Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 100/2003
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U 100/03

Urteil vom 31. Oktober 2003
III. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Lustenberger; Gerichtsschreiberin
Riedi Hunold

Helsana Versicherungen AG, Schadenrecht, Birmensdorferstrasse 94, 8003
Zürich, Beschwerdeführerin,

gegen

"Zürich" Versicherungs-Gesellschaft, Mythenquai 2, 8002 Zürich,
Beschwerdegegnerin,

betreffend D.________, 1958

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 26. März 2003)

Sachverhalt:

A.
D. ________ (geboren 1958) ist seit 1. Juni 1994 als Buchhalterin bei der
Anwaltskanzlei C.________ angestellt und in dieser Eigenschaft bei der Zürich
Versicherungs-Gesellschaft (nachfolgend: Zürich) gegen Unfälle versichert. Am
20. Dezember 2001 verspürte sie während des Turnens beim Rennen plötzlich
einen stechenden Schmerz in der linken Wade. Die erstbehandelnde Ärztin, Frau
Dr. med. F.________, Spezialärztin für Allgemeine Medizin, stellte am 28.
Dezember 2001 eine Zerrung der Wadenmuskulatur fest und überwies D.________
an das Institut für Röntgendiagnostik, Spital X.________, zur weiteren
Abklärung. Dieses konnte anlässlich der gleichentags vorgenommenen
Sonographie eine Ruptur oder Teilruptur der Achillessehne ausschliessen. Mit
Verfügung vom 11. März 2002 lehnte die Zürich jegliche Leistungen ab. Der
Krankenversicherer von D.________, die Helsana Versicherungen AG
(nachfolgend: Helsana), reichte hiegegen Einsprache ein. Die Zürich hielt mit
Einspracheentscheid vom 29. April 2002 an ihrer Ablehnung fest.

B.
Die von der Helsana hiegegen erhobene Beschwerde wies das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 26. März 2003
ab.

C.
Die Helsana führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, es seien der
vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und die Zürich zu verpflichten, die
gesetzlichen Leistungen zu erbringen. Die Zürich schliesst auf Abweisung der
Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung (nachfolgend: BSV) beantragt
in seiner Stellungnahme die Änderung der Rechtsprechung. D.________
verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit
ihm sind zahlreiche Bestimmungen im Unfallversicherungsrecht geändert worden.
Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend
sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes
Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1), und weil ferner das
Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf
den bis zum Zeitpunkt des Erlasses des streitigen Einspracheentscheids
eingetretenen Sachverhalt abstellt (BGE 121 V 366 Erw. 1b), sind im
vorliegenden Fall die bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Bestimmungen
anwendbar.

2.
2.1 Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat sich in seinem in der
Amtlichen Sammlung noch nicht veröffentlichten Urteil H. vom 20. August 2003,
U 17/03, erneut zu den Leistungsvoraussetzungen bei unfallähnlichen
Körperschädigungen geäussert. Es hat dabei in Fortsetzung der Rechtsprechung
gemäss BGE 123 V 43 und RKUV 2001 Nr. U 435 S. 332 daran festgehalten, dass
mit Ausnahme der Ungewöhnlichkeit sämtliche Tatbestandsmerkmale des
Unfallbegriffs erfüllt sein müssen. Besondere Bedeutung kommt dabei der
Voraussetzung eines äusseren Ereignisses zu, d.h. eines ausserhalb des
Körpers liegenden, objektiv feststellbaren, sinnfälligen, eben
unfallähnlichen Vorfalles. Wo ein solches Ereignis mit Einwirkung auf den
Körper nicht stattgefunden hat, und sei es auch nur als Auslöser eines in
Art. 9 Abs. 2 lit. a-h UVV aufgezählten Gesundheitsschadens, liegt eine
eindeutig krankheits- oder degenerativ bedingte Gesundheitsschädigung vor.
Kein unfallähnliches Ereignis liegt in all jenen Fällen vor, in denen der
äussere Faktor mit dem (erstmaligen) Auftreten der für eine der in Art. 9
Abs. 2 lit. a-h UVV enthaltenen Gesundheitsschäden typischen Schmerzen
gleichgesetzt wird. Auch nicht erfüllt ist das Erfordernis des äusseren
schädigenden Faktors, wenn das (erstmalige) Auftreten von Schmerzen mit einer
blossen Lebensverrichtung einhergeht, welche die versicherte Person zu
beschreiben in der Lage ist; denn für die Bejahung eines äusseren auf den
menschlichen Körper schädigend einwirkenden Faktors ist stets ein Geschehen
verlangt, dem ein gewisses gesteigertes Gefährdungspotenzial innewohnt. Das
ist zu bejahen, wenn die zum einschiessenden Schmerz führende Tätigkeit im
Rahmen einer allgemein gesteigerten Gefahrenlage vorgenommen wird, wie dies
etwa für viele sportliche Betätigungen zutreffen kann. Wer hingegen beim
Aufstehen, Absitzen, Abliegen, der Bewegung im Raum, Handreichungen usw.
einen einschiessenden Schmerz erleidet, welcher sich als Symptom einer
Schädigung nach Art. 9 Abs. 2 UVV herausstellt, kann sich nicht auf das
Vorliegen einer unfallähnlichen Körperschädigung berufen. Erfüllt ist
demgegenüber das Erfordernis des äusseren schädigenden Faktors bei Änderungen
der Körperlage, die nach unfallmedizinischer Erfahrung häufig zu
körpereigenen Traumen führen können, also im Sinne der bisherigen
Rechtsprechung das plötzliche Aufstehen aus der Hocke, die heftige und/oder
belastende Bewegung und die durch äussere Einflüsse unkontrollierbare
Änderung der Körperlage im Sinne der von der Rechtsprechung positiv
beurteilten Sachverhalte, woran festzuhalten ist.

2.2 Bei sich widersprechenden Angaben der versicherten Person über den
Hergang der Geschehnisse ist auf die Beweismaxime hinzuweisen, wonach die so
genannten spontanen "Aussagen der ersten Stunde" in der Regel unbefangener
und zuverlässiger sind als spätere Darstellungen, welche bewusst oder
unbewusst von nachträglichen Überlegungen versicherungsrechtlicher oder
anderer Art beeinflusst sein können. Wenn die versicherte Person ihre
Darstellung im Laufe der Zeit wechselt, kommt den Angaben, die sie kurz nach
dem massgeblichen Geschehen gemacht hat, meistens grösseres Gewicht zu als
jenen nach Kenntnis einer Ablehnungsverfügung des Versicherers (BGE 121 V 47
Erw. 2a mit Hinweisen).

2.3 Im Sozialversicherungsrecht gibt es keinen Grundsatz, gemäss welchem im
Zweifelsfall zu Gunsten der versicherten Person zu entscheiden wäre ("in
dubio pro assicurato"; Erw. 4.2.1 des in der Amtlichen Sammlung noch nicht
publizierten Urteils C. vom 28. August 2003, U 35/00 und U 47/00, mit
Hinweisen).

3.
Streitig ist einzig, ob der Vorfall vom 20. Dezember 2001 ein unfallähnliches
Ereignis im Sinne von Art. 9 Abs. 2 UVV darstellt.

3.1 Was die vom BSV beantragte Änderung der Rechtsprechung zu den
unfallähnlichen Körperschädigungen betrifft, wird auf die in Erw. 2.1
aufgeführten Urteile verwiesen, in welchen sich das Eidgenössische
Versicherungsgericht eingehend mit den vom BSV vorgetragenen Argumenten
auseinandersetzte und diese verwarf.

3.2 Die Versicherte verspürte am 20. Dezember 2001 während des Turnens nach
40 Minuten beim Rennen plötzlich einen stechenden Schmerz in der Wade, was
sie zum Aufhören zwang. Am 28. Dezember 2001 begab sie sich erstmals in
ärztliche Behandlung. Auf Grund der erfolgten Abklärungen konnte eine
(Teil-)Ruptur der Achillessehne ausgeschlossen werden; hingegen wurde eine
Zerrung der linken Wadenmuskulatur diagnostiziert (Bericht der Frau Dr. med.
F.________ vom 7. Februar 2002).

3.3 Die Versicherte gibt weder in der Unfallmeldung vom 23. Januar 2002 noch
in der genaueren Schilderung der Geschehnisse vom 24. Februar 2002 eine
unkontrollierte Bewegung, ein Stolpern oder Ähnliches an. Vielmehr verspürte
sie beim Rennen einen plötzlichen Schmerz. Eine unfallähnliche
Körperschädigung ist somit zu verneinen, da die Versicherte lediglich das
erstmalige Auftreten von Schmerzen anzugeben vermag. Denn gemäss
Rechtsprechung liegt kein äusserer schädigender Faktor und damit auch kein
unfallähnliches Ereignis vor, wenn der äussere Faktor mit dem erstmaligen
Auftreten der für einen in Art. 9 Abs. 2 UVV enthaltenen Gesundheitsschäden
typischen Schmerzen gleichgesetzt wird (Erw. 4.2.1 des in der Amtlichen
Sammlung noch nicht publizierten Urteils H. vom 20. August 2003, H 17/03).

4.
4.1 Streitigkeiten zwischen Versicherungsträgern über Leistungen aus
Unfallfolgen für einen gemeinsamen Versicherten sind kostenpflichtig (BGE 126
V 192 Erw. 6 mit Hinweisen). Die Helsana hat deshalb als unterliegende Partei
die Gerichtskosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG).

4.2 Nach Art. 159 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 135 OG darf im Verfahren der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde obsiegenden Behörden oder mit
öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen in der Regel keine
Parteientschädigung zugesprochen werden. In Anwendung dieser Bestimmung hat
das Eidgenössische Versicherungsgericht der SUVA und privaten
UVG-Versicherern sowie - von Sonderfällen abgesehen - den Krankenkassen keine
Parteientschädigung zugesprochen, weil sie als Organisationen mit
öffentlich-rechtlichen Aufgaben zu qualifizieren sind (BGE 123 V 309 Erw. 10
mit Hinweisen).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3000.- werden der Helsana Versicherungen AG
auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich, dem Bundesamt für Sozialversicherung und D.________ zugestellt.

Luzern, 31. Oktober 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer:   Die Gerichtsschreiberin: