Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen P 72/2003
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P 72/03

Urteil vom 2. März 2005
II. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Schön und Frésard; Gerichtsschreiberin
Schüpfer

T.________, 1961, Beschwerdeführer,

gegen

Ausgleichskasse des Kantons Solothurn, Allmendweg 6, 4528 Zuchwil,
Beschwerdegegnerin

Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, Solothurn

(Entscheid vom 25. November 2003)

Sachverhalt:

A.
Dem 1961 geborenen T.________ wurde mit Verfügung vom 14. Mai 2002 von der
IV-Stelle Bern ab 1. Januar 1999 eine ganze Invalidenrente zugesprochen. Er
meldete sich am 20. November 2002 bei der Ausgleichskasse des Kantons
Solothurn für die Zeit von Januar 2001 - als er in der Stadt O.________
Wohnsitz nahm - bis zu seinem Umzug nach der Stadt L.________, Kanton
Basel-Landschaft, per November 2002, zum Bezug von Ergänzungsleistungen an.
Bis Ende April 2002 war er Mieter einer Wohnung. Ab jenem Zeitpunkt bis zum
Wegzug wohnte er in einem Campingwagen, für welchen er einen monatlichen
Mietzins von insgesamt Fr. 600.- zu entrichten hatte. Daneben machte er unter
anderem die Anrechnung von Lagerkosten für das Einstellen von Möbeln von
monatlich Fr. 189.40 geltend. Zudem ersuchte er um Rückerstattung von
Selbstbehalten und Franchisen der Krankenversicherung, von Umzugskosten und
einem Klaviertransport sowie um Ersatz eines durch Mäuse verursachten
Schadens, welcher ihm im November 2000 an seinem Mobiliar, Kleidern und
Haushaltsgegenständen entstanden war. Mit Verfügungen vom 23. Dezember 2002
gewährte ihm die Ausgleichskasse für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember
2001 Ergänzungsleistungen von Fr. 1141.- monatlich, vom 1. Januar bis 30.
April 2002 von Fr. 932.- und vom 1. Mai bis 31. Oktober 2002 von Fr. 552.-.
Darin wurden nur die effektiven Mietkosten, jedoch keine Lagergebühren
berücksichtigt.

B.
Das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn hiess die dagegen erhobene
Beschwerde gut, hob die angefochtenen Verfügungen auf und wies die Sache an
die Ausgleichskasse zurück, damit sie im Sinne der Erwägungen verfahre und
neu verfüge (Entscheid vom 25. November 2003). In den Erwägungen hielt das
Gericht unter anderem fest, in Bezug auf geltend gemachte Auslagen wie
Selbstbehalte für Arztkosten und die Franchise der Krankenkasse fehle es an
einem Anfechtungsobjekt, da die Verfügungen vom 23. Dezember 2002 die
Übernahme dieser Kosten nicht zum Gegenstand hätten.

C.
T.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und macht sinngemäss geltend,
der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn sei insofern
aufzuheben, als es hinsichtlich verschiedener Auslagen nicht auf die
Beschwerde eingetreten sei und die Ausgaben für die Einstellung von Hausrat
in einem Lager nicht als Auslagen im Sinne des Gesetzes anerkannt habe.

Die Ausgleichskasse beantragt, auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei
nicht einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen. Das Bundesamt für
Sozialversicherung verzichtet auf Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Nach der Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts stellt der
Rückweisungsentscheid einer kantonalen Rekursinstanz eine im Sinne von Art.
128 in Verbindung mit Art. 97 Abs. 1 OG und Art. 5 VwVG mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Eidgenössische Versicherungsgericht
anfechtbare Endverfügung dar. Anfechtbar ist grundsätzlich nur das
Dispositiv, nicht aber die Begründung eines Entscheides. Verweist indessen
das Dispositiv eines Rückweisungsentscheides ausdrücklich auf die Erwägungen,
werden diese zu dessen Bestandteil und haben, soweit sie zum Streitgegenstand
gehören, an der formellen Rechtskraft teil. Dementsprechend sind die Motive,
auf die das Dispositiv verweist, für die Behörde, an die die Sache
zurückgewiesen wird, bei Nichtanfechtung verbindlich. Beziehen sich diese
Erwägungen auf den Streitgegenstand, ist somit auch deren Anfechtbarkeit zu
bejahen (BGE 120 V 237 Erw. 1a mit Hinweis). Auf die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird daher eingetreten.

2.
Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit
ihm sind zahlreiche Bestimmungen im Ergänzungsleistungsbereich geändert
worden. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze
massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden
Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1), und weil ferner das
Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf
den bis zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: vom 23.
Dezember 2002) eingetretenen Sachverhalt abstellt (BGE 121 V 366 Erw. 1b),
sind im vorliegenden Fall die bis zum 31. Dezember 2002 geltenden
Bestimmungen anwendbar.

3.
Die Ergänzungsleistungen bestehen aus der jährlichen Ergänzungsleistung,
welche monatlich ausbezahlt wird (Art. 3 lit. a ELG) und aus der Vergütung
von Krankheits- und Behinderungskosten (Art. 3 lit. b ELG). Bei Personen, die
nicht dauernd oder längere Zeit in einem Heim oder Spital leben (zu Hause
wohnende Personen), sind gemäss Art. 3b ELG als Ausgaben ein Betrag für den
allgemeinen Lebensbedarf (Abs. 1 lit. a) sowie der Mietzins einer Wohnung und
die damit zusammenhängenden Nebenkosten (Abs. 1 lit. b) anzuerkennen; wird
eine Schlussabrechnung für die Nebenkosten erstellt, so ist bei den
Ergänzungsleistungen weder eine Nach- noch eine Rückzahlung zu
berücksichtigen. Nach Art. 5 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 ELG legen die Kantone den
Betrag für die Mietzinsausgaben nach Art. 3b Abs. 1 lit. b fest, wobei dieser
für Alleinstehende auf höchstens Fr. 12'000.- im Jahr festzusetzen ist.
Gestützt auf Art. 3d Abs. 1 ELG werden ausgewiesene, im laufenden Jahr
entstandene Kosten für Zahnarzt (lit. a), Hilfe, Pflege und Betreuung zu
Hause sowie in Tagesstrukturen (lit. b), Diät (lit. c), Transporte zur
nächstgelegenen Behandlungsstelle (lit. d), Hilfsmittel (lit. e) und die
Kostenbeteiligung nach Art. 64 KVG (lit. f; Franchise, Selbstbehalte)
vergütet. Gemäss Art. 3d Abs. 4 ELG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 ELV
bezeichnet das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) die zu vergütenden
Krankheits- und Behinderungskosten. Die entsprechende Verordnung (ELKV) wurde
am 29. Dezember 1997 neu erlassen.

4.
Streitig ist, ob bei der Berechnung des Ergänzungsleistungsanspruchs neben
dem Zins für den vom Beschwerdeführer bewohnten Wohnwagen nebst Abstellplatz
auch die Kosten von Fr. 189.40 pro Monat für die Einstellung der Möbel in
einem Lager abgezogen werden können.

4.1 Das kantonale Gericht hat den Abzug der durch die Möbeleinlagerung
entstandenen Kosten mit der Begründung verneint, es handle sich dabei nicht
um anerkannte Auslagen im Sinne von Art. 3b ELG.
Der Beschwerdeführer argumentiert, der Begriff "Wohnung" in Art. 3b ELG sei
funktional und nicht wörtlich zu verstehen. Genauso wie es Wohnungen mit
Kellerräumlichkeiten im selben Haus gebe, seien solche manchmal in anderen
Gebäuden vorhanden und es würde mit dem Vermieter darüber auch separat
abgerechnet. Die Miete von Lagerplatz für das vorübergehende Einstellen
seines Hausrates sei als externer "Keller" seines gemieteten Wohnwagens zu
verstehen.

4.2 Nach Rz. 3025 der vom BSV herausgegebenen Wegleitung über die
Ergänzungsleistungen zur AHV und IV (WEL) kann im Rahmen der von Art. 5 Abs.
1 lit. b ELG zugelassenen Höchstbeträge grundsätzlich nur der Mietzins für
eine einzige Wohnung und nicht auch noch der Zins für zusätzlich benützte
Wohnräumlichkeiten (z.B. an einem anderen Ort) berücksichtigt werden. Im
Sinne der Rechtsprechung (BGE 100 V 52) lässt die Verwaltungspraxis eine
Ausnahme jedoch dann zu, wenn eine zweite Wohnung für die versicherte Person
aus beruflichen oder gesundheitlichen Gründen unentbehrlich ist. In diesem
Sinne hat die Rechtsprechung den Mietzinsabzug für ein Malatelier zugelassen,
das die EL-berechtigte Person als Ergänzung zu ihrer aus einem einzigen
Zimmer bestehenden Wohngelegenheit hinzugemietet hatte. Das Eidgenössische
Versicherungsgericht hat dabei erwogen, beim Zusatzraum handle es sich zwar
nicht um eine eigentliche Zweitwohnung, doch diene das Atelier der Ergänzung
der bestehenden Wohngelegenheit, die sich in einem einzigen Zimmer erschöpfe
und offenbar elementaren Bedürfnissen nicht zu genügen vermöge (nicht
veröffentlichtes Urteil R. vom 19. September 1995 [P 10/95]). Im Urteil H.
vom 29. Juni 2001 (P 15/01) hat das Gericht offen gelassen, ob die Mietkosten
einer Garage, in der zur Abwartstätigkeit in verschiedenen Liegenschaften
benötigtes Werkzeug zentral gelagert wurde, unter die Wohnungsmietkosten nach
Art. 3b Abs. 1 lit. b ELG fallen können, nachdem die Mietkosten für diesen
Raum als Aufwendungen zu betrachten waren, die unmittelbar zur
Einkommenserzielung dienen und deshalb als Gewinnungskosten nach Art. 3b Abs.
3 lit. a ELG anzuerkennen waren. Schliesslich wird im Urteil S. vom 30.
November 2004 (P 16/03) ein Anspruch auf Mietzinsabzug für die Kosten der
Einlagerung von Möbeln, welche seit Jahren in einer kleinen Wohnung nicht
Platz finden, verneint.

4.3 Vorliegend steht die Anrechnung der Kosten für die Möbellagerung unter
dem Titel "Mietzins" zur Diskussion, weil der Beschwerdeführer gerade keine
Wohnung im engeren Sinne gemietet hatte. Wie aus den Akten hervorgeht,
geschah das nicht freiwillig, sondern weil er innert nützlicher Frist keine
eigentliche Wohnung fand. Im Gegensatz zu dem im Urteil vom 30. November 2004
beschriebenen Sachverhalt stand hier nie ein jahrelanges Lagern von
(überzähligen) Möbelstücken zur Diskussion. Vielmehr handelte es sich um eine
Übergangslösung für wenige Monate, bis eine geeignete Wohnung gefunden war.
In dem Sinne handelt es sich bei der Miete des Lagerplatzes um eine
notwendige Einheit mit der Miete des Wohnwagens. Diese wurde vorliegend im
Gegensatz zu dem im unveröffentlichten Urteil G. vom 26. März 2004 (P 15/03)
beschriebenen Sachverhalt zu Recht als anerkannte Ausgaben übernommen, weil
der auf einem Dauer-Miet-Platz abgestellte Campingwagen für Wohnzwecke
vorgesehen war. Anders entscheiden hiesse, dass praktisch der gesamte Wohnrat
hätte veräussert und kurze Zeit später wieder neu beschafft werden müssen.
Dies ist unzumutbar und nicht sinnvoll. Damit sind die Kosten für die
Einlagerung des Mobiliars als Teil der Wohnwagenmiete zu übernehmen und als
notwendige Ausgaben anzuerkennen, wobei es die maximale Obergrenze zu
beachten gilt.

5.
Der Beschwerdeführer macht zudem geltend, es seien ihm Ergänzungsleistungen
zur Deckung eines im November 2000 durch Mäuse verursachten Schadens an
Mitteln des täglichen Gebrauchs wie Kleidern, Matratzen, Haushaltsgegenstände
und weiteres mehr zu gewähren. Schliesslich ersucht er um Berücksichtigung
von weiteren Ausgaben, wie Zügelkosten, Arztkosten und Selbstbehalte.

Vorliegend geht es um den Anspruch auf Ergänzungsleistungen ab Januar 2001.
Bereits wegen fehlender zeitlicher Kongruenz fällt eine Leistungspflicht der
Ausgleichskasse des Kantons Solothurn für die unter dem Stichwort
"Mäuseschaden" geltend gemachten Ausgaben ausser Betracht. Wie die Vorinstanz
weiter richtig ausgeführt hat, betreffen die Verfügungen vom 23. Dezember
2002 nicht die Übernahme einzelner Kosten, seien dies nun Arztkosten,
Selbstbehalte, Umzugskosten etc., sondern alleine die Höhe der monatlichen
Ergänzungsleistungen. Bei der Kosten für Neuanschaffung von Mobiliar oder
Kleidern handelt es sich nicht um zusätzliche anerkannte Ausgaben im Sinne
von Art. 3b ELG. Diese sind aus dem Betrag für den allgemeinen Lebensbedarf
gemäss Art. 3b Abs. 1 lit. a ELG zu entnehmen. Dabei ist irrelevant, warum
die Neuanschaffung notwendig ist. Einzige Ausnahme bilden dabei
krankheitsbedingte Anschaffungskosten, welche vorliegend nicht zur Diskussion
stehen.
Zusammenfassend ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde in dem Sinne teilweise
gutzuheissen, als die Ausgleichskasse bei der erneuten Ermittlung des
Ergänzungsleistungsanspruchs des Beschwerdeführers für die Zeit von Mai bis
Oktober 2002 die Auslagen für die Lagerung von Hausrat mitzuberücksichtigen
haben wird.

6.
Da es im vorliegenden Verfahren um Versicherungsleistungen geht, sind gemäss
Art. 134 OG keine Gerichtskosten zu erheben. Das Gesuch um unentgeltliche
Prozessführung erweist sich daher als gegenstandslos.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der
Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn vom 25. November
2003 insoweit abgeändert, als die Ausgleichskasse bei der erneuten Ermittlung
des Ergänzungsleistungsanspruchs des Beschwerdeführers für die Zeit von Mai
bis Oktober 2002 die Auslagen für die Lagerung von Hausrat
mitzuberücksichtigen haben wird. Darüber hinaus wird die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons
Solothurn und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 2. März 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der II. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: