Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 229/2003
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U 229/03

Urteil vom 29. September 2005
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Lustenberger und Kernen;
Gerichtsschreiber Ackermann

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern, Beschwerdeführerin,

gegen

Z.________, 1967, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Andreas
Hagmann, Obere Bahnhofstrasse 11, 9501 Wil

Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau, Weinfelden

(Entscheid vom 20. August 2003)

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 4. Juni 2002 stellte die Schweizerische
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) die bisher wegen eines am 3. Mai 2000
erlittenen Unfalles an Z.________, geboren 1967, ausgerichteten Leistungen
ein und verneinte den Anspruch auf Invalidenrente und
Integritätsentschädigung. Dies wurde durch Einspracheentscheid vom 27. Januar
2003 bestätigt.

B.
Mit Eingabe vom 9. Mai 2003 liess Z.________ dagegen Beschwerde erheben.
Nachdem im Rahmen des Schriftenwechsels auf die Frage der Rechtzeitigkeit der
Beschwerde hingewiesen worden war, stellte das Verwaltungsgericht des Kantons
Thurgau mit Entscheid vom 20. August 2003 fest, dass die Beschwerde
fristgerecht eingereicht worden war.

C.
Die SUVA führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, den
vorinstanzlichen Entscheid aufzuheben und den Einspracheentscheid von Januar
2003 mangels rechtzeitiger Anfechtung als rechtskräftig zu bestätigen.

Z. ________ lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen
und die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Verbeiständung
beantragen, während das Bundesamt für Sozialversicherung, Abteilung Kranken-
und Unfallversicherung (seit dem 1. Januar 2004 im Bundesamt für Gesundheit),
auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Gemäss Art. 128 OG beurteilt das Eidgenössische Versicherungsgericht
letztinstanzlich Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Verfügungen im Sinne
von Art. 97, 98 lit. b-h und 98a OG auf dem Gebiet der Sozialversicherung.
Hinsichtlich des Begriffs der mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbaren
Verfügungen verweist Art. 97 OG auf Art. 5 VwVG. Nach Art. 5 Abs. 1 VwVG
gelten als Verfügungen Anordnungen der Behörden im Einzelfall, die sich auf
öffentliches Recht des Bundes stützen (und im Übrigen noch weitere, nach dem
Verfügungsgegenstand näher umschriebene Voraussetzungen erfüllen).
Verfügungen im Sinne dieser Umschreibung können nach dem Wortlaut des zweiten
Absatzes von Art. 5 VwVG auch Zwischenverfügungen sein, insoweit sie den
Anforderungen des vorangehenden ersten Absatzes entsprechen. Zudem verweist
Art. 5 Abs. 2 VwVG bezüglich der Zwischenverfügungen auf Art. 45 des gleichen
Gesetzes, laut dem nur solche Zwischenverfügungen anfechtbar sind, die einen
nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 45 Abs. 1 VwVG).
Dieser grundsätzliche Vorbehalt gilt als Voraussetzung für die Zulässigkeit
eines selbstständigen, der Endverfügung vorangehenden Beschwerdeverfahrens,
insbesondere für alle in Art. 45 Abs. 2 VwVG - nicht abschliessend -
aufgezählten Zwischenverfügungen. Für das letztinstanzliche
Beschwerdeverfahren ist ferner zu beachten, dass gemäss Art. 129 Abs. 2 OG in
Verbindung mit Art. 101 lit. a OG die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen
Zwischenverfügungen nur zulässig ist, wenn sie auch gegen die Endverfügung
offen steht (BGE 128 V 201 Erw. 2a, 124 V 85 Erw. 2 mit Hinweisen).

1.2 Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde richtet sich gegen die Feststellung der
Rechtzeitigkeit der erstinstanzlichen Beschwerde und damit gegen das
Eintreten auf das Rechtsmittel. Beim vorinstanzlichen Entscheid handelt es
sich um eine Zwischenverfügung im Sinne des Art. 45 VwVG, welche im Hinblick
darauf, dass gegen die Endverfügung gemäss Art. 62 ATSG
Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben werden kann, selbstständig anfechtbar
ist, sofern sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirkt.
Die SUVA hat ein Rechtsschutzinteresse an der richterlichen Überprüfung der
vom kantonalen Gericht angenommenen Rechtzeitigkeit der Beschwerde, da hievon
der Entscheid über das Eintreten in der Hauptsache abhängig ist. Zu bejahen
ist auch der für die selbstständige Anfechtbarkeit der Zwischenverfügung
vorausgesetzte irreparable Nachteil, weil ein Nichteintreten auf die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde zur Folge hätte, dass die Beschwerdeführerin
sich einem möglicherweise längerdauernden materiellen Beschwerdeverfahren vor
dem kantonalen Versicherungsgericht zu unterziehen hätte, für das sie auch
bei einem für sie günstigen Ausgang des Verfahrens nicht entschädigt würde.
Weil das Eidgenössische Versicherungsgericht die Rechtzeitigkeit der
Beschwerde von Amtes wegen zu prüfen hat (BGE 116 V 258 Erw. 1) und sich das
kantonale Hauptverfahren bei Gutheissung der Verspätungseinrede im
letztinstanzlichen Verfahren nachträglich als hinfällig erweisen könnte,
sprechen auch die Prozessökonomie sowie der Grundsatz der Einfachheit und
Raschheit des Verfahrens (Art. 61 lit. a ATSG) für eine selbstständige
Anfechtbarkeit der Zwischenverfügung (SVR 1998 UV Nr. 10 S. 26 Erw. 1b mit
Hinweisen).
Da auch die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind, ist auf die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde einzutreten.

2.
Da es sich beim hier angefochtenen kantonalen Zwischenentscheid über die
Eintretensfrage nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von
Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht
nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzt hat,
einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der
rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder
unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist
(Art. 132 OG in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b OG sowie Art. 105 Abs. 2
OG).

3.
3.1 Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000 (ATSG) in Kraft getreten.
Dieses Gesetz koordiniert das Sozialversicherungsrecht des Bundes, indem es
unter anderem ein einheitliches Sozialversicherungsverfahren festlegt und die
Rechtspflege regelt (Art. 1 Ingress und lit. b ATSG). Die allgemeinen
Verfahrensbestimmungen finden sich im 4. Kapitel. Dessen 2. Abschnitt (Art.
34 ff. ATSG) regelt das Sozialversicherungsverfahren und enthält in Art. 38
die Vorschriften über die Berechnung und den Stillstand der Fristen. Nach
Abs. 4 dieser Norm stehen gesetzliche oder behördliche Fristen, die nach
Tagen oder Monaten bestimmt sind, still:
a. vom siebten Tag vor Ostern bis und mit dem siebten Tag nach
 Ostern;
b. vom 15. Juli bis und mit dem 15. August;
c. vom 18. Dezember bis und mit dem 1. Januar.
Im 3. Abschnitt des 4. Kapitels des ATSG finden sich die Bestimmungen zum
Rechtspflegeverfahren, wozu auch Art. 60 ATSG gehört. Danach ist die
Beschwerde innerhalb von dreissig Tagen nach der Eröffnung des
Einspracheentscheides oder der Verfügung, gegen welche eine Einsprache
ausgeschlossen ist, einzureichen (Abs. 1). Die Artikel 38 bis 41 sind
sinngemäss anwendbar (Abs. 2).

3.2 Nach Art. 1 Abs. 1 UVG in der ab 1. Januar 2003 geltenden Fassung sind
die Bestimmungen des ATSG auf die Unfallversicherung anwendbar, soweit das
vorliegende Gesetz nicht ausdrücklich eine Abweichung vom ATSG vorsieht. Sie
finden keine Anwendung in den in Absatz 2 dieser Vorschriften genannten, hier
nicht einschlägigen Bereichen. Art. 106 UVG in der ab Januar 2003 geltenden
Fassung ordnet die "Besondere Beschwerdefrist" wie folgt: In Abweichung von
Artikel 60 ATSG beträgt die Beschwerdefrist bei Einspracheentscheiden über
Versicherungsleistungen drei Monate.

3.3 Nach der Rechtsprechung sind neue Verfahrensvorschriften vorbehältlich
anders lautender Übergangsbestimmungen in der Regel mit dem Tag des
In-Kraft-Tretens sofort und in vollem Umfang anwendbar (BGE 129 V 115 Erw.
2.2 mit Hinweisen). Art. 82 Abs. 2 ATSG enthält eine hier einschlägige
übergangsrechtliche Regelung formeller Natur: Gemäss dieser Norm haben die
Kantone ihre Bestimmungen über die Rechtspflege diesem Gesetz innerhalb von
fünf Jahren nach seinem In-Kraft-Treten anzupassen; bis dahin gelten die
bisherigen kantonalen Vorschriften.
Die im ATSG enthaltenen sowie die gestützt darauf im UVG auf den 1. Januar
2003 geänderten Verfahrensbestimmungen mit Bezug auf das gerichtliche
Rechtsmittelverfahren sind deshalb hier grundsätzlich zu berücksichtigen
(noch nicht in der Amtlichen Sammlung veröffentlichte Urteile Z. und M. vom
26. August 2005, U 268/03, Erw. 3.3, und U 308/03, Erw. 2.3).
3.4 Nach § 63 Abs. 1 des thurgauischen Gesetzes über die
Verwaltungsrechtspflege vom 23. Februar 1981 (VRG TG; Thurgauer Rechtsbuch
170.1) dauern die Gerichtsferien vom Montag vor Ostern bis Ostermontag, vom
15. Juli bis zum 31. August und vom 21. Dezember bis zum 2. Januar. Fällt der
Ablauf einer gesetzlichen oder durch den Richter angesetzten Frist in die
Gerichtsferien, gilt sie nach Absatz 2 dieser Bestimmung bis zum siebten Tag
nach deren Ende als verlängert.

4.
Streitig ist, ob der Fristenstillstand gemäss Art. 38 Abs. 4 ATSG im Rahmen
der dreimonatigen Beschwerdefrist nach Art. 106 UVG zu berücksichtigen ist
oder nicht.

4.1 Das kantonale Gericht geht davon aus, dass Art. 106 UVG nur hinsichtlich
der Beschwerdefrist eine eigenständige Regelung enthält, was sich auch mit
dem Grundanliegen des ATSG - möglichst umfassende Vereinheitlichung - decke.
Die Beschwerde führende SUVA ist demgegenüber der Ansicht, dass die
Fristenstillstandsbestimmung des Art. 38 Abs. 4 ATSG im Rechtspflegeverfahren
der Unfallversicherung keine Geltung habe. Zwar erkläre Art. 60 ATSG die
Verfahrensbestimmungen der Art. 38 bis 41 ATSG als sinngemäss anwendbar,
jedoch werde diese Bestimmung durch Art. 106 UVG derogiert, welcher "in
Abweichung von Art. 60 ATSG" eine Beschwerdefrist von drei Monaten vorsehe.
Die Nichtanwendbarkeit des Fristenstillstandes mache durchaus Sinn, da die
Beschwerdefrist im UVG länger als die sonst üblichen Fristen sei; zudem sei
der Wortlaut des Art. 106 UVG eindeutig "und damit keiner Auslegung
zugänglich". Diese Lösung sei zudem klar und einfach handhabbar, was zur
Rechtssicherheit beitrage, respektiere den gesetzgeberischen Willen nach
Vereinheitlichung und es erfolge keine Vermischung von Tages- mit
Monatsfristen.
Der Versicherte führt aus, es ergebe sich deutlich aus den Materialien, dass
auch bei der Beschwerdefrist nach UVG die Anwendbarkeit des
Fristenstillstandes nach Art. 38 Abs. 4 ATSG zu berücksichtigen sei. Zudem
derogiere Art. 106 UVG nicht den gesamten Art. 60 ATSG, sondern nur dessen
Absatz 1 betreffend Beschwerdefrist; andernfalls hätte der Gesetzgeber eine
andere Formulierung gewählt.

4.2 Der Wortlaut des Art. 106 UVG, wonach "in Abweichung von Art. 60 ATSG"
("en dérogation à l'art. 60 LPGA" resp. "in deroga all'articolo 60 LPGA") die
Beschwerdefrist bei Einspracheentscheiden über Versicherungsleistungen drei
Monate beträgt, ist insofern nicht klar, als Art. 60 ATSG zwei Absätze
enthält, wobei im ersten die Beschwerdefrist und im zweiten die sinngemässe
Anwendbarkeit der Art. 38 bis 41 ATSG geregelt ist. Es ist zumindest nicht
eindeutig, ob sich Art. 106 UVG auch auf den zweiten Absatz bezieht oder
nicht. Dagegen spricht, dass die Abweichung vom ATSG ausdrücklich auf die
Beschwerdefrist Bezug nimmt und die UVG-Bestimmung unter der Überschrift
"Besondere Beschwerdefrist" steht.
Die Materialien (vgl. zu deren Bedeutung BGE 130 V 476 Erw. 6.5.1) zum jungen
Erlass ATSG sprechen eine klare Sprache: Die Kommission des Nationalrates für
soziale Sicherheit und Gesundheit führte in ihrem Bericht vom 26. März 1999
aus, dem praxiskonformen Antrag des Bundesrates, in Art. 46 VE-ATSG einen
neuen Absatz 4 über den Stillstand der Fristen aufzunehmen, sei zuzustimmen.
Zu beachten sei allerdings, dass Artikel 104 Abs. 1 MVG und Art. 106 UVG
dreimonatige Beschwerdefristen kennen. Die Kommission beantrage daher eine
Ergänzung der Absätze 1 und 4, welche diesem Umstand Rechnung trage (BBl 1999
V 4596; Sonderdruck S. 74). Dieser Antrag passierte in den Räten
diskussionslos (Amtl. Bull. NR 1999 S. 1244, Amtl. Bull. SR 2000 S. 181).
Daraus folgt umgekehrt, dass der Gesetzgeber bei der Neufassung des Art. 106
UVG im Zusammenhang mit der Anpassung an das ATSG bewusst davon ausgegangen
ist, dass auch diese dreimonatige Beschwerdefrist dem Fristenstillstand
unterworfen ist. Wenn der Gesetzgeber in Art. 106 UVG im Sinne von Art. 1
Abs. 1 UVG ausdrücklich eine Abweichung vom ATSG hinsichtlich Art. 38 Abs. 4
ATSG oder gar der gesamten Fristenregelung nach Art. 38 bis 41 ATSG hätte
schaffen wollen, dann wäre dieser Artikel anders abgefasst worden, denn die
redaktionelle Fassung "in Abweichung von Artikel 60 ATSG" ("en dérogation à
l'art. 60 LPGA" resp. "in deroga all'articolo 60 LPGA") - ohne Einschränkung
auf Absatz 1 - würde die Absicht des Gesetzgebers, nur die Dauer der
Beschwerdefrist abweichend vom ATSG zu regeln, unzureichend wiedergeben. Die
Anwendbarkeit der Fristenstillstandsregelung entspricht auch dem
Grundanliegen des ATSG, die Verfahrensregeln für das Rechtspflegeverfahren
teilweise zu vereinheitlichen (Art. 1 lit. b ATSG; zum Ganzen: noch nicht in
der Amtlichen Sammlung veröffentlichtes Urteil Z. vom 26. August 2005, U
268/03, Erw. 4.3 f., mit Hinweis auf die Literatur). Bei mehrmonatigen
Beschwerdefristen einen Fristenstillstand zu gewähren, läuft zwar - wie die
SUVA an sich zu Recht ausführt - dem Prinzip der Raschheit des Verfahrens
zuwider. Der gesetzgeberische, im ATSG verdichtete Wille zur
Verfahrensharmonisierung ist für die Gerichte jedoch bindend (Art. 191 BV)
und fällt deshalb stärker ins Gewicht als der Grundsatz der Raschheit des
Verfahrens (noch nicht in der Amtlichen Sammlung veröffentlichtes Urteil Z.
vom 26. August 2005, U 268/03, Erw. 4.5). Zur Berechnung der Beschwerdefrist
sind die Anzahl Tage des Fristenstillstandes nach dessen Ablauf hinzuzuzählen
(noch nicht in der Amtlichen Sammlung veröffentlichtes Urteil Z. vom 26.
August 2005, U 268/03, Erw. 4.6).
Der Fristenstillstand ist deshalb auch dann zu berücksichtigen, wenn sich
eine Beschwerdefrist wie hier nach Monaten berechnet.

5.
Vorliegend ist jedoch zusätzlich die Übergangsproblematik zu berücksichtigen.

5.1 Vorinstanz, SUVA und der Beschwerdegegner übersehen, dass der Kanton
Thurgau eine von Art. 38 Abs. 4 ATSG abweichende gesetzliche Regelung des
Fristenstillstandes kennt (vgl. Erw. 3.4 hievor). Art. 82 Abs. 2 ATSG sieht
vor, dass die Kantone ihre Bestimmungen über die Rechtspflege innerhalb von
fünf Jahren seit In-Kraft-Treten des ATSG diesem Gesetz anzupassen haben und
dass bis dahin die bisherigen kantonalen Vorschriften gelten.

5.2 Der Wortlaut des Art. 82 Abs. 2 ATSG ist insoweit klar, als Gegenstand
der übergangsrechtlichen Ordnung bisherige kantonalrechtliche Bestimmungen
zur Rechtspflege sind und sich die Übergangsfrist auf die Art. 56 bis 61 ATSG
bezieht. Davon erfasst ist daher auch Art. 60 ATSG über die Beschwerdefrist,
der in Abs. 2 die Art. 38 bis 41 ATSG für sinngemäss anwendbar erklärt. Art.
38 Abs. 4 ATSG normiert, wann gesetzliche oder behördliche Fristen, die nach
Tagen oder Monaten bestimmt sind, still stehen. Die primäre Bedeutung des
Art. 82 Abs. 2 ATSG liegt darin, dass die kantonalrechtlichen
Verfahrensvorschriften über den 1. Januar 2003 hinaus Geltung beanspruchen
dürfen und dass sich das Beschwerdeverfahren bis zur Änderung der kantonalen
Gerichtsorganisation, spätestens bis zum 31. Dezember 2007, nach kantonalem
Verfahrensrecht richtet. Darin erschöpft sich nun allerdings die Bedeutung
des Art. 82 Abs. 2 ATSG nicht, denn mit dieser Norm wird auch die
Anwendbarkeit der Rechtspflegebestimmungen der Art. 56 ff. ATSG
intertemporalrechtlich entsprechend eingeschränkt, und zwar in dem Masse, als
es den Kantonen erlaubt wird, gestützt auf Art. 82 Abs. 2 ATSG an ihren -
allenfalls mit den Rechtspflegebestimmungen des ATSG kollidierenden -
Verfahrensnormen festzuhalten. Dies wird durch die Materialien bestätigt (zum
Ganzen: noch nicht in der Amtlichen Sammlung veröffentlichte Urteile Z. und
M. vom 26. August 2005, U 268/03, Erw. 5.2, und U 308/03, Erw. 4.2).
Mit der einzigen verfahrensrechtlichen Übergangsbestimmung des Art. 82 Abs. 2
ATSG hat sich der Gesetzgeber für eine kantonal unterschiedliche
Verfahrensordnung während längerer Zeit entschieden; dies gilt auch für den
Fristenstillstand. Es geht nicht darum, dass die Kantone damit befugt wären,
über das In-Kraft-Treten des Bundesrechts zu bestimmen, denn spätestens am 1.
Januar 2008 müssen die kantonalen Regelungen an das ATSG angepasst worden
sein; der Bundesgesetzgeber hat die intertemporalrechtliche Weichenstellung
in Art. 82 Abs. 2 ATSG vorgenommen. Das ATSG ist zwar darauf angelegt, dass
formelle Bestimmungen (z.B. für das Verwaltungsverfahren) grundsätzlich
sofort in Kraft treten, jedoch besteht eine Ausnahme in Art. 82 Abs. 2 ATSG,
welche für das Rechtspflegeverfahren zwingend ist, auch wenn damit während
der Übergangszeit das angestrebte Ziel der Rechtseinheit (noch) nicht
erreicht wird. Die - von Vorinstanz und Beschwerdegegner vorgebrachte -
Argumentation mit "Sinn und Zweck" des ATSG ist in diesem Zusammenhang
untauglich, weil dieses Auslegungselement im intertemporalrechtlichen Kontext
nicht mit der Wünschbarkeit einer einheitlichen Regelung der Fristberechnung
inkl. Fristenstillstand gleichgesetzt werden darf (noch nicht in der
Amtlichen Sammlung veröffentlichtes Urteil M. vom 26. August 2005, U 308/03,
Erw. 4.3).
5.3 Da der Kanton Thurgau eine von Art. 38 Abs. 4 ATSG abweichende Regelung
des Fristenstillstandes kennt (§ 63 VRG TG) und ihm von Gesetzes wegen
(maximal) fünf Jahre zustehen, um diese Bestimmung an Art. 38 Abs. 4 ATSG (in
Verbindung mit Art. 60 Abs. 2 ATSG) anzupassen (vgl. Erw. 5.2 hievor), gilt
die bisherige Regelung spätestens bis Ende Dezember 2007 (oder bis zu einer
allfällig früheren Einführung durch den kantonalen Gesetzgeber). Indem das
kantonale Gericht vor Ablauf der Übergangszeit des Art. 82 Abs. 2 ATSG direkt
auf den Fristenstillstand des ATSG abstellt, wendet es deshalb
fälschlicherweise Bundesrecht statt kantonales Recht an, was eine Verletzung
von Bundesrecht darstellt (noch nicht in der Amtlichen Sammlung publiziertes
Urteil Z. vom 26. August 2005, U 268/03, Erw. 5.3).
Nach § 63 Abs. 1 VRG TG dauern die Gerichtsferien unter anderem vom Montag
vor Ostern bis Ostermontag; fällt der Ablauf einer gesetzlichen Frist in die
Gerichtsferien, gilt sie nach Absatz 2 dieser Bestimmung bis zum siebten Tag
nach deren Ende als verlängert. Das kantonale Gericht hat hinsichtlich der
Daten der Eröffnung des Einspracheentscheides und der Eingabe der
erstinstanzlichen Beschwerde keine Sachverhaltsfeststellungen vorgenommen,
sodass das Eidgenössische Versicherungsgericht den Sachverhalt selber prüfen
muss und keine Bindung im Sinne des Art. 105 Abs. 2 OG besteht: Der
Einspracheentscheid der SUVA vom 27. Januar 2003 ist am 28. Januar 2003 beim
Vertreter des Beschwerdegegners eingegangen, während die erstinstanzliche
Beschwerde vom 9. Mai 2003 datiert. Auch wenn davon ausgegangen wird, dass
die Eingabe am gleichen Tag der Post übergeben worden ist, ist das
Rechtsmittel unter Berücksichtigung des kantonalen Fristenstillstandes somit
klar verspätet eingereicht worden. Die Auffassung der SUVA erweist sich
deshalb im Ergebnis als rechtens.

6.
Da es im vorliegenden Verfahren nicht um Versicherungsleistungen geht, ist
das Verfahren kostenpflichtig. Die unentgeltliche Rechtspflege im Sinne der
Befreiung von den Gerichtskosten sowie der unentgeltlichen Verbeiständung
kann gewährt werden (Art. 152 OG in Verbindung mit Art. 135 OG), da die
Bedürftigkeit aktenkundig ist und die Vertretung geboten war (vgl. BGE 125 V
202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b, je mit Hinweisen). Es wird indessen ausdrücklich
auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der
Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande
ist.
Die SUVA als obsiegende Behörde hat keinen Anspruch auf Parteientschädigung
(Art. 135 OG in Verbindung mit Art. 159 Abs. 2 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden Dispositiv-Ziffer 1
und 2 des Entscheides des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 20.
August 2003 aufgehoben und es wird festgestellt, dass die vorinstanzliche
Beschwerde verspätet eingereicht worden ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege werden sie einstweilen auf
die Gerichtskasse genommen.

3.
Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 500.- wird der SUVA zurückerstattet.

4.
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Rechtsanwalt
Andreas Hagmann, Wil, für das Verfahren vor dem Eidgenössischen
Versicherungsgericht aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2000.-
(einschliesslich Mehrwertsteuer) ausgerichtet.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau
und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.
Luzern, 29. September 2005

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: