Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen P 52/2003
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P 52/03

Urteil vom 23. Dezember 2003
II. Kammer

Präsident Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Frésard;
Gerichtsschreiberin Durizzo

R.________, 1908, Beschwerdeführerin, vertreten
durch Fürsprecher Martin Bichsel, Gartenstrasse 6, 3113 Rubigen,

gegen

Ausgleichskasse des Kantons Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern,
Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern

(Entscheid vom 12. August 2003)

Sachverhalt:

A.
Am 10. August 2001 meldete sich R.________, geboren 1908, zum Bezug von
Ergänzungsleistungen zur AHV an. Die Ausgleichskasse des Kantons Bern
verneinte den Anspruch mit Wirkung ab 1. Juni 2001 (Verfügung vom 2. Oktober
2001). Aus dem Steuerinventar des im Jahr 1999 verstorbenen Ehemannes der
Leistungsansprecherin hatte sich ergeben, dass dieser 1989 den gemeinsamen
acht Kindern je Fr. 70'000.- als Erbvorbezug überlassen hatte. Die
Ausgleichskasse zählte diesen Vorempfang als Verzichtsvermögen zu den
anrechenbaren Einnahmen. Sie ging davon aus, dass R.________ an dem insgesamt
an die Kinder ausbezahlten Betrag von Fr. 560'000.- die Hälfte aus Güterrecht
und wiederum die Hälfte hievon aus Erbrecht zustehen würde, im Ergebnis also
¾ des Gesamtbetrages oder ein Betrag von Fr. 420'000.-. Diesen verminderte
sie um jährlich Fr. 10'000.- seit 1990, sodass ein Verzichtsvermögen von Fr.
310'000.- resultierte.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern
mit Entscheid vom 12. August 2003 ab.

C.
R.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, es
seien der angefochtene Entscheid und die Verfügung der Ausgleichskasse vom 2.
Oktober 2001 aufzuheben und die Ergänzungsleistungen neu zu berechnen ohne
Aufrechnung eines Verzichtsvermögens, eventualiter unter Aufrechnung eines
Verzichtsvermögens von maximal Fr. 12'694.75.

Während die Ausgleichskasse des Kantons Bern auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für
Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen über den Anspruch auf
Ergänzungsleistungen (Art. 2 Abs. 1 ELG), die Berechnung und Höhe der
jährlichen Ergänzungsleistung (Art. 3a Abs. 1 ELG), die anrechenbaren
Einnahmen (Art. 3c ELG) und insbesondere auch die Rechtsprechung bezüglich
der Vermögenswerte, auf die verzichtet worden ist (Art. 3c Abs. 1 lit. g ELG;
BGE 121 V 205 f. Erw. 4) richtig dargelegt. Gleiches gilt bezüglich der
(Nicht-)Anwendbarkeit des am 1. Januar 2003 in Kraft getretenen
Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
vom 6. Oktober 2000. Darauf wird verwiesen.

2.
Nach Art. 3c Abs. 1 lit. g ELG sind als Einnahmen auch Vermögenswerte
anzurechnen, auf die verzichtet worden ist. Eine zeitliche Limite für
Verzichtshandlungen hat der Gesetzgeber nicht aufgestellt. Des Weiteren
werden die anrechenbaren Einnahmen von Ehegatten nach Art. 3a Abs. 4 ELG
zusammengerechnet. Nach der Rechtsprechung schliesst das damit verankerte
Prinzip der gemeinsamen Vermögensanrechnung eine Zurechnung nach Massgabe der
konkreten Eigentumsverhältnisse aus. So hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht etwa die Veräusserung einer Liegenschaft, welche im
Alleineigentum (Eigengut) eines Ehegatten gestanden hat, als
Vermögensverzicht beiden Ehegatten je zur Hälfte angerechnet. Zur Begründung,
weshalb nicht auf die konkreten Eigentumsverhältnisse abzustellen sei, hat es
angeführt, dass sich die Ausgleichskassen nicht mit güterrechtlichen Fragen
zu befassen hätten (AHI 2003 S. 223 Erw. 2b; BBl 1997 I 1197 ff. Ziff. 212.2
und Ziff. 221 ad Art. 3a).

3.
Nach diesem Grundsatz ist auch der vorliegende, gesetzlich nicht ausdrücklich
geregelte Fall zu beurteilen, in welchem zwar - nach dem Tod ihres Ehegatten
- nur die Ergänzungsleistungen für die Ehefrau zu berechnen sind, jedoch die
Anrechnung eines Vermögensverzichts streitig ist, der während der Ehe
stattgefunden hat. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist demnach
nicht massgebend, ob sie selbst oder ob ihr Ehemann - mit oder ohne ihr
Einverständnis - die betreffenden Schenkungen vorgenommen hat. Ebenso wenig
sind die güter- und erbrechtlichen Fragen von Belang. Vielmehr ist das
Vermögen beiden Ehegatten gemeinsam anzurechnen und hälftig zu teilen, wie
dies auch vorgesehen ist, wenn ein Ehegatte oder beide in einem Heim oder
Spital leben. Der inzwischen verwitweten Beschwerdeführerin ist das
Verzichtsvermögen somit hälftig, also mit einem Betrag von Fr. 280'000.-,
anzurechnen. Setzt man diese Summe in die im Übrigen nicht bestrittene
Berechnung der Ausgleichskasse vom 1. Oktober 2001 ein ("Aufrechnung bei
Vermögensverzicht"), so ergeben sich insgesamt anrechenbare Einnahmen von Fr.
119'596.- und ein Einnahmenüberschuss von Fr. 25'661.-, weshalb die
Ausgleichskasse das Gesuch um Ausrichtung von Ergänzungsleistungen mit
Wirkung ab 1. Juni 2001 zu Recht abgelehnt hat.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 23. Dezember 2003

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der II. Kammer:   Die Gerichtsschreiberin: