Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 232/2003
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U 232/03

Urteil vom 11. Dezember 2003
IV. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiber
Arnold

G.________, 1965, Beschwerdeführer,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 29. August 2003)

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 10. September 1998, bestätigt durch den Einspracheentscheid
vom 17. März 1999, lehnte die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt
(SUVA) ihre Leistungspflicht für die von G.________, geb. 1965, im August
1998 gemeldeten Kniebeschwerden ab. Diese stünden in keinem natürlichen
Kausalzusammenhang zum Unfallereignis vom 15. November 1988, als der
Versicherte bei einem Sturz eine Fraktur der rechten Patella erlitten hatte.
Auf Rückweisungsentscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
(vom 14. November 2000) hin traf die SUVA ergänzende Abklärungen. Sie zog
insbesondere die Akten der Schweizerischen Invalidenversicherung bei, holte
ein Gutachten des Dr. med. M.________, Spezialarzt FMH für physikalische
Medizin und Rheumaerkrankungen, (vom 23. Oktober 2001) sowie einen Bericht
der Psychiatrischen Klinik X.________ (vom 16. Mai 2001) ein, wo G.________
vom 25. November 1999 bis 8. März 2000 stationär behandelt worden war. Mit
Verfügung vom 20. November 2001 lehnte die SUVA ihre Leistungspflicht in der
Folge erneut ab. Daran hielt sie im Einspracheentscheid vom 8. August 2002
fest, wobei sie ergänzte, mangels adäquaten Kausalzusammenhangs bestünde auch
hinsichtlich der psychischen Gesundheitsbeeinträchtigungen keine
Leistungspflicht nach UVG.

B.
Die dagegen eingereichte Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich ab (Entscheid vom 29. August 2003).

C.
G.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, in
Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides sei die SUVA zu verpflichten,
die gesetzlichen Leistungen zu erbringen, insbesondere eine Rente und eine
Integritätsentschädigung "von mindestens 30 %"; eventuell seien ergänzende
Abklärungen vorzunehmen.

Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das
Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Stellungnahme.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Streitig und zu prüfen ist, ob die vom Beschwerdeführer geklagten
gesundheitlichen Beeinträchtigungen somatischer wie psychischer Art in einem
natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang mit dem Unfall vom 15. November
1988 stehen. Dabei ist mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass der
Grundfall dadurch abgeschlossen wurde, dass die SUVA dem Versicherten im
Brief vom 17. Januar 1992 (unter Hinweis auf den Bericht des Kreisarztes vom
14. Januar 1992) eröffnet hatte, die Leistungen würden eingestellt. Diesem
formlosen, materiell Verfügungscharakter aufweisenden Akt kommt mangels
Widerspruchs Rechtsbeständigkeit zu (vgl. auch BGE 122 V 368 f. Erw. 3 und
Urteil N. vom 14. Juli 2003, C 7/02, Erw. 3). Verfahrensentscheidend ist
daher, ob ein leistungsbegründender Rückfall oder Spätfolgen im Sinne von
Art. 11 UVV bestehen. Das kantonale Gericht hat die für die Beurteilung
dieser Frage einschlägigen Rechtsgrundlagen nach Art. 6 Abs. 1 UVG zutreffend
dargelegt, wobei korrekterweise die Anwendbarkeit des Bundesgesetzes über den
Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000, in
Kraft getreten am 1. Januar 2003, verneint wurde. Darauf wird verwiesen.

2.
2.1 Das kantonale Gericht hat in einlässlicher und sorgfältiger Würdigung der
medizinischen Unterlagen richtig festgestellt, dass die durch die
Beschwerdegegnerin am 4. August 1998 gemeldeten Kniebeschwerden nicht mit der
erforderlichen Wahrscheinlichkeit in einem natürlichen Kausalzusammenhang zum
Unfall vom 15. November 1988 stehen. Es stützte sich dabei im Wesentlichen
auf die Expertise des Dr. med. M.________ vom 23. Oktober 2001, worin eine
leichte Chondropathia patellae rechts sowie ein Status nach Cerclage der
Patellafraktur rechts am 15. November 1988 diagnostiziert wurde. Dies nachdem
ein weitgehend unauffälliger Befund des rechten Knies erhoben worden war.
Klinisch fielen einzig eine Druck- und Klopfdolenz der Patella sowie ein
positiver Verschiebeschmerz der Patella mit und ohne Anspannung der
Quadrizepsmuskulatur auf. Das Knie, so das Gutachten weiter, sei vollkommen
frei sowie schmerzlos beweglich, es bestünden keine Schwellungen und es lägen
keine positiven Meniskuszeichen vor. Weiter könnten keine periartikulären
Druckdolenzen nachgewiesen werden, die Kreuz- und Seitenbänder seien stabil
und es bestünde keine Quadrizepsatrophie. Röntgenologisch lägen retropatellär
keine spezifischen Frakturresiduen wie Stufenbildung, Unregelmässigkeiten des
Gelenkrandes oder fortgeschrittene Knorpeldefekte und insbesondere auch keine
Patellafemoralarthrose vor. Die bereits anlässlich der
Magnetresonanztomographie vom 28. August 1998 festgestellte leichte
Chondropathia patellae rechts (ohne Nachweis einer signifikanten
Verschmälerung der Knorpelschicht) stünde nicht in einem ursächlichen
Zusammenhang mit dem Unfall vom 15. November 1988. Von dieser Beurteilung
abzugehen besteht kein Grund, da der in Nachachtung des auf Rückweisung
lautenden Entscheides des kantonalen Gerichts (vom 14. November 2000)
eingeholten Expertise voller Beweiswert (BGE 125 V 352 Erw. 3) zuzuerkennen
ist. Hinzu kommt, wie die Vorinstanz unter Hinweis auf das medizinische
Schrifttum zutreffend erwog, dass entsprechende Knieschmerzen zwar in
einzelnen Fällen traumatisch bedingt sind, bei der grossen Mehrzahl der
jüngeren Patienten, zu denen auch der Beschwerdeführer noch gezählt werden
kann, hingegen keine Ursache für die geklagten Beschwerden nachweisbar ist
(in diesem Sinne bereits: Debrunner, Orthopädie, orthopädische Chirurgie: die
Störungen des Bewegungsapparates in Klinik und Praxis; 3. Aufl., Bern,
Göttingen, Toronto, Seattle 1994, S. 804).

2.2 Die Akten liefern kein in allen Punkten stimmiges Bild darüber, wie sich
der Unfall vom 15. November 1988 im Einzelnen ereignet hat. Laut der
Unfallmeldung des Arbeitgebers (vom 18. November 1988) stürzte der
Beschwerdeführer beim Abladen von Material von einem Lieferwagen. Gemäss dem
Arztzeugnis UVG des Dr. med. B.________, Assistenzarzt am Spital Y.________,
vom 28. November 1988 war ein Sturz auf dem fahrenden Lastwagen für die
Blessuren ursächlich. Anlässlich der Befragung durch die Beschwerdegegnerin
(am 9. Februar 2001) gab der Beschwerdeführer an, er sei von der offenen
Ladebrücke eines fahrenden Lieferwagens auf die Strasse gefallen. Soweit im
Protokoll der Befragung vom 12. Dezember 1988 die Rede davon sei, er sei als
Beifahrer in der Kabine des Lieferwagens gesessen, träfe dies nicht zu. Man
habe ihn damals offensichtlich falsch verstanden.

Rückfälle und Spätfolgen als besondere revisionsrechtliche Tatbestände (BGE
127 V 457 Erw. 4b mit Hinweis) schliessen begrifflich an ein bestehendes
Unfallereignis an. Entsprechend können sie eine Leistungspflicht des
(damaligen) Unfallversicherers nur auslösen, wenn zwischen den erneut geltend
gemachten Beschwerden und der seinerzeit beim versicherten Unfall erlittenen
Gesundheitsschädigung ein natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang
besteht (BGE 118 V 296 f. Erw. 2c mit Hinweisen; RKUV 1994 Nr. U 206 S. 326
f. Erw. 2). Wie auch immer sich der Unfall vom 15. November 1988 im Einzelnen
ereignet hat, braucht im Lichte der eben dargelegten Grundsätze nicht
abschliessend erörtert zu werden. Im Hinblick darauf, dass in der
Krankengeschichte des erstbehandelnden Spitals Y.________ nebst der Fraktur
der rechten Patella einzig von Schürfungen am Kopf sowie an der rechten Hand
die Rede ist und der Beschwerdeführer ausweislich der Akten bis im Jahre 1992
über keine weitergehenden Beschwerden klagte, ist jedenfalls nicht
überwiegend wahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer sich im Herbst 1988 an
der Wirbelsäule, der Schulter oder am Kopf in der Weise verletzt hat, dass
nunmehr rückfall- oder spätfolgeweise kausalrechtlich daran angeknüpft werden
könnte. Analoges gilt, auch darin ist dem kantonalen Gericht beizupflichten,
hinsichtlich der zwischenzeitlich eingetretenen psychischen Schädigung. Laut
Bericht der Psychiatrischen Klinik X.________ vom 16. Mai 2001 leidet der
Beschwerdeführer an paranoider Schizophrenie, welche vor ungefähr sechs
Jahren, mithin ungefähr drei Jahre nach dem Unfall im Jahre 1988, zuerst
schleichend und nun seit 1999 akut verlaufen sei, ohne dass eine
hirnorganische Schädigung als Ursache festgestellt werden konnte. Da der
relevante medizinische Sachverhalt umfassend dokumentiert ist, besteht
schliesslich kein Anlass zu ergänzenden Beweisvorkehren (antizipierte
Beweiswürdigung; BGE 124 V 94 Erw. 4b).

3.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 11. Dezember 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der IV. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: