Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen K 36/2003
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K 36/03

Urteil vom 26. April 2004
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Lustenberger;
Gerichtsschreiber Schmutz

Klinik X.________ AG, Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecher Dr.
Thomas Eichenberger, Kapellenstrasse 14, 3011 Bern,

gegen

Helsana Versicherungen AG, Schadenrecht, Birmensdorferstrasse 94, 8003
Zürich, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Fürsprecher Andreas Gafner,
Nidaugasse 24, 2502 Biel

Schiedsgericht in Sozialversicherungsstreitigkeiten des Kantons Bern

(Entscheid vom 23. Februar 2003)

Sachverhalt:

A.
Der 1924 geborene R.________ war bei der Helsana Versicherungen AG
(nachfolgend: Helsana) in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung
versichert. Er musste sich am 21. Juni 2001 wegen einer Coxarthrose in der
allgemeinen Abteilung ("3. Klasse") der Klinik X.________ (nachfolgend:
Klinik) einem stationär durchgeführten Eingriff unterziehen. Für die dabei
vorgenommene Narkose stellten die zusammengeschlossenen Belegärzte ein
Anästhesiehonorar von Fr. 653.50 in Rechnung. Der Versicherte bezahlte und
trat einen allfälligen Rückforderungsanspruch an die Helsana ab. Am 12.
September 2001 stellte die Helsana beim Kantonalen Schiedsgericht KVG/UVG/MVG
(heute: Schiedsgericht in Sozialversicherungsstreitigkeiten des Kantons Bern)
ein Ladungsgesuch zur Vermittlungsverhandlung gegen die Anästhesieärzte, von
welchen sie den Betrag von Fr. 286.- (zuzüglich Zins) zurückforderte.

B.
Nach dem Verzicht der Parteien auf die Durchführung eines
Vermittlungsverfahrens erhob die Helsana am 14. Februar 2002 beim
Schiedsgericht Klage mit dem Begehren, die Klinik sei zu verurteilen, ihr den
Betrag von Fr. 5570.20 (zuzüglich Zins) zu bezahlen. Eventualiter sei die
Beklagte zu verurteilen, der Klägerin den Betrag von Fr. 286.- (zuzüglich
Zins) zu bezahlen. Die Klinik beantragte, auf die Klage sei nicht
einzutreten, eventualiter sei sie abzuweisen. Mit Zwischenentscheid vom 23.
Februar 2003 erkannte das Schiedsgericht auf Eintreten auf die Klage.

C.
Die Klinik führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt, der
vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und auf die Klage sei nicht
einzutreten.
Die Helsana und das Bundesamt für Sozialversicherung, Kranken- und
Unfallversicherung (seit 1. Januar 2004 im Bundesamt für Gesundheit),
schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Streitig ist die sachliche Zuständigkeit des Schiedsgerichts in
Sozialversicherungsstreitigkeiten des Kantons Bern. Die Beschwerdegegnerin
macht geltend, das Schiedsgericht sei zu Unrecht auf die Klage eingetreten.

1.1 Gemäss Art. 128 OG beurteilt das Eidgenössische Versicherungsgericht
letztinstanzlich Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Verfügungen im Sinne
von Art. 97, 98 lit. b-h und 98a OG auf dem Gebiet der Sozialversicherung.
Hinsichtlich des Begriffs der mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbaren
Verfügungen verweist Art. 97 OG auf Art. 5 VwVG. Nach Art. 5 Abs. 1 VwVG
gelten als Verfügungen Anordnungen der Behörden im Einzelfall, die sich auf
öffentliches Recht des Bundes stützen (und im Übrigen noch weitere, nach dem
Verfügungsgegenstand näher umschriebene Voraussetzungen erfüllen).
Verfügungen im Sinne dieser Umschreibung können nach dem Wortlaut des zweiten
Absatzes von Art. 5 VwVG auch Zwischenverfügungen sein, insoweit sie den
Anforderungen des vorangehenden ersten Absatzes entsprechen. Zudem verweist
Art. 5 Abs. 2 VwVG bezüglich der Zwischenverfügungen auf Art. 45 des gleichen
Gesetzes, laut dem nur solche Zwischenverfügungen anfechtbar sind, die einen
nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 45 Abs. 1 VwVG).
Dieser grundsätzliche Vorbehalt gilt als Voraussetzung für die Zulässigkeit
eines selbstständigen, der Endverfügung vorangehenden Beschwerdeverfahrens,
insbesondere für alle in Art. 45 Abs. 2 VwVG - nicht abschliessend -
aufgezählten Zwischenverfügungen. Für das letztinstanzliche
Beschwerdeverfahren ist ferner zu beachten, dass gemäss Art. 129 Abs. 2 in
Verbindung mit Art. 101 lit. a OG die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen
Zwischenverfügungen nur zulässig ist, wenn sie auch gegen die Endverfügung
offen steht (BGE 128 V 201 Erw. 2a, 124 V 85 Erw. 2 mit Hinweisen).

1.2 Beim Entscheid des kantonalen Schiedsgerichts betreffend sachliche
Zuständigkeit handelt es sich um eine unter den erwähnten Voraussetzungen
selbstständig anfechtbare Verfügung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 in Verbindung
mit Art. 45 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a VwVG sowie Art. 97 Abs. 1 und 128 OG,
gegen welche Verwaltungsgerichtsbeschwerde nach Art. 106 Abs. 1 OG innert 10
Tagen einzureichen ist. Der angefochtene Entscheid stützt sich auf
öffentliches Recht des Bundes. Mit Bezug auf die Eintretensvoraussetzung des
nicht wieder gutzumachenden Nachteils hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht in BGE 110 V 351 Erw. 1 erkannt, dass Rechtsuchende
einen formellen Anspruch darauf haben, von dem im Gesetz bezeichneten Gericht
beurteilt zu werden. Daraus folgt, dass immer dann, wenn ein Gericht durch
einen Zwischenentscheid über seine Zuständigkeit befindet - sei es, dass es
sich als zuständig erklärt und eine Partei seine Zuständigkeit bestreitet,
sei es, dass es sich als unzuständig erklärt und die Prozessakten einem
andern Gericht überweist -, ein Entscheid vorliegt, der für die Partei, die
ihn anficht, einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil formeller und
ideeller Natur bewirken kann. Da der irreparable Nachteil nach dem Gesagten
zu bejahen ist und die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zudem auch gegen den
Endentscheid des Schiedsgerichts offen steht (Art. 91 KVG), ist auf das gegen
den kantonalen Entscheid eingereichte Rechtsmittel einzutreten.

2.
Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht um die Bewilligung oder
Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht
Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig,
unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b
sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

3.
Streitigkeiten zwischen Versicherern und Leistungserbringern entscheidet
gemäss Art. 89 Abs. 1 KVG ein (kantonales) Schiedsgericht. Diese Bestimmung
über die Zuständigkeit des Schiedsgerichts geht als lex specialis derjenigen
über das kantonale Versicherungsgericht vor (Art. 86 Abs. 1 KVG in der hier
anwendbaren, bis zum 31. Dezember 2002 in Kraft gewesenen Fassung; BGE 127 V
467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b; Eugster, Krankenversicherung, in:
Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, S. 233 Rz
415; Maurer, Das neue Krankenversicherungsrecht, S. 172; vgl. zum alten Recht
BGE 121 V 314 Erw. 2b, 116 V 128 Erw. 2c mit Hinweis).

4.
Gesetz (KVG) und Verordnung (KVV) umschreiben nicht näher, was unter
Streitigkeiten im Sinne von Art. 89 Abs. 1 KVG zu verstehen ist. Nach
Rechtsprechung (RKUV 2001 Nr. KV 166 S. 243 Erw. 3b/aa mit Hinweis) und Lehre
(Eugster, a.a.O., S. 232 Rz 413; Maurer, a.a.O., S. 172) setzt die sachliche
Zuständigkeit des Schiedsgerichts voraus, dass die Streitigkeit
Rechtsbeziehungen zum Gegenstand hat, die sich aus dem KVG ergeben oder auf
Grund des KVG eingegangen worden sind. Der Streitgegenstand muss die
besondere Stellung der Versicherer oder Leistungserbringer im Rahmen des KVG
betreffen. Liegen der Streitigkeit keine solchen Rechtsbeziehungen zu Grunde,
dann ist sie nicht nach sozialversicherungsrechtlichen Kriterien zu
beurteilen, mit der Folge, dass nicht die Schiedsgerichte gemäss Art. 25 KVG,
sondern allenfalls die Zivilgerichte zum Entscheid sachlich zuständig sind
(BGE 121 V 314 Erw. 2b). Als Streitigkeiten im Rahmen des KVG fallen z.B.
Honorar- und Tariffragen in Betracht.

5.
Der vorliegende Streit um die Vergütung des Spitalaufenthaltes (inkl.
Operation) vom 20. Juni bis 4. Juli 2001 stellt eine Auseinandersetzung
zwischen einem Versicherer und einem Leistungserbringer (Klinik), allenfalls
mehreren Leistungserbringern (Belegärzte) dar. Zu prüfen ist im Hinblick auf
die Zuständigkeitsfrage, ob die Streitigkeit Rechtsbeziehungen zum Gegenstand
hat, die sich aus dem KVG ergeben oder auf Grund des KVG eingegangen wurden.

5.1 Die Vorinstanz bejahte ihre Zuständigkeit mit der Überlegung, die
durchgeführte Coxarthroseoperation stelle eine Pflichtleistung nach KVG dar
und bei der Klinik X.________ handle es sich um ein Spital, welches auf der
Spitalliste des Kantons Bern figuriere und somit ein nach Art. 35 in
Verbindung mit Art. 39 KVG zugelassenes Spital sei. Folglich sei von einer
Leistungspflicht der Beschwerdegegnerin nach KVG auszugehen. Nach der
Rechtsprechung würden Streitigkeiten darüber, ob eine bestimmte ambulante
ärztliche Verrichtung tarifvertraglich erfasst sei oder nicht, in die
sachliche Zuständigkeit des Schiedsgerichts fallen (BGE 121 V 316 Erw. 3b).
Ebenso müsse es sich verhalten, wenn streitig sei, ob bzw. in welchem Umfang
ein stationärer Aufenthalt in einem auf der Spitalliste des Wohnsitzkantons
des Versicherten stehenden Spital tarifvertraglich erfasst sei oder nicht.

5.2 Die Klinik bestreitet diese Argumentation. Sie macht geltend, die
Begründung der Vorinstanz greife zu kurz; es bleibe unberücksichtigt, dass
die stationäre ärztliche Behandlung in einer Privatklinik oder in der
privaten/halbprivaten Abteilung eines öffentlichen Spitals privat sei,
weshalb die Zuständigkeit des Schiedsgerichts zu verneinen sei (BGE 121 V
311). Im Übrigen stehe es laut BGE 126 III 351 den obligatorisch Versicherten
frei, statt einer Behandlung nach den Bedingungen der sozialen
Krankenversicherung den Status eines Privatpatienten zu wählen mit
Rechnungsstellung nach VVG-Zusatzversicherung.

6.
6.1 Als Spital gelten Anstalten oder deren Abteilungen, die der stationären
Behandlung akuter Krankheiten oder der stationären Durchführung von
Massnahmen der medizinischen Rehabilitation dienen (Art. 39 Abs. 1 Ingress
KVG). Ihre Zulassung als Leistungserbringer und damit zur Tätigkeit zu Lasten
der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (Art. 35 Abs. 1 und Abs. 2 lit.
h KVG) setzt u.a. voraus, dass sie der von einem oder mehreren Kantonen
gemeinsam aufgestellten Planung für eine bedarfsgerechte Spitalversorgung
entsprechen und auf der nach Leistungsaufträgen in Kategorien gegliederten
Spitalliste des Kantons aufgeführt sind, wobei private Trägerschaften
angemessen in die Planung einzubeziehen sind (Art. 39 Abs. 1 lit. d und e
KVG).

6.2 Die Beschwerdeführerin ist als Klinik mit privater Trägerschaft auf der
Spitalliste des Kantons Bern aufgeführt, mit einem Leistungsauftrag, der auch
die Coxarthroseoperation umfasst. Damit fallen die in ihrer allgemeinen
Abteilung gegenüber obligatorisch krankenversicherten Personen erbrachten
Pflichtleistungen unter den Regelungsbereich der sozialen
Krankenversicherung. Die Vorinstanz hat ihre Zuständigkeit zu Recht auch
deswegen bejaht, weil - wie das Bundesamt hier ebenfalls zutreffend ausführt
- es im vorliegenden Streit nicht um die erstmalige Festsetzung eines Tarifs
geht, sondern um die Frage, ob ein Tarif (und welcher) anwendbar ist. Das
Schiedsgericht kann im einzelnen Leistungsstreit die Anwendung eines Tarifs
auf ihre Rechtmässigkeit überprüfen (Eugster, a.a.O., S. 164 Rz 314 mit
Hinweisen zur Rechtsprechung).

6.3 Die Beschwerdeführerin will - zumindest unter den im Zeitpunkt der
durchgeführten Operation herrschenden tariflichen Bedingungen - ihre 3.
Spitalklasse nicht mit der allgemeinen Abteilung nach Art. 25 Abs. 2 lit. e
und 49 Abs. 1 und 4 KVG gleichgesetzt haben. Diese Frage ist jedoch im
Verfahren über den vorinstanzlichen Eintretensentscheid (noch) nicht zu
erörtern.

6.4 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es vorliegend um eine Streitigkeit
zwischen Versicherer und Leistungserbringer(n) geht, die Rechtsbeziehungen
zum Gegenstand hat, die sich aus dem KVG ergeben oder auf Grund des KVG
eingegangen wurden. Das Schiedsgericht hat seine Zuständigkeit zu Recht
bejaht.

7.
7.1 Da es nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von
Versicherungsleistungen geht, ist das Verfahren kostenpflichtig (Art. 134 OG
e contrario). Entsprechend dem Prozessausgang gehen die Kosten zu Lasten der
Beschwerdeführerin (Art. 156 in Verbindung mit Art. 135 OG).

7.2 Nach Art. 159 Abs. 2 OG darf im Verfahren der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde obsiegenden Behörden oder mit
öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen in der Regel keine
Parteientschädigung zugesprochen werden. In Anwendung dieser Bestimmung hat
das Eidgenössische Versicherungsgericht der SUVA und den privaten
UVG-Versicherern sowie - von Sonderfällen abgesehen - den Krankenkassen keine
Parteientschädigungen zugesprochen, weil sie als Organisationen mit
öffentlich-rechtlichen Aufgaben zu qualifizieren sind (BGE 112 V 361 Erw. 6
mit Hinweisen). Das hat grundsätzlich auch für die Trägerinnen oder
Versicherer der beruflichen Vorsorge gemäss BVG zu gelten (BGE 128 V 133 Erw.
5b, 126 V 150 Erw. 4a, 118 V 169 Erw. 7, 117 V 349 Erw. 8 mit Hinweis).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 600.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt und
mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Schiedsgericht in
Sozialversicherungsstreitigkeiten des Kantons Bern und dem Bundesamt für
Gesundheit (BAG) zugestellt.
Luzern, 26. April 2004

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: