Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 234/2003
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U 234/03

Urteil vom 3. Mai 2004
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Ursprung; Gerichtsschreiber
Scartazzini

S.________, 1940, Beschwerdeführer,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
Beschwerdegegnerin

Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen

(Entscheid vom 20. August 2003)

Sachverhalt:

A.
Der 1940 geborene S.________ war vom 1. April 1963 bis 30. April 1965 bei der
Firma H.________ AG in L.________ beschäftigt und damit bei der
Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen die Folgen von
Berufs- und Nichtberufsunfällen versichert. Im Dezember 1964 oder Januar 1965
stürzte er beim Eislaufen auf die rechte Kopfseite. Dabei zog er sich im
Bereich der Schläfe eine Platzwunde zu und war (gemäss eigenen Angaben
gegenüber der SUVA vom 4. Juli 2001) einige Minuten bewusstlos; man habe bei
ihm eine Hirnerschütterung diagnostiziert und arbeitsunfähig sei er während
etwa acht Tagen gewesen; die damaligen Ärzte hätten ihm prophezeit, dass er
auf Dauer in der Belastungsfähigkeit eingeschränkt sein könnte und dass er
übermässige körperliche Belastung meiden sollte.

Am 3. Dezember 2000 und 26. März 2001 meldete der Versicherte der SUVA
residuelle Kopfschmerzen und Schwindelgefühle, die sich in den letzten Jahren
verstärkt hätten; er führte die geklagten Beschwerden auf den seinerzeitigen
Schlittschuh-Unfall zurück.

Die SUVA teilte S.________ am 7. März 2001 mit, die Akten zu diesem Unfall
vor 37 Jahren seien bereits vernichtet worden.

Nach Durchführung verschiedener medizinischer Abklärungen lehnte die SUVA mit
Verfügung vom 15. April 2002 einen Anspruch auf Versicherungsleistungen aus
dem gemeldeten "Rückfall zum Schadenfall vom 31.12.1964" ab, weil keine
Folgen eines versicherten Ereignisses vorlagen. Dies bestätigte sie mit
Einspracheentscheid vom 20. November 2002.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde, womit beantragt wurde, die SUVA zu
verpflichten, Leistungen zu erbringen, wies das Versicherungsgericht des
Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 20. August 2003 ab.

C.
S.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und das vorinstanzliche
Rechtsbegehren erneuern.

Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während
das kantonale Gericht und das Bundesamt für Sozialversicherung, Abteilung
Kranken- und Unfallversicherung (seit 1. Januar 2004 im Bundesamt für
Gesundheit), auf eine Vernehmlassung verzichten.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Vorinstanz hat die gesetzlichen Bestimmungen und die Grundsätze über die
Gewährung von Versicherungsleistungen bei Unfällen (Art. 6 Abs. 1 UVG), zu
dem für die Leistungspflicht des Unfallversicherers vorausgesetzten
natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem
eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität, Tod) im Allgemeinen (BGE 119 V
337 Erw. 1, 118 V 289 Erw. 1b, je mit Hinweisen) und bei Verschlimmerung
eines krankhaften Vorzustandes durch einen Rückfall oder Spätfolgen (Art. 11
UVV) im Besonderen (BGE 118 V 296 f. Erw. 2c mit Hinweisen) zutreffend
dargelegt. Richtig wiedergegeben ist ferner die Rechtsprechung zu dem im
Sozialversichrungsrecht allgemein üblichen Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit (BGE 119 V 338 Erw. 1, 118 V 289 f. Erw. 1b, je mit
Hinweisen; siehe auch BGE 121 V 47 Erw. 2a, 208 Erw. 6b) und zum Beweiswert
sowie zur Beweiswürdigung ärztlicher Berichte und Gutachten (BGE 122 V 160
Erw. 1c; RKUV 1991 Nr. U 133 S. 312 f. Erw. 1b; vgl. auch BGE 125 V 352 ff.
Erw. 3a und b). Darauf wird verwiesen. Zutreffend dargelegt wurde
schliesslich, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über
den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000
nicht anwendbar ist, da nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses des
streitigen Einspracheentscheids (hier: 20. November 2002) eingetretene
Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsgericht nicht
berücksichtigt werden (BGE 129 V 4 Erw. 1.2, 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw.
1b).

2.
Das kantonale Gericht ist davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer
infolge des Sturzes im Winter 1964/1965 eine Commotio cerebri (heute als
milde traumatische Hirnverletzung zu bezeichnen), jedoch keine strukturelle
Gesundheitsschädigung in Form einer Schädelfraktur erlitten hatte. Die neu
geklagten Beschwerden (Kopfschmerzen, Schwindelgefühle, Gedächtnis- und
Konzentrationsstörungen) beurteilte die Vorinstanz zu Recht nach den für
einen Rückfall geltenden Regeln.

2.1 In seinem anlässlich einer MR-Untersuchung des Gehirns erstellten Bericht
vom 14. März 2002 hielt Dr. med. A.________, Spezialarzt Neuroradiologie,
fest, es seien strukturelle Veränderungen in der Form von für das Alter des
Versicherten leicht prominenten Seitenventrikeln festgestellt worden. Die
Wertung dieses Befundes habe aus klinischer Sicht zu erfolgen, wobei es sich
jedoch durchaus um eine Normvariante handeln könne. Die Ärzte der Klinik
B.________ Dr. phil. C.________ und Dr. med. Z.________ stellten in ihrem
neuropsychologischen/neurologischen Bericht vom 28. März und 2. April 2002
die Diagnose einer leichten neuropsychologischen Funktionsstörung. Obwohl
theoretisch die Möglichkeit bestehe, dass die seinerzeitige milde
traumatische Hirnverletzung gewisse neuropsychologische Residuen
zurückgelassen habe, stünden die in den letzten zehn Jahren stärker
gewordenen Konzentrations- und Gedächtnisstörungen sowie die seit zwei Jahren
empfundenen Schwindelbeschwerden möglicherweise mit einer psychosomatischen
Problematik im Zusammenhang. Dies ergebe sich hauptsächlich daraus, dass sich
Hinweise auf eine Somatisierungstendenz auch bei der neuropsychologischen
Untersuchung gezeigt hätten und diese Tendenz schon durch einen von Dr. med.
W.________ am 29. April 1996 zuhanden der Rentenanstalt Swiss Life erstellten
Bericht sowie durch einen weiteren Bericht des Spitals U.________ vom 29.
Juli 1996 bestätigt werde. Unklar bleibe, ob die seither berichteten
Störungen mit Kopfschmerzen beim Bücken auf den genannten Unfall
zurückzuführen seien. Diesbezüglich attestierte Dr. med. W.________ am 17.
Dezember 2001, seit der Commotio cerebri seien die Kopfschmerzen prägnant
stark und müssten doch als posttraumatisches Residuum angesehen werden.
Demgegenüber befanden Dr. phil. C.________ und Dr. med. Z.________, heute
stünden eine Reihe von psychosomatischen leichten Beschwerden wie Herzrasen,
Angstzustände, rheumatoforme Beschwerden und Schlafstörungen im Vordergrund;
gerade die Diagnose einer Cephalea zeichne sich durch vielfältige Ursachen
aus. Auch für die gefundenen Erweiterungen der Ventrikel kämen im Alter des
Versicherten zahlreiche Ursachen in Frage, wobei es sich nach Dr. med.
A.________ bei der festgestellten Eigenschaft wie erwähnt durchaus um eine
Normvariante handeln könne.

2.2 Auf Grund dieser medizinischen Aktenlage ist die Vorinstanz der
Beurteilung der SUVA gefolgt und davon ausgegangen, ein natürlicher
Kausalzusammenhang zwischen den geklagten Gesundheitsstörungen und dem
fraglichen Sturz sei zu verneinen. Als massgebend erachtete das kantonale
Gericht, dass sich für die beklagten Beschwerden verschiedenste
krankheitsbedingte Ursachen eingestellt haben konnten, während der typische
posttraumatische Verlauf nach einem leichten Schädel-Hirn-Trauma gemäss
medizinischer Wissenschaft eine Erholungszeit von lediglich sechs bis zwölf
Wochen betragen hätte. Zudem waren auch nach Aussage des Beschwerdeführers
die leichten Gedächtnisschwierigkeiten erst zwei Monate nach dem Unfall
aufgetreten. Daraus schloss das Gericht, in den medizinischen Untersuchungen
seien zwar Gesundheitsschäden festgestellt worden; diese konnten jedoch nicht
mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit als natürliche Folgen
des rund 37 Jahre zurückliegenden Unfalls betrachtet werden.

2.3 Dem vorinstanzlichen Entscheid ist beizupflichten. Was der
Beschwerdeführer in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die
Gesamtwürdigung durch das kantonale Gericht vorbringt, vermag nicht
durchzudringen. Der Einwand, seine Beschwerden dem psychosomatischen Bereich
zuzuordnen, widerspreche medizinisch-klinischer Realität, entbehrt der
aktenmässigen Grundlage. Denn einerseits gelangten nicht nur die Ärzte der
Klinik B.________ zu diesem Schluss, sondern wurde dies bereits in einem von
Dr. med. W.________ am 29. April 1996 erstellten Bericht hervorgehoben und in
einem weiteren Bericht des Spitals U.________ vom 29. Juli 1996 bestätigt.
Andererseits kann im Befund des Dr. med. Z.________ kein Widerspruch
gegenüber seinen allgemein in einer Broschüre gemachten Aussagen erblickt
werden.

Entscheidend ist letztlich, dass es mit Blick auf die Vielzahl der als
Beschwerdeursachen in Frage kommenden Faktoren (krankhafte Prozesse,
altersbedingte Einschränkungen) nicht möglich ist, eine kausale Bedeutung des
ursprünglichen Ereignisses zum heutigen Gesundheitszustand nachzuweisen.
Diese Beweislosigkeit wirkt sich zu Lasten des Beschwerdeführers aus (BGE 117
V 264 Erw. 3b mit Hinweisen).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugestellt.

Luzern, 3. Mai 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer:  Der Gerichtsschreiber:

i.V.