Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 139/2003
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U 139/03

Urteil vom 3. Mai 2004
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Ursprung; Gerichtsschreiber
Krähenbühl

B.________, 1943, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Stefan Hofer,
Spalenberg 20, 4051 Basel,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
Beschwerdegegnerin

Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, Solothurn

(Entscheid vom 7. Mai 2003)

Sachverhalt:

A.
Beim Versuch, die Leiter eines Hochsitzes zu erklimmen, auf welchem sich ein
Jäger befand, der zuvor seinen Hund erschossen hatte, stürzte B.________ am
20. Dezember 1991 aus einer Höhe von rund drei Metern zu Boden und zog sich
dabei nebst Rissquetschwunden an Stirn und Nasenwurzel eine
Tibiakopf-Trümmerfraktur medial und lateral mit Abriss des lateralen
Meniskusvorderhorns rechts zu. Nach operativer Versorgung im Spital
N.________ mittels Osteosynthese und nachfolgender arthroskopischer Revision
sowie Mobilisation in Narkose konnte er am 1. Oktober 1992 eine neue Stelle
als kaufmännischer Angestellter resp. Akquisiteur in der Firma K.________ AG
antreten, wo er seiner Arbeit auch nach der im März 1993 erfolgten
Metallentfernung wieder uneingeschränkt nachgehen konnte. In der Folge war er
ab 1. Oktober 1995 als Kundenberater im Aussendienst der Speditionsfirma
W.________ AG tätig. Hier wurde ihm zufolge betrieblicher Reorganisation per
31. Juli 1996 gekündigt. Seither geht er keiner Erwerbstätigkeit mehr nach.
Die IV-Stelle des Kantons Solothurn gewährte ihm mit Verfügung vom 27. April
1999 rückwirkend ab 1. Januar 1998 eine ganze Invalidenrente mit Zusatzrente
für die Ehefrau.

Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), welche nach dem
Ereignis vom 20. Dezember 1991 für die Heilungskosten aufgekommen war und
Taggelder ausgerichtet hatte, sprach B.________ am 22. Oktober 1996
verfügungsweise eine Entschädigung für eine 10 %ige Integritätseinbusse zu;
einen Rentenanspruch verneinte sie mit der Begründung, die Restfolgen des
Unfalles beeinträchtigten die Erwerbsfähigkeit nicht erheblich. Diese
Verfügung ist unangefochten geblieben. Nach einer Rückfallmeldung vom 10.
Juni 1997 und in der Folge durchgeführten weiteren Abklärungen lehnte es die
SUVA mit Verfügung vom 6. Juni 2001 ab, nebst der mit rechtskräftig
gewordener Verfügung vom 22. Oktober 1996 zugesprochenen 10%igen
Integritätsentschädigung weitere Leistungen, namentlich eine Invalidenrente
sowie eine höhere Integritätsentschädigung zu erbringen. Daran hielt sie mit
Einspracheentscheid vom 7. Dezember 2001 fest.

B.
In der hiegegen beim Versicherungsgericht des Kantons Solothurn erhobenen
Beschwerde beantragte B.________, die SUVA sei zu verpflichten, ihm eine
Invalidenrente auszurichten; eventuell sei sie anzuweisen, ihre Verfügung vom
22. Oktober 1996 in Wiedererwägung zu ziehen. Mit Entscheid vom 7. Mai 2003
wies das kantonale Gericht die Beschwerde im ersten Punkt ab; auf das
Begehren betreffend Wiedererwägung trat es nicht ein.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt B.________ die im kantonalen
Verfahren gestellten Anträge erneuern.

Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das
Bundesamt für Sozialversicherung, Abteilung Unfallversicherung (seit 1.
Januar 2004 im Bundesamt für Gesundheit), verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Das auf den 1. Januar 2003 und somit nach Erlass des Einspracheentscheids
vom 7. Dezember 2001 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen
Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 findet keine
Anwendung; massgebend sind die vor dem 1. Januar 2003 gültig gewesenen
Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen (BGE 129 V 4 Erw. 1.2 mit Hinweisen).

1.2 Die rechtlichen Grundlagen gemäss Gesetz, Verordnung und Rechtsprechung,
welche zur Beurteilung der streitigen Leistungsansprüche erforderlich sind,
hat das kantonale Gericht zutreffend dargelegt, worauf verwiesen wird. Es
betrifft dies die Möglichkeit der Wiedererwägung einer rechtskräftigen
Verfügung, wenn sie zweifellos unrichtig war und ihre Berichtigung von
erheblicher Bedeutung ist (BGE 127 V 469 Erw. 2c mit Hinweisen), die
Rentenrevision auf Grund geänderter tatsächlicher Verhältnisse (Art. 22 UVG)
und die für einen Leistungsanspruch gegenüber der Unfallversicherung unter
anderm vorausgesetzte adäquate Kausalität des versicherten Unfallereignisses
für die vorhandenen gesundheitlichen Schädigungen (vgl. BGE 129 V 181 Erw.
3.2, 405 Erw. 2.2, 125 V 461 Erw. 5a, 123 III 112 Erw. 3a, 123 V 103 Erw. 3d,
139 f. Erw. 3c, 122 V 416 Erw. 2a, je mit Hinweisen). Ergänzend ist auf Art.
11 UVV hinzuweisen, wonach Versicherungsleistungen auch für Rückfälle und
Spätfolgen gewährt werden, woraus sich ein Neuanmeldungsrecht nach
vorangegangener Leistungsverweigerung ergibt.

2.
Von vornherein unbegründet ist der Eventualantrag des Beschwerdeführers,
wonach die SUVA zu verpflichten sei, ihre Verfügung vom 22. Oktober 1996 in
Wiedererwägung zu ziehen.

2.1 Der Beschwerdeführer übersieht einerseits, dass es nach ständiger
Rechtsprechung (BGE 117 V 12 f. Erw. 2a mit Hinweisen) keinen gerichtlich
durchsetzbaren Anspruch auf Wiedererwägung gibt. Andererseits überzeugt der
Einwand nicht, die SUVA habe, indem sie in ihrem Einspracheentscheid vom 7.
Dezember 2001 ausführte, es bestehe "nach wie vor" keine Erwerbsunfähigkeit,
effektiv eine materielle Überprüfung der Richtigkeit der ursprünglichen
Verfügung vorgenommen und sei somit auf das Wiedererwägungsgesuch
eingetreten. Nach Lage der Akten hat die SUVA keineswegs ihren früher
verfügungsweise dargelegten Standpunkt, wonach keine unfallbedingte
Erwerbsunfähigkeit vorliege und sich der unfallbedingte Integritätsschaden
auf 10 % belaufe, in Wiedererwägung gezogen. Vielmehr hat sie sich, mit einer
Rückfallmeldung konfrontiert, darauf beschränkt, die gesundheitliche
Entwicklung, namentlich in psychischer Hinsicht durch Einholen eines
Gutachtens der Psychiatrischen Dienste S.________ vom 22. September 2000, zu
überprüfen, wozu sie im Hinblick auf das geltend gemachte Neuanmeldungsrecht
(Art. 11 UVV) verpflichtet war. Wenn sie als Ergebnis dieser Abklärung zur
Auffassung gelangte, es liege "nach wie vor" keine weiter gehende
Leistungspflicht vor, als sie mit der ursprünglichen Verfügung vom 22.
Oktober 1996 bereits anerkannt worden ist, so hat sie damit lediglich über
die Ansprüche seit Fallabschluss im Oktober 1996 in ablehnendem Sinne
befunden. Der vorinstanzliche Nichteintretensentscheid  bezüglich des
Wiedererwägungspunktes war damit rechtens.

2.2 Aber selbst wenn man, der Argumentation des Beschwerdeführers folgend,
annehmen wollte, die SUVA habe ihre Verfügung vom 22. Oktober 1996 in
Wiedererwägung gezogen und in der Folge bestätigt, würde sich die
gerichtliche Prüfung praxisgemäss zunächst auf die  Frage beschränken, ob die
Ansicht, die Verfügung vom 22. Oktober 1996 sei nicht zweifellos unrichtig
gewesen, standhält (BGE 117 V 8, 116 V 62). Dies trifft zu. Der Einwand, bei
Erlass der Verfügung vom 22. Oktober 1996 sei der SUVA nicht bekannt gewesen,
dass der Beschwerdeführer seine Anstellung im Sommer (gemäss
Arbeitgeberbericht der Firma W.________ AG am 31. Juli) 1996 verloren hat,
lässt die Verneinung einer unfallbedingten Invalidität nicht als zweifellos
unrichtig erscheinen, verfügte der Beschwerdeführer doch nach allen in den
Akten befindlichen kreisärztlichen Untersuchungsberichten, auf welche
vorliegend abzustellen ist (BGE 122 V 157), trotz seiner Kniebeschwerden über
ein erhebliches körperliches Leistungsvermögen, das es ihm erlaubte, seinen
Beruf als kaufmännischer Angestellter in einer Speditionsfirma ohne
wesentliche Einschränkungen auszuüben.

3.
Unbegründet ist auch der Hauptantrag, welcher darauf abzielt, eine
Verschlechterung des unfallbedingt beeinträchtigten Gesundheitszustandes
darzulegen, für deren Auswirkungen auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit die
SUVA als Unfallversicherer einzustehen habe.

3.1 Was die Kniebeschwerden anbelangt, kann nach der gesamten Aktenlage
klarerweise nicht von einer Verschlimmerung der Schädigung gesprochen werden.
Insoweit ist den vorinstanzlichen Überlegungen nichts beizufügen.

3.2 Insbesondere auf Grund der aus dem invalidenversicherungsrechtlichen
Verfahren stammenden ärztlichen Berichte steht des Weitern eindeutig fest,
dass der Beschwerdeführer an einer depressiven Entwicklung leidet, welche
sich als Antriebsstörung manifestiert. Diesbezüglich fehlt es, wie die
Vorinstanz im Einzelnen überzeugend dargetan hat, an der adäquaten
Unfallkausalität im Sinne der zu Art. 6 Abs. 1 UVG ergangenen Rechtsprechung
(BGE 115 V 133). Weder die Qualifizierung des Unfalles vom 20. Dezember 1991
als mittelschweres, nicht im Grenzbereich zu den schweren Unfällen liegendes
Ereignis noch die Beurteilung der massgeblichen Kriterien durch die
Vorinstanz lassen sich beanstanden. Sämtliche hiegegen in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhobenen Einwände ändern daran nichts.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons
Solothurn und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugestellt.

Luzern, 3. Mai 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer:  Der Gerichtsschreiber:
i.V.