Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 143/2003
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U 143/03

Urteil vom 2. März 2004
III. Kammer

Bundesrichter Rüedi, Lustenberger und Kernen; Gerichtsschreiberin Hofer

F.________, 1944, Gesuchsteller, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Atilay
Ileri, St. Urbangasse 2, 8001 Zürich,

gegen

Zürich Versicherungs-Gesellschaft, Rechtsdienst, Generaldirektion Schweiz,
8085 Zürich, Gesuchsgegnerin

(Urteil vom 18. Oktober 1996)

Sachverhalt:

A.
Der 1944 geborene F.________ arbeitete bei der Sachversicherung Q.________
und war damit bei der Zürich Versicherungs-Gesellschaft (nachfolgend: Zürich)
obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen versichert. Am 16. März 1990
erlitt er als Lenker eines Personenwagens auf der Autobahn einen
Auffahrunfall. Der erstbehandelnde Arzt Dr. med. B.________ diagnostizierte
gemäss Bericht vom 8. April 1990 ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule
(HWS). Ab 19. März 1990 war der Versicherte wieder teilweise und ab 30.
September 1990 voll arbeitsfähig. Am 3. Januar 1991 nahm er eine neue
Tätigkeit als Chef der Schadengruppe Sachversicherungen und
Direktionsschadeninspektor auf, ohne in der Folge Arbeitsausfälle zu
verzeichnen. Dr. med. O.________ diagnostizierte am 28. April 1992 ein
wahrscheinlich posttraumatisches psychoorganisches Syndrom (POS) nach
Schleudertrauma der HWS und ein diskretes Parkinsonsyndrom, welche Diagnose
Prof. Dr. med. S.________ am 16. Oktober 1992 bestätigte. Seit dem 1. Januar
1993 geht F.________ keiner Erwerbstätigkeit mehr nach.
Zur Abklärung ihrer weiteren Leistungspflicht holte die Zürich u.a. die
Expertise des PD Dr. med. M.________, Chefarztstellvertreter der
Neurologischen Klinik und Poliklinik des Spitals X.________ vom 27. April
1994 ein. Mit Verfügung vom 6. September 1994 verneinte sie ihre
Leistungspflicht ab 1. Oktober 1990, sprach dem Versicherten jedoch ohne
Anerkennung einer Unfallkausalität eine Integritätsentschädigung in Höhe von
Fr. 8160.- zu. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 13. Februar 1995
fest.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern
mit Entscheid vom 18. März 1996 ab.
Auf Verwaltungsgerichtsbeschwerde hin bestätigte das Eidgenössische
Versicherungsgericht diesen Entscheid mit Urteil vom 18. Oktober 1996.

B.
Mit Revisionsgesuch vom 13. Juni 2003 lässt F.________ die Aufhebung des
Urteils des Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom 18. Oktober 1996
beantragen; die Zürich sei zu verpflichten, ihm rückwirkend ab 1. Oktober
1990 die gesetzlichen Leistungen auszurichten, eventuell sei die Sache zur
ergänzenden medizinischen Abklärung des Gesundheitsschadens und dessen
Zusammenhang mit dem Unfallereignis vom 16. März 1990 an die Zürich
zurückzuweisen. Dem Gesuch lag u.a. das Gutachten des Prof. Dr. med.
K.________, Chefarzt Neurologie der Klinik Y.________, vom 18. März 2003 bei.
Die Zürich schliesst auf Abweisung des Revisionsgesuchs, während das
Bundesamt für Sozialversicherung, Abteilung Kranken- und Unfallversicherung
(seit 1. Januar 2004 im Bundesamt für Gesundheit), auf eine Vernehmlassung
verzichtet.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Nach Art. 137 lit. b in Verbindung mit Art. 135 OG ist die Revision eines
Urteils des Eidgenössischen Versicherungsgerichts u.a. zulässig, wenn der
Gesuchsteller nachträglich neue erhebliche Tatsachen erfährt oder
entscheidende Beweismittel auffindet, die er im früheren Verfahren nicht
beibringen konnte.
Als "neu" gelten Tatsachen, welche sich bis zum Zeitpunkt, da im
Hauptverfahren noch tatsächliche Vorbringen prozessual zulässig waren,
verwirklicht haben, jedoch der um Revision ersuchenden Person trotz
hinreichender Sorgfalt nicht bekannt waren. Die neuen Tatsachen müssen ferner
erheblich sein, d.h. sie müssen geeignet sein, die tatbeständliche Grundlage
des angefochtenen Urteils zu verändern und bei zutreffender rechtlicher
Würdigung zu einer andern Entscheidung zu führen. Beweismittel haben entweder
dem Beweis der die Revision begründenden neuen erheblichen Tatsachen oder dem
Beweis von Tatsachen zu dienen, die zwar im früheren Verfahren bekannt
gewesen, aber zum Nachteil der gesuchstellenden Person unbewiesen geblieben
sind. Sollen bereits vorgebrachte Tatsachen mit den neuen Mitteln bewiesen
werden, so hat die Person auch darzutun, dass sie die Beweismittel im
früheren Verfahren nicht beibringen konnte. Entscheidend ist ein
Beweismittel, wenn angenommen werden muss, es hätte zu einem andern Urteil
geführt, falls das Gericht im Hauptverfahren hievon Kenntnis gehabt hätte.
Ausschlaggebend ist, dass das Beweismittel nicht bloss der
Sachverhaltswürdigung, sondern der Sachverhaltsermittlung dient. Es genügt
daher beispielsweise nicht, dass ein neues Gutachten den Sachverhalt anders
bewertet; vielmehr bedarf es neuer Elemente tatsächlicher Natur, welche die
Entscheidungsgrundlagen als objektiv mangelhaft erscheinen lassen. Für die
Revision eines Entscheides genügt es nicht, dass die Gutachterin oder der
Gutachter aus den im Zeitpunkt des Haupturteils bekannten Tatsachen
nachträglich andere Schlussfolgerungen zieht als das Gericht. Auch ist ein
Revisionsgrund nicht schon gegeben, wenn das Gericht bereits im
Hauptverfahren bekannte Tatsachen möglicherweise unrichtig gewürdigt hat.
Notwendig ist vielmehr, dass die unrichtige Würdigung erfolgte, weil für den
Entscheid wesentliche Tatsachen nicht bekannt waren oder unbewiesen blieben
(BGE 127 V 358 Erw. 5b, 110 V 141 Erw. 2, 293 Erw. 2a, 108 V 171 Erw. 1; vgl.
auch BGE 118 II 205).

2.
2.1 Im Urteil U 91/96 vom 18. Oktober 1996, dessen Revision der Gesuchsteller
verlangt, ging das Eidgenössische Versicherungsgericht gestützt auf diverse
Arztberichte und insbesondere das Gutachten des PD Dr. med. M.________ vom
27. April 1994 davon aus, dass der Versicherte an einem Parkinsonsyndrom
leide. Das Gericht hat sodann erwogen, da ein natürlicher Kausalzusammenhang
zwischen dem versicherten Unfallereignis und den auf das Parkinsonsyndrom
zurückzuführenden gesundheitlichen Störungen aufgrund der medizinischen
Unterlagen zwar möglich, aber nicht mit dem erforderlichen Beweisgrad der
überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sei und sich eine
(Teil-)Ursache auch mittels zusätzlicher Abklärungen nicht erstellen lasse,
entfalle diesbezüglich eine Leistungspflicht der Zürich. Bezüglich des
ebenfalls diagnostizierten POS fehle es, selbst wenn aufgrund zusätzlicher
Abklärungen der natürliche Kausalzusammenhang zu bejahen wäre,  an der
Adäquanz des Kausalzusammenhangs.

2.2 Mit dem Revisionsgesuch vom 13. Juni 2003 reicht der Gesuchsteller das
Gutachten des Prof. Dr. med. K.________ vom 18. März 2003 ein. Daraus gehe
hervor, dass die Diskussion um die Unfallfolgen in eine andere Richtung zu
gehen habe, nachdem bei der neuesten neurologischen Untersuchung keinerlei
Hinweise auf ein Parkinsonsyndrom hätten eruiert werden können. Damit liegt
nach Ansicht des Gesuchstellers eine neue erhebliche Tatsache und mit dem
Gutachten des Prof. Dr. med. K.________ ein neues entscheidrelevantes
Beweismittel vor, was eine Revision zu rechtfertigen und die nunmehr
gestellten Anträge zu begründen vermöge. Im Zeitpunkt des Erlasses des
Einspracheentscheids vom 13. Februar 1995 und auch heute leide der
Versicherte am typischen Beschwerdebild nach einem Schleudertrauma der HWS,
welches sowohl in einem natürlichen wie auch in einem adäquaten
Kausalzusammenhang zum Unfallereignis vom 16. März 1990 stehend zu
qualifizieren sei.

3.
3.1 Die am 6. September 1994 verfügte und mit Einspracheentscheid vom 13.
Februar 1995 bestätigte Leistungsverweigerung, welche im Urteil des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom 18. Oktober 1996 zu beurteilen war,
stützte sich auf umfassende ärztliche Abklärungen. Im Gutachten vom 27. April
1994 ging PD Dr. med. M.________ von der Diagnose Parkinsonsyndrom und
psychoorganische Wesensänderung aus. Die Diagnose eines Parkinsonsyndroms
beruhe auf den dafür klassischen Symptomen der Hypo- und Bradykinesie,
erhöhtem Muskeltonus, abnormer Körperhaltung und unter Stresssituationen
auftretendem Tremor. Ausserdem sei ein POS mit Merkfähigkeitsstörung,
Frischgedächtnisstörung, Bradyphrenie und sarker Störbarkeit durch äussere
Interferenzen feststellbar. Es handle sich dabei um eine kontinuierliche
Progression von Symptomen und Befunden in den vergangenen vier Jahren, welche
in den medizinischen Unterlagen dokumentiert und vom Versicherten
gleichermassen geschildert würden. Der Krankheitsverlauf sei untypisch für
ein traumatisches Ereignis, da der Prozess kontinuierlich fortschreite, wie
dies bei einer degenerativen Erkrankung der Fall sei. Zur Frage, ob das im
Jahre 1990 erlittene Schleudertrauma der HWS mit möglicher Commotio cerebri
für den Gesundheitszustand verantwortlich sei, gab er an, der Unfall sei mit
überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht die Ursache der gesundheitlichen
Störung. Die geltend gemachten - vom Facharzt damals als Parkinsonsyndrom
diagnostizierten - Beschwerden wären mit überwiegender Wahrscheinlichkeit
auch aufgetreten, wenn es nicht zum Unfall gekommen wäre.
Prof. Dr. med. K.________ konnte gemäss Gutachten vom 18. März 2003 nach
allem, was mit einer klinisch neurologischen Untersuchung festgestellt werden
kann, am 25. Oktober 2002 mit Sicherheit kein Parkinsonsyndrom objektivieren.
Auch PD Dr. med. M.________ habe im Bericht vom 7. Oktober 1997 die Diagnose
eines Parkinsonsyndroms fallen gelassen. Dieser hielt dort fest, bei seit
1991 beginnender Multisystemaffektion und ursprünglicher Parkinsonsymptomatik
sei innerhalb der vergangenen sechs Monate keine Verschlechterung der
Symptomatik eingetreten. Vielmehr sei es nach dem endgültigen Absetzen der
Medikamente zu einer weitergehenden Verbesserung des Antriebs gekommen.
Derzeit stehe eine neuropsychologische Problematik im Vordergrund, während
die Parkinsonsymptomatik regredient sei. Dass vorübergehend eine
Prakinsonsymptomatik vorhanden war, kann laut Prof. Dr. med. K.________
rückblickend nicht in Abrede gestellt werden. Sicher sei eine solche jedoch
nicht auf ein Trauma allein zurückzuführen. Die Gründe, welche im Jahre 1992
zur Aufgabe der anspruchsvollen beruflichen Tätigkeit geführt hätten, liessen
sich retrospektiv nicht mehr mit Sicherheit eruieren. Auch wenn die früher
von den Fachärzten als pathologisch beschriebenen Befunde den Tatsachen
entsprochen hätten, seien zumindest aus neuester Sicht die daraus gezogenen
Schlussfolgerungen durch die Krankengeschichte widerlegt. Unklar bleibe,
welche Symptome zur Verminderung der Leistungsfähigkeit und zur Aufgabe der
beruflichen Tätigkeit geführt hätten. Entsprechend sei auch kein sicherer
Kausalzusammenhang jener Symptome mit dem Unfall vom 16. März 1990 zu
rekonstruieren.

3.2 Entscheidend im Sinne von Art. 137 lit. b OG ist eine neue ärztliche
Bescheinigung, wenn sie den rechtserheblichen medizinischen Sachverhalt in
einem derart neuen Lichte zeigt, dass anders zu entscheiden gewesen wäre,
wenn das nunmehr angerufene Beweismittel schon im Beschwerdeverfahren
vorgelegen hätte (BGE 99 V 191 Erw. 2). Im neu aufgelegten Gutachten kann
nichts anderes erblickt werden als eine gegenüber früheren ärztlichen
Beurteilungen vorgenommene Abweichung mit Bezug auf die Diagnosestellung
eines Parkinsonsyndroms. Damit ist aber nichts ausgesagt über die von PD Dr.
med. M.________ erhobenen Befunde, welche aus damaliger Sicht auf ein
Parkinsonsyndrom hinwiesen und im Gutachten des Prof. Dr. med. K.________ in
keiner Art und Weise in Abrede gestellt werden. Die Frage nach dem
natürlichem Kausalzusammenhang zwischen den (damals) geltend gemachten
Beschwerden und dem Unfallereignis lässt sich gemäss Prof. Dr. med.
K.________ rückwirkend nicht zuverlässig beurteilen. Bisher nicht
berücksichtigte Unfallfolgen werden mit diesem Gutachten nicht dargetan.
Selbst wenn daher gestützt auf das zur Diskussion stehende Gutachten eine
neue Tatsache mit Bezug auf den Krankheitsverlauf und die Diagnosestellung
als ausgewiesen gelten könnte, ist diese nicht als im Sinne von Art. 137 lit.
b OG erheblich zu qualifizieren, weil sich damit der natürliche
Kausalzusammenhang nicht anders beurteilen lässt als im Urteil vom 18.
Oktober 1996 und auch gestützt auf die neuesten medizinischen Unterlagen,
welche den erforderlichen Beweis nicht zu erbringen vermögen, verneint werden
muss. Ergänzende medizinische Abklärungen zum Gesundheitszustand und zur
Unfallkausalität durch die Gesuchsgegnerin entfallen, da der Revisionsgrund
gemäss Art. 140 OG im Gesuch mit Angabe der Beweismittel darzulegen ist.
Hinzu kommt, dass an der Adäquanz erhebliche Zweifel angemeldet werden
müssten, nachdem der Versicherte schon kurze Zeit nach dem Unfallereignis die
Arbeit wieder aufnehmen konnte und in der Folge doch rund zwei Jahre voll
arbeitsfähig war. Entgegen der Auffassung des Gesuchstellers lässt sich
aufgrund der neuen Expertise auch nicht auf eine ärztliche Fehlbehandlung
schliessen, hat doch erst der Krankheitsverlauf gezeigt, dass die
ursprünglich von verschiedenen Ärzten mit einem Parkinsonsyndrom in
Verbindung gebrachten Symptome längerfristig eben doch nicht progredient
waren, sondern mit der Zeit sogar verschwanden.

4.
Da das Revisionsgesuch offensichtlich unbegründet ist, entscheidet das
Gericht im Verfahren nach Art. 143 Abs. 1 OG.

5.
Das Revisionsverfahren ist kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Der
unterliegende Gesuchsteller hat die Kosten zu tragen (Art. 135 in Verbindung
mit Art. 156 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Das Revisionsgesuch wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Gesuchsteller auferlegt und mit
dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit
(BAG) zugestellt.
Luzern, 2. März 2004

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Vorsitzende der III. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: