse beruhte. In seiner späteren Stellungnahme vom 23.
März 2003 hat PD Dr. med. H.________ denn auch auf der Grundlage von
zusätzlichen Informationen ausgeführt, die Patientin habe wegen des
Unfallgeschehens eine deutliche Bewegungseinschränkung in einem Umfang
erlitten, welche meistens zu einer massiven Gewichtszunahme führe, wenn nicht
gleichzeitig die Energiezufuhr gleichermassen reduziert werden könne. Ein
kausaler Zusammenhang zu den Unfällen bestehe sicherlich, nachdem die
Versicherte zuvor ihr Gewicht konstant habe halten können. Auf die Frage nach
Form und Ausmass der Adipositas ohne Unfallgeschehen antwortete der
Internist, eine weitere Gewichtszunahme bei vorhergehender vierjähriger
Stabilität wäre eher unwahrscheinlich gewesen, weswegen er einen definitiven
kausalen Zusammenhang zwischen den Unfällen und der massiven Gewichtszunahme
um rund 33 kg sehe.

Die neuere, ausführlichere Stellungnahme des PD Dr. med. H.________
überzeugt. Der Facharzt hat dabei, wie aus der Aussage zur Phase mit
stabilisiertem (Normal-)Gewicht hervorgeht, auch die anamnestisch
aufgetretenen Gewichtsschwankungen berücksichtigt und sich deswegen nicht zu
einer abweichenden Auffassung in der Kausalitätsfrage veranlasst gesehen.
Gestützt auf seine Beurteilung, welcher die übrigen medizinischen Akten nicht
entgegenstehen, ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von einem natürlich
kausalen Zusammenhang zwischen den versicherten Unfällen und der danach
entstandenen Adipositas auszugehen. Da es sich dabei um einen somatischen
Befund handelt, ist der adäquate Kausalzusammenhang ebenfalls zu bejahen (BGE
118 V 291 f. Erw. 3a, 117 V 365 Erw. 5d/bb mit Hinweisen; RKUV 2004 Nr. U 505

S. 249 Erw. 2.1).

Wenn Unfallversicherer und Vorinstanz in diesem Zusammenhang weiter anführen,
die Beschwerdeführerin sei durch die Adipositas in der angestammten,
vorwiegend im Büro zu verrichtenden Arbeit nicht eingeschränkt, wird damit
nichts zu der hier einzig streitigen Kausalitätsfrage ausgesagt. Ob und
bejahendenfalls in welcher Weise eine Beeinträchtigung durch diese
Gesundheitsstörung besteht, hat der Unfallversicherer bei der Prüfung der
weiteren Anspruchsvoraussetzungen zu berücksichtigen.

3.
Hinsichtlich der Symptomatik im oberen Sprunggelenk (OSG) rechts hat das
kantonale Gericht in einlässlicher und sorgfältiger Würdigung des aktenmässig
dokumentierten Unfallgeschehens und der medizinischen Berichte überzeugend
dargetan, dass die versicherten Ereignisse jedenfalls zu keiner über den 1.
September 2002 - den Zeitpunkt, auf welchen der Unfallversicherer seine
Leistungen eingestellt hat - hinaus dauernden Verschlimmerung der
vorbestandenen OSG-Problematik geführt haben.

Die Vorbringen der Beschwerdeführerin rechtfertigen keine andere
Betrachtungsweise. Die teilweise voneinander abweichenden ärztlichen Aussagen
sind von der Vorinstanz in nicht zu beanstandender Weise gewichtet worden.
Dasselbe gilt hinsichtlich der Aussagekraft der bei den Akten befindlichen
Stellungnahmen von Privatpersonen. Was den Bericht des Hausarztes vom 12.
November 2003 betrifft, ist festzuhalten, dass darin im Zusammenhang mit den
geklagten Schmerzen im rechten Fussgelenk ausdrücklich auf die vor den
Unfällen durchgeführten Operationen an beiden Sprunggelenken hingewiesen
wird. Dass das kantonale Gericht falsch entschieden hat, lässt sich sodann
auch nicht mit dem Gutachten vom 15. April 2003 und dem Nachtragsbericht vom
25. November 2003 des von der Beschwerdeführerin beigezogenen orthopädischen
Chirurgen begründen. Der Privatgutachter stützt sich in beiden Berichten auf
einen Geschehensablauf, wie er so nicht zuverlässig den Akten entnommen
werden kann. Seine Ausführungen vermögen nicht Zweifel daran zu erwecken,
dass die ab 1. September 2002 noch bestandene Symptomatik im rechten OSG dem
Zustand entsprach, welcher bei der gegebenen Vorschädigung mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit auch ohne die Unfallereignisse eingetreten wäre. Es kann
im Übrigen auf die Erwägungen des kantonalen Gerichts verwiesen werden,
welches auch in richtiger Ausübung der antizipierten Beweiswürdigung (vgl.
RKUV 2002 Nr. U 469 S. 527 Erw. 2c mit Hinweis) die Notwendigkeit weiterer
Abklärungen verneint hat.

4.
Die Beschwerdeführerin verlangt, der Unfallversicherer habe sie für die
Kosten des Privatexperten zu entschädigen. Diese bestehen gemäss Rechnungen
vom 15. April und 26. November 2003 in Fr. 4500.- für das im vorinstanzlichen
Verfahren aufgelegte Gutachten vom 15. April 2003 sowie Fr. 1850.- für den
nach dem kantonalen Entscheid erstellten und der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beigelegten Nachtragsbericht vom 25. November
2003.

4.1  Die Versicherte ist hinsichtlich der OSG-Problematik, welche Gegenstand
der privatgutachterlichen Stellungnahmen bildet, im Verfahren unterlegen. Die
ihr durch die selber veranlasste Untersuchung entstandenen Kosten können
daher nicht im Rahmen einer - der obsiegenden Prozesspartei vorbehaltenen -
Parteientschädigung (vgl. Art. 159 Abs. 2 OG für das letztinstanzliche
Verfahren und Art. 108 Abs. 1 lit. g UVG resp. seit 1. Januar 2003 Art. 61
lit. g ATSG; BGE 115 V 62; RKUV 2000 Nr. U 362 S. 44 Erw. 3b; vgl. auch RKUV
2004 Nr. U 503 S. 187 Erw. 5.1) abgegolten werden.

4.2  Nach der Rechtsprechung kann der versicherten Person auch im Falle ihres
Unterliegens eine Entschädigung für die Kosten einer von ihr selber
veranlassten Untersuchung zugesprochen werden (RKUV 2004 Nr. U 503 S. 187
ff., auch zum Folgenden). Das setzt aber voraus, dass sich der medizinische
Sachverhalt erst aufgrund des Privatgutachtens schlüssig feststellen lässt
und dem Unfallversicherer insoweit eine Verletzung der ihm im Rahmen des
Untersuchungsgrundsatzes obliegenden Pflicht zur rechtsgenüglichen
Sachverhaltsabklärung vorzuwerfen ist, was hier nicht zutrifft.

5.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Der Beschwerdeführerin steht für
die Kosten ihrer anwaltlichen Vertretung nach Massgabe ihres teilweisen
Obsiegens eine reduzierte Parteientschädigung zu (Art. 159 Abs. 2 und 3 in
Verbindung mit Art. 135 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der
Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz vom 21. Oktober 2003 und
der Einspracheentscheid der "Zürich" Versicherungs-Gesellschaft vom 29.
Januar 2003 insoweit aufgehoben, als eine Leistungspflicht für die Adipositas
verneint wurde. Im Übrigen wird die Verwaltungsgerichtsbeschwerde abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Die «Zürich» Versicherungs-Gesellschaft hat der Beschwerdeführerin für das
Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine
Parteientschädigung von Fr. 1500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu
bezahlen.

4.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz wird über die Höhe der
Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des
letztinstanzlichen Prozesses neu zu befinden haben.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz
und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugestellt.

Luzern, 17. August 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Vorsitzende der III. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: