Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 168/2003
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U 168/03

Urteil vom 9. Dezember 2003
II. Kammer

Präsident Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung;
Gerichtsschreiber Scartazzini

D.________, 1977, Beschwerdeführerin, vertreten
durch Helsana Versicherungen AG, Schadenrecht, Birmensdorferstrasse 94, 8003
Zürich,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
Beschwerdegegnerin

Kantonsgericht Basel-Landschaft, Liestal

(Entscheid vom 15. Januar 2003)

Sachverhalt:

A.
Die 1977 geborene D.________ war seit 1995 als Büroangestellte bei der Firma
X.________ AG tätig und damit bei der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen
und Berufskrankheiten versichert. Am 7. April 1996 erlitt sie einen Unfall,
indem sie beim Ausreiten vom Pferd stürzte. Dabei zog sie sich nach
Feststellung des erstbehandelnden Arztes Dr. med. K.________ eine "Kontusion
und Distorsion cervikothorokal beidseits" zu. Nachdem die Versicherte bis zum
21. April 1996 vollständig und anschliessend zu 50 % arbeitsunfähig gewesen
war, nahm sie am 13. Mai 1996 die Arbeit wieder vollumfänglich auf. Wegen
persistierenden Beschwerden unterzog sie sich in der Folge zahlreichen
therapeutischen Massnahmen, die jedoch nicht zu einer vollständigen
Beschwerdefreiheit führten. Seit Anfang 2000 arbeitet D.________ infolge
ihrer gesundheitlichen Beschwerden lediglich noch in einem 50 %-Pensum.
Die SUVA liess bei der Medizinischen Abklärungsstelle der Kliniken Y.________
(MEDAS) eine interdisziplinäre Begutachtung durchführen und stellte sodann
mit Verfügung vom 3. September 2001 weitere Leistungen wegen fehlendem
natürlichem Kausalzusammenhang zwischen den noch geltend gemachten
Beschwerden und dem Unfall ab 1. Oktober 2001 ein. Dies bestätigte sie mit
Einspracheentscheid vom 26. Februar 2002.

B.
Dagegen liess D.________ Beschwerde erheben mit dem Rechtsbegehren um
Erbringung der versicherten Leistungen. Eventualiter beantragte sie, zur
Frage der Unfallkausalität sei ein interdisziplinäres Gutachten zu Lasten der
Beschwerdegegnerin unter Mitwirkung der Parteien durchzuführen.
Mit Entscheid vom 15. Januar 2003 wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft
die Beschwerde ab.

C.
D.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und die vorinstanzlich
gestellten Rechtsbegehren erneuern.
Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während
das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Vorinstanz hat die massgebende Bestimmung und die Grundsätze über die
Gewährung von Versicherungsleistungen bei Unfällen (Art. 6 Abs. 1 UVG), zu
dem für die Leistungspflicht des Unfallversicherers vorausgesetzten
natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem
eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität, Tod) (BGE 119 V 337 Erw. 1,
118 V 289 Erw. 1b, je mit Hinweisen) sowie über das Erfordernis des adäquaten
Kausalzusammenhangs (BGE 125 V 461 f. Erw. 5a, 123 V 103 Erw. 3d, 139 Erw.
3c, 122 V 416 Erw. 2a, 121 V 49 Erw. 3a; RKUV 1997 Nr. U 272 S. 172 Erw. 3a),
namentlich bei psychischen Unfallfolgen (BGE 115 V 138 ff. Erw. 6f.; vgl.
auch BGE 120 V 355 f. Erw. 5b/aa), wenn die zum typischen Beschwerdebild
eines Schleudertraumas gehörenden Beeinträchtigungen zwar teilweise gegeben
sind, im Vergleich zur vorliegenden, ausgeprägten psychischen Problematik
aber ganz in den Hintergrund treten (BGE 123 V 99 Erw. 2a mit Hinweisen; RKUV
2002 Nr. U 465 S. 438 Erw. 3a), zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
Richtig ist schliesslich, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene
Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
vom 6. Oktober 2000 nach den von der Rechtsprechung entwickelten
intertemporalrechtlichen Regeln (BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b) in
materiellrechtlicher Hinsicht auf den vorliegenden Sachverhalt nicht
anwendbar ist.

2.
Streitig und zu prüfen ist, ob die noch vorhandenen, gesundheitlichen
Beeinträchtigungen der Beschwerdeführerin auf den am 7. April 1996 erlittenen
Unfall zurückzuführen sind, oder ob die Aufhebung des Anspruchs auf
Leistungen ab 1. Oktober 2001 zu Recht erfolgte.

2.1 Zur Beantwortung der Frage, ob zwischen den geltend gemachten Beschwerden
und dem genannten Unfallereignis ein natürlicher Kausalzusammenhang bestehe,
hat sich das kantonale Gericht in einlässlicher und sorgfältiger Würdigung
auf die im Administrativverfahren eingeholten medizinischen Unterlagen
gestützt. Im Ergebnis hat es jedoch nicht auf das von der SUVA in Auftrag
gegebene MEDAS-Gutachten vom 26. April 2001 abgestellt. Denn daraus ergab
sich, dass die mit der Abklärung beauftragten Ärzte aus somatischer Sicht
keine Befunde mehr nachweisen konnten und dass mit einer mittelschweren
depressiven Episode sowie einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung
psychische Gesundheitsbeeinträchtigungen im Vordergrund standen; trotzdem
waren die Gutachter zum Schluss gelangt, es bestehe ein natürlicher
Kausalzusammenhang zwischen dem erlittenen Unfall und den noch vorhandenen
gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Die Vorinstanz stellte hauptsächlich
fest, erhebliche Unklarheiten und Widersprüche bestünden vor allem im
Zusammenhang mit der Beschreibung des Unfallereignisses und des
ursprünglichen Beschwerdebildes, da mit zunehmender Verfahrensdauer auch das
Unfallereignis immer dramatischer geschildert worden war. So wurde im April
1996 lediglich die Diagnose einer Kontusion und Distorsion cervikothorakal
beidseits, im Juli 1997 jedoch jene eines Status nach HWS-Schleudertrauma
gestellt. Im Mai 1999 wurde sodann erwähnt, die Versicherte habe sich damals
beim Sturz vom Pferd mehrmals überschlagen und im Januar 2000 war von einer
Bewusstlosigkeit von ca. 30 Sekunden die Rede. Im MEDAS-Gutachten wurde
schliesslich eine ursprüngliche Commotio cerebri attestiert, wobei eine
HWS-Distorsion als wahrscheinlich erschien.
Das kantonale Gericht kam daher zum Schluss, gestützt auf die zahlreichen
ärztlichen Stellungnahmen habe die SUVA zu Recht entschieden, dass zwischen
dem Unfall und den somatischen Beschwerden kein natürlicher
Kausalzusammenhang bestehe.

2.2 Auf Grund der ärztlichen Berichte hat die Vorinstanz erwogen, die
Voraussetzung des natürlichen Kausalzusammenhangs sei in Bezug auf die
psychischen Unfallfolgen nicht schlüssig erstellt. Von weiteren Abklärungen
hat sie abgesehen, da sie den adäquaten Kausalzusammenhang verneint hat.
Nachdem sie den Unfall als mittelschwer qualifiziert hatte, erkannte sie,
dass die rechtsprechungsgemäss in die Prüfung miteinzubeziehenden Kriterien
(BGE 115 V 140 Erw. 6c/aa) weder in gehäufter Weise erfüllt seien, noch eines
der Kriterien in besonders ausgeprägter Form gegeben sei.

3.
Demgegenüber beanstandet die Beschwerdeführerin die Einschätzungen des
SUVA-Arztes Dr. med. S.________ und führt aus, dieser habe ohne nähere
Begründung vom MEDAS-Gutachten abgesehen, obschon die Anstalt es initiiert
hatte. Sie macht geltend, von der Mehrheit der behandelnden Ärzte sei
übereinstimmend eine HWS-Distorsion, also ein Schleudertrauma diagnostiziert
bzw. von einem Status nach Schleudertrauma ausgegangen worden, wobei die von
der Vorinstanz erwähnten Unklarheiten und Widersprüche nicht die
Diagnosestellung beschlagen würden. Belastungsabhängige Kopf- und
Nackenschmerzen, Schmerzen in der Schultergegend und Konzentrationsstörungen
sowie eine mittelschwere depressive Episode seien in den verschiedenen
Arztberichten attestiert worden. Das diagnostizierte Schleudertrauma sei
durchaus geeignet, psychische Fehlentwicklungen auszulösen, wenn sich wie
vorliegend eine Chronifizierung der Beschwerden eingestellt habe. Die
unfallbezogenen objektiven Kriterien würden in gehäufter, teilweise gar in
ausgeprägter Weise vorliegen, sodass die Adäquanz des Kausalzusammenhangs zu
bejahen sei.

4.
4.1 Entgegen den Ausführungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist es
nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Beschwerdeführerin beim Unfall vom
7. April 1996 ein Schleudertrauma erlitten hat. Das für ein Schleudertrauma
typische Beschwerdebild (BGE 119 V 338 Erw. 1) setzt eine Häufung von
Beschwerden wie diffuse Kopfschmerzen, Schwindel, Konzentrations- und
Gedächtnisstörungen, Übelkeit, rasche Ermüdbarkeit, Visusstörungen,
Reizbarkeit, Affektlabilität, Depression oder Wesensveränderungen voraus.
Diese Symptome werden in den massgeblichen medizinischen Akten unmittelbar
nach dem Unfall, aber auch in einem Bericht von Dr. med. E.________ vom 8.
Juli 1997, nicht umschrieben. Demnach hat das kantonale Gericht die
Beurteilung der Adäquanz der Kausalität zu Recht nach den in BGE 115 V 133
ff. genannten Kriterien (Kausalitätsbeurteilung für psychische
Fehlentwicklung) geprüft.

4.2 Ebenfalls zutreffend hat die Vorinstanz festgestellt, dass beim
erlittenen Reitunfall von einem mittelschweren Unfall auszugehen ist. Zu
prüfen ist somit die Frage, ob die massgebenden unfallbezogenen Kriterien in
gehäufter oder auffallender Weise erfüllt sind.
Eine besondere Dramatik oder besondere Begleitumstände liegen im vorliegenden
Fall nicht vor. Die Beschwerdeführerin konnte kurze Zeit nach dem Sturz ihr
Pferd wieder besteigen und nach Hause reiten. Es liegen auch keine besonders
schweren Verletzungen vor, nachdem die Verunfallte einzig Schmerzmittel zu
sich nahm und Physiotherapie angeordnet wurde. Zudem ist festzustellen, dass
die ärztliche Behandlung nicht ungewöhnlich lange dauerte und immer wieder
unterbrochen wurde. Insbesondere waren keine längeren stationären Aufenthalte
zu verzeichnen. Als einziges Kriterium ist dasjenige der körperlichen
Dauerschmerzen teilweise als erfüllt zu betrachten. Ferner liegt keine
ärztliche Fehlbehandlung vor und es ergaben sich weder ein schwieriger
Heilungsverlauf noch Komplikationen. Schliesslich sind Grad und Dauer der
physisch bedingten Arbeitsunfähigkeit nicht gegeben. Die Beschwerdeführerin
hat kurz nach dem Unfall ihre Arbeit wieder zu 100 % aufgenommen und sie
während mehr als zwei Jahren voll ausgeübt. Demzufolge ist die mittlerweile
reduzierte Arbeitsfähigkeit auf psychische Gründe zurückzuführen und daher
nicht massgebend.

4.3 Zusammenfassend ist der adäquate Kausalzusammenhang mit der Vorinstanz zu
verneinen, wobei die Einwendungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu
keinem anderen Ergebnis zu führen vermögen. Das kantonale Gericht hat zu
Recht festgehalten, auf Grund der in jeder Hinsicht vollständigen und
überzeugenden dokumentierten medizinischen Akten sei klar erwiesen, dass die
Versicherte die gesetzlich erforderlichen Leistungsvoraussetzungen nicht mehr
erfülle und unter den gegebenen Umständen auch von einem zusätzlichen
interdisziplinären Gutachten kein entscheidwesentlicher Aufschluss zu
erwarten sei, weshalb davon abgesehen werden könne. Der Einspracheentscheid
der SUVA und der kantonale Entscheid erweisen sich nach dem Gesagten als
rechtens.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft und dem
Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 9. Dezember 2003

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der II. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: