Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 274/2003
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U 274/03

Urteil vom 18. Januar 2005
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Lustenberger;
Gerichtsschreiber Lanz

R.________, 1967, Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecher Frank
Goecke, Haldenbachstrasse 2, 8006 Zürich,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz, Schwyz

(Entscheid vom 23. September 2003)

Sachverhalt:

A.
Die 1967 geborene R.________, verheiratet und Mutter dreier Kinder, war ab
April 2000 als Zwirnerin bei der S.________ tätig und dadurch bei der
Schweizerischen Unfallversicherungsgesellschaft (SUVA) obligatorisch gegen
die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen versichert. Am 28. Juni 2001
geriet der von ihr gelenkte PW von der Strasse, riss einige Pfosten sowie den
Draht der Strassenabschrankung weg und kam im Schotter eines Bahndammes zum
Stillstand. Gemäss dem erstbehandelnden Arzt erlitt die Versicherte dabei
eine Kontusion thorakal und eine Distorsion der Halswirbelsäule (HWS), was zu
einer Arbeitsunfähigkeit führte. Im weiteren Verlauf etablierte sich ein
chronisches cervikales Schmerzsyndrom mit stark eingeschränkter Beweglichkeit
der HWS. Die SUVA erbrachte die gesetzlichen Leistungen (Heilbehandlung;
Taggeld). Im Zeitpunkt des Unfalles war R.________, noch ohne dies zu wissen,
schwanger. Am 21. August 2001 musste wegen einer "Missed Abortion" eine
Abort-Curettage durchgeführt werden. Nach Abklärungen zu Hergang und
medizinischen Folgen des Unfalles eröffnete die SUVA der Versicherten mit
Verfügung vom 18. September 2002 die Einstellung der Leistungen per 30.
September 2002, da die noch bestehende Symptomatik nicht mehr auf das
Ereignis vom 28. Juni 2001 zurückgeführt werden könne, und sie verneinte
einen Anspruch auf Invalidenrente und Integritätsentschädigung. Die hiegegen
von der CSS als betroffener Krankenversicherer vorsorglich erhobene
Einsprache wurde wieder zurückgezogen. Die von R.________ eingereichte
Einsprache wies der Unfallversicherer ab (Einspracheentscheid vom 6. Januar
2003).

B.
R.________ führte Beschwerde, welche das Verwaltungsgericht des Kantons
Schwyz unter Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung abwies (Entscheid
vom 23. September 2003).

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt R.________ beantragen, es sei der
vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und die SUVA zu verpflichten, weiterhin
Leistungen aus dem Unfall vom 28. Juni 2001 zu erbringen. Zudem wird um
unentgeltliche Verbeiständung für das letztinstanzliche Verfahren ersucht.

Die SUVA beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das
kantonale Gericht nimmt mit dem gleichen Rechtsbegehren Stellung. Das
Bundesamt für Sozialversicherung, Abteilung Kranken- und Unfallversicherung
(seit 1. Januar 2004 im Bundesamt für Gesundheit), verzichtet auf eine
Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Streitig und zu prüfen ist, ob der Unfallversicherer aus dem Ereignis vom 28.
Juni 2001 über Ende September 2002 hinaus leistungspflichtig ist. Dabei kann
gestützt auf die medizinischen Akten mit SUVA und Vorinstanz eine ursächliche
Bedeutung des Unfalles für den erlittenen Abort verneint werden. Hiegegen
werden in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde keine Einwendungen erhoben.

2.
Das kantonale Gericht hat die rechtlichen Grundlagen für die Beurteilung
zutreffend dargelegt. Es betrifft dies namentlich die Rechtsprechung über den
für die Leistungspflicht des Unfallversicherers nebst dem natürlichen
Kausalzusammenhang vorausgesetzten adäquaten Kausalzusammenhang zwischen
Unfallereignis und eingetretenem Schaden (Krankheit, Invalidität, Tod) im
Allgemeinen (vgl. auch BGE 129 V 181 Erw. 3.2 mit Hinweis) sowie bei
psychischen Unfallfolgen (BGE 115 V 133), Schleudertraumen der HWS ohne
organisch hinreichend nachweisbare Folgeschäden (BGE 117 V 359; sodann BGE
127 V 103 Erw. 5b/bb mit Hinweisen), dem Schleudertrauma äquivalenten
Verletzungen (SVR 1995 UV Nr. 23 S. 67 Erw. 2) und Schädel-Hirn-Traumen (BGE
117 V 369) im Besonderen. Das seit 1. Januar 2003 geltende Bundesgesetz über
den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) hat diese
Rechtslage nicht modifiziert.

3.
Gemäss den eingehenden medizinischen Abklärungen des Unfallversicherers,
worunter bildgebende Verfahren, kreisärztliche Untersuchungen und ein
versicherungsexternes neurologisches Gutachten, lässt sich für die seit dem
Unfall vom 28. Juni 2001 bestehende Symptomatik kein organisches Substrat
nachweisen. An der Zuverlässigkeit dieser von den berichterstattenden Ärzten
überzeugend begründeten Feststellung ist nicht zu zweifeln. Namentlich
bestehen entgegen der in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vertretenen
Auffassung keine Anzeichen für eine Befangenheit des begutachtenden
Neurologen. Geltend gemacht wird weiter, auf die Expertise könne nicht
abgestellt werden, weil bei der Erhebung der Anamnese unzulässigerweise die
Hilfe eines Übersetzers beansprucht worden sei. Dieser Einwand ist ebenfalls
unbegründet, finden sich doch auch in mehreren weiteren Arztberichten, unter
anderem der Hausärztin, Hinweise auf beschränkte Deutschkenntnisse der
Versicherten. Dass der - ebenfalls aus dem ehemaligen Jugoslawien stammende -
Ehemann der Beschwerdeführerin als Dolmetscher fungierte, ist nicht zu
beanstanden. Ihm werden sehr gute Kenntnisse der deutschen Sprache attestiert
und er hatte kein Interesse daran, in für seine Gattin nachteiliger Weise zu
übersetzen. Eine - gegebenenfalls unfallbedingte - organische Ursache der
Beschwerden ist schliesslich auch mit den Stellungnahmen des beigezogenen
Privatgutachters nicht dargetan, zumal dieser seine entsprechenden
Folgerungen letztlich einzig auf die festgestellten Symptome stützt.

4.
4.1 Ob die Beschwerdeführerin beim Unfall vom 28. Juni 2001 überhaupt ein
Schleudertrauma der HWS oder eine äquivalente Verletzung im Sinne der
Rechtsprechung erlitten hat, kann durchaus hinterfragt werden, wurden doch in
der Zeit nach dem Ereignis lediglich Kopf-, Nacken- sowie Schulterschmerzen
und somit nur ein Teil des schleudertraumatypischen bunten Beschwerdebildes
(BGE 119 V 337 Erw. 1, 117 V 360 Erw. 4b) geklagt. Auf jeden Fall dominierte
im Verlauf die von psychiatrischer Seite als depressive Entwicklung und
Schmerzverarbeitungsstörung interpretierte seelische Problematik eindeutig,
weshalb Unfallversicherer und Vorinstanz die Adäquanz zu Recht nach den bei
Unfällen mit psychischen Folgeschäden geltenden Grundsätzen geprüft haben
(BGE 123 V 99 Erw. 2a). Danach ist bei der Prüfung der massgebenden
Kriterien, anders als nach der sog. Schleudertrauma-Praxis, wo nicht zwischen
körperlichen und seelischen Beschwerden unterschieden wird, die psychische
Komponente ausser Acht zu lassen.

4.2 Der Autounfall vom 28. Juni 2001 ist nach der richtigerweise von keiner
Seite in Frage gestellten Einschätzung der Vorinstanz als mittelschwer zu
qualifizieren. Demnach müssten von den weiteren, objektiv fassbaren und
unmittelbar mit dem Unfall in Zusammenhang stehenden oder als Folge davon
erscheinenden Umständen, welche als massgebende Kriterien in die
Gesamtwürdigung einzubeziehen sind (BGE 115 V 140 Erw. 6c/aa), für eine
Bejahung des adäquaten Kausalzusammenhanges entweder ein einzelner in
besonders ausgeprägter Weise oder aber mehrere in gehäufter oder auffallender
Weise gegeben sein (BGE 115 V 140 Erw. 6c/bb). Dies trifft, wie das kantonale
Gericht im angefochtenen Entscheid einlässlich dargelegt hat, nicht zu. Was
in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgetragen wird, rechtfertigt keine
andere Betrachtungsweise. Namentlich ist dem Unfallgeschehen zwar eine
gewisse Eindrücklichkeit zu attestieren; als besonders ist diese aber auch
dann nicht anzusehen, wenn das Auto der Beschwerdeführerin, wie sie geltend
macht, nach dem Verlassen der Strasse nur knapp einen Mast verfehlte und ein
kurz nach dem Unfallereignis herannahender Zug anhielt, anerkennt sie doch,
dass es an der Endlage des Fahrzeugs nicht zu einem Zusammenstoss mit dem Zug
kommen konnte. Es kann im Übrigen vollumfänglich auf die zutreffenden
Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden. Einsprache- und vorinstanzlicher
Entscheid sind somit in allen Teilen rechtens.

5.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Die unentgeltliche Verbeiständung
kann gewährt werden (Art. 152 in Verbindung mit Art. 135 OG), da die
Bedürftigkeit aktenkundig ist, die Beschwerde nicht als aussichtslos zu
bezeichnen und die Vertretung geboten war (BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372 Erw.
5b, je mit Hinweisen). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG
aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu
leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Fürsprecher Frank
Goecke, Zürich, für das Verfahren vor dem Eidgenössischen
Versicherungsgericht aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2500.-
(einschliesslich Mehrwertsteuer) ausgerichtet.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz
und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugestellt.

Luzern, 18. Januar 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: