Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 266/2003
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U 266/03
U 291/03

Urteil vom 28. Mai 2004
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Ursprung; Gerichtsschreiberin
Riedi Hunold

U 266/03
Winterthur Versicherungen, General Guisan-Strasse 40, 8400 Winterthur,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Reto Zanotelli,
Weinbergstrasse 43, 8006 Zürich,

gegen

P.________, 1957, Beschwerdegegnerin, vertreten
durch Advokat Dr. Thomas Christen, Büchelistrasse/ Lindenstrasse 2, 4410
Liestal,

und

U 291/03
P.________, 1957, Beschwerdeführerin, vertreten
durch Advokat Dr. Thomas Christen, Büchelistrasse/ Lindenstrasse 2, 4410
Liestal,

gegen

Winterthur Versicherungen, General Guisan-Strasse 40, 8400 Winterthur,
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Reto Zanotelli,
Weinbergstrasse 43, 8006 Zürich,

Kantonsgericht Basel-Landschaft, Liestal

(Entscheid vom 17. September 2003)

Sachverhalt:

A.
P. ________ (geboren 1957) arbeitet am Spital Z.________ und ist in dieser
Eigenschaft bei den Winterthur Versicherungen (nachfolgend: Winterthur) gegen
die Folgen von Unfällen obligatorisch versichert. Am 10. November 2001 hob
sie beim Kochen eine Pfanne vom Herd und verspürte ein Knacksen im linken
Ellenbogen. Die in der Folge vorgenommenen Abklärungen ergaben eine
(vorbestehende) Luxation des Radiusköpfchens. Mit Verfügung vom 2. Mai 2002,
bestätigt mit Einspracheentscheid vom 2. Dezember 2002, lehnte die Winterthur
die Übernahme jeglicher Leistungen nach dem 31. Dezember 2001 für das
Ereignis vom 10. November 2001 ab.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Kantonsgericht Basel-Landschaft
mit Entscheid vom 17. September 2003 teilweise gut und verpflichtete die
Winterthur zur Übernahme von Kosten in der Höhe von Fr. 372.95.

C.
Die Winterthur führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag auf
Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids. P.________ lässt
Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, der kantonale Entscheid
sei insofern abzuändern, als er die Pflicht der Winterthur zur Übernahme der
Kosten auf Fr. 372.95 beschränke. Sowohl P.________ als auch die Winterthur
schliessen auf Abweisung der gegnerischen Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Die
mitbeteiligte Krankenkasse Intras Versicherungen enthält sich in ihren
Schreiben vom 9. Januar 2004 eines Antrags. Das Bundesamt für
Sozialversicherung (seit 1. Januar 2004 Bundesamt für Gesundheit, Abteilung
Unfallversicherung) verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Da den beiden Verwaltungsgerichtsbeschwerden derselbe Sachverhalt zu Grunde
liegt, sich die gleichen Rechtsfragen stellen und die Rechtsmittel den
nämlichen vorinstanzlichen Entscheid betreffen, rechtfertigt es sich, die
beiden Verfahren zu vereinigen und in einem einzigen Urteil zu erledigen (BGE
128 V 126 Erw. 1 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 128 V 194 Erw. 1).

2.
Die Vorinstanz hat die Grundsätze über die zeitliche Anwendung des am 1.
Januar 2003 in Kraft getretenen Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000 (ATSG; BGE 129 V 4 Erw. 1.2)
und den Anspruch auf eine Feststellungsverfügung (BGE 122 V 30 Erw. 2b mit
Hinweisen) zutreffend dargelegt. Dasselbe gilt für die Bestimmungen und
Grundsätze über den Begriff des Unfalls (Art. 9 Abs. 1 UVV in Verbindung mit
Art. 6 Abs. 1 UVG) sowie der unfallähnlichen Körperschädigung (Art. 9 Abs. 2
UVV in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 UVG; BGE 129 V 466 mit Hinweisen). Darauf
wird verwiesen.

3.
Die Parteien sind sich einig, dass kein Unfall im Sinne von Art. 6 Abs. 1 UVG
vorliegt. Hingegen ist streitig, ob und in welchem Umfang die Winterthur für
die Folgen des Ereignisses vom 10. November 2001 im Rahmen einer
unfallähnlichen Körperschädigung aufzukommen hat. Die Winterthur lehnt die
Pflicht zur Übernahme der Kosten aus diesem Vorfall nach dem 31. Dezember
2001 ab. Die Versicherte jedoch verlangt die Feststellung, dass die
Winterthur für die ihr entstandenen Kosten grundsätzlich und nicht bloss im
Umfang von Fr. 372.95 aufzukommen habe; diesbezüglich bestehe ein Widerspruch
zwischen der Begründung und dem Dispositiv des vorinstanzlichen Entscheids.

4.
4.1 In der Unfallmeldung vom 5. Dezember 2001 wird als Unfallhergang
festgehalten, beim Kochen des Mittagessens habe die Versicherte den Topf vom
Kochherd genommen und dabei ein Knacksen im linken Ellenbogen verspürt.
Angefügt wird der Begriff "Schmerzen", ohne jedoch eine genaue Zeitangabe zu
machen.
Im Bericht der Klinik für Unfallchirurgie, Spital Z.________, vom 10.
Dezember 2001 wird der Hergang wie folgt beschrieben: "Am 10.11.01 beim Heben
eines Topfes verspürte die Patientin ein Knacken. Primär keine Schmerzen, 2
Tage später dann Schmerzen und Schwellung am Unterarm palmarseits. ..."
Die Neurologische Klinik des Spitals Z.________ hält in der Krankengeschichte
am 4. Februar 2002 fest: "11/01 beim Anheben eines Kochtopfes (ca 3 l)
plötzliches Knacken in der Ellbeuge bemerkt, anschliessende Schwellung und
Schmerzen. ..."
Im Bericht vom 30. Juni 2002 beurteilt Dr. med. S.________, Orthopädische
Klinik Y.________, bezüglich der Frage Unfall oder Krankheit die Situation
als unfallbedingt. Die Versicherte habe trotz vorbestehender Verletzung keine
Schmerzen bis November 2001 gehabt; sie habe dann einen schweren Gegenstand
gehoben und ein starkes Knacken mit einschiessenden Schmerzen und folgendem
Hämatom verspürt. In diesem Sinne handle es sich um eine durch dieses
Ereignis ausgelöste unfallähnliche Körperschädigung. In weiteren Berichten
vom 14. August 2002 und vom 23. September 2002 macht Dr. med. S.________ im
Wesentlichen die selben Aussagen.
Die übrigen (medizinischen) Akten enthalten keine Schilderung des Vorfalles
vom 10. November 2001 seitens der Versicherten.

4.2 Nach den obigen Darlegungen und in Anbetracht des Vorrangs der Aussagen
der ersten Stunde (BGE 121 V 47 Erw. 2a mit Hinweisen) ist fraglich, ob die
für die geltend gemachte Schädigung nach Art. 9 Abs. 2 UVV typischen
Schmerzen unmittelbar im Anschluss an das Ereignis vom 10. November 2001
auftraten. Diesbezüglich sind auch die Berichte des Dr. med. S.________ nicht
beweiskräftig, da sie einerseits in grosser zeitlicher Distanz zum Ereignis
liegen und andererseits Dr. med. S.________ eine für den medizinischen
Experten unzulässige rechtliche Subsumtion vornimmt (AHI 2000 S. 152 Erw. 2c
mit Hinweis). Die Frage kann aber offen bleiben. Denn das Anheben des
Kochtopfes stellt für sich allein keinen äusseren Faktor mit erheblichem
Schädigungspotenzial dar (BGE 129 V 470 Erw. 4.2.2), zumal es sich bei einem
nur 3 l Flüssigkeit fassenden Topf - selbst wenn er voll ist - nicht um eine
schwere Pfanne handelt. Etwas Spezielles wie etwa eine brüske Bewegung oder
eine unerwartete zusätzliche Krafteinwirkung wird jedoch in keiner der
Schilderungen geltend gemacht. Insofern fehlt es an der erforderlichen
gesteigerten Gefahrenlage oder dem Hinzutreten eines zur Unkontrolliertheit
der in Frage stehenden Bewegung führenden Momentes (BGE 129 V 471 Erw. 4.3).
4.3 Nach dem Gesagten sind die Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 2 UVV nicht
erfüllt. Ob die Versicherte Anspruch auf eine Feststellungsverfügung hatte
und zu Recht einen Widerspruch zwischen den vorinstanzlichen Erwägungen und
dem Dispositiv rügte, braucht daher nicht entschieden zu werden.

5.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Die obsiegende Versicherung hat
trotz anwaltlicher Vertretung keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung,
da das Verfahren in Zusammenhang mit einer öffentlich-rechtlichen Aufgabe
steht (Art. 159 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 135 OG; BGE 123 V 309 Erw. 10
mit Hinweisen).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verfahren U 266/03 und U 291/03 werden vereinigt.

2.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Winterthur
Versicherungen wird der Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom
17. September 2003 aufgehoben. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde der
Versicherten wird abgewiesen.

3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft,
Abteilung Sozialversicherungsrecht, dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) und
der Intras Versicherungen zugestellt.
Luzern, 28. Mai 2004

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: