Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 184/2003
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U 184/03

Urteil vom 14. Januar 2005
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung;
Gerichtsschreiber Scartazzini

J.________, Beschwerdeführer, vertreten durch die Protekta
Rechtsschutz-Versicherung AG, Genferstrasse 11, 8027 Zürich,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 27. Juni 2003)

Sachverhalt:

A.
Der 1948 geborene J.________ arbeitete seit 1996 bei der Firma B.________ AG,
Baugeschäft in Z.________, und war damit bei der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen Berufs- und Nichtberufsunfälle
versichert. Am 6. Juni 2001 erlitt er bei einem Sturz Verletzungen am Rücken
und am Hinterkopf. Für den am 7. September 2001 geschilderten Unfall übernahm
die SUVA die Heilbehandlungskosten und entrichtete Taggelder.

Mit Verfügung vom 12. September 2002 stellte die Versicherungsan-stalt die
bis dahin erbrachten Leistungen ab 30. September 2002 ein und bestätigte dies
mit Einspracheentscheid vom 2. Dezember 2002.

B.
Hiegegen liess J.________ beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
Beschwerde erheben mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung des
Einspracheentscheides sei die Weiterausrichtung der Taggeldleistungen zu
gewähren sowie eventualiter die Prüfung der Rentenfrage und der Frage der
Integritätsentschädigung vorzuneh-men. Das kantonale Gericht wies die
Beschwerde mit Entscheid vom 27. Juni 2003 ab.

C.
J.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, in
Aufhebung des angefochtenen Entscheides und nach Rückweisung des Verfahrens
seien ihm unter Kosten- und Entschädigungsfolge die vollen Taggelder für eine
Arbeitsunfähigkeit von 100 % auszurichten, bzw. sei gegenteiligenfalls die
Beschwerdegegnerin zu verpflichten, die plötzliche Leistungsaufhebung
nachvollziehbar und nach den Gesetzen der Logik verfügungsweise angemessen zu
begründen. Zudem sei er von unabhängigen Ärzten betreffend die somatischen
und psychiatrischen Unfallfolgen abzuklären und eventu-aliter sei die
Rentenfrage und die Frage der Integritätsentschädigung zu prüfen.

Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwer-de, während
das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Im kantonalen Entscheid werden die gesetzlichen Voraussetzungen über die
Gewährung von Versicherungsleistungen bei Unfällen, namentlich den Anspruch
auf Taggeld- (Art. 16 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 UVG),
Invalidenrenten- (Art. 18 UVG) und Integritätsentschädigungsleistungen (Art.
24 Abs. 1 UVG) unter Hinweis auf den Einspracheentscheid vom 2. Dezember 2002
zutreffend dargelegt. Richtig wiedergegeben sind ferner die Grundsätze über
den für die Leistungspflicht des Unfallversicherers vorausgesetzten
natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem
eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität, Tod; BGE 119 V 337 Erw. 1, 118
V 289 Erw. 1b, je mit Hinweisen), über das Erfordernis des adäquaten
Kausalzusammenhangs (BGE 125 V 461 f. Erw. 5a, 123 V 103 Erw. 3d, 139 Erw.
3c, 122 V 416 Erw. 2a, 121 V 49 Erw. 3a; RKUV 1997 Nr. U 272 S. 172 Erw. 3a),
namentlich bei psychischen Unfallfolgen (BGE 115 V 138 ff. Erw. 6f.; vgl.
auch BGE 120 V 355 f. Erw. 5b/aa), sowie über den Beweiswert und die
Beweiswürdigung ärztlicher Berichte und Gutachten (BGE 122 V 160 Erw. 1c;
RKUV 1991 Nr. U 133 S. 312 f. Erw. 1b; vgl. auch BGE 125 V 352 ff. Erw. 3a
und b). Richtig sind auch die Ausführungen darüber, dass das am 1. Januar
2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 im vorliegenden Fall
nicht anwendbar ist, da nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses des
streitigen Einspracheentscheids (hier: 2. Dezember 2002) eingetretene Rechts-
und Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsgericht nicht
berücksichtigt werden (BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b). Darauf wird
verwiesen.

2.
Streitig und zu prüfen ist die vorinstanzliche Bestätigung der von der
Beschwerdegegnerin verfügten Leistungseinstellung.

2.1 Die Vorinstanz hat gestützt auf die in den Akten liegenden medizinischen
Unterlagen festgestellt, im Bericht der Klinik T.________, wo der Versicherte
vom 6. bis 8. Juni 2001 hospitalisiert war, sei die Diagnose einer Commotio
cerebri mit Schädelkontusion, einer Akromioklaviculargelenksverletzung Tossy
1-2, v.a. stabile Deckplattenimpressionsfraktur (DD: degenerative
Veränderung) am ventralen Sporn von LWK2, einer Contusio cordis sowie einer
Kontusion des Hemithorax rechts und der HWS gestellt worden. Im
Austrittsbericht der Klinik B.________ vom 15. Januar 2002, wo der
Versicherte vom 24. Oktober bis 5. Dezember 2001 weilte, wurden bei
attestierter 100 %iger Arbeitsunfähigkeit eine Anpassungsstörung und eine
längere depressive Reaktion, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung,
posttraumatische Kopfschmerzen, ein Zervikoverte-bralsyndrom, eine leichte
Periarthropathia humeroscapularis rechts und ein intermittierendes
Lumbovertebralsyndrom festgestellt. Im Vordergrund standen jedoch bereits
damals eine Anpassungsstörung und eine längere depressive Reaktion sowie eine
anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Auf Grund dieser Befunde sowie
mehrerer Untersuchungsberichte hat das kantonale Gericht erwogen, gegen Ende
August 2001, mithin rund neun Wochen nach dem Unfall, seien die
ursprünglichen Thorax-, Rücken- und Schulterbeschwerden weitgehend
abgeklungen. In jenem Zeitpunkt seien lediglich Kopfschmerzen,
Schwindelbeschwerden und eine bedrückte Stimmungsla-ge festgestellt worden,
wobei die Genese für die bislang vier Mal aufgetretenen Episoden von
Bewusstlosigkeit unklar blieb. Gestützt auf diese medizinische Sachlage wurde
der natürliche Kausalzusam-menhang zwischen den psychischen Problemen und dem
Unfall-ereignis bejaht.

2.2 Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers gingen sowohl die SUVA als
auch die Vorinstanz davon aus, abgesehen von der psychischen Komponente liege
das typische Beschwerdebild eines Schleudertraumas oder eines
Schädel-Hirntraumas nicht vor. Entscheidend ins Gewicht falle, dass bereits
einige Wochen nach dem Unfall Anzeichen psychischer Probleme bemerkt worden
seien, während die massgebende physisch bedingte Arbeitsunfähigkeit höchstens
bis zum Beginn des Aufenthaltes des Versicherten in Bellikon im Oktober 2001,
mithin für knapp fünf Monate, habe angenommen werden können. Daraus war zu
schliessen, dass bei der Beurteilung des adäquaten Kausalzusammenhangs die
Grundsätze nach der Rechtsprechung in BGE 115 V 133 zur Anwendung gebracht
werden mussten.

2.3 In Fällen, in welchen die zum typischen Beschwerdebild eines
Schleudertraumas oder einer schleudertraumaähnlichen Verletzung gehörenden
Beeinträchtigungen zwar teilweise gegeben sind, im Vergleich zur ausgeprägten
psychischen Problematik aber ganz in den Hintergrund treten, ist die
Beurteilung des adäquaten Kausalzusammenhangs unter dem Gesichtspunkt einer
psychischen Fehlentwicklung nach Unfall vorzunehmen (BGE 123 V 98). Es ist
ein naher zeitlicher Zusammenhang zwischen Unfall und überwiegend psychischer
Problematik vorausgesetzt, wobei die Beurteilung nicht auf Grund einer
Momentaufnahme vorzunehmen ist. Nicht zulässig ist, längere Zeit nach einem
Unfall, wenn die zum typischen Beschwerdebild eines Schleudertraumas
gehörenden physischen Beschwerden weitgehend abgeklungen sind, die psychische
Problematik aber fortbesteht, diese fortan nach der Rechtsprechung zu den
psychischen Unfallfolgen zu beurteilen. Vielmehr ist in einem solchen Fall zu
prüfen, ob im Verlaufe der ganzen Entwicklung vom Unfall bis zum
Beurteilungszeitpunkt die physischen Beschwerden gesamthaft nur eine sehr
untergeordnete Rolle gespielt haben und damit ganz in den Hintergrund
getreten sind. Nur wenn dies zutrifft, ist die Adäquanz nach der
Rechtsprechung zu den psychischen Unfallfolgen zu beurteilen (RKUV 2002 Nr. U
465 S. 438 f. Erw. 3a und b).

2.4 Nach dem Gesagten ist zu prüfen, ob die physischen Unfallfolgen zwischen
dem Unfall vom 6. Juni 2001 und dem Verfügungszeitpunkt vom 12. September
2002 ganz in den Hintergrund getreten sind. Diese Frage ist im vorliegenden
Fall mit der Vorinstanz zu bejahen. Auf Grund der medizinischen Akten,
insbesondere des erwähnten Austrittsberichts der Klinik B.________ vom 15.
Januar 2002, fällt entscheidend ins Gewicht, dass bereits einige Wochen nach
dem Unfall Anzeichen psychischer Probleme bemerkt wurden und die somatischen
Beschwerden gegen Ende August 2001 weitgehend abgeklungen waren, während eine
schwere psychoreaktive Problematik (wahrscheinlich im Sinne einer
Anpassungsstörung ICD-10 F43.21) und eine Schmerzstörung im Vordergrund
standen. Für die vom Versicherten angegebenen belastungsabhängigen
Kopfschmer-zen konnte neurologisch keine organische Genese gefunden werden
und die subjektiven, äusserst unsystematischen Schwindelbe-schwerden liessen
sich neurootologisch nicht objektivieren. Die auch nach dem Aufenthalt in der
Klinik B.________ attestierte 100 %ige Arbeitsunfähigkeit wurde somit vor dem
Hintergrund der dominierenden psychischen Probleme festgesetzt.

Daraus folgt, dass die Vorinstanz die Beurteilung der Adäquanz richtig nach
der Rechtsprechung zu den psychischen Unfallfolgen vorgenommen hat. Dabei
kann auf die zutreffenden Ausführungen im vorin-stanzlichen Urteil (S.7-9)
verwiesen werden.

2.5 Bei der Beurteilung des adäquaten Kausalzusammenhangs anhand der in BGE
115 V 359 ff. entwickelten Rechtsprechung wurde der Unfall vom 6. Juni 2001
im vorliegenden Fall zutreffend dem Bereich der mittelschweren Unfälle
zugeordnet. Ebenfalls zu Recht befand die Vorinstanz, es sei, allenfalls mit
der Ausnahme des Kriteriums der körperlichen Dauerschmerzen wegen
belastungsabhängig auftretender Kopfschmerzen, keines der unfallbezogenen
Kriterien erfüllt, weshalb die Adäquanz zu verneinen sei. Schliesslich hat
das kantonale Gericht richtig erwogen, auch die Annahme eines
Schädel-Hirntraumas im Sinne von BGE 117 V 369 hätte am Ergebnis nichts zu
ändern vermocht, weil diesfalls in Nachachtung von BGE 123 V 99 Erw. 2a der
dargelegten frühen Dominanz psychischer Beschwerden Rechnung zu tragen
gewesen wäre, womit die Adäquanzprüfung zum gleichen Ergebnis geführt hätte.

2.6 Der Beschwerdeführer macht ferner geltend, einerseits seien die
somatischen und psychischen Unfallfolgen durch unabhängige Ärzte abzuklären,
andererseits sei die plötzliche Leistungsaufhebung nicht nachvollziehbar
begründet worden. Diese Rügen verkennen, dass es am Erfordernis der Adäquanz
bezüglich psychischer Entwicklungen nach dem Unfall eindeutig fehlt. Der
Einwand schliesslich, die SUVA habe anfangs zwar Leistungen erbracht, dagegen
die leistungsaufhebende Tatsache einer gesundheitlichen Besserung nicht
nachgewiesen, verkennt die klare Beweislage, wie sie von der Vorinstanz
zutreffend gewürdigt worden ist.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugestellt.

Luzern, 14. Januar 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: