Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen M 4/2003
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M 4/03

Urteil vom 15. Dezember 2003
II. Kammer

Präsident Schön, Bundesrichter Ursprung und Frésard; Gerichtsschreiber
Flückiger

P.________, 1955, Thailand, Beschwerdeführer,

gegen

Bundesamt für Militärversicherung, Schermenwaldstrasse 10, 3001 Bern,
Beschwerdegegner

Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, Chur

(Entscheid vom 27. Juni 2003)

Sachverhalt:

A.
Der 1955 geborene P.________ absolvierte im Jahr 1975 die Rekrutenschule und
in den Jahren 1976 bis 1978 je einen Wiederholungskurs. Während der
Rekrutenschule erlitt er eine Distorsion des linken Sprunggelenks, für deren
Folgen die Militärversicherung Leistungen erbrachte.
Am 26. September 2002 machte P.________ geltend, er leide seit vielen Jahren
auch an Rückenbeschwerden, welche ebenfalls auf den geleisteten Militärdienst
zurückzuführen seien und deshalb eine Leistungspflicht der
Militärversicherung begründeten. Das Bundesamt für Militärversicherung (BAMV)
lehnte es mit Zwischenverfügung vom 7. April 2003 ab, dem Versicherten im
Zusammenhang mit der Prüfung allfälliger diesbezüglicher Ansprüche einen
unentgeltlichen Rechtsbeistand zu bestellen. Zur Begründung führte das Amt
aus, das Leistungsbegehren bezüglich des Rückenleidens erscheine als
aussichtslos.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Graubünden ab (Entscheid vom 27. Juni 2003).

C.
P.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, es
seien der kantonale Entscheid und die Zwischenverfügung vom 7. April 2003
aufzuheben und ihm die unentgeltliche Verbeiständung für das
Verwaltungsverfahren (betreffend die Sprunggelenksverletzung und das
Rückenleiden) zu gewähren.
Das BAMV schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Gemäss Art. 128 OG beurteilt das Eidgenössische Versicherungsgericht
letztinstanzlich Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Verfügungen im Sinne
von Art. 97, 98 lit. b-h und 98a OG auf dem Gebiet der Sozialversicherung. Im
verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren sind grundsätzlich nur
Rechtsverhältnisse zu überprüfen bzw. zu beurteilen, zu denen die zuständige
Verwaltungsbehörde vorgängig verbindlich - in Form einer Verfügung - Stellung
genommen hat. Insoweit bestimmt die Verfügung den beschwerdeweise
weiterziehbaren Anfechtungsgegenstand. Umgekehrt fehlt es an einem
Anfechtungsgegenstand und somit an einer Sachurteilsvoraussetzung, wenn und
insoweit keine Verfügung ergangen ist (BGE 125 V 414 Erw. 1a, 119 Ib 36 Erw.
1b, je mit Hinweisen).

1.2 Mit dem vorinstanzlichen Entscheid, welcher den Anfechtungsgegenstand der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde bestimmt, wurde einzig über die Rechtmässigkeit
der Verfügung vom 7. April 2003 entschieden, welche den Anspruch auf
unentgeltliche Verbeiständung im Verfahren über Versicherungsleistungen für
das Rückenleiden betrifft. Soweit der Beschwerdeführer darüber hinaus die
unentgeltliche Verbeiständung für das Verfahren über die Folgen der
Sprunggelenksverletzung verlangt, welche ihrerseits hinsichtlich bestimmter
Ansprüche bereits Gegenstand eines eigenen Verfahrens bildete, ist daher auf
die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht einzutreten.

2.
Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht um die Bewilligung oder
Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht
Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig,
unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b
sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

3.
3.1 Das kantonale Gericht hat unter Hinweis auf die seit 1. Januar 2003
geltenden Bestimmungen (Art. 1 Abs. 1 MVG in Verbindung mit Art. 37 Abs. 4
ATSG; Art. 33 Abs. 1 MVV) zutreffend dargelegt, dass eine versicherte Person
im Bereich der Militärversicherung ab Zustellung des Vorbescheids (Art. 33
Abs. 1bis MVV in der seit 1. Januar 2003 geltenden Fassung) Anspruch auf
unentgeltliche Verbeiständung hat, wenn sie bedürftig ist, das
Leistungsbegehren nicht als aussichtslos erscheint und die Tragweite sowie
die rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeit der Sache die Verbeiständung
rechtfertigen. Richtig sind auch die vorinstanzlichen Erwägungen zum Begriff
der Aussichtslosigkeit eines Begehrens (BGE 122 I 271; vgl. auch BGE 128 I
236 Erw. 2.5.3, 125 II 275 Erw. 4b, je mit Hinweis) und zur gesetzlichen
Regelung der Haftung der Militärversicherung für nach dem Dienst
festgestellte Gesundheitsschädigungen (Art. 6 MVG). Darauf wird verwiesen.

3.2 Die Haftung der Militärversicherung setzt voraus, dass die
Gesundheitsschädigung mit Einwirkungen während des Dienstes in Zusammenhang
steht, was bedeutet, dass ein äusserer, allenfalls auch nur auslösender
Faktor für die Entstehung oder Verschlimmerung der Gesundheitsschädigung
ursächlich sein muss (Maeschi, Kommentar zum Bundesgesetz über die
Militärversicherung, Bern 2000, Art. 6 N 10).

4.
Streitig ist der Anspruch des Beschwerdeführers auf unentgeltliche
Verbeiständung im Verwaltungsverfahren und in diesem Rahmen die Frage, ob der
Antrag auf Zusprechung von Versicherungsleistungen im Zusammenhang mit dem
Rückenleiden als aussichtslos im Sinne der Rechtsprechung (Erw. 3.1 hievor)
anzusehen ist. Nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits bilden dagegen
allfällige weitere Ansprüche auf Grund der Sprunggelenksverletzung.

4.1 Das BAMV stellt sich auf den Standpunkt, gemäss den Stellungnahmen der
amtsinternen Ärzte Dr. med. W.________, Chirurgie FMH, vom 16. Januar 2003
und Dr. med. K.________, Orthopädische Chirurgie FMH, vom 24. Februar 2003
seien die durch das Zeugnis des Hospitals X.________/Thailand vom 11.
November 2002 dokumentierten Rückenbeschwerden des Beschwerdeführers
degenerativer Natur und im Verlauf des während der Jahre 1975 bis 1978
geleisteten Militärdienstes weder verursacht noch verschlimmert worden.

4.2 Der Beschwerdeführer macht demgegenüber geltend, er habe sein
Rückenleiden bereits bei der Aushebung angegeben und während der
Rekrutenschule wiederholt das Auftreten entsprechender Symptome gemeldet, sei
jedoch nicht ernst genommen worden. Aus einem Schreiben des Dr. med.
U.________, Chirurgie FMH, vom 21. Dezember 1978 an Dr. med. A.________,
Allgemeine Medizin FMH, gehe hervor, dass damals objektivierbare
Rückenbeschwerden vorgelegen hätten. Die jetzigen Beschwerden seien auf Grund
der Zeugnisse des Hospitals X.________/Thailand vom 11. November 2002, 17.
März und 8. Juli 2003 ausgewiesen.

4.3 Die im vorliegenden Verfahrensstadium vorzunehmende  summarische Prüfung
führt zum Ergebnis, dass die Stellungnahmen des Dr. med. W.________ und des
Dr. med. K.________ den von der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an
beweiskräftige medizinische Stellungnahmen (BGE 125 V 352 Erw. 3a) gerecht
werden. Entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Auffassung schliesst
der Umstand, dass es sich um Aussagen versicherungsinterner Ärzte handelt,
eine Beurteilung des medizinischen Sachverhalts auf dieser Grundlage nicht
aus (BGE 125 V 353 f. Erw. 3b/ee mit Hinweis). Dem Bericht des Dr. med.
U.________ vom 21. Dezember 1978 ist zu entnehmen, dass objektivierbare
Rückenbeschwerden vorlagen, wobei es nahe liege, an einen Status nach Morbus
Scheuermann der LWS zu denken. Hinweise auf eine während des Dienstes
erfolgte Einwirkung, welche diese Beschwerden zumindest mitverursacht oder
dauerhaft verschlimmert hätte (vgl. Erw. 3.2 hievor), finden sich jedoch in
dieser Stellungnahme ebenso wenig wie in den Zeugnissen des Hospitals
X.________/Thailand, mit Einschluss der letztinstanzlich neu aufgelegten
Atteste vom 17. März und 8. Juli 2003. Ebenso wenig bieten die medizinischen
Akten eine hinreichende Grundlage für die Annahme, das Rückenleiden sei durch
die während des Militärdienstes erlittene Sprunggelenksverletzung verursacht
oder verschlimmert worden. Unter diesen Umständen ist mit der Vorinstanz
davon auszugehen, dass die Aussichten darauf, dass dem Leistungsbegehren ganz
oder teilweise entsprochen wird, beträchtlich geringer sind als die
Wahrscheinlichkeit einer Ablehnung und deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet
werden können (vgl. BGE 128 I 236 oben Erw. 2.5.3). Verwaltung und kantonales
Gericht haben daher das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung zu Recht
wegen Aussichtslosigkeit des Hauptbegehrens abgelehnt.

5.
Praxisgemäss werden in Verfahren, welche die Frage der Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege zum Gegenstand haben, keine Gerichtskosten
erhoben (vgl. RKUV 2000 Nr. KV 119 S. 157 Erw. 4 mit Hinweis).
Der Beschwerdeführer hat trotz Hinweis auf Art. 135 in Verbindung mit Art. 29
Abs. 4 OG kein Zustelldomizil in der Schweiz bezeichnet, weshalb das
Dispositiv dieses Entscheides auf dem Ediktalweg mittels Publikation im
Bundesblatt zu eröffnen ist.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Beschwerdeführer auf dem Ediktalweg, und
dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden zugestellt.
Luzern, 15. Dezember 2003

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der II. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: