Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 217/2003
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U 217/03

Urteil vom 15. April 2004
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung;
Gerichtsschreiber Lanz

F.________, 1965, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Oskar
Müller, Wengistrasse 7, 8026 Zürich,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 30. Juli 2003)

Sachverhalt:

A.
Die 1965 geborene F.________ hat eine kaufmännische Ausbildung absolviert und
war zuletzt als Buchhalterin tätig. Ab 12. Mai 2000 traten verschiedenartige
gesundheitliche Beschwerden (nebst anderem Kopfschmerzen, Übelkeit, Fieber
und Durchfall) auf, welche zu einer Arbeitsunfähigkeit führten. F.________
nahm am 21. Mai 2000 erstmals und in der Folge wiederholt ärztliche
Behandlung in Anspruch. Am 11. Januar 2001 liess sie die persistierende
Symptomatik als Zeckenbissfolge der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) als zuständigem obligatorischem
Unfallversicherer melden. Die SUVA zog Arztberichte bei und holte ein
Gutachten des Spitals X.________, Abteilung Infektionskrankheiten, vom 27.
September 2001 ein. Gestützt auf die Beurteilung der Experten und
Stellungnahmen der eigenen Abteilung Arbeitsmedizin verneinte sie ihre
Leistungspflicht für die aufgetretenen Beschwerden mit der Begründung, diese
seien nicht nachweislich auf einen Zeckenbiss zurückzuführen (Verfügung vom
18. Januar 2002). Daran hielt der Unfallversicherer auf Einsprache der
Versicherten hin fest (Einspracheentscheid vom 26. Juni 2002).

B.
Die von F.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich nach zweifachem
Schriftenwechsel ab (Entscheid vom 30. Juli 2003).

C.
F.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren,
in Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides seien ihr die gesetzlichen
Versicherungsleistungen (insbesondere Taggelder, Rente,
Integritätsentschädigung) zuzusprechen; eventualiter sei die Sache zur
Ergänzung der medizinischen Akten und zum neuen Entscheid an die Vorinstanz
zurückzuweisen; subeventualiter seien die notwendigen medizinischen
Abklärungen im letztinstanzlichen Verfahren vorzunehmen.
Die SUVA beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, ohne
weiter zur Sache Stellung zu nehmen. Das Bundesamt für Sozialversicherung,
Abteilung Kranken- und Unfallversicherung (seit 1. Januar 2004 im Bundesamt
für Gesundheit), hat sich nicht vernehmen lassen.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen
Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 und die
Verordnung hiezu (ATSV) sind im vorliegenden Fall nicht anwendbar, da nach
dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses des streitigen Einspracheentscheids
(hier: 26. Juni 2002) eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom
Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 129 V 4 Erw.
1.2). Dies hat die Vorinstanz richtig erkannt.
Im Einspracheentscheid und im kantonalen Entscheid werden sodann die
Bestimmungen und Grundsätze über die Leistungspflicht des Unfallversicherers,
namentlich bei Zeckenbissen, und die sich hiebei stellenden Kausalitäts- und
Beweisfragen richtig wiedergegeben. Darauf wird verwiesen. Hervorzuheben ist,
dass nach der Rechtsprechung der Biss der Zecke der Gattung Ixodes sämtliche
Merkmale des Unfallbegriffs (Art. 9 Abs. 1 UVV) erfüllt, weshalb der
obligatorische Unfallversicherer für die damit verbundenen
Infektionskrankheiten (Lyme-Krankheit, Enzephalitis) und deren Folgen
aufzukommen hat (BGE 122 V 239 ff. Erw. 5).

2.
Streitig ist, ob für das ab 12. Mai 2000 aufgetretene Beschwerdebild der
Versicherten mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 126
V 360 Erw. 5b) eine durch Zeckenbiss hervorgerufene Lyme-Borreliose zumindest
im Sinne einer Teilursache (vgl. BGE 119 V 338 Erw. 1 in fine und 340; RKUV
2003 Nr. U 489 S. 358 Erw. 3.2) verantwortlich ist. Dabei steht fest und ist
unbestritten, dass kein Zeckenbiss eruiert werden konnte und die
Beschwerdeführerin einen solchen auch nicht wahrgenommen hat. Einig sind sich
alle Verfahrensbeteiligten und die berichterstattenden Ärzte ferner darin,
dass eine aktive Lyme-Borreliose nicht vorliegt.

3.
Die Beschwerdeführerin führt das bestehende Leidensbild auf eine durchlittene
Lyme-Erkrankung zurück. Sie stützt sich dabei auf Dr. med. S.________,
Facharzt für Innere Medizin FMH, der die aufgetretenen Beschwerden mit einem
Status nach Lyme-Borreliose Stadium I mit Erythema migrans und
Allgemeinsymptomen erklärt (Bericht vom 31. Januar 2001 über ambulante
Abklärung vom 29. September 2000 und Verlaufsbeobachtung bis 26. Januar
2001). Gemäss Gutachten des Spitals X.________ vom 27. September 2001, auf
welches Unfallversicherer und Vorinstanz abstellen, liegt hingegen die
Wahrscheinlichkeit für eine überstandene Lyme-Erkrankung unter 50 %.

4.
Die Diagnose einer Lyme-Borreliose - gleich welchen Stadiums - setzt ein
entsprechendes klinisches Beschwerdebild und den Ausschluss von
Differentialdiagnosen voraus, wobei je nach Krankheitsstadium ein
pathologischer laborchemischer Test die Wahrscheinlichkeit der Diagnose
erhöhen kann (Norbert Satz, Klinik der Lyme-Borreliose, 2. Auflage, Bern
2002, S. 70).

4.1 Vorliegendenfalls sind sich die beteiligten Ärzte einig in der
Feststellung einer negativen resp. unspezifischen Lyme-Serologie. Zu diesem
Ergebnis ist auch Dr. med. S.________ gestützt auf selber veranlasste
laborchemische Untersuchungen gelangt (Bericht vom 21. November 2001). Der
Einwand der Beschwerdeführerin, die Experten des Spitals X.________ hätten
sich bei der Begutachtung auf ungenügende serologische Untersuchungen
gestützt, ist daher unbehelflich.

4.2 Das aufgetretene Leidensbild lässt sich zwar mit einer überstandenen
Lyme-Borreliose vergleichen. Gemäss der übereinstimmenden und überzeugenden
Einschätzung des Dr. med. R.________, Facharzt FMH für Innere Medizin und
Arbeitsmedizin, von der Abteilung Arbeitsmedizin der SUVA (Ärztliche
Beurteilung vom 11. Juni 2001) und der Fachärzte des Spitals X.________
(Gutachten vom 27. September 2001) können aber auch andere Krankheitsbilder
zwanglos für die klinische Präseatation verantwortlich gemacht werden.

4.3 Soweit Dr. med. S.________ - als einziger berichterstattender Arzt - auf
eine durchlittene Lyme-Erkrankung schliesst, stützt er sich, neben den - wie
dargelegt (Erw. 4.2) - auch anders interpretierbaren Allgemeinsymptomen, auf
die Annahme, die Versicherte habe im Frühjahr 2000 ein Erythema migrans am
rechten Knie - als dem Krankheitsstadium I der Lyme-Borreliose zuzuordnende
Hautmanifestation (vgl. Norbert Satz, a.a.O., S. 104) - durchlitten. Dass die
Entzündungsaktivität auf dem Niveau des Erythema migrans zum Stillstand
gekommen sei, erkläre auch, weshalb die Labortests nie positiv geworden seien
(Berichte vom 31. Januar und 21. November 2001).
Das kantonale Gericht hat sich eingehend mit der Frage auseinandergesetzt, ob
ein Erythema migrans vorgelegen hat und diese mit überzeugender Begründung
verneint. Hervorzuheben ist zunächst, dass sich in den Berichten der
verschiedenen Ärzte, welche die Beschwerdeführerin ab Mai bis Juli 2000
aufgesucht hat, kein Hinweis auf eine Hautrötung im Bereich des Knies findet.
Zweifellos wäre eine solche Hautveränderung angesprochen worden, wenn die
Beschwerdeführerin sie erwähnt und die behandelnden Ärzte diesem Umstand eine
massgebliche Bedeutung beigemessen hätten. Erstmals genannt wird eine
Hautrötung durch den am 29. September 2000 aufgesuchten Dr. med. S.________.
Er stützt sich beim Schluss auf ein Erythema migrans nicht auf eigene
Beobachtungen, sondern auf die Angabe der Versicherten, wonach im Frühling
2000 am rechten Knie lateral eine 10 cm grosse, expandierende Rötung
aufgetreten sei, welche sich nach mehreren Wochen spontan aufgelöst habe.
Eine vorübergehende Hautveränderung ist aber, wie im Gutachten des Spitals
X.________ vom 27. September 2001 nachvollziehbar festgestellt wird,
unspezifisch und muss nicht von einem Erythema migrans herrühren. Dass ein
solches vorgelegen hat, ist bei der gegebenen Aktenlage, insbesondere den
Aussagen der Beschwerdeführerin und den ärztlichen Berichten, zwar möglich,
nicht aber überwiegend wahrscheinlich. Letzteres gilt somit auch für die
Diagnose einer durch Zeckenbiss hervorgerufenen Lyme-Borreliose als mögliche
Ursache für das ab Mai 2000 aufgetretene Leidensbild, da dieses aufgrund der
klinischen Präsentation wie aufgezeigt anders erklärt werden kann und die
laborchemischen Untersuchungen negativ verliefen. Der Unfallversicherer hat
demnach seine Leistungspflicht im Zusammenhang mit der am 11. Januar 2001
gemeldeten Symptomatik zu Recht verneint.

4.4 Was in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde weiter vorgebracht wird,
rechtfertigt keine andere Betrachtungsweise. Das Gutachten des Spitals
X.________ vom 27. September 2001 überzeugt hinsichtlich der hier
interessierenden Feststellung, wonach aufgrund der klinischen Präsentation
(einschliesslich der Hautrötung) eine Lyme-Borreliose möglich, nicht aber
überwiegend wahrscheinlich ist. Dies gilt unabhängig davon, ob für die
Diagnose eines Erythema migrans bestimmte US-Richtlinien anwendbar sind oder
nicht, worüber die Auffassungen der berichterstattenden Ärzte auseinander
gehen. Soweit die Experten Kalenderdaten und gegebenenfalls
sozialanamnestische Tatsachen teilweise unzutreffend dargestellt haben,
vermag dies ihre gutachterliche Beurteilung als Ganzes ebenfalls nicht in
Frage zu stellen. Nichts anderes ergibt sich, wie bereits dargelegt, aus den
der Expertise zugrunde gelegten serologischen Untersuchungen (Erw. 4.1). Von
weiteren medizinischen Abklärungen sind keine entscheidrelevanten neuen
Ergebnisse zu erwarten, weshalb mit dem kantonalen Gericht darauf zu
verzichten ist. Dies gilt auch für die beantragten Editionen (antizipierte
Beweiswürdigung; RKUV 2003 Nr. U 473 S. 50 Erw. 3.4 mit Hinweisen, 2002 Nr. U
469 S. 527 Erw. 2c mit Hinweis). Es kann im Übrigen vollumfänglich auf die
vorinstanzlichen Erwägungen verwiesen werden. Die Vorinstanz setzt sich
darin, entgegen der in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vertretenen
Auffassung, auch hinreichend mit den Vorbringen der Beschwerdeführerin
auseinander.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugestellt.
Luzern, 15. April 2004

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: