Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen I 92/2003
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I 92/03
Urteil vom 29. Oktober 2003
IV. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Ferrari und nebenamtlicher Richter
Weber; Gerichtsschreiber Widmer

M.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Advokatin Sarah Brutschin,
Henric Petri-Strasse 19, 4051 Basel,

gegen

IV-Stelle Basel-Stadt, Lange Gasse 7, 4052 Basel, Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt, Basel

(Entscheid vom 27. November 2002)

Sachverhalt:

A.
Die 1955 geborene, verheiratete M.________, Mutter zweier erwachsener Kinder,
war seit April 1992 teilzeitlich als Raumpflegerin tätig. Seit Februar 1998
führte sie 18 Stunden in der Woche Reinigungsarbeiten für die X.________ GmbH
aus. Am 30. Oktober 1998 übertrat sie sich beim Aussteigen aus dem Tram den
Fuss; am 11. Januar 1999 musste sie sich wegen einer posttraumatischen
Osteochondrose Talusrolle links einem operativen Eingriff (Arthrotomie,
Knorpelabrasio und Foragierung des Herdes) unterziehen. Am 7. Juli 1999
meldete sich M.________ unter Hinweis auf die seit dem Unfall bestehenden
Schmerzen in beiden Füssen bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug
an. Die IV-Stelle zog nebst den Akten der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt, welche für den Unfall die gesetzlichen Leistungen
erbracht hatte, und Auskünften der Arbeitgeberfirmen verschiedene
Arztberichte, u.a. des Dr. med. S.________ vom 14. Oktober 1999 und des Dr.
med. R.________ vom 9. November 2000, bei und veranlasste eine Abklärung der
Arbeitsfähigkeit im Haushalt (Bericht vom 12. Oktober 2000). Sie gelangte zur
Auffassung, dass die Versicherte ohne Gesundheitsschaden zu 57 %
Haushaltarbeiten verrichten und zu 43 % eine Erwerbstätigkeit ausüben würde.
Unter der Annahme, dass die Versicherte bei der Besorgung des Haushalts zu 60
% eingeschränkt sei und als Raumpflegerin noch in einem Teilzeitpensum von 30
% tätig sein könnte, ermittelte die IV-Stelle einen Invaliditätsgrad von 52
%, worauf sie M.________ mit Verfügung vom 21. Dezember 2001 rückwirkend ab
1. November 2000 eine halbe Invalidenrente zusprach.

B.
Die hiegegen eingereichte Beschwerde, mit welcher M.________ hatte beantragen
lassen, unter Aufhebung der Verwaltungsverfügung sei ihr ab 1. November 2002
anstelle der halben eine ganze Invalidenrente zuzusprechen, wies das
Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt ab (Entscheid vom 27. November 2002).

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt die Versicherte das vorinstanzlich
gestellte Rechtsbegehren erneuern.

Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf eine
Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen über den Invaliditätsbegriff (Art. 4 Abs.
1 IVG), den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und 1bis IVG), die
Bemessung des Invaliditätsgrades bei Erwerbstätigen nach der
Einkommensvergleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG), bei Nichterwerbstätigen,
namentlich im Haushalt tätigen Versicherten nach der spezifischen Methode
(Art. 28 Abs. 3 IVG in Verbindung mit Art. 26bis und 27 Abs. 1 und 2 IVV)
sowie bei teilerwerbstätigen Versicherten nach der gemischten Methode (Art.
27bis Abs. 1 IVV) zutreffend dargelegt. Darauf kann verwiesen werden. Zu
ergänzen ist, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz vom
6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts
(ATSG) im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, da nach dem massgebenden
Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: 21. Dezember 2001)
eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom
Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 127 V 467 Erw. 1,
121 V 366 Erw. 1b).

2.
Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdeführerin ab 1. November 2000
anstelle der halben eine ganze Invalidenrente beanspruchen kann.

2.1 Während Verwaltung und Vorinstanz den Invaliditätsgrad nach der
gemischten Methode ermittelten, wobei sie den auf die Erwerbstätigkeit
entfallenden Anteil entsprechend der zuletzt ausgeübten Teilzeitarbeit von 18
Stunden wöchentlich auf 43 % festlegten, macht die Versicherte geltend, dass
sie ohne Gesundheitsschaden vollzeitlich erwerbstätig wäre. Sie habe seit
rund zehn Jahren aus gesundheitlichen Gründen ein reduziertes Arbeitspensum
verrichtet. Der Invaliditätsgrad sei daher anhand eines Einkommensvergleichs
zu bemessen.

2.2
2.2.1Im Bericht vom 18. April 2001 hielt Dr. med. R.________ fest, dass die
Beschwerden der Versicherten sicher schon längere Zeit bestünden und
wahrscheinlich schon vor der "100 %igen-Krankschreibung" durch den Hausarzt
zu einer Reduktion der Arbeitsfähigkeit geführte hätten, die jedoch vom
Ehepaar habe kaschiert werden können. Der Arzt kann sich für diese Annahme
jedoch auf keine medizinischen Befunde, sondern einzig auf die Schilderungen
der Beschwerdeführerin stützen. In der Anmeldung zum Leistungsbezug gab die
Versicherte selbst an, die Behinderung sei dem Unfall zuzuschreiben und
bestehe seit 30. Oktober 1998. Dieses Ereignis bildet in der Tat eine Zäsur
in der Entwicklung der gesundheitlichen Situation. Nach dem Unfall wurde eine
posttraumatische Osteochondrose linke Talusrolle diagnostiziert und operativ
angegangen. Mit diesem Befund ist laut Bericht des Dr. med. S.________ vom
14. Oktober 1999 eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit verbunden, während
die übrigen Diagnosen die Einsatzfähigkeit der Versicherten nicht
beeinträchtigen. Da Dr. S.________ die Beschwerdeführerin seit 1. September
1986 behandelt und damit die Krankengeschichte in der fraglichen Periode
überblicken kann, ist auf seine Angaben abzustellen.

2.2.2 Die Beschwerdeführerin bringt sodann vor, sie hätte auf Grund der
finanziellen Situation ihrer Familie in den zehn Jahren vor der Anmeldung bei
der Invalidenversicherung eine ausserhäusliche Vollzeitbeschäftigung
ausgeübt, wenn ihr Gesundheitszustand dies erlaubt hätte. Für die Beurteilung
der Frage, in welchem Ausmass die versicherte Person einer ausserhäuslichen
Erwerbstätigkeit nachginge, wenn sie nicht invalid wäre, ist nicht
entscheidend, ob die Ausübung einer Erwerbstätigkeit infolge Unterschreitens
des Existenzminimums wirtschaftlich notwendig wäre, sondern inwieweit sie bei
den gegebenen Verhältnissen als überwiegend wahrscheinlich zu betrachten ist
(Urteil G. vom 19. August 2002, I 160/02). Die aktuellen
Einkommensverhältnisse der Familie der Versicherten gebieten keine volle
Erwerbstätigkeit, wie sich der vorinstanzlichen Verfügung betreffend
Ablehnung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege entnehmen lässt, und
auch für den Zeitraum vor der Anmeldung bei der Invalidenversicherung fehlen
Anhaltspunkte für die Notwendigkeit, das Arbeitspensum auszudehnen.

Auch mit Rücksicht auf die erheblich schwankenden Einkommen, die sich aus den
individuellen Konten der Versicherten ergeben (tiefstes Einkommen 1992: Fr.
6322.-; höchstes Einkommen 1995: Fr. 20'736.-), erscheint es ferner
unwahrscheinlich, dass die Beschwerdeführerin aus finanziellen Gründen auf
ein möglichst hohes Erwerbseinkommen angewiesen war. Andernfalls hätten sich
ihre Einkünfte kaum in einer derart grossen Spannbreite bewegt, sondern wären
regelmässig höher gewesen, allenfalls unter Inanspruchnahme von Taggeldern
der Arbeitslosenversicherung.

Für die Aufteilung der Bereiche Haushalt und Erwerbstätigkeit ist daher mit
der Vorinstanz auf die Verhältnisse vor dem Unfall vom 30. Oktober 1998 mit
Anteilen von 57 % Haushaltführung und 43 % Erwerbstätigkeit abzustellen.

3.
Die Behinderung im Haushaltbereich ist entprechend den Ergebnissen der
Abklärung an Ort und Stelle (Abklärungsbericht Haushalt vom 12. Oktober 2000)
auf 40 % festzusetzen. Dieser Bericht stellt im vorliegenden Fall eine
geeignete und genügende Grundlage für die Invaliditätsbemessung im Haushalt
dar (AHI 1997 S. 291 Erw. 4a). Gründe für ein Abweichen von den
Abklärungsresultaten werden nicht geltend gemacht und sind entgegen der nicht
näher begründeten Auffassung des kantonalen Gerichts auch nicht ersichtlich.
Insbesondere bietet auch der Bericht des Dr. med. R.________ vom 18. April
2001 keinen hinreichenden Anlass, um vom Abklärungsbericht abzugehen.

Was schliesslich die Behinderung im erwerblichen Bereich betrifft, erübrigen
sich nähere Ausführungen. Denn selbst unter Annahme voller Arbeitsunfähigkeit
in sämtlichen in Betracht fallenden Erwerbstätigkeiten ergäbe sich ein
Invaliditätsgrad von unter zwei Dritteln (40 % x 0,57 + 100 % x 0,43 = 65,8
%). Die vorinstanzlich bestätigte Zusprechung einer halben Invalidenrente
erweist sich somit als rechtens.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt,
der Ausgleichskasse Basel-Stadt und dem Bundesamt für Sozialversicherung
zugestellt.

Luzern, 29. Oktober 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der IV. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: