Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen K 43/2003
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K 43/03

Urteil vom 5. April 2004
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung;
Gerichtsschreiberin Weber Peter

S.________, 1949, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jürg
Reichenbach, Herrenweg 17, 8303 Bassersdorf,

gegen

Concordia, Schweizerische Kranken- und Unfallversicherung, Hauptsitz,
Rechtsdienst, Bundesplatz 15, 6000 Luzern, Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau, Weinfelden

(Entscheid vom 12. Februar 2003)

Sachverhalt:

A.
S. ________, geboren 1949, ist bei der Concordia Schweizerische Kranken- und
Unfallversicherung (nachfolgend: Concordia) für ein Taggeld von Fr. 80.-- ab
31. Tag und von Fr. 70.-- ab 61. Tag im Krankheitsfall und bei Unfall
versichert. Am 7. September 2000 erlitt er einen Unfall, bei dem ein
Lastwagen ungebremst auf seinen Traktor mit Anhänger auffuhr. Die Concordia
kam für die Kosten der Heilbehandlungen auf und richtete dem Versicherten
Taggelder seit dem Unfalldatum bis 30. Juni 2002 im Gesamtbetrag von Fr.
92'700.-- aus. Am 8. Januar 2001 machte die Concordia gegenüber dem
Haftpflichtversicherer des Lastwagenhalters, der Schweizerischen Mobiliar
Versicherungsgesellschaft (nachfolgend: Mobiliar), eine Regressforderung
aufgrund der von ihr bezahlten Taggeldleistungen geltend. Mit Eingabe vom 22.
Februar 2002 stellte die Mobiliar beim Gericht X.________ ein Gesuch um
gerichtliche Hinterlegung der Entschädigungssumme im Umfang der
Rückgriffsansprüche der Concordia. Das angerufene Gericht entsprach diesem
Begehren mit Entscheid vom 11. März 2002.

Mit Verfügung vom 15. Juli 2002 stellte die Concordia fest, dass der
Versicherte infolge gesetzlicher Subrogation keine Ansprüche, welche bereits
durch KVG-Leistungen abgegolten worden seien, gegenüber der Mobiliar geltend
machen könne. An der beim Gericht hinterlegten Entschädigungssumme sei einzig
die Concordia berechtigt und die Mobiliar könne sich nur durch Leistung an
diese befreien. Auf Einsprache hin hielt sie an dieser Verfügung fest
(Einspracheentscheid vom 3. Oktober 2002).

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde, mit welcher der Versicherte beantragte, in
Aufhebung der angefochtenen Verfügung sei festzustellen, dass die Leistung
eines freiwilligen Taggeldes im nicht obligatorischen KVG-Bereich keinen
Subrogationsanspruch des leistenden KVG-Versicherers begründe, wies das
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 12. Februar 2003 ab.

C.
S.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und die im kantonalen
Verfahren gestellten Rechtsbegehren erneuern.

Während die Concordia auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung, Abteilung
Kranken- und Unfallversicherung (seit 1. Januar 2004 im Bundesamt für
Gesundheit), auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den
Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) in Kraft getreten. Mit
ihm sind zahlreiche Bestimmungen im Bereich der sozialen Krankenversicherung
geändert worden. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen
Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen
führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1), und weil ferner
nach dem massgebenden Zeitpunkt des Einspracheentscheides (hier: 3. Oktober
2002) eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen unberücksichtigt zu
bleiben haben, sind im vorliegenden Fall die bis zum 31. Dezember 2002
geltenden Bestimmungen anwendbar (BGE 129 V 4 Erw. 1.2 mit Hinweisen; zur
Anwendbarkeit neuer Verfahrensvorschriften vgl. BGE 129 V 115 Erw. 2.2).
Entgegen den im vorinstanzlichen Entscheid enthaltenen rechtlichen Erwägungen
findet der Allgemeine Teil des Sozialversicherungsrechts, insbesondere Art.
72 Abs. 1 ATSG, mithin keine Anwendung auf das vorliegende Verfahren.

2.
Die Frage, ob die soziale Krankenversicherung gemäss Art. 79 KVG Rückgriff
gegenüber Dritten nehmen kann, ist sozialversicherungsrechtlicher Natur.
Demzufolge sind Streitigkeiten über die Auslegung und Anwendung dieser
Gesetzesbestimmung durch die kantonalen Versicherungsgerichte und
letztinstanzlich durch das Eidgenössische Versicherungsgericht zu entscheiden
(BGE 129 V 396).

3.
Aufgrund der Akten steht fest, dass der Beschwerdeführer bei der Concordia
nach KVG taggeldversichert ist. Entgegen dessen Darstellung hat die
Beschwerdegegnerin mit der angefochtenen Verfügung nicht über Leistungen der
Zusatzversicherung, die dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG) unterliegen
(Art. 12 Abs. 2 und 3 KVG) befunden: die freiwillige Taggeldversicherung ist
zwar nicht obligatorisch, fällt indessen nicht in den Bereich der
Zusatzversicherungen, sondern es handelt sich um eine auf öffentlichem Recht
beruhende Versicherung (vgl. Maurer, Das neue Krankenversicherungsrecht,
Basel/Frankfurt am Main 1996, S. 108). Durch ihre Ausgestaltung als
Sozialversicherung mit zahlreichen Schutzbestimmungen unterscheidet sich die
Taggeldversicherung nach KVG von jener nach Versicherungsvertragsgesetz
(VVG). Die Beschwerdegegnerin war demnach zum Erlass der angefochtenen
Verfügung befugt.

4.
4.1 Gemäss Art. 79 KVG tritt der Versicherer gegenüber Dritten, die für den
Versicherungsfall haften, im Zeitpunkt des Ereignisses bis zur Höhe der
gesetzlichen Leistungen in die Ansprüche der versicherten Person ein. Es
handelt sich dabei um eine gesetzliche Subrogation des Sozialversicherers.
Diese lässt nur für den durch die Krankenversicherung nicht obligatorisch
gedeckten Schaden Raum für eine direkte Klage des Geschädigten gegen den
haftpflichtigen Dritten (BGE 129 V 398 f. Erw. 1 mit Hinweisen). Die
Subrogation setzt voraus, dass der Sozialversicherer mit seinen Leistungen
einen entsprechenden Schaden ausgleicht. Dabei gehen ausschliesslich
Ansprüche gleicher Art auf den Versicherer über (Art. 124 Abs. 1 KVV;
sachliche Kongruenz). Die Leistung des Krankenversicherers hat einer
haftpflichtrechtlichen Schadenskategorie zu entsprechen (vgl. Eugster,
Krankenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht
[SBVR]/Soziale Sicherheit, S. 220 Rz 398). Was solche sachlich kongruenten
Schadenspositionen sind, wird in Art. 124 Abs. 2 lit. d KVV beispielhaft
aufgezählt; darunter fallen namentlich Taggelder und Ersatz für
Arbeitsunfähigkeit während der gleichen Zeitdauer.

4.2 Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer Taggelder ab Unfalldatum
bis zum 30. Juni 2002 im Gesamtbetrag von Fr. 92'700.-- ausgerichtet. Die
Mobiliar hat als Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers das
entsprechende Betreffnis beim Gericht X.________ gestützt auf Art. 168 OR
hinterlegt. Dieser Hinterlegung hat die Gerichtspräsidentin 2 des Gericht
X.________ mit Entscheid vom 11. März 2002 zugestimmt. Da entsprechend den
vorstehenden Erwägungen die Haftpflichtansprüche des Beschwerdeführers gemäss
Art. 79 KVG im Umfang der erbrachten Taggeldleistungen auf die
Beschwerdegegnerin übergegangen sind, stehen dem Versicherten diesbezüglich
keine eigenen Ansprüche mehr zu (vgl. zum Ganzen auch Maurer, a.a.O., S. 125
ff. und Eugster, a.a.O., S. 219 Rz 397, wonach dem Krankenversicherer
gegenüber dem Haftpflichtversicherer ein integrales Regressrecht zukommt).
Mithin steht fest, dass die Beschwerdegegnerin an der beim zuständigen
Gericht hinterlegten Entschädigungssumme für den Erwerbsschaden allein
berechtigt ist.

5.
Was der Beschwerdeführer in seiner Verwaltungsgerichtsbeschwerde dagegen
vorbringt, vermag nicht zu überzeugen: Insbesondere ist, soweit der
Versicherte geltend macht, er verliere durch den vorinstanzlichen Entscheid
sein Quotenvorrecht, darauf hinzuweisen, dass sich ein derartiges Vorrecht
(Art. 123 Abs. 1 KVV) nur im Falle einer Leistungskürzung ergeben könnte.
Eine solche ist indes, wie die Beschwerdegegnerin zu Recht anführt,
vorliegend nicht erfolgt, beträgt doch die Haftungsquote des
Haftpflichtversicherers unbestritten 100 Prozent. Zu Unrecht rügt der
Versicherte überdies, die allgemeinen Versicherungsbedingungen sähen die
Subrogation gemäss Art. 79 KVG nicht vor. Aus dem Reglement über die
freiwillige Taggeldversicherung, Ausgabe 2001, ergibt sich, dass die
Beschwerdegegnerin darin die gesetzliche Regelung wörtlich übernimmt (Ziff.
34.5 des Reglementes).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau,
als Versicherungsgericht, und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugestellt.

Luzern, 5. April 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: