Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 137/2003
Zurück zum Index Sozialrechtliche Abteilungen 2003
Retour à l'indice Sozialrechtliche Abteilungen 2003


U 137/03

Urteil vom 3. Dezember 2004
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Lustenberger;
Gerichtsschreiberin Durizzo

R.________, 1946, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Massimo
Aliotta, Obergasse 20, 8400 Winterthur,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
Beschwerdegegnerin

Obergericht des Kantons Schaffhausen, Schaffhausen

(Entscheid vom 25. April 2003)

Sachverhalt:

A.
R. ________, geboren 1946, erlitt am 25. April 1988 einen Verkehrsunfall mit
dem Velo, bei dem er sich ein Schädel-Hirn-Trauma, verschiedene Frakturen
sowie eine Knieverletzung zuzog. Anfangs 1989 nahm er seine Arbeit als
Verkaufssachbearbeiter zwar wieder auf. Die bisherige Funktion als
Gruppenchef konnte er wegen einer Sprachstörung jedoch nicht mehr ausüben.
Zudem wurde davon ausgegangen, dass er ohne Unfall zum Bürochef befördert
worden wäre. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) richtete
ihm deshalb ab 1. Januar 1990 eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad
von 20 % sowie eine Integritätsentschädigung für eine Integritätseinbusse von
30 % aus (Verfügung vom 8. November 1990). Nachdem der in Deutschland
wohnhafte Versicherte seine Arbeitsstelle in der Schweiz verloren und eine
neue in Deutschland angetreten hatte, unterzog die SUVA die zugesprochene
Rente einer Revision, kam jedoch mit Verfügung vom 19. Dezember 1995 zum
Schluss, dass sich keine rentenwirksamen Änderungen ergeben hätten.

Am 20. August 1999 beantragte R.________ die Durchführung einer erneuten
Rentenrevision. Er machte geltend, er habe nach einem Vergleich der
Lohnentwicklung mit und ohne Unfall festgestellt, dass er einen sehr hohen
finanziellen Verlust habe hinnehmen müssen. Mit Verfügung vom 29. Januar 2001
lehnte die SUVA das Begehren ab und bestätigte auch mit Wirkung ab 1. Februar
2001 eine Invalidenrente auf Grund eines Invaliditätsgrades von 20 % mit der
Begründung, dass sich hieran nichts geändert habe. An dieser Auffassung hielt
sie auf Einsprache hin fest (Einspracheentscheid vom 4. Mai 2001).

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons
Schaffhausen mit Entscheid vom 25. April 2003 ab.

C.
R. ________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und die Aufhebung des
angefochtenen Entscheides sowie die Revision der mit Verfügung der SUVA vom
8. November 1990 festgesetzten Rente beantragen; eventualiter sei die Sache
an die SUVA zurückzuweisen zu ergänzender medizinischer Abklärung.
Während die SUVA auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst,
verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung, Kranken- und
Unfallversicherung (seit 1. Januar 2004 im Bundesamt für Gesundheit), auf
eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze über die
Anwendbarkeit des am 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Bundesgesetzes über
den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000
und die Revision einer als Folge eines Unfalls zugesprochenen Invalidenrente
(Art. 22 Abs. 1 Satz 1 UVG) zutreffend dargelegt. Richtig sind auch die
Ausführungen zu der zu Art. 41 IVG ergangenen, sinngemäss auch bezüglich Art.
22 UVG geltenden (RKUV 1987 Nr. U 32 S. 446) Rechtsprechung, wonach die Rente
nicht nur bei einer wesentlichen Veränderung des Gesundheitszustandes,
sondern auch dann revidierbar ist, wenn sich die erwerblichen Auswirkungen
des an sich gleich gebliebenen Gesundheitszustandes wesentlich verändert
haben (BGE 113 V 275 Erw. 1a mit Hinweisen; siehe auch BGE 112 V 372 Erw. 2b
und 390 Erw. 1b). Darauf wird verwiesen.

2.
Der Beschwerdeführer beruft sich zunächst auf eine zunehmende
Wesensveränderung und beantragt ergänzende Abklärungen zu seinem
Gesundheitszustand.

Der Versicherte leidet an Störungen der Merk- und Konzentrationsfähigkeit,
Sprachproblemen und Wortfindungsstörungen. Das Arbeitstempo sei verlangsamt
und am Telefon habe er Schwierigkeiten mit dem Finden von Worten und der
exakten Zuordnung von Zusammenhängen. Gemäss nervenärztlichem Gutachten des
Dr. med. S.________ vom 11. April 2000 besteht als Folge der schweren
Traumatisierung im Bereich des Hirnschädels ein neuropsychologisch exakt
festgehaltenes Defizit, insbesondere im Sinne einer posttraumatischen
hemisphärischen Funktionsstörung links. Nach Aussage der Ehefrau habe sich
der Versicherte nach dem Unfall erheblich verändert; sie lebe mit einem
"anderen Mann" zusammen. Früher sei er immer sehr besorgt gewesen,
zuvorkommend, habe nie Streit gesucht und sich immer sehr um die Familie
gekümmert. Seit dem Unfall sei seine Toleranz erheblich beeinträchtigt. Er
fahre leicht aus der Haut und sei ungeduldig. Nach Auffassung des Gutachters
sind diese Beschwerden im Rahmen der Hirnschädigung zu sehen. Er empfahl eine
erneute neuropsychologische Kontrolle, welche am 19. Oktober 2000 durch das
Neuropsychologische Institut X.________ durchgeführt wurde. Dessen Gutachter
konnten gemäss Expertise vom 13. November 2000 im Vergleich zu den früher, am
1. März 1990, erhobenen Befunden (Gutachten vom 30. März 1990) keine
wesentlichen Veränderungen feststellen. Es bestehe eine leichte
posttraumatische neuropsychologische Funktionsstörung. In seiner Beurteilung
vom 24. November 2000 äusserte der SUVA-Kreisarzt seine Besorgnis bezüglich
der zunehmenden Wesensveränderung. Diese war jedoch nicht quantifizierbar.
Mit der Vorinstanz ist gestützt auf die medizinische Aktenlage und mit Blick
darauf, dass der Beschwerdeführer in seiner Erwerbstätigkeit offenbar nicht
weitergehend als bisher eingeschränkt ist, davon auszugehen, dass in
gesundheitlicher Hinsicht keine rentenwirksame Änderung eingetreten ist. Auf
zusätzliche Abklärungen kann verzichtet werden.

3.
3.1 Des Weiteren macht der Beschwerdeführer geltend, dass er unfallbedingt
einen erheblichen Einkommensverlust habe hinnehmen müssen. Er vergleicht
dabei den heutigen Verdienst mit demjenigen, den er an seiner vormaligen
Stelle als Bürochef bzw. Prokurist erzielen könnte. In diesem Zusammenhang
rügt er auch, dass die SUVA dort Lohnauskünfte eingeholt habe, zu denen er
sich nicht habe äussern können, weshalb sein rechtliches Gehör verletzt
worden sei.

3.2 Zunächst trifft es zu, dass rechtsprechungsgemäss bei Rentenrevisionen
für die Bestimmung der zeitlichen Vergleichsbasis generell jene Verfügungen
unbeachtlich sind, welche die ursprüngliche Rentenverfügung nach einer
materiellen Überprüfung bloss bestätigen, nicht aber ändern. Diesfalls ist
auf die gesamthafte Entwicklung der Verhältnisse seit der ursprünglichen
Rentenverfügung abzustellen (BGE 130 V 75 f. Erw. 3.2.3). Vorliegend sind
daher entgegen Erw. 4 und 5 des angefochtenen Entscheides allfällige
Änderungen seit 1990 und nicht 1995 revisionserheblich.

3.3 Die SUVA hat sich zur Ermittlung des Invaliditätsgrades in ihrer
Verfügung vom 8. November 1990 (wie auch in derjenigen vom 19. Dezember 1995)
auf die Lohnauskünfte des vormaligen Arbeitgebers in der Schweiz gestützt.
Der Beschwerdeführer verlangt demgegenüber, dass der in Deutschland erzielte,
erheblich tiefere Lohn als das entsprechende Einkommen in der Schweiz mit dem
Verdienst in der Schweiz ohne Unfall verglichen werden müsse.
Verlegt die versicherte Person ihren Wohnsitz ins Ausland, stellt sich die
Frage, nach welchen örtlichen Verhältnissen das Invalideneinkommen zu
ermitteln ist. Auszugehen ist davon, dass zwischen Validen- und
Invalideneinkommen ein Parallelismus besteht und sich daher beide auf einen
örtlich gleichermassen festgelegten Arbeitsmarkt beziehen müssen. Die
unterschiedlichen Lohnniveaus und Lebenshaltungskosten zwischen verschiedenen
Ländern lassen keinen objektiven Vergleich zu (BGE 110 V 277 Erw. 4b). Eine
Gegenüberstellung von Einkommen in der Schweiz und in Deutschland ist daher
unzulässig.

Dazu kommt, dass der Verlust der Arbeitsstelle in der Schweiz nicht Folge des
im Jahr 1988 erlittenen Unfalls war. Zwar mag es zutreffen, dass der
Beschwerdeführer die ohne Unfall erlangte leitende Position im Gegensatz zu
der mit Unfall ausgeübten Funktion als Sachbearbeiter auch nach der
betrieblichen Umstrukturierung hätte behalten können. Dies ist jedoch nicht
mit der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit erstellt (RKUV 1993
Nr. U 168 S. 100 f. Erw. 3b mit Hinweis).

Dass der Beschwerdeführer heute weniger verdient, ist demnach nur insoweit
unfallbedingt, als er keine leitende Funktion mehr ausüben kann. Diesem
allein massgebenden Umstand hat die SUVA in ihrer Verfügung vom 8. November
1990 Rechnung getragen, indem sie den vormals in der Schweiz erzielten Lohn
mit dem Einkommen verglichen hat, welches der Versicherte bei derselben
Arbeitgeberin als Bürochef/Prokurist verdient hätte. Seither sind keine
rentenwirksamen Veränderungen eingetreten. Insbesondere trifft es nicht zu,
dass ihn eine deutsche Firma ohne Unfall zu einem Einkommen von DM 150'000.-
eingestellt hätte, handelt es sich doch bei diesem Betrag nach den Angaben
der betreffenden Unternehmung vom 1. August 2001 lediglich um die
Gehaltsvorstellungen des Versicherten.

3.4 Die unfallbedingte finanzielle Einbusse ist damit weiterhin einzig auf
den Umstand zurückzuführen, dass der Beschwerdeführer nicht mehr als
Gruppenchef arbeiten und nicht zum Bürochef/Prokurist befördert werden
konnte. Eine Änderung bezüglich der beruflichen Entwicklung wird nicht
geltend gemacht. Es ist daher - ganz abgesehen davon, dass das in Deutschland
erzielte Invalideneinkommen nicht mit dem Valideneinkommen in der Schweiz
verglichen werden kann (Erw. 3.3) - kein Einkommensvergleich durchzuführen.

3.5 Gemäss Art. 29 Abs. 2 BV haben die Parteien Anspruch auf rechtliches
Gehör. Das rechtliche Gehör dient einerseits der Sachaufklärung, andererseits
stellt es ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass eines
Entscheids dar, welcher in die Rechtsstellung einer Person eingreift. Dazu
gehört insbesondere deren Recht, sich vor Erlass des in ihre Rechtsstellung
eingreifenden Entscheids zur Sache zu äussern, erhebliche Beweise
beizubringen, Einsicht in die Akten zu nehmen, mit erheblichen Beweisanträgen
gehört zu werden und an der Erhebung wesentlicher Beweise entweder
mitzuwirken oder sich zumindest zum Beweisergebnis zu äussern, wenn dieses
geeignet ist, den Entscheid zu beeinflussen (BGE 129 II 504 Erw. 2.2, 127 I
56 Erw. 2b, 127 III 578 Erw. 2c, 126 V 131 Erw. 2b; zu Art. 4 Abs. 1 aBV
ergangene, weiterhin geltende Rechtsprechung: BGE 126 I 16 Erw. 2a/aa, 124 V
181 Erw. 1a, 375 Erw. 3b, je mit Hinweisen). Nachdem, wie unter Erwägung 3.4
ausgeführt, kein Einkommensvergleich vorzunehmen ist, muss nicht bewiesen
werden, welchen Lohn der Beschwerdeführer heute beim vormaligen Arbeitgeber
erzielen würde. Gleiches gilt, da auch die weitere berufliche Entwicklung
nicht streitig ist (Erw. 3.4), bezüglich der Angaben über die personellen
Massnahmen, die in der Zwischenzeit ergriffen wurden und den Versicherten
möglicherweise auch betroffen hätten. Das fragliche Schreiben vom 13.
Dezember 2000 ist damit nicht entscheidrelevant und das rechtliche Gehör
wurde demnach nicht verletzt, wenn dem Beschwerdeführer vor dem
Verfügungserlass keine Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt wurde, zumal
er im Einspracheverfahren Einsicht in die Akten nehmen konnte (vgl. BGE 127 V
437 f. Erw. 3d/aa).

3.6 Andere rentenwirksame Veränderungen sind nicht ersichtlich und der
Beschwerdeführer erhebt auch keine weiteren Einwände. Die Voraussetzungen für
eine Rentenrevision sind daher nicht erfüllt.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Schaffhausen und
dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugestellt.

Luzern, 3. Dezember 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: