Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen K 152/2003
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K 152/03

Urteil vom 1. März 2004
II. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Schön und Frésard; Gerichtsschreiberin
Durizzo

S.________, 1948, Beschwerdeführer,

gegen

Krankenkasse KPT, Direktion, Tellstrasse 18, 3014 Bern, Beschwerdegegnerin

Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau

(Entscheid vom 28. Oktober 2003)

Sachverhalt:

A.
Mit Unfall-Anzeige vom 15. Juli 2002 teilte S.________ seiner Krankenkasse
KPT mit, dass er am 10. Juli 2002 beim Essen einer Getreidemischung auf einen
sehr harten Bestandteil gebissen und sich dabei einen Zahnschaden zugezogen
habe. Mit Verfügung vom 21. Oktober 2002 lehnte die KPT die Übernahme der für
die Zahnbehandlung veranschlagten Zahnarztkosten in der Höhe von Fr. 1'700.60
ab mit der Begründung, dass kein Unfall im Rechtssinne vorliege. Diese
Auffassung bestätigte sie mit Einspracheentscheid vom 8. Januar 2003.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons
Aargau mit Entscheid vom 28. Oktober 2003 ab.

C.
S.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt die Übernahme
der veranschlagten Zahnarztkosten durch die KPT.

Während die KPT auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst,
verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung, Abteilung
Krankenversicherung (seit 1. Januar 2004 im Bundesamt für Gesundheit), auf
eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestimmungen und Grundsätze über
die Anwendbarkeit des am 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Bundesgesetzes
über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober
2000, die Leistungspflicht des Krankenversicherers bei Zahnschäden (Art. 31
Abs. 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 2 lit. b KVG), zum Unfallbegriff nach
Art. 2 Abs. 2 KVG, welcher derselbe ist wie im Unfallversicherungsrecht (Art.
9 Abs. 1 UVV; BGE 122 V 232 f. Erw. 1) sowie insbesondere zum Begriffsmerkmal
der Ungewöhnlichkeit (BGE 122 V 233 Erw. 1 mit Hinweisen), zur
Rechtsprechung, wonach die einzelnen Umstände des leistungsbegründenden
Geschehens vom Ansprecher glaubhaft zu machen sind (BGE 116 V 140 Erw. 4b mit
Hinweis) und die Verwaltung als verfügende Instanz und - im Beschwerdefall -
das Gericht eine Tatsache nur dann als bewiesen annehmen dürfen, wenn sie von
ihrem Bestehen überzeugt sind, sowie zu dem im Sozialversicherungsrecht
geltenden Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 115 V 142 Erw.
8b; vgl. auch BGE 126 V 360 Erw. 5b mit Hinweisen) und zu den
Beweislastregeln (BGE 117 V 264 Erw. 3b mit Hinweisen, 121 V 208 Erw. 6a)
richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen.

2.
Der Beschwerdeführer bemängelt zunächst, er werde schlechter behandelt als
bei der SUVA Versicherte. Gemäss Art. 1 Abs. 2 lit. b KVG gewährt die soziale
Krankenversicherung Leistungen bei Unfall, soweit dafür keine
Unfallversicherung aufkommt. Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer
bei der KPT für die obligatorische Krankenpflegeversicherung mit Einschluss
des Unfallrisikos versichert ist. Da der Unfallbegriff nach Art. 2 Abs. 2 KVG
derselbe ist wie im Unfallversicherungsrecht (Art. 9 Abs. 1 UVV; BGE 122 V
232 f. Erw. 1), ist der Einwand des Beschwerdeführers unbegründet, denn sein
Leistungsanspruch beurteilt sich, wie die Beschwerdegegnerin in ihrer
Vernehmlassung zutreffend bemerkt, danach, ob der Unfallbegriff erfüllt ist.

3.
3.1 Der Beschwerdeführer ist der Meinung, dass sich in der Getreidemischung
ein Fremdkörper befunden habe. Den harten Gegenstand, auf den er gebissen
hat, hat er seiner Unfallversicherung eingereicht. Verwaltung und Vorinstanz
sind hingegen gestützt auf die Auskunft der M.________ vom 27. August 2002
über die Zusammensetzung des Müesli zur Auffassung gelangt, dass es sich
dabei um einen normalen Bestandteil handle und es somit an der
Ungewöhnlichkeit des äusseren Faktors als Voraussetzung für die Erfüllung des
Unfallbegriffes fehle.

3.2 Letztinstanzlich macht der Beschwerdeführer geltend, er habe den
Gegenstand von einer unabhängigen Stelle untersuchen lassen wollen. Er sei
ihm jedoch von der Beschwerdegegnerin trotz Aufforderung nicht
zurückerstattet worden.

Gemäss Art. 29 Abs. 2 BV haben die Parteien Anspruch auf rechtliches Gehör.
Das rechtliche Gehör dient einerseits der Sachaufklärung, anderseits stellt
es ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass eines
Entscheides dar, welcher in die Rechtsstellung einer Person eingreift. Dazu
gehört insbesondere das Recht, erhebliche Beweise beizubringen, mit
erheblichen Beweisanträgen gehört zu werden und an der Erhebung wesentlicher
Beweise entweder mitzuwirken oder sich zumindest zum Beweisergebnis zu
äussern, wenn dieses geeignet ist, den Entscheid zu beeinflussen (BGE 127 I
56 Erw. 2b, 127 III 578 Erw. 2c, 126 V 130 Erw. 2a; in SZS 2003 S. 500
publizierte Inhaltsangabe des Urteils S. vom 11. Dezember 2002; zu Art. 4
Abs. 1 aBV ergangene, weiterhin geltende Rechtsprechung: BGE 126 I 16 Erw.
2a/aa, 124 V 181 Erw. 1a, 375 Erw. 3b, je mit Hinweisen).

Der Umfang der Überprüfungsbefugnis des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
in Beschwerdesachen ergibt sich aus Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 und
105 OG. Nach Art. 104 lit. a OG kann mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch
des Ermessens gerügt werden. Die vorinstanzliche Feststellung des
rechtserheblichen Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie
offensichtlich unrichtig oder unvollständig ist oder unter Verletzung
wesentlicher Verfahrensbestimmungen erfolgte (Art. 104 lit. b in Verbindung
mit Art. 105 Abs. 2 OG). Im Beschwerdeverfahren um die Bewilligung oder
Verweigerung von Versicherungsleistungen (einschliesslich deren
Rückforderung) erstreckt sich dagegen die Überprüfungsbefugnis des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts auch auf die Angemessenheit der
angefochtenen Verfügung; das Gericht ist dabei nicht an die vorinstanzliche
Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden und kann über die
Begehren der Parteien zu deren Gunsten oder Ungunsten hinausgehen (Art. 132
OG; erweiterte Kognition; BGE 121 V 366 Erw. 1c, 120 V 448 Erw. 2a/aa, je mit
Hinweisen).

Aus den Akten geht hervor, dass der Beschwerdeführer bereits gegenüber seinem
Versicherer angeboten hat, selber eine Untersuchung zu veranlassen, worauf
die Beschwerdegegnerin jedoch weder in ihrer Verfügung vom 21. Oktober 2002
noch im Einspracheentscheid vom 8. Januar 2003 eingegangen ist. Damit hat sie
das Recht des Beschwerdeführers auf den Beweis verletzt, weshalb die
Vorinstanz Einspracheentscheid und Verfügung der KPT hätte aufheben müssen.
Die Sache ist demnach an die Verwaltung zurückzuweisen, damit sie den vom
Beschwerdeführer ins Recht gelegten Gegenstand untersuchen lasse.

3.3 Bei diesem Ausgang des Verfahrens erübrigt es sich, auf die weiteren
Vorbringen des Beschwerdeführers einzugehen.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird im dem Sinne gutgeheissen, dass der
Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 28. Oktober 2003
und der Einspracheentscheid der KPT vom 8. Januar 2003 aufgehoben werden und
die Sache an die KPT zurückgewiesen wird, damit sie, nach erfolgter Abklärung
im Sinne der Erwägungen, über den Leistungsanspruch neu verfüge.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugestellt.

Luzern, 1. März 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der II. Kammer:   Die Gerichtsschreiberin: