Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen K 162/2003
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K 162/03

Urteil vom 4. Mai 2004

I. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi,
Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Schön; Gerichtsschreiber Grünvogel

Dr. med. R.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokatin Karin
Pfenninger-Hirschi, Dufourstrasse 11, 4010 Basel,

gegen

Eidgenössisches Departement des Innern, Generalsekretariat, Inselgasse 1,
3003 Bern, Beschwerdegegner

(Verfügung vom 23. Oktober 2003)

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 23. Oktober 2003 lehnte das Eidgenössische Departement des
Innern ein von Dr. med. R.________ mit Eingaben vom 9. Juli und 15. Oktober
2001 eingereichtes Gesuch um Anerkennung der Gleichwertigkeit seiner
deutschen Laborweiterbildung mit dem schweizerischen pluridisziplinären
Weiterbildungstitel "Spezialist für labormedizinische Analytik FAMH" ab.

B.
Dagegen liess Dr. med. R.________ entsprechend der Rechtsmittelbelehrung beim
Schweizerischen Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem
Antrag auf Rückweisung der Angelegenheit zwecks Sachverhaltsabklärungen unter
Gewährung des rechtlichen Gehörs und zu neuer Entscheidung; in
verfahrensmässiger Hinsicht sei die Angelegenheit für den Fall, dass sich das
angerufene Gericht als unzuständig erachte, an das Eidgenössische
Versicherungsgericht zu überweisen.

Nach durchgeführtem Meinungsaustausch überwies das Schweizerische
Bundesgericht die Angelegenheit am 23. Dezember 2003 an das Eidgenössische
Versicherungsgericht, welches den Schriftenwechsel eröffnete. Daraufhin legte
das Departement am 26. März 2004 eine am Vortag von ihm erlassene Verfügung
ins Recht, in der die angefochtene Verfügung in Wiedererwägung gezogen und
Dr. med. R.________ eine Frist von 30 Tagen zur Stellungnahme zu einem
Vorbescheid des Bundesamtes für Sozialversicherung, Abteilung Kranken- und
Unfallversicherung (seit 1. Januar 2004 im Bundesamt für Gesundheit), vom 26.
März 2003 gesetzt wurde.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Die angefochtene Verfügung beschlägt die Zulassung als Leistungserbringer
im Sinne von Art. 35 Abs. 2 lit. f und Art. 38 KVG in Verbindung mit Art. 54
Abs. 3 KVV; gemäss dieser Verordnungsbestimmung sind Laboratorien, die im
Auftrage eines anderen zugelassenen Leistungserbringers neben den Analysen
der Grundversorgung weitere Analysen durchführen, zur Tätigkeit zu Lasten der
Krankenversicherung zugelassen, wenn sich die leitende Person - welche im
vorliegenden Zusammenhang nicht interessierende weitere Voraussetzungen zu
erfüllen hat - über eine Weiterbildung in der Laboranalytik ausweist. Als
solche gilt gemäss Art. 42 Abs. 3 KLV (in der bis Ende 2003 gültigen, hier
anwendbaren Fassung; BGE 129 V 4 Erw. 1.2) die vom Schweizerischen Verband
der Leiter Medizinisch-Analytischer Laboratorien (FAMH) anerkannte
Weiterbildung in Hämatologie, klinischer Chemie, klinischer Immunologie oder
medizinischer Mikrobiologie. Über die Gleichwertigkeit einer anderen
Weiterbildung entscheidet das Departement.

1.2 Die Regelung des Art. 42 KLV beansprucht nur Geltung für das Gebiet der
Krankenversicherung nach KVG und betrifft somit einzig
Bundessozialversicherungsrecht; andere Rechtsgebiete, wie z.B. kantonale
Gewerbe- oder Gesundheitsbestimmungen, werden dadurch nicht berührt und auch
nicht präjudiziert. Dies ergibt sich schon aus einer systematischen Auslegung
der Norm, welche sich im Regelungsgebiet der Zulassung von
Leistungserbringern der Krankenversicherung befindet.

1.3 Da das Eidgenössische Versicherungsgericht gemäss Art. 128 in Verbindung
mit Art. 98 lit. b OG letztinstanzlich Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen
Verfügungen der Departemente des Bundesrates auf dem Gebiete der
Sozialversicherung beurteilt, ist der anhängig gemachte Rechtsstreit vom
Eidgenössischen Versicherungsgericht an die Hand zu nehmen, welches sich
bereits in der Vergangenheit regelmässig für die Beurteilung der Zulassung
von Leistungserbringern der Krankenversicherung als zuständig erachtete, ohne
dass indessen die vorliegende Fallkonstellation zu beurteilen war (BGE 127 V
431; Urteile H. vom 28. März 2001, K 153/99, U. vom 27. September 2001, K
136/99, M. vom 4. Juli 2001, K 79/98).

2.
Das Departement zog die angefochtene Verfügung unter Hinweis auf Art. 58 VwVG
in Wiedererwägung. Zur Begründung führte es an, dem Beschwerdeführer sei vor
Erlass der Verfügung vom 23. Oktober 2003 keine Möglichkeit geboten worden,
zur Angelegenheit gehörig Stellung zu nehmen, da ihm der Vorbescheid nicht
eröffnet worden sei; diese Verletzung des rechtlichen Gehörs führe zur
Aufhebung der angefochtenen Verfügung.

2.1 Gemäss dem vom Departement angerufenen Art. 58 VwVG kann die "Vorinstanz"
bis zu ihrer Vernehmlassung die angefochtene Verfügung in Wiedererwägung
ziehen (vgl. auch Art. 53 Abs. 3 ATSG, welche Bestimmung gemäss Art. 1 Abs. 2
lit. a KVG im Bereich der Zulassung und des Ausschlusses von
Leistungserbringern keine Anwendung findet). Für die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Eidgenössische Versicherungsgericht
fehlt es indessen an einer Vorschrift, durch die der Devolutiveffekt analog
Art. 58 VwVG eingeschränkt würde (Urteil B. vom 5. Mai 2000, M 9/99, Erw. 1a;
unveröffentlichte Urteile des Bundesgerichtes in Sachen K. vom 13. Oktober
1998, 2A.242/1998, sowie E. vom 8. Juni 1998, 2A.86/1997; Rhinow/Koller/Kiss,
Öffentliches Prozessrecht und Justizverfassungsrecht des Bundes, 1996, S. 294
Rz. 1544), womit die Wiedererwägungsverfügung vom 25. März 2004 lediglich als
Antrag auf Erlass eines Entscheides im Sinne der Verfügung entgegen genommen
werden kann. Im Übrigen kommt ihr - weil nichtig - keine Rechtswirkung zu.

2.2 Indessen kann den Ausführungen des Departementes insoweit gefolgt werden,
als von einer fehlenden Zustellung des vom BSV am 26. März 2003
ausgearbeiteten Vorbescheids vor Erlass der angefochtenen Verfügung
auszugehen ist. Ebenso ist die Einschätzung zutreffend, der Vorbescheid
umfasse in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gewichtige Gesichtspunkte,
zu denen dem Beschwerdeführer noch vor Erlass der streitigen Verfügung
Gelegenheit zur Stellungnahme hätte eingeräumt werden müssen, zumal in
Anerkennungs-, Zulassungs- und Bewilligungsverfahren der Anspruch auf
rechtliches Gehör in Form eines verstärkten Mitwirkungsrechts bei der
Abklärung der rechtserheblichen Tatsachen zum Ausdruck kommt (BGE 128 V 279
Erw. 5b/cc mit Hinweisen). Angesichts dieser Gehörsverletzung (siehe auch
Art. 30 Abs. 1 VwVG) ist den Anträgen der Parteien folgend die angefochtene
Verfügung aufzuheben und die Sache an das Departement zurückzuweisen. Dieses
wird dem Beschwerdeführer alsdann Gelegenheit geben, zum Vorbescheid vom 26.
März 2003 Stellung zu nehmen und hernach unter Berücksichtigung der
allfälligen weiteren tatsächlichen und rechtlichen Vorbringen neu verfügen.

3.
Gemäss Art. 156 Abs. 2 OG werden dem unterliegenden Departement keine
Gerichtskosten auferlegt. Indessen hat es gemäss Art. 159 Abs. 2 OG dem
obsiegenden Beschwerdeführer eine Parteientschädigung auszurichten.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird die Verfügung vom 23.
Oktober 2003 aufgehoben, und es wird die Sache an das Eidgenössisches
Departement des Innern zurückgewiesen, damit es im Sinne der Erwägungen
verfahre und über das Gesuch des Beschwerdeführers vom 9. Juli und 15.
Oktober 2001 um Anerkennung der Gleichwertigkeit seiner Weiterbildung neu
verfüge.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Das Eidgenössische Departement des Innern hat dem Beschwerdeführer für das
Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine
Parteientschädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu
bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien zugestellt.

Luzern, 4. Mai 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der I. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: