Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 251/2003
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U 251/03

Urteil vom 12. Mai 2004
II. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Rüedi und Schön; Gerichtsschreiber Fessler

A.________, 1943, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Harro
Fehr, Dolderstrasse 109, 8032 Zürich,

gegen

Winterthur Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft, General Guisan-Strasse
40, 8400 Winterthur, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Guy
Reich, Münchhaldenstrasse 24, 8008 Zürich

Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz, Schwyz

(Entscheid vom 26. August 2003)

Sachverhalt:

A.
Der 1943 geborene A.________ arbeitete ab 1. Mai 1995 im Aussendienst der
Firma D.________ AG. Er war bei den Winterthur Versicherungen (im Folgenden:
Winterthur) obligatorisch gegen die Folgen von Berufs- und
Nichtberufsunfällen sowie Berufskrankheiten versichert. Am 10. Juni 1997
wurde A.________ in eine Auffahrkollision verwickelt. Ein Lieferwagen fuhr
von hinten in das Anhängerfahrzeug seines von ihm gelenkten Personenwagens.
Durch den Aufprall wurde das Auto in das Heck eines vor ihm stehenden
Pannenfahrzeuges gestossen. Bis 26. Juni 1997 blieb A.________ der Arbeit
fern. Danach bestand wieder eine Arbeitsfähigkeit von mindestens 50 %. Die
Winterthur erbrachte die gesetzlichen Leistungen (Heilbehandlung, Taggeld).

Am 8. Januar 1999 löste die Firma D.________ AG das Arbeitsverhältnis auf
Ende März 1999 auf.

Mit Schreiben vom 10. November 1999 teilte die IV-Stelle des Kantons St.
Gallen A.________ mit, dass er ab 1. Juli 1999 Anspruch auf eine
Viertelsrente und ab 1. Oktober 1999 auf eine halbe Rente der
Invalidenversicherung habe.

Mit Verfügung vom 19. April 2002 stellte die Winterthur ihre Leistungen auf
Ende Januar 2002 ein. Im Weitern verneinte sie den Anspruch auf eine
Invalidenrente und auf eine Integritätsentschädigung. Daran hielt der
Unfallversicherer mit Einspracheentscheid vom 20. November 2002 fest.

B.
Die von A.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht
des Kantons Schwyz mit Entscheid vom 26. August 2003 ab.

C.
A.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit den Rechtsbegehren,
der kantonale Gerichtsentscheid sei aufzuheben und es sei ihm ab 1. Februar
2002 eine «50%ige UVG-Rente (Komplementärrente zur IV-Rente ...)»
zuzusprechen; eventualiter sei eine zusätzliche ärztliche Begutachtung
anzuordnen und gestützt darauf der Renten-Prozentsatz festzulegen.
Kantonales Verwaltungsgericht und Winterthur beantragen je die Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung,
Abteilung Kranken- und Unfallversicherung (seit 1. Januar 2004 im Bundesamt
für Gesundheit), reicht keine Vernehmlassung ein.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Streitgegenstand bildet die Leistungspflicht der Winterthur nach UVG ab 1.
Februar 2002 aus dem Unfall vom 10. Juni 1997. Dabei stellt sich vorab die
Frage, ob die gesundheitlichen Beeinträchtigungen, soweit sie sich auf die
Arbeits- und Erwerbsfähigkeit auswirken, natürliche und adäquat-kausale
Unfallfolgen darstellen.

Das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000
über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) kommt nicht
zur Anwendung, wie auch das kantonale Gericht richtig erkannt hat (BGE 129 V
4 Erw. 1.2).

2.
Im angefochtenen Entscheid werden der Begriff des natürlichen
Kausalzusammenhanges zwischen Unfall, Gesundheitsschaden und dadurch
bedingter Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit (BGE 123 III 112 Erw. 3a, 123 V 139
Erw. 3c), die Rechtsprechung zur Adäquanzbeurteilung bei psychischen
Fehlentwicklungen nach Unfall (vgl. BGE 115 V 140 Erw. 6c/aa und bb; ferner
BGE 117 V 383 f. Erw. 4b und c) zutreffend dargelegt. Richtig sind auch die
vorinstanzlichen Ausführungen zum Beweiswert ärztlicher Berichte (BGE 125 V
352 Erw. 3a, 122 V 160 Erw. 1c). Darauf wird verwiesen.

3.
Das kantonale Gericht hat erwogen, auf Grund der medizinischen Unterlagen sei
der natürliche Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall vom 10. Juni 1997 und
den gesundheitlichen Beeinträchtigungen (ängstliche Depression, schmerz- und
psychisch-bedingte kognitive Funktionseinschränkung) im Sinne einer
Teilursächlichkeit zu bejahen. Insbesondere sprächen keine Argumente im Sinne
überwiegender Wahrscheinlichkeit dafür, dass der jetzige Zustand auch ohne
jenes Ereignis eingetreten wäre (status quo sine). Im Weitern gehe aus den
medizinischen Akten hervor, dass die psychische Fehlentwicklung (depressive
Episode; somatoforme autonome Funktionsstörung; Anpassungsstörung im
Zusammenhang mit einem Distorsionstrauma) unzweifelhaft im Vordergrund stehe.
Nach der Rechtsprechung habe somit die Adäquanzbeurteilung unter dem
Gesichtspunkt einer psychischen Fehlentwicklung nach Unfall zu erfolgen (vgl.
BGE 123 V 99 Erw. 2a). Dabei sei von einem Unfall im unter(st)en Bereich der
mittleren Fälle auszugehen. Die Vorinstanz hat die massgebenden Kriterien
geprüft und keines als gegeben erachtet. Demzufolge hat sie die Adäquanz und
damit eine Leistungspflicht der Winterthur ab 1. Februar 2002 verneint.

4.
4.1 Auf Grund der Akten ist fraglich, ob ein natürlicher Kausalzusammenhang
zwischen dem Unfall vom 10. Juni 1997 und den psychischen Störungen besteht.
Ebenfalls ist zweifelhaft, ob ein Anwendungsfall der Rechtsprechung gemäss
BGE 123 V 99 Erw. 2a gegeben ist. Gemäss MEDAS-Gutachten vom 16. Februar 2001
leidet der Beschwerdeführer neben einem nicht im Zusammenhang mit dem Unfall
stehenden cervikozephalen Schmerzsyndrom an einer ängstlichen Depression
mittleren Schweregrades mit somatischen Symptomen sowie an schmerz- und
psychisch bedingten kognitiven Funktionseinschränkungen. Die Störungen
beeinflussen sich gegenseitig. Das kantonale Gericht hält selber fest, dass
eine Abgrenzung des (subjektiven) Schmerzempfindens von der depressiven
Episode mit somatischem Syndrom einerseits sowie der somatoformen autonomen
Funktionsstörung und auch der Anpassungsstörung anderseits schwierig sein
dürfte. Wie es sich damit verhält, kann indessen offen bleiben.

4.2 Vorab ist festzustellen, dass entgegen den Vorbringen in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde die Vorinstanz nicht «irrtümlich von einer vor
dem Unfall bestehenden psychischen Problematik ausgegangen» ist. Im Weitern
fehlt es am adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall vom 10. Juni
1997 und den geklagten Beschwerden. Das gilt nach den zutreffenden Erwägungen
im angefochtenen Entscheid, auf welche verwiesen wird, unter der Annahme
einer im Vordergrund stehenden psychischen Fehlentwicklung nach Unfall. Zu
keinem anderen Ergebnis führt, wenn bei der Adäquanzbeurteilung nicht danach
unterschieden wird, ob die Beschwerden eher körperlicher oder psychischer
Natur sind (vgl. BGE 117 V 367 Erw. 6a in fine). Daran änderte die Annahme
einer seit 27. Juni 1997 ununterbrochen bestehenden Arbeitsunfähigkeit von 50
% nichts. Damit wäre höchstens eines der Kriterien gegeben, was für die
Bejahung der Adäquanz nicht genügt. Im Übrigen kann nicht gesagt werden, nach
dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung falle ein
stellenloser, nur noch teilarbeitsfähiger 56-Jähriger in der
Lebenswirklichkeit aus dem Arbeitsprozess heraus und gerate in ein komplexes
somatisch/psychisches Beschwerdebild.

5.
Der angefochtene Entscheid ist somit rechtens.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz
und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugestellt.

Luzern, 12. Mai 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der II. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: