Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 2/2003
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U 2/03

Urteil vom 28. Juli 2005
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Lustenberger und Kernen;
Gerichtsschreiber Signorell

S.________, 1972, Beschwerdeführerin, vertreten durch die Helsana-advocare,
Birmensdorferstrasse 94, 8024 Zürich,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern, Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Zug

(Entscheid vom 31. Oktober 2002)

Sachverhalt:
Die 1972 geborene S.________ liess durch ihre Arbeitgeberin einen Unfall vom
12. Februar 2000 (Sturz bei Snowboardfahren) der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) melden, welche eine Leistungspflicht mit
Verfügung vom 31. August 2000 ablehnte, woran sie im Einspracheentscheid vom
30. Januar 2001 festhielt.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Zug wies eine dagegen erhobene Beschwerde,
mit welcher die Aufhebung des Einspracheentscheids und die Verpflichtung der
SUVA zur Leistungserbringung, eventuell die Anordnung eines neutralärztlichen
Gutachtens zur Frage der Unfallkausalität, beantragt wurde, mit Entscheid vom
31. Oktober 2002 ab.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt S.________ ihr vorinstanzliches
Rechtsbegehren erneuern.

Die SUVA und das Verwaltungsgericht des Kantons Zug schliessen auf Abweisung
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für
Sozialversicherung, Abteilung Unfallversicherung (seit 1. Januar 2004 im
Bundesamt für Gesundheit) auf Vernehmlassung verzichtet.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit
ihm sind zahlreiche Bestimmungen im Unfallversicherungsbereich geändert
worden. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze
massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden
Tatbestandes Geltung haben, und weil ferner das Sozialversicherungsgericht
bei der Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf den bis zum Zeitpunkt des
Erlasses des streitigen Einspracheentscheids (hier: 30. Januar 2001)
eingetretenen Sachverhalt abstellt, sind im vorliegenden Fall die bis zum 31.
Dezember 2002 geltenden Bestimmungen anwendbar (BGE 129 V 4 Erw. 1.2 mit
Hinweisen).

2.
Streitig und zu prüfen ist, ob die ab Februar 2000 aufgetretenen,
behandlungsbedürftigen und die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigenden
gesundheitlichen Beschwerden natürlich und adäquat auf das Ereignis vom 12.
Februar 2000 (Sturz beim Snowboarden) zurückgeführt werden können.
Das kantonale Gericht hat im angefochtenen Entscheid die für die
vorzunehmende Beurteilung massgebenden Rechtsgrundlagen über den natürlichen
und adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem
eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität, Tod) im Allgemeinen (119 V 337
Erw. 1 mit Hinweisen) sowie bei Diskushernien (Urteil SWICA vom 26. Februar
2002 [U 486/00], Erw. 2b), Schleudertraumen der Halswirbelsäule (HWS) ohne
organisch nachweisbare Funktionsausfälle (BGE 117 V 366), dem Schleudertrauma
ähnlichen Verletzungen der HWS (BGE 123 V 99 Erw. 2a; RKUV 1999 Nr. U 341 S.
408 Erw. 3b) und Schädel-Hirn-Traumen (BGE 117 V 369) im Besonderen,
zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

3.
In korrekter Würdigung der Akten hielt die Vorinstanz den massgeblichen
Sachverhalt wie folgt fest. Die Beschwerdeführerin hielt sich am Samstag, 12.
Februar 2000, in Realp auf, wo sie als Anfängerin mit dem Snowboard Fahrten
auf der Skipiste unternahm. Bei ihrer letzten Fahrt um etwa 15.30 Uhr
verkantete sie das Board und stürzte kopfüber. Sie überschlug sich und
prallte mit dem Hinterkopf und der rechten Schulter auf den Sulzschnee. Sie
verspürte in der Folge leichte Schmerzen in der rechten Schulter. Nachdem sie
einen Moment sitzen geblieben war, setzte sie die Abfahrt fort. Sie war weder
bewusstlos noch musste sie erbrechen noch traten Kopfschmerzen auf. Am Montag
ging sie wieder an die Arbeit. Sie fühlte sich gesund. Am folgenden Samstag
traten nach einer Drehung im Bett ohne äussere Einwirkung plötzlich starke
Schmerzen im Nacken auf, die in die rechte Schulter und in den Hinterkopf
ausstrahlten. Am Montag, 21. Februar 2000, musste sie deswegen einen Arzt
aufsuchen. Dr. med. Z.________, erhob als Befund eine HWS mit leichter
Schonhaltung und Bewegungseinschränkung vor allem nach links. Der
Röntgenbefund ergab keine ossäre Läsion und eine leichte Streckhaltung im
distalen HWS-Bereich. Bei einer MRI-Abklärung vom 5. April 2000 fanden sich
leicht zirkuläre Bandscheibenprotrusionen C2/3 und C3/4 sowie rechtsseitige
intraforaminäre Diskushernien C5/6 und C6/7, wobei der markantere Befund auf
der Höhe C5/6 liegt. Die HWS-Streckhaltung wird als möglicherweise nur
lagerungsbestimmt umschrieben.

4.
Die Vorinstanz hat im angefochtenen Entscheid die medizinischen Berichte
umfassend und korrekt dargestellt. Darauf wird verwiesen. Zu prüfen ist, ob
der Sturz vom 12. Februar 2000 kausal ist für die festgestellte Diskushernie
C5/6 und C6/7 sowie ein Schleudertrauma bzw. ein leichtes Schädel-Hirn-Trauma
(Commotio cerebris).

4.1 Es entspricht einer medizinischen Erfahrungstatsache im Bereich des
Unfallversicherungsrechts, dass praktisch alle Diskushernien bei Vorliegen
degenerativer Bandscheibenveränderungen entstehen und ein Unfallereignis nur
ausnahmsweise, unter besonderen Voraussetzungen, als eigentliche Ursache in
Betracht fällt. Als weitgehend unfallbedingt kann ein Bandscheibenvorfall
betrachtet werden, wenn das Unfallereignis von besonderer Schwere und
geeignet war, eine Schädigung der Bandscheibe herbeizuführen, und die
Symptome der Diskushernie (vertebrales oder radikuläres Syndrom) unverzüglich
und mit sofortiger Arbeitsunfähigkeit aufgetreten sind. Wird die Diskushernie
durch den Unfall lediglich ausgelöst, nicht aber (weitgehend) verursacht,
übernimmt die Unfallversicherung den durch das Unfallereignis ausgelösten
Beschwerdeschub, spätere Rezidive dagegen nur, wenn eindeutige
Brückensymptome gegeben sind (nicht veröffentlichte Urteile H. vom 18. August
2000 [U 4/00], B. vom 7. Januar 2000 [U 131/99], S. vom 5. Januar 2000 [U
103/99], F. vom 27. Dezember 1999 [U 2/99], S. vom 4. Juni 1999 [U 193/98],
R. vom 30. April 1999 [U 228/98], S. vom 22.Januar 1999 [U 69/98], S. vom 26.
August 1996, [U 159/95], S. vom 7. April 1995 [U 238/94], und J. vom 10.
Oktober 1994 [U 67/94], letzteres zusammengefasst in ZbJV 1996 S. 489 f.;
vgl. auch Debrunner/Ramseier, Die Begutachtung von Rückenschäden, Bern 1990,
S. 54 ff., insbesondere S. 56; Baur/Nigst, Versicherungsmedizin, 2. Aufl.
Bern 1985, S. 162 ff.; Mollowitz, Der Unfallmann, 11. Aufl. Berlin 1993, S.
164 ff.). Insbesondere mit dem letztgenannten Kriterium werden auch jene
Fälle aufgefangen, bei denen der Unfall neben weiteren Faktoren lediglich
eine Teilursache für die im Anschluss an das Ereignis aufgetretenen
Rückenbeschwerden darstellt. Vorausgesetzt ist indessen auch dort, dass die
Symptome einer Diskushernie (vertebragenes oder radikuläres Syndrom)
unmittelbar nach dem Unfall auftreten (RKUV 2000 Nr. U 379 S. 193 Erw. 2a mit
Hinweis auf das Urteil S. vom 26. August 1996 [U 159/95]; vgl. auch
Debrunner/Ramseier, a.a.O., S. 55 oben). So verhält es sich hier jedoch
nicht.

4.2 In den Akten bestehen zwar keine Hinweise dafür, dass die
Beschwerdeführerin vor dem inkriminierten Sturz an Beschwerden gelitten
hätte. Doch kann sie daraus nichts zu ihren Gunsten herleiten. Denn der
natürliche Kausalzusammenhang darf nur dann als gegeben angenommen werden,
wenn dieser mit Wahrscheinlichkeit bewiesen ist. Die blosse Möglichkeit
genügt nicht. Einzelne ärztliche Stellungnahmen scheinen von der Maxime «post
hoc, ergo propter hoc» auszugehen, die besagt, dass eine gesundheitliche
Schädigung schon dann durch den Unfall verursacht sei, weil sie nach diesem
aufgetreten sei (BGE 119 V 341 f.; Maurer, Schweizerisches
Unfallversicherungsrecht, Bern 1985, S. 460 N 1205). Entscheidend ist, dass
die Beschwerdeführerin nach eigenem Bekunden den Sturz als banales, mit der
Ausübung des Sportes verbundenes Ereignis erlebte, in der Folge auch
keinerlei Beschwerden verspürte und ohne Schmerzen und Einschränkungen am
folgenden Montag die Arbeit wieder aufnahm. Sie selber betrachtete eine
Drehbewegung im Bett als Auslöser der hier zu beurteilenden Schädigung. Dies
geschah indessen erst eine Woche nach dem Sturz.

Die beigezogenen Spezialärzte Dr. med. R.________ (Bericht vom 19. Oktober
2000), und Dr. med. M.________ (Bericht vom 8. Februar 2002), bejahen eine
Unfallkausalität. Doch übersehen sie, dass gemäss den Aussagen der
Beschwerdeführerin zwischen dem Sturz mit dem Snowboard und dem Aufflackern
der Beschwerden eine beschwerdefreie Zeit von einer Woche liegt. Bezüglich
der Unfallkausalität kann deshalb nicht auf deren Beurteilungen abgestellt
werden. PD Dr. med. F.________ ging anfänglich davon aus, dass nach dem Sturz
kurz Nacken-Schulterschmerzen bestanden hätten, die aber verschwunden seien
(Bericht vom 17. April 2000). Dessen ungeachtet bestätigte er mit ärztlichem
Zeugnis vom 17. August 2000, die jetzigen Beschwerden seien auf Unfallfolgen
zurückzuführen. In einem Bericht vom 12. Dezember 2000 zuhanden des
Krankenversicherers äusserte er sich auf Frage hin zur ärztlichen
Stellungnahme des SUVA-Arztes: Die Patientin habe ein adäquates Ereignis und
sei anschliessend nie ganz beschwerdefrei gewesen. Da seine Ausführungen zur
Unfallkausalität der Diskushernie auf dieser nicht zutreffenden Annahme
beruhen, kann auch ihm nicht gefolgt werden.

4.3 Nach dem Gesagten ist der Vorinstanz darin zuzustimmen, dass das
Sturzereignis vom 12. Februar 2000 nicht kausal ist für die von der
Beschwerdeführerin geklagten Beschwerden.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug,
Sozialversicherungsrechtliche Kammer, und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG)
zugestellt.

Luzern, 28. Juli 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: